Nahrungsergänzung im Selbstversuch

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Nahrungsergänzung im Selbstversuch
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Lorenz Borsche

NAHRUNGS

ERGÄNZUNG

IM SELBSTVERSUCH


INHALT

Das Mittwochmorgen-Wunder

Warum bloß?

Winding back the clock – mein privater Jungbrunnen-Cocktail

Deutschland einig Mangelland

Zwei Belastungstests und eine Beobachtung

Experimente

Eupat macht den Husten weg

Nykturie oder Brokkoli für ungestörte Träume

Bluthochdruck: Zwei für Eines

Vom Champagnerbrunnen und den Blue Zones

Lithium? Lithium!

Q10 – Zehn braune Kühe und das Fuchsloch

Nachtschweiß – Trocken wie die Sahara

Alles Jod, oder was?

Das böse, böse Cholesterin?

Vitamin D: Des Rätsels Wunder?

Alles auf Zucker, oder wie?

Magnesium

Nicht nur für Männer: „Hart ist der Zahn der Bisamratte …“

Der Zaubertrank – mein Jungbrunnen-Cocktail

Professor Horvath und seine Bio-Uhr

Geht’s denn nur mit Tabletten? Was ist mit Bio-Vollkost? Yoga? Zen?

The Big Grand Theory: irreguläre Inflammation, die Ursache vieler Übel?

Kann man mit Vitamin D Corona-Lockdowns verhindern?

Statt eines Nachworts: Interview von LorenzB mit LBorsche

Anhang

Alle meine D-Links

Alle Lang- und Kurzlinks

Das Mittwochmorgen-Wunder
Kann man die Zeiger der Bio-Uhr zurückdrehen?

August 2018. Das Handy brummt. Verflixt, schon sieben Uhr. Jetzt aber schnell raus, Frühstück machen. Ich stürme aus dem Bett, die Treppe hoch zur Küche. Ich stürme? Die Treppe rauf? Halt, stop, da war doch was? Egal, jetzt erst mal die Kaffeemaschine anwerfen …

Später wird’s mir klar. Es ist ja Mittwoch … und das heißt, gestern war Skatabend! Skatabend ist furchtbar. Nein, grandios lustig. Trotzdem furchtbar, der Folgen wegen. Denn: In der Max Bar darf man rauchen – ja, in Baden-Württemberg geht das in ausgewiesenen Kneipen noch. Und obwohl nur einer von uns wirklich regelmäßig raucht – beim Skat am Dienstagabend rauchen wir alle.

Leider viele, viele Zigaretten, weil Skat ziemlich aufregend sein kann, vor allem die Ramschrunden. Und getrunken wird auch viel. Die Kollegen haben dann schon mal sieben oder gar zehn Bier auf dem Deckel. Bei mir sind es vielleicht vier, mehr Flüssigkeit geht bei mir einfach nicht. Aber ich peppe sie auf, mit mehreren „Willis“, also Williams-Birnen-Schnaps. Da kommt schon was zusammen. Nüchtern bin ich sicher nicht, wenn ich nach Hause laufe, mit viel zu viel Nikotin und auch zu viel Alkohol im Blut.

Früher hieß das normalerweise: Kurz bevor ich knapp vor zwei endlich ins Bett falle, noch eine Aspirin- und eine Paracetamol-Tablette einwerfen. Und hatte ich das vergessen, musste es morgens nachgeholt werden, dann leider schon mit dem fetten Brummschädel, den man nach einem solchen Nikotin- und Alkoholabusus erwarten darf. Aber selbst, wenn ich daran gedacht hatte, nachts noch vorzusorgen, ging’s mir am Mittwochmorgen nie wirklich gut.

Hier soll auf keinen Fall ein Lobgesang auf Schmerztabletten gesungen werden. Oder auf Skatabende mit Kippen und Bier. Außer dem Riesenspaß, den wir jeden Dienstagabend haben, gibt es dafür wirklich keine Rechtfertigung. Dafür aber folgt die Strafe auf dem Fuße, sprich: am Mittwochmorgen. Da bin ich dann todmüde und wackelig auf den Beinen. Trotzdem ziehe ich mich mühsam am Handlauf die Treppe hoch, denn eines ist mir klar: Wenn ich am Mittwochmorgen das Frühstück nicht mehr machen kann, dann muss ich wirklich etwas ändern. Und das will ich nicht. Also quäle ich mich jeden Mittwoch um sieben aus dem Bett und die Treppe rauf.

Und dann kam jener Skatabend Mitte letzten Jahres (das war 2017, drei Jahre vor Corona). Oder besser gesagt, jener Mittwochmorgen, an dem ich zwar etwas schlaftrunken, aber flott und vor allem freihändig die Treppe raufgefedert bin. Und das war bei Weitem nicht das einzig Bemerkenswerte. Erst später wurde mir klar, dass ich weder nachts präventiv Tabletten eingeworfen noch aber morgens die kleinsten Anzeichen von Kopfschmerzen oder Brummschädel bemerkt hatte. Mir war auch kein bisschen schwummerig, ich fühlte mich absolut nüchtern und die Performance auf der Treppe war wirklich außergewöhnlich, nicht nur für einen Mittwochmorgen. Was, zur Hölle, war denn hier los?

Jetzt, gut zwei Jahre später, glaube ich es zu wissen. Oder sagen wir mal, ich habe plausible Gründe anzunehmen, ich wüsste es. Denn nach jedem Skatabend mit zu viel Bier, Willis und Zigaretten bin ich glockenwach und klar im Kopf. Treppe? Ach, wurscht. Genauso wurscht wie 15 Kilometer Wandern, untrainiert, aus dem Stand. Muskelkater am nächsten Tag? Fehlanzeige. Der kam sonst immer, wenn ich wochenlang sportlich rein gar nichts gemacht hatte, dann aber – bewaffnet mit diesen unschicken Rosi-und-Christian-Stöcken – losmarschiert bin, und das gleich für viele Stunden. Muskelkater, der mir doch signalisieren sollte, dass ich viel geleistet habe, bleibt heute aus. Na gut, ein minimales Ziehen in den Waden habe ich vielleicht. Aber da muss ich schon sehr konzentriert hinfühlen. Kopfschmerzen habe ich seit dem Wundermittwoch nie mehr gehabt. Dabei war das früher etwas ganz Normales, auch ohne Skat. Eine 100er-Packung ASS hat sicher keine zwei Jahre gehalten. Und die entsprechende Menge Paracetamol kam auch noch dazu. Und jetzt? Ich kann mich nicht erinnern, wann genau ich die letzte genommen habe. Obwohl doch, irgendwann im Herbst 2018. Genau eine war’s, und zwar rein prophylaktisch. Fast schon aus alter Gewohnheit, weil die Kopfhaut ein klein bisschen ziepte, das war ich gar nicht mehr gewohnt. Eine, besser gesagt: eigentlich keine einzige notwendige in mehr als zwei Jahren. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, ich könnte eine benötigen – das ist verrückt, jedenfalls für mich und meine jahrelangen Gewohnheiten. Sonstige Malaisen? Fallen mir keine mehr ein.

Es fühlt sich an wie ein kleines Wunder. Ich fühle mich 20 Jahre jünger. Also rein körperlich. Ich bin 65 und danach sehe ich auch aus – finde ich jedenfalls. Na ja, mit viel Wohlwollen vielleicht auch wie 63. Ganz sicher aber nicht wie 50 oder noch jünger. Nicht wie Udo Jürgens, der mit 75 aussah wie 55 und in die Tasten gehauen hat, als wäre er keine 45. Auch nicht wie der FC-Bayern-Doc Müller-Wohlfahrt, bei dem man die 70 plus nur aus allernächster Nähe ahnen kann und auch nur, wenn die aufdringlichen TV-Kameras direkt auf sein Gesicht zoomen.

Mir sieht man an, dass ich zeit meines Lebens viel, sehr viel in der Sonne war, und ich habe jede Menge Lachfalten um die Augen. Und klar, vor etwa 15 Jahren fing das an mit den typischen Zipperlein des Alters. Wie heißt der hübsche Spruch? „Wenn du mit 50 morgens aufwachst und es tut dir nichts weh, dann bist du tot.“ Dann also müsste ich jetzt tot sein, denn im Gegensatz zu früher – da hatte ich morgens schon auch mal „Rücken“ – wache ich auf, als wäre ich wieder 30, fit und pumperlg’sund.

Noch während ich an diesem Text sitze, hör-lese ich Detlef Hacke im SPIEGEL jammern: „Ich bin jetzt 54, dies zur Orientierung. Morgens federe ich nicht mehr aus dem Bett, sondern rappele mich auf. Die ersten Schritte treppab sind steif, und bis meine Bewegungen halbwegs geschmeidig werden, brauche ich inzwischen fast so lange wie früher nach einer durchzechten Nacht. Vielleicht bin ich deshalb morgens am liebsten der Erste der Familie. So sieht niemand, wer da im Morgengrauen zur Kaffeemaschine stakst. Tagsüber wird es besser, aber so richtig gut auch nicht.“ (t1p.de/pcy0)1 Neuerdings steht da übrigens „Mitte 50“ statt „54“ – und ich muss grinsen, weil auch er das schöne Wort „federn“ verwendet. Mit dem Unterschied, dass ich, der zehn Jahre Ältere, tatsächlich schon morgens „federe“, Hacke, der viel Jüngere, offenbar den ganzen Tag nicht mehr. Und wenn ich daran denke, wie ich vor zehn Jahren nachts rausmusste (auch das muss ich nicht mehr), sehe ich mich ganz vorsichtig die nachtsteifen Füße in kleinsten Trippelschritten einen vor den anderen setzen, wie man das von alten Leuten kennt. Gruselig. Genauso gruselig wie das „staksen“, das Hacke oben für sich beschreibt.

 

Und jetzt? Meine früheren Kolleginnen von der eBuch eG (t1p.de/t7g5)2 und genialokal.de (t1p.de/3aqe)3, die ich ab und an besuche, sitzen im fünften Stock. Und die Stockwerke sind hoch, Industriebau halt. 5 x 10 + 5 x 9 = 95 Treppenstufen bis zu ihnen rauf. Wenn ich den Aufzug früher aus Gesundheitsgründen mal Aufzug habe sein lassen, dann wurde es ab dem vierten Stock schon etwas mühsam, und auf der letzten Treppe signalisierten meine Oberschenkel und Waden deutlich ihre Sauerstoffnot – oder was man eben dafür hält. Nachdem ich begonnen hatte, diesen Text zu schreiben, wollte ich das unbedingt noch einmal ausprobieren. Der Unterschied war drastisch. Klar, ganz oben musste ich schon einmal gut Luft holen, aber ich war durchgelaufen, und das ganz ohne die kleinen Schmerzstiche in den Oberschenkeln. Und ich bin definitiv nicht im Training: Mein kluges Pedometer (Schrittzähler), eine der besten Apps auf meinem Android-Smartphone (t1p.de/4hv6)1, sagt mir, dass ich im ersten halben Jahr 2018 im Schnitt noch jeden Tag 6000 Schritte, also knappe 3,7 Kilometer pro Tag zurückgelegt habe. Neben vielen 2000er-Durchschnittstagen waren da halt auch ein paar 17 000–20 000er-Wanderungen dabei. Seit dem Sommer waren es aber leider nur noch durchschnittlich 4000 Schritte (2,5 km/Tag), und das mit stark fallender Tendenz, denn im November waren es nur noch 3000 (1,8 km/Tag), die praktisch jeder Mensch täglich auf dem Zähler hat. Weit entfernt von den 10 000 Schritten oder circa sechs Kilometern pro Tag, die allgemein empfohlen werden. Training kann also nicht die Erklärung sein.

Ich schildere das so genau, damit Sie verstehen können, wie verwundert ich selbst bin. Natürlich tue ich etwas für meine Gesundheit, aber ich muss mich dazu nicht im Fitnessstudio kasteien. Oder besser gesagt, ich will es nicht, denn ich bin ein fauler Hund. War ich schon immer. Oder sagen wir mal bequem. Meine Bequemlichkeit habe ich immer versucht mit Einfallsreichtum auszugleichen. Wenn der Krieg der Vater aller todbringenden Erfindungen ist, dann ist die Bequemlichkeit die Mutter aller nützlichen Ideen, die den Komfort im Alltag steigern.

Es ist also definitiv nicht „Spocht“, wie Olli Dittrich sagen würde, denn Sport gegen mich selbst, wie etwa Joggen oder Gewichte stemmen, ist für mich eine echte Qual. Auch kein radikaler Alkoholverzicht, auch nicht kalt duschen, keine Gymnastik, keine Meditation, kein Yoga und ganz sicher keine hochgesunde Rohkost-Vollkorn-Ernährung. Ich gehöre eher zu den Omnivoren, sprich: Ich esse alles und Fleisch recht regelmäßig. Ja, seit einigen Jahren versuche ich Zucker zu vermeiden und andere schnelle Kohlenhydrate so weit wie möglich zu reduzieren. Ich bin aber nicht verbissen, ich versuche nur mein Gewicht zu halten, was ohne Sport deutlich schwieriger ist, weil man im Alter leider viel weniger Kalorien braucht. Natürlich esse ich regelmäßig Salat und Gemüse, aber auch Steaks, Schinken, Salami-pizza aus dem Tiefkühlregal und anderes, was zwar gut schmeckt, aber nicht unbedingt als supergesund bezeichnet werden kann.

Und trotzdem scheinen seit über zwei Jahren weder Husten noch Erkältungen eine Chance zu haben. Ich habe Leuten die Hand gegeben, die schwer geschnieft haben, die total verrotzt und fiebrig waren, ja sie sogar umarmt mit Busserl links und rechts. Und ich habe dann auch pflichtschuldigst ein bis zwei Tage später eine beißende Nase gehabt und auch ein paarmal niesen müssen – aber das ging nach gut einem Tag mit ein paar Nasentropfen wieder vorbei. Früher wäre das nicht unter einer Woche abgegangen, denn der Erstinfektion mit den Rhinoviren (da tropft die Nase, aber nur, als sei es klares Wasser, dafür brummt der Schädel) wäre nach drei Tagen die übliche bakterielle Infektion gefolgt, die wir als eigentlichen Schnupfen mit den entsprechenden unschönen Begleiterscheinungen im Taschentuch wahrnehmen. Und mit ein bisschen Pech wäre das Ganze noch in die Nebenhöhlen gezogen, meine echte Schwachstelle.

Ich bin auch heftig angehustet worden von Menschen, die sich mit diesem Husten zehn Tage lang gequält haben, habe dann selbst das Kratzen im Hals bekommen und war es nach 36 Stunden wieder los – mit ein paar Lutschpastillen. Oder praktisch sofort mit dem gestrengen Wasserdost – aber davon später.

Mein kluger Hausarzt hat übrigens in seiner ganzen Praxis striktes Handschlagverbot. Natürlich nicht aus religiösen, sondern aus sehr vernünftigen medizinischen Gründen. Das hatte er schon vor der Corona-Pandemie, und zwar nicht nur im Winter, sondern ganzjährig. Früher, mit meinen zwei bis fünf Erkältungen im Jahr, konnte ich das nur unterstützen. Damals war es mir eher egal, denn etwas war anders im Jahr 2018, sehr anders. So anders, dass es mir auffiel, obwohl doch die Abwesenheit von etwas viel schwerer zu bemerken ist als ein eintretendes Ereignis. Wenn ein Schnupfen ausfällt, wie will ich beweisen, dass er wirklich ausgefallen ist? Dass ich ihn unter anderen Umständen bekommen hätte? Beim Kater ist das schon leichter, den kann man provozieren, und ich tue das jeden Dienstag, also vier- bis fünfmal im Monat: „Tschüss Party, hallo Schmerz: Auf übermäßigen Alkoholkonsum folgt Leid. Das ist bekannt. Doch warum der Körper so reagiert, ist unklar. […] Die Mehrheit klagt über Kopfschmerzen, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Übelkeit, manche müssen sich sogar übergeben“, schreibt Janosch Deeg in einem langen Artikel über den Alkoholkater (t1p.de/9g43)1. Bei mir: nichts dergleichen. Wie sich das Leben ohne Kater anfühlt, formuliert eine trockene Alkoholikerin in der ZEIT sehr eindrücklich: „Ich wache jeden Morgen auf und habe einen klaren Kopf. Seit dem 13. September 2017 hatte ich keinen Kater mehr. Ich wache auf und bin manchmal immer noch erstaunt darüber, dass nichts gegen meine Schädeldecke hämmert, dass ich, sobald ich die Augen öffne, sofort einen klaren Gedanken fassen kann und das ist schon einmal ein Jackpot.“ (t1p.de/xasr)2

Verzicht ist ganz sicher die bessere und gesündere Methode als Alkohol plus Nikotin und dann Schmerztabletten gegen den unvermeidlich folgenden Kater. Aber selbst wenn man darauf verzichtet, hat man doch ab und an Kopfschmerzen. Und schuld ist dann das Wetter. Oder die trockene Luft im Büro. Oder eine beginnende Erkältung? Ich habe keine mehr – Kopfschmerzen meine ich. Seit über anderthalb Jahren keine einzige Stunde mehr. Und das, obwohl ich es mit den Skatabendorgien geradezu herausgefordert hatte und zu allem Überdruss auch keiner möglichen Ansteckungsquelle für eine Erkältung aus dem Weg gegangen war.

Beim Muskelkater ist die Beweisführung deutlich schwieriger, denn man bemerkt ihn ja nur, wenn man ihn hat, und vergisst ganz leicht, dass es nicht oder viel weniger gezwickt hat, als es hätte müssen – „Wäre, wäre, Fahrradkette“ (Loddar!). Und schon das kann man nicht beweisen. Aber ich sage mal so: Wenn ich jetzt, praktisch untrainiert, nach drei Stunden hartem Sport – die hätte ich vor drei Jahren sowieso nicht geschafft – oder einer spontanen 35-Kilometer-Wanderung wirklich geschafft nach Hause trotte, aber am nächsten Morgen nichts zwickt oder ziept (und das in meinem Alter!), wie, bitte schön, soll ich das anders bezeichnen als ein kleines Wunder?

Ich will von meiner Spurensuche erzählen – Sie können daraus Ihre eigenen Schlüsse ziehen. Harte Beweise habe ich nicht, dafür gibt es auch gute Gründe, aber ich werde später noch von ein paar ultimativen Belastungstests berichten. Meine momentan erstaunliche Fitness und die schier unverwüstlich scheinende Gesundheit sagen mir, dass ich wohl irgendetwas richtig mache. Der Aufwand, den ich dafür treibe, ist sehr gering – ich sagte es doch schon, ich bin bequem. Die Mühen und Kosten meines Zaubertranks sind überschaubar. Ich nehme fünf Lot Tausendgüldenkraut, drei Fledermausflügel, getrocknet und gemörsert, zwei Büschel Alraune, ein Schock Spinnenbeine, fein gehackt, eine halbe Tollkirsche, drei Gran Fliegenpilzpulver, ein Quäntchen Bilsenkraut und eine Dolde vom blauen Fingerhut für meinen Hexentrunk-Jungbrunnen. Na ja, sagen wir mal: heutige Äquivalente zu uralten Multi-Mikronährstoff-Rezepturen.

Die Zeit, die ich dafür aufbringen muss, ist das eine: einmal wöchentlich zehn bis zwölf Minuten zählen, teilen, einsortieren. Und dann zweimal täglich ungefähr zehn Sekunden, um mir den Zaubertrank, das Lebenselixier, zuzuführen. Die realen Kosten in Heller und Pfennig, Euro und Cent? Geringfügig mehr als die Mitgliedschaft bei einer sehr günstigen Fitnessstudio-Kette, aber deutlich weniger als die in einem Premium-Studio. Insgesamt auch weniger als ein Bier in der Kneipe oder ein Latte Macchiato im Café. Um die zwei Euro am Tag. Das ist es mir wert. Wer weiterliest, wird verstehen, warum.

Natürlich werde ich auch verraten, was sich hinter „Tausendgüldenkraut“ und den anderen Geheimzutaten verbirgt. Aber man möge mich richtig verstehen: Jede*r Leser*in kann mit den Informationen, die ich hier gebe, anstellen, was er oder sie will. Ich betreibe hier ausdrücklich keine Werbung für irgendetwas oder irgendwen, sondern fordere jede*n dazu auf, sich selbst weiter über alles zu informieren, was er oder sie interessant findet. Um aber etwaigen Nachfragen – Was kaufst du bei wem? Wie viel kostet es? – vorzubeugen, finden sich an der einen oder anderen Stelle Hinweise auf bestimmte Produkte. Ende der Werbedurchsage.

Dieses Buch erzählt davon, wie ich in den Jungbrunnen gefallen bin. Aber es ist eine ausdrücklich private Geschichte. Ich bin weder ein Arzt noch ein Heiler, und ich werde tunlichst vermeiden zu sagen: „Sie müssen nur dies und jenes tun, dann wird ganz sicher …“ Ich erzähle meine Geschichte.

1 t1p.de/pcy0

2 t1p.de/t7g5

3 t1p.de/3aqe

1 t1p.de/4hv6

1 t1p.de/9g43

2 t1p.de/xasr

Warum bloß?

Ach, warum denn noch ein Buch zum Thema Fitness und Gesundheit über 50? Ich habe vor zwei Jahren ein erstes Buch geschrieben, über die Ursachen und schwerwiegenden Folgen unseres täglichen Zucker-Überkonsums: Zucker – tödliche Versuchung, erschienen im Braumüller Verlag (t1p.de/LBZU)1. Zumindest einem Freund habe ich damit geholfen, dem drohenden Diabetes zu entgehen. Ein Bluttest vor einem längeren Auslandsaufenthalt ergab einen schockierenden Zuckerwert von 300 mg/dl (80–100 mg/dl gilt als normaler gesunder Wert). Der Langzeitwert HBA1c im Blut, der zwischen 4,3 und 6,2 Prozent liegen sollte, lag tatsächlich bei 11 Prozent. Klarer Fall: Prädiabetes. Erst mal verschrieb der Arzt Tabletten, um die Insulinausschüttung zu stimulieren (also mehr Insulin, um den zu vielen Zucker aus dem Blut besser in die Fettzellen zu transportieren). So befördert man das Übel, statt seine Wurzel zu bekämpfen. Die nächste Stufe ist dann normalerweise – nach Erschöpfung der Bauchspeicheldrüse – das Insulinspritzbesteck, dreimal täglich pieksen. Später dann Nerven- und Nierenschäden und zum Schluss noch der amputierte Diabetiker-Fuß. Das ist die klassische Diabetes-II-Karriere. Und der Tod kommt dann auch fünf bis sieben Jahre früher als bei Nicht-Diabetiker*innen.

Nicht alle Menschen sind mit wissenschaftlichen Größen vertraut. Vom Kilogramm (kg) wissen wir, dass es 1000 Gramm (g) sind: altgriechisch „chílioi“ heißt „tausend“. Dagegen sind „mg“ Milligramm, ein Tausendstel von einem Gramm. In diesem Fall ist es das lateinische Wort für Tausend: „milli“. Und Mikrogramm, international abgekürzt „mcg“, bei uns gerne auch „μg“ (griechisches M, gesprochen: „mü“), kommt vom griechischen „mikro“, das heißt „klein“. Ein Mikrogramm (mcg) ist wiederum ein Tausendstel von einem Milligramm, also ein Millionstelgramm.

 

Den Liter (l) kennen wir alle, aber den Deziliter (dl) kennen eher die Österreicher („an Dezi Heurigen bitte“) und Fachleute. Und dann brauchen wir auch noch nano, kurz „n“. Das kommt vor als Nanogramm (ng) oder Nanomol (nmol). „Nano“ ist die Steigerung von „mikro“, also noch mal tausendmal weniger, ein Nanogramm ist ein Milliardstelgramm. Und das Mol? Man hat alle chemischen Elemente gewogen. Und festgestellt, dass ihr Atomgewicht in Gramm eine ganz bestimmte Anzahl von Atomen enthält, nämlich ~6x10^23 Atome, eine Sechs mit 23 Nullen. Ein Mol ist nun das Gewicht eines Moleküls als miteinander verbundene Atome. Zum Beispiel Wasser: H2O hat zwei Wasserstoff-Atome (Atomgewicht circa 1) und ein Sauerstoff-Atom (16). Ein Mol Dihydrogenoxid (das wäre der korrekte chemische Name), also Wasser, wiegt 18 Gramm – das ist ungefähr ein Schnapsglas voll – und enthält eben auch 6 x 10^23 Moleküle. Oder ausgeschrieben: 600 000 000 000 000 000 000 000 – ganz schön viel, gelt?

Alle diese Größen finden Sie in der Wikipedia: t1p.de/4h6z1

Ich hatte meinem Freund jahrelang erklärt, er habe definitiv zu viele Kilos und solle nicht dauernd Schokoriegel, Knusperwaffeln und Gummibärchen in sich reinstopfen – jetzt hatte er die Quittung und war stark verstört. Aber er hatte auch mein Buch gelesen und nahm sich dann plötzlich alles zu Herzen. Verzichtete auf Zucker, reduzierte andere schnelle Kohlenhydrate und nahm binnen fünf Monaten zwanzig Kilo ab. Nach einigen Wochen schon konnte er die Tablettendosis halbieren, nach weiteren 14 Tagen ganz absetzen. Sein BMI (Body-Mass-Index) liegt jetzt bei gesunden 25, sein Nüchternzucker bei 96 mg/dl und der HBA1c bei großartigen 5,4 Prozent. Er ist wieder „clean“ und wird kein Diabetiker mehr werden. Im Januar 2020 war er mit seiner Frau mal wieder in Indien. Nach dem Aufstehen maß er 89 mg/dl und zwei Stunden nach Milchkaffee und Frühstück erst 73, dann sogar nur 70 mg/dl, perfekt, bei Nicht-Diabetikern beginnt Unterzucker erst bei 50 mg/dl (t1p.de/0z11)1.

Genau dafür hatte ich das Zucker-Büchlein geschrieben: für meine nahen Freunde und Verwandten, die wir bei der vielen Schokolade, den Muffins und Donuts um uns herum alle Gefahr laufen, uns einen Altersdiabetes einzufangen, und es hat mich riesig gefreut, dass es zumindest einem Freund, ausgerechnet einem meiner besten, so gut hat helfen können.

Und nun sitze ich hier, fühle mich rundum pudelwohl und gesünder als seit Jahrzehnten, aber auch verpflichtet, allen, die nur irgendwie über die alltäglichen Alterszipperlein klagen, meine Geschichte vom Zaubertrank zu erzählen. Wenn meine Erkenntnisse nur ein paar Menschen helfen würden, besser zu leben, gesünder zu bleiben und sich weniger alt zu fühlen, wäre das doch toll, oder?

Zu diesem Buch nur so viel: Ich schreibe eher essayistisch, ich erzähle eher so wie am Tisch mit Freund*innen. Ich will hier keine streng wissenschaftliche Arbeit vorlegen, sondern zusammentragen, was ich bei meiner Suche erfahren habe. Für nahezu jede Überzeugung kann man Studien finden, die dieses und auch jenes belegen. Die aber oft aus statistischer Sicht mangelhaft bis ungenügend sind. Darüber hinaus werden auch selbst in hochgelobten Studien andere Vorläuferstudien falsch zitiert, weil die Autoren die Fundstelle falsch verstanden und deshalb auch falsch wiedergegeben haben. Es gibt also mehrere Fehlermöglichkeiten: Der Sachbuchautor beruft sich auf eine Studie, in der das, was er behauptet, gar nicht drinsteht. Oder es steht drin, basiert aber auf einer anderen Studie, nur steht dort gar nicht drin, wovon die Studien-Autor*innen dachten, dass es da stünde. Den bekanntesten Fall, bei dem falsch abgeschrieben wurde, kennen Sie alle: Nein, Spinat wird nicht, wie jeder kleine Junge früher logischerweise vermutet hat, vom Spielzeugmagneten angezogen, und die Menge Eisen, die er enthält, ist nicht tausendmal größer als in anderem Gemüse. Es war ein falsch gesetztes Komma, das in unzähligen nachfolgenden Berichten und Ernährungsempfehlungen munter abgeschrieben wurde und so den Mythos vom supergesunden Spinat erschuf. Das dramatischste Beispiel für falsch abgeschriebene Angaben sind wohl die 17 Zeilen im Bericht eines medizinischen Assistenten zur Frage, ob Oxycontin abhängig mache. Die Behauptung, dass es nicht süchtig mache, wurde über 15 Jahre lang immer wieder zitiert, aber niemals nachgeprüft. Die Folge sind mittlerweile 400 000 Suchttote und verheerende Zustände im Rostgürtel Amerikas.

Diese beiden Fälle zeigen aber auch ein grundsätzliches Problem, auch etwa epidemiologischer Studien, sofern sie nicht an Laborratten durchgeführt werden: Bin ich darauf angewiesen, mit Angaben von Menschen zu arbeiten, sei es, was sie essen, was sie trinken, wie viel Sport sie machen und Ähnliches, ist es schwierig, zu objektiv wahren Aussagen zu kommen. Aber wer glaubt, dass dieses Problem mit ausschließlich harten Fakten beseitigt werden könne, der irrt. Die Diskussion um die Feinstaubwerte am Stuttgarter Neckartor zeigt das nachdrücklich: Ein paar Meter, um die die Messstation anders aufgestellt ist als jene in anderen Städten, machen einen Riesenunterschied, beeindrucken die Gerichte aber nicht wirklich. Das Einzige, was also Laienleser*innen eines Sachbuchs beurteilen können, ist, wie plausibel die vom Sachbuch-Autor dargelegte Überzeugung zu sein scheint. Und die hat der Autor ja kaum selbst erdacht, sondern aus vielerlei Publikationen herausgelesen und zusammengefasst. Genau darum geht es mir: Wer will, kann alles, was ich hier erzählen werde, im Netz ergoogeln. Wahrscheinlich auch Widersprüchliches und Gegenteiliges dazu. Ich werde hoffentlich keine offensichtlich falschen Fakten präsentieren, aber vielleicht manch „wild“ klingende Theorie, für die es zwar sehr starke Hinweise, aber keine harten Beweise im Sinne klinischer Studien gibt. Und die Ihr Mitdenken erfordert, wenn es darum geht, die Plausibilität zu überprüfen. Ab und an werde ich trotz allem die ein oder andere Studie zitieren und auch verlinken.

Das Fehlen klinischer Studien ist übrigens ein immer wiederkehrendes Totschlagargument der Medizinprofis, vom Ärztebund bis zur Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Wie ich später noch zeigen werde, ist der Grund für das Fehlen solcher klinischer Studien häufig, dass sie schlicht sauteuer sind, man aber mit einem billigen Wirkstoff oder einer einfachen Therapie kein Geld verdienen kann. Man würde also die Wirksamkeit solcher Stoffe oder Therapien gar nicht beweisen wollen, weil man daraus keinen Profit schlagen kann. Und niemand, wirklich niemand in der gesamten Gesundheitsindustrie scheint ein genuines Interesse an dem alten, aber wahren Spruch zu haben, dass Vorbeugen besser ist als Heilen. Von kostenlosen appellativen Aufrufen zu mehr Bewegung und etwas weniger Essen mal abgesehen.

Ein technischer Hinweis: Ich zitiere ab und an wissenschaftliche Studien, gerne auch Artikel aus der überregionalen Presse über solche. Dazu gebe ich auch Links an. Ich nutze dabei zwei Techniken: Um die langen Links bequem abtippbar zu machen, verwende ich den Kurzlink-Service t1p.de, weil der Dienst werbefrei ist, Schutz vor Spy- und Malware bietet und auch sonst viele Vorteile hat, die man in den FAQ nachlesen kann. Danke dafür an Herrn Dipl.-Inf. Weißbach aus Dresden. Da es für gewerbliche Nutzung kein Bezahlmodell gibt, habe ich gespendet – aus egoistischen Gründen: Ich möchte, dass die Links auch in ein paar Jahren noch funktionieren.

Grau, teure Leser*innen, ist jede Theorie – sehr frei nach Goethe. Ob das stimmt? Jedenfalls sind im Folgenden alle theoretischen Textteile, die gewisse naturwissenschaftliche Kenntnisse erfordern oder stärker ins Detail gehen, grau hinterlegt. Sie müssen nicht unbedingt gelesen werden, um die Grundaussage des Buchs begreifen zu können, oder können zugunsten des Leseflusses übersprungen und gegebenenfalls nachgelesen werden.

Bevor wir nun ins Thema einsteigen, eine Danksagung vorweg: Den Redaktionen der großen deutschen Presseorgane danke ich für ihre naturwissenschaftliche und medizinische Berichterstattung und den Platz, den sie diesen Themen einräumen. Einer aber besonders: der FOCUS-Gesundheitsredaktion. Keineswegs, weil dort nur die allerfundiertesten Artikel veröffentlicht würden, sondern gerade weil dort auch Absonderliches, Wundersames und Rätselhaftes seinen Platz findet, Widersprüchliches und Abweichendes. Andere Blätter, die die vermeintliche Unseriosität auf jeden Fall vermeiden wollen, wirken dagegen geradezu langweilig. Wirklich Neues entdeckt man dort eher selten. Im Gegenteil, Studien oder Meldungen, die beweisen sollen, dass irgendetwas nicht hilft, finden dort weit leichter Raum. Besonderer Dank also an den FOCUS – aber ich weiß sehr wohl, dass man Spreu und Weizen sehr scharf trennen können muss, um diese Informationsquelle wirklich sinnvoll nutzen zu können. Herr Relotius hat uns aber ja bewiesen, dass auch andernorts, zum Beispiel im ehrwürdigen SPIEGEL-Haus, mitunter heftig Spreu produziert wird – und das mit Absegnung von ganz oben. Trotzdem auch ein Dank an den SPIEGEL für die wunderbare Serie „Ein rätselhafter Patient“.

Dem SPIEGEL-Redakteur Detlev Hacke danke ich, weil er ein viel zu wenig genutztes, aber ganz wunderbares kleines Wörtchen verwendet hat für den Ausdruck körperlicher Fitness: aus dem Bett „federn“. Bei mir: die Treppe hinauf. Und der mir damit absolut und vor allem ganz wörtlich aus dem Herzen gesprochen hat.

Dem wunderbaren Texter, Autor und Freund Christian Klippel fürs Korrekturlesen.

Last, not least der klugen pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA), die mich mit ihrem profunden Fachwissen fantastisch unterstützt hat, und meinem freundlichen Hausarzt, der mich bei meinen diversen Experimenten kritisch begleitet hat und neulich beim jährlichen Check-up auf dem Ergometer meinte: „Ich drehe Sie jetzt auf den Sportler-Modus hoch, Ihr Puls kommt ja nicht auf Touren.“ Und das mir, dem faulsten Nicht-Sportler unter der Sonne.