Loe raamatut: «Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen», lehekülg 11

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und erbenlos, gründete aber zu Limburg an

der Lahn die herrliche St. Georgenkirche, die er dem

Lindwurmtöter auf derselben Stelle erbauen ließ und

weihte, wo, der Sage nach, vordem ein Lindwurm gehaust,

der der frühern Burg, wie der heutigen Stadt,

den Namen Lindburg gab, was eine spätere Zeit in

Limburg umwandelte. In dieser Kirche ist des heldenmütigen

Kurzbold Grabmal noch zu sehen.

Kapitel 6

101. Die Luftbrücke

Aus dem Ahrtale ragten stolz und kühn einst zwei

stattliche Nachbarburgen einander gegenüber, zwischen

beiden rauschte in der Taltiefe die Ahr, das

waren die Schlösser Nuwenahr und Landskron, und

hoch über dem Tale zog sich eine luftige Brücke, welche

beide Burgsitze miteinander verband. Die beiden

Herren dieser Burgen, der Graf von Nuwenahr und

der Herr von Landskron, waren so traut befreundet,

daß sie gemeinschaftlich diese Brücke bauten, welche

mit unsaglicher Kunst gefügt war, ohne Stützen und

doch dauerhaft, so daß die beiden Freunde zu jeder

Stunde beisammensein und doch auch jeder schnell

wieder in seinem Hause sein konnte, während ein

nachbarlicher Besuch durch Herabritt und Hinaufritt

mehrere Stunden in Anspruch nahm. Als diese Freunde

verstorben waren, kam die Brücke in Verfall, die

Elemente zerstörten sie, nur blieben an jeder Burg die

Brückenpfeiler, die das Ganze mächtig stützen mußten,

erhalten. Da geschah es, daß ein Rittersohn auf

Landskron seine Nachbarin, eine junge Gräfin von

Nuwenahr, liebte, die waren eingedenk ihrer Väter

Freundschaft und wünschten sich sehnend die Brücke

zurück. Da band die Grafentochter an einen Armbrustpfeil

ein Garnknaul, ganz lose gewickelt, dessen

Endfaden sie befestigte, und schoß den Pfeil zur

Nachbarburg hinüber, da waren durch den Faden die

Burgen wieder verbunden, und an dem Faden lief

noch eine dünnere Schnur mit einem Vorhangring,

daran ließen sich Brieflein und Liebespfänder hinund

herziehen in der Dämmerstunde; den dünnen

Faden, dessen Farbe nicht ganz hell und nicht ganz

dunkel war, gewahrte man kaum oben und von unten

gar nicht. Als die Herzen beider Liebenden sich nun

verständigt hatten, heirateten sie einander und bauten,

wie die Sage meldet, die Brücke noch einmal neu, und

dann ist sie wieder verfallen und nimmer wieder aufgebaut

worden, und die Burgen sind verfallen, und

Freundschaft und Liebe wohnen dort nicht mehr, ja

Burg Nuwenahr ist bis auf seine Ruinen aus der Gegenwart

hinweggeschwunden.

102. Die Gefangenen auf Altenahr

Wenn des jüngern Schlosses Nuwenahr (Neuenahr)

bauliche Überreste vom Zahne der Zeit so ganz zermalmt

sind, daß keine Spur mehr von ihnen zu erblikken

ist, so ragt dagegen um so stattlicher die stolze

Trümmer der Burg Altenahr auf felsreichem Kegelgipfel

über dem Ort gleichen Namens in die Lüfte.

Mächtige Gaugrafen beherrschten von ihr aus das

Land, und einer derselben, Graf Friedrich von Hochstaden-

Ahre, dessen Bruder Konrad von Hochstaden

als Erzbischof in Köln gebot, schenkte die ganze

Grafschaft mit den beiden Stammschlössern Ahr und

Hochstaden dem Erzstift Köln, und das Erzstift wußte

die starken Burgen wohl zu nutzen. Als einst eine Anzahl

von Rat und Bürgerschaft Kölns sich gegen den

Bischofstuhl erhob, wurden eilf Patrizier, die Führer

der gegenbischöflichen Partei, gefangengenommen

und auf Altenahr in sichern Gewahrsam gebracht. Da

schmachteten sie hart und lange, und ihr einziger Zeitund

Leidvertreib war ein Mäuselein, das sie kirre gemacht

hatten, und das ohne Scheu zu ihnen kam, doch

immer schnell, wenn es Geräusch vernahm, in sein

Loch zurückschlüpfte. Eines Tages beobachteten sie

das Mäuslein auch, wie es munter sich sehen ließ und

Brosamen knusperte – als plötzlich draußen Schlüssel

klirrten, da fuhr es schnell in sein Loch, und da hörte

einer, daß es in dem Loche auch klirrte, und begann

nun nachzusuchen, als es wieder stille und sicher geworden

war. Da fand sich in das Mauseloch verborgen

eine Feile und ein Meißel, schon etwas rostig,

aber doch noch brauchbar, so gut, daß bald genug die

Gefangenen ihre Ketten abgefeilt und ihre Bande gesprengt

hatten und die Gitterstäbe ihres Kerkerfensters

durchschnitten. Darauf zerschnitten die Gefangenen

ihre Gewande und machten Seile daraus und

knüpften diese fest aneinander und stiegen durch das

Fenster allzumal nieder, kletterten den steilen Ziegenpfad

herab und entkamen glücklich, niemand konnte

fassen und begreifen, wie solche Flucht möglich geworden.

103. Vom Siebengebürg

Von sieben Burgen, die auf nachbarlichen Berghöhen

einander nahe lagen, hat das Siebengebürge am Rhein

seinen Namen, und nicht von einem Gebirge, nicht

Mons Sibenus, wie die Alten im barbarischen Latein

es nannten, sollte es geheißen haben, sondern Heptapyrgos,

obschon diese Berggruppe auch den Namen

eines kleinen Gebirges verdient. Die Namen dieser

Burgtürme waren: Drachenfels, Wolkenburg, Löwenburg,

Dadenberg, Blankenberg, Mahlberg und Stromberg.

Die Niederländer hatten den Glauben, daß in

dem innern Bergesschoß des Siebengebürgs der Fegefeuersitz

sei, wie die Thüringer vom Hörseelberg

glaubten, wohinein auch die armen Seelen gebannt

würden, die das Jüngste Gericht den Böcken zugesellen

müsse. Die hatten also schon etwas voraus, nämlich

ihr Urteil. Bisweilen sieht man zwischen den

Burgen und Bergen, deren viel mehr als nur sieben

sind, eine und die andere Seele leibhaftig spuken

gehn; da tappt sich mühselig ein Gespenst mit beschwerten

Füßen durchs Klippengestein, das ist der

Geist eines Wucherers aus Köln, hierher verwünscht,

mit bleiernen Schuhen umzuwandeln bis zum Jüngsten

Tag. Dort flackert ein rasches großes Licht heran,

ein Feuermann, rast- und ruhelos; es ist der Geist

eines weiland sehr feurigen Staatsministers aus Bonn,

der feurig und eifrig bemüht war, das Volk zu schinden

und mit ekelhaftem Geiz Schätze für sich zu häufen,

und war ihm ganz einerlei, ob die ganze Welt zugrunde

ging, wenn er nur hatte. Ein gemütlicher

Bauer traf den Minister-Feuermann einstens bei Königswinter

an, erkannte in ihm das Glied aus der berühmten

Ministerfamilie Kümmelspalter und rief ihn

an: Warte he mant en bisken! Ick will mir mant an

ihm mine Piepe anzonden! – Su – hebbe jou Dank! –

Da pustete und prustete der Feuermann und schnob

einen ganzen Regen von Funken um sich her, mußte

aber doch stillhalten und dem Bauer die Pfeife an sich

anzünden lassen, und als der Bauer obigen Dank gesagt

hatte, fügte er noch hinzu: He is mant doch ein

schlechter Kerel geweten! Dat bisken Brennen schadt

ihm nich de Lus! – Dort fährt viermal im Jahre auf

einem Wagen mit Feuerrädern ein verdammter Bürgermeister

Kölns, der seine Stadt an den Feind verriet,

lichterloh brennend umher. Wenn die Talschluchten

Nebel dampfen aus dem Siebengebürg und Wolken

schwer um die Gipfel schweben, so sind das die

ganzen Scharen armer Seelen, die von Zeit zu Zeit aus

dem Bergesschoß, wie die Züchtlinge aus einem Philanthropin,

herausdürfen, um der frischen Luft zu genießen.

Sie müssen sich aber immer wieder hineinverziehen.

Die höchste Spitze des kleinen Gebirgs ist der

Drachenfels, er ist mit Drachen- und Lindwurmsagen

völlig umschuppt und umpanzert, es wäre mit ihnen

allein leicht ein Buch zu füllen. Hier hat der hörnene,

nicht der fälschlich so genannte gehörnte Siegfried

des alten deutschen Volksbuchs den Drachen erlegt,

gebraten und mit seinem Fett, das zu Horn erhärtete,

sich überall die Haut bestrichen, daß sie unverwundbar

ward. Nur zwischen die Achseln vermochte er

nicht zu langen, eine kleine Stelle blieb unbestrichen,

und das ward hernach die Ursache, daß der Kampfheld

erlag, denn gerade, als Siegfried sich an einem

Brunnen niederbückte und diese Stelle preisgab,

schleuderte ein boshafter Feind eine Lanze auf ihn,

die ihm tödlich ward.

104. Rolandseck

Es saß auf hoher Burg am Rhein hoch über dem

Stromtal ein junger Rittersmann, Roland geheißen,

manche sagen Roland von Angers, Neffe Karl des

Großen, der liebte ein Burgfräulein, Hildegunde, die

Tochter des Burggrafen Heribert, der auf dem nahen

Schloß Drachenfels saß, und wurde wiederum auch

von ihr geliebt. Da auch der alte Burggraf nichts

gegen die Verbindung seiner Tochter mit Ritter Roland

einzuwenden hatte, so verlobte er ihm seine geliebte

Tochter herzlich gern. Da erscholl, noch bevor

die Vermählung des Brautpaares erfolgen konnte, ein

Aufgebot der Ritterschaft gegen Hunnen und Heidenscharen,

die im Osten das Reich bedrohten, und dem

Ritter Roland geboten Pflicht und Ehre, diesem Aufgebot

zu folgen. Große Taten der Tapferkeit tat Roland

gegen die Heidenschwärme, und seine tapfere

Hand entschied den Kampf zugunsten des Christenheeres.

Davon kam die erfreuliche Kunde bald an den

Rhein und auf den Drachenfels und weckte dort große

Freude. Dann aber ward wieder eine Zeitlang keine

Kunde vom Ritter Roland vernommen. Endlich kam

ein heimkehrender Ritter am Siebengebürge vorüber

und sprach ein Nachtlager auf dem gastlichen Drachenfels

an, der verkündete, ohne daß er wußte, wie

schmerzlich für seine Wirte seine Kunde sei, daß Ritter

Roland in einem der letzten Kämpfe an seiner

Seite den Heldentod gefunden habe. Da entstand großes

Leid und Wehklagen, und Hildegunde war so

trauervoll, daß sie sogleich den Entschluß faßte, im

Kloster Nonnenwerth den Schleier zu nehmen, und da

der Bischof, der über dieses Kloster gebot, ihr Verwandter

war, so willigte er in Hildegundens dringendes

Verlangen, ihr das Probejahr zu erlassen, und ließ

sie schon nach eines Monates Frist als Nonne einkleiden.

Am folgenden Tage stieg ein Gast zum Drachenfels

empor, ward eingelassen und sah auf allen Mienen

nur Trauer. Mit Schreck und Freude erkannte Ritter

Heribert in dem Fremden den geliebten Ritter Roland.

Wohl war dieser für tot vom Schlachtfeld getragen

worden, aber wieder genesen, wohl hatte er Botschaft

gesendet, aber der Bote war nicht angelangt, und nun

fragte er nach seiner Hildegund und vernahm das

Donnerwort: Sie ist eine Nonne!

Schrecklich war, was Roland empfand. Stumm vor

Schmerz geht er vom Drachenfels herab, besteigt sein

Roß, reitet nach Rolandseck hinauf, entläßt seine Diener,

wählt sich droben einen Felsensitz, wo er herabschauen

kann nach Nonnenwerth, und schaut herab

nach der Geliebten, jeden Tag, und Mond um Mond,

und Jahr um Jahr, lebt als Einsiedler und murmelt Ge-

bete, wenn drunten im Tale die Klosterglocke klingt.

Bisweilen erblickt er die Nonne Hildegund, die aus

Trauer um ihn das ewig unlösbare Gelübde tat – bis

er einst sie lange nicht mehr sieht, bis ein Leichenzug

ihm sagt, daß sie geschieden aus dem irdischen Leben

und zum ewigen Frieden eingegangen. Und bald danach

ist Roland erblichen gefunden worden und ihr

dahin nachgegangen, wo alle liebenden Seelen im

Schoße der ewigen Liebe sich wieder einigen.

105. Die Knappschaft im Lüderich

Wie zum Bau des Kölner Domes der Drachenfels

einen großen Teil seines Gesteins lieferte, so auch lieferte

der Lüderich über Vollberg, der ein Eigentum

des Domkapitels in Köln war, sein Gestein, aber ein

edleres als der Drachenfels, zum großen Dombau, wie

die Sage geht. Der Schoß des Lüderichs gebar unermeßliche

Ausbeute seines Bergbaues, und auch früher,

schon in den Heidenzeiten, daher ward auch die

spätere christliche Knappschaft im Lüderich angesteckt

von heidnischem Wesen und allerlei Frevel.

Noch ist eine Stelle dort zu finden, welche der Heidenkeller

heißt, und die Sage kündet und deutet darauf

hin, daß der Bergbau im Lüderich Heidentum und

Christentum wohl eine Zeitlang gegenseitig bekämpft

habe, ehe es zusammenschmolz und das Christentum

den völligen Sieg errang. So gottlos war die Knappschaft,

daß sie die Räder an Karren und Göpeln aus

holländischen Käsen machten, daß sie runde Weizenbrote

den Berg hinabkollern ließen, denen etwa das

Bild der heiligen Hostien aufgedrückt war, und hinterdrein

riefen: Fall dich tot! Herrgott! fall dich tot!,

dann Steine hinterdrein schickten und schrien: Teufel!

lauf dem Herrgott nach! lauf dem Herrgott nach! –

Über solche und zahllose andere Frevel erwachte end-

lich der rächende Zorn des Himmels. Einem frommen

Hirten, der auf sonniger Trift des Lüderichs seine

Schafe weidete, erklang eine Stimme aus der Höhe:

Hirte, treibe weg vom Lüderich! – Den Herren des

Bergbaues erschien verlockend ein Jagdtier, dem sie

nacheilten, es flüchtete in die Höhle des Heidenkellers,

jene folgten, und da brachen mit einem Male

unter Donnerkrachen alle Schachte zusammen und erschlugen

die ganze Knappschaft; die Schachte ersoffen,

die Stollen wurden unfahrbar, und das Wasser,

das an einer Stelle aus dem Geklüft eines verschütteten

Stollens hervordrang, war rot vom Blute der Erschlagenen,

und immer noch quillt es, und immer

noch ist dessen Farbe rot wie Blut.

106. Die letzte Saat

Bei Mülheim, nahe dem Rhein, lag vorzeiten ein Kloster

namens Dünnwald, das war in Streit geraten über

hundert Morgen Ackerlandes mit einem nachbarlichen

Edeln, Junker Hall von Schleebusch. Das Kloster wie

der Junker sprachen dieses große Grundstück als Eigentum

an, doch hatte es der Junker im Besitz, aber

alle Nutzung verzehrten die Kosten des vor Gericht

geführten Rechtsstreites, die Anwälte, die Fürsprecher,

die Richter, die Schöffen, die Schreiber. Da bot

endlich der Junker Hall von Schleebusch gütlichen

Vergleich an und sprach zu den frommen Vätern des

Klosters Dünnwald: Fromme Väter, ich bin des langen

Haders müde, der uns beiderseits nicht frommt.

Die hundert Morgen sollen fürder und künftig für alle

Zeiten des Klosters Eigen sein, nur eins bedinge ich:

noch einmal eine, und zwar die letzte Aussaat. Ist die

zur Ernte reif und gediehen und eingebracht, so begebe

ich mich jedes Anspruchs an die hundert Morgen.

– Der Himmel stärke Euch, edler Junker, in solch

frommem Entschluß, sprach der Abt, doch seid Ihr

wohl so gnädig, dieses Versprechen uns schriftlich zu

geben. – Darauf wurde ein Brief auf Pergament doppelt

geschrieben und ausgefertigt, und der Junker hing

sein Siegel in Wachs daran, und der Abt des Klosters

das seine, und das große Konventsiegel kam auch

noch hinzu, und das des Priors, und noch zwölf Siegel

erbetener ritterlicher Zeugen, und war ein sehr schöner

Brief, diese Schenkungsurkunde auf ewige Zeiten

nach der Ernte der letzten Aussaat, die noch des Junkers

sein sollte. Junker Hall von Schleebusch ließ nun

seinen Acker bestellen und die hundert Morgen besäen,

das geschah im Herbst, und im Frühjahr ging die

Saat auf, wollte aber gar nicht recht in die Höhe

schießen wie andere Saat. Da nun das Fest der Hagelfeier

kam, wo man mit Prozessionen und Fahnen die

Felder umgeht und für sie betet, da sahen die Mönche

nach der Saat auf dem künftigen Klostererbe – aber

was sahen sie? – Eine Saat von Eicheln. – Betrug!

Betrug! schrien Abt und Prior und Konvent – aber es

half nichts, denn im Briefe stand: vnde bewilligen

ihme deme edeln junkherrn Hall vom Sleehenbosche

die letzte Vssaat sinder widerrede unde sinder alle geferde.

deßez czo gezügen han wir erbeten etc. Lange

noch freute Junker Hall von Schleebusch sich seines

schönen herrlich gedeihenden jungen Eichenwaldes,

er jagte noch Hasen und Hühner darin – die Bäume

wuchsen, und Abt und Prior und der ganze damalige

Konvent gingen einer nach dem andern zur ewigen

Ruhe der Saat, von Gott gesäet – und immer noch

wuchsen die Eichen, und im Archive der schöne Brief

wurde grau, und die Siegel wurden voll Staub, und es

dachte niemand mehr an ihn – und immer noch wuchsen

die Eichen, und das Kloster versank in Schutt und

Trümmer, und das neue Geschlecht, das gekommen

war, konnte die Schrift des alten Briefes nicht mehr

lesen.

107. Der Alte-Berg

Hoch und herrlich stand, landbeherrschend, das stolze

Grafenschloß Berg überm Tal der Dhüne und gab der

ganzen Grafschaft Berg den Namen, die hinter Jülich

und Cleve in so vielen Titeln deutscher Fürstenhäuser

unsterblich fortgeführt wird. An der Wupper wohnte

ein Vogt, Eberhard, aus dem Hause Teißerbant, der

hatte einen lieben Bruder, Adolf mit Namen, beide

besaßen die Schlösser Berg und Altena. Adolf vermählte

sich, und Eberhard minnte ein schönes Fräulein

auf Burg Odinthal, aber dieses starb in seiner Jugendblüte.

Graf Eberhard von Berg suchte seinen tiefen

Schmerz durch Waffenlärm zu übertäuben, und da

der Herzog Gottfried von Brabant dem Ritter von

Limburg und den Grafen von Berg Fehde bot, so

führte Eberhard die Scharen an und erfocht einen vollständigen

Sieg, ward aber verwundet und kam von

den Seinen hinweg, die ihn tot glauben mußten. Graf

Eberhard trat eine große Wallfahrt gen Rom an, wie

auch gen Compostell, dann kam er auf seinem Pilgergange

nach Thüringen zum Schlosse Käfernburg, wo

ein Verwandter von ihm namens Sizzo, nach andern

Sieghard, wohnte. Dieser Sizzo war es, welcher unter

der St. Johanniskirche auf dem Altenberge, wo der

heilige Bonifazius den Thüringern zuerst das Evange-

lium predigte, noch eine Kirche in des heiligen Georgs

Ehre erbaute, hernach im Tale das Kloster Asolverod

gründete, zu welcher Gründung Graf Eberhard

riet, und vom Kirchlein auf dem Georgenberge das

Kloster nun Georgenthal nannte. Und da wurde Graf

Eberhard von Berg und von der Mark der erste Abt.

Allein der demütige und fromme Sinn dieses Grafen

litt nicht lange diesen hohen Rang; er wollte dienen,

nicht herrschen, legte daher die Abtwürde zu Georgenthal

in Thüringen freiwillig nieder und zog als ein

büßender Pilgrim weiter. Da kam er zu dem Kloster

Morimund (Morimont) in der Champagne und bat daselbst

um den geringsten Dienst. Dort ließ man ihn

um Knechteslohn die Schweine hüten, und dies trieb

er unerkannt lange Jahre. Sein Bruder Adolf und nicht

minder der Bruder seiner verstorbenen Braut trugen

großes Sehnen nach dem Verlorenen, und der letztere

fand ihn auf einer Pilgerfahrt, die er zum Grabe des

heiligen Aegidius in Morimund machte, unversehens

in seinem niedern Dienste. Da nun der Freund in

Eberhard dringt, ihm zu folgen, ruft dieser aus: Ja, hin

nach dem alten Berge! Und bat den Abt von Morimund,

zwölf Klosterbrüder mit ihm in seine Heimat

ziehen zu lassen, zog heim und wandelte Schloß Berg

in ein Kloster um, das er nun, vielleicht mit aus Erinnerung

an jenes thüringische Altenberge, wo er oft auf

waldiger Höhe im Gebet gekniet hatte, auch Altenber-

ge nannte. Sein Bruder Adolf trat als Mitbegründer

auch in das neue Kloster, dem Eberhard vorstand, und

da es mit ihm zum Sterben kam und sein Bruder weinend

an seinem Lager stand, sagte er einen Tag und

eine Stunde voraus, wo er Adolf wiedersehen werde,

und genau zu derselben Stunde ging Adolf zum Tode

ein und zum Wiedersehen in dem ewigen Leben.

108. Der Klosteresel

Als die vormaligen Grafen und nun Klostermönche

Eberhard und Adolf in Altenberge gestorben waren,

wurde ein Mönch, der mit von Morimund gekommen

und dort schon Subprior gewesen war, zum Abt von

Altenberge erwählt, der hieß Berno. Unter ihm beschloß

der Konvent, das Kloster von der steilen Berghöhe,

auf der es lag, herab und in das Tal zu verlegen,

durch das die Dhüne ihre raschen Wellen rollt. Einige

schlugen nun diese, andere jene zum neuen Aufbau

geeignete Stelle vor, aber die Meinungen waren sehr

verschieden und ließen sich nicht vereinigen. Da riet

Abt Berno, die Brüder sollten doch den Klosteresel

entscheiden lassen. Da nun die Brüder mit dieser Entscheidung

vollkommen einverstanden waren, so

wurde der Esel an das Tor der alten Burg geführt und

von da seinem Gang überlassen. Der Langohr schritt

gemachsam den Berg hinab, und die Mönche folgten

ihm. Im Tale, wo der Kaibach von der Spechtshard

herunterkommt, und wo damals nur Wald und Waldwiesen

waren, stand der Esel still, trank einmal,

schaute sich um, iahte und legte sich. An dieser Stelle

nun wurde das neue Kloster erbaut. Hundert Jahre

hatte es dort bestanden, da war Konrad von Hochstaden,

welcher zum Kölner Dome den ersten Stein

legte, auch in Altenberge, und man legte dort den

Grundstein zu einer Dom- und Klosterkirche von großer

Pracht und Herrlichkeit, und in ihr sind die Grabstätten

und Grabdenkmäler fast aller Grafen und spätern

Herzoge von Berg und Mark, bis im Jahre 1511

das altberühmte edle Geschlecht erlosch.

109. Der blühende Bischofstab

Aus dem Geschlechte der Grafen vom Berge und Altena

stammte auch Bruno, der sechsundvierzigste Erzbischof

von Köln, das war gar ein andächtiger und

frommer Priester und von so großer Demut und Bescheidenheit,

daß er sich lange weigerte, sein wichtiges

Amt zu übernehmen. Es drückte ihn die hohe

Würde, und nur drei Jahre behielt er sie, dann kam er

nach Altenberge von Köln herüber, hielt noch einmal

in pontificalibus in der herrlichen Kathedrale das

Hochamt und trat dann als schlichter Zisterziensermönch

in die Schar der Brüder des Klosters Altenberge

ein. Seinen Bischofstab hing er zum Andenken

hinter dem Hochaltar der Kirche auf, diente Gott in

Treue und starb am Tage des heiligen Gregorius im

Jahre des Herrn eintausendzweihundert. Als die Brüder

früh in die Kirche kamen, die Vigilien zu singen,

war sie mit Wohlgeruch erfüllt, und dem Bischofstabe

waren Palmenzweige und weiße Lilien entsproßt, die

also dufteten. Da erkannten alle, welch ein heiliger

Mann ihr Bruder Bruno gewesen.

110. Immenkapelle

Im Kloster Altenberge lebte auch ein Klosterbruder,

der war des Klosters Bienenvater und schien nicht mit

sonders hellem Geist begabt, viel eher am Verstande

beschränkt, doch gar sinnig treu vom Herzen. Da man

nun das Allerheiligste durch die Fluren trug unter Gesängen

und Litaneien, der Saaten Wachstum und Gedeihen

zu fördern, so dachte der Bienenvater in seiner

Einfalt, wenn die heilige Hostie dem Korn und Weizen

Gedeihen gebe, so könne, werde und müsse sie

das auch dem Honig und Wachse, nahm heimlich eine

geweihte Hostie und legte sie in das Bienenhaus in

einen leeren Korb von Glas. Da schwärmten alsbald

die Immen herbei und bauten um das Heiligtum von

eitel Wachs ein überaus kunstvolles Sakramenthäuschen

mit Türen, Kuppeln, Türmchen, Spitzbogen,

Pfeilern und gar wunderzierlichem Schmuck. Darauf

kamen die Tiere des Feldes und beugten sich vor dieser

wunderbaren Monstranz. Da nun die Brüder solches

Wunder anstaunten, bekannte der Bruder Bienenvater,

was er getan, und da erhob man das Sakramenthaus

der Immen und stellte es unter Absingung

frommer Hymnen in der Klosterkirche auf, das Bienenhaus

aber ward abgebrochen und an seine Stätte

eine Kapelle gebaut, die nannte man hernach stetig

die Immenkapelle. Der Klosterbruder Bienenvater

aber ward von der Zeit noch stiller und in sich gekehrter

und starb bald darauf.

111. Nibelung von Hardenberg und der Zwerg

Goldemar

Im Jülicher Lande saß ein Edler, des Namens Nibelung

von Hardenberg, dem waren die Schlösser Hardenberg,

Hardenstein und Rauenthal, und bei ihm

wohnte ein Zwergenkönig oder Elbe, der hieß Goldemar,

der war dem Nibelung von Hardenberg und nicht

minder dessen schöner Schwester gar sehr zugetan,

gab Ratschläge und war hülfreich in allen Sachen.

Und obschon der Elb Goldemar sich nicht sehen ließ,

vielmehr stets unsichtbar blieb, so ließ er sich doch

deutlich wahrnehmen, er trank Wein mit dem Ritter,

spielte mit ihm und seiner Schwester im Brett und

selbst mit Würfeln und spielte auch die Harfe gar

wundersam, daß kein Mensch auf Erden ihr solche

Töne entlocken konnte. Wollte Nibelung sich überzeugen,

ob wirklich der Elbe bei ihm sei, so fühlte er

nach dessen Hand, und die war sehr klein, zart, weich

und warm. Dieser Elb trieb es also drei Jahre lang auf

Hardenbergs Schlössern und beleidigte niemand, da

geschah es, daß er beleidigt wurde, denn die Hausgenossen,

denen seine Anwesenheit unverborgen war,

wurden von Neugierde geplagt, ihn zu sehen und doch

zu erfahren, wie der Elbe aussähe. Da streuten sie

heimlich Asche auf den Fußboden und Erbsen, und

Goldemar der Zwerg kam, sich nichts versehend, in

den Saal und trat auf die Erbsen und glitt aus und fiel,

und seine Gestalt drückte sich in die Asche ab. Die

war aber gestaltet wie eines sehr jungen Kindes Gestalt,

und die Füße waren ungestaltet. Da kam der

Elbe Goldemar nimmer wieder auf des Hardenbergs

Schlösser. Er wandte sich anderswohin und entführte

eine Königstochter, die hieß Hertlin. Die Mutter dieser

Königstochter starb vor Leid über der Tochter

Verlust, letztere aber ward durch den sieghaften Helden

Dietrich von Bern, den alte Lieder feiern, befreit

und von ihm geehelichet. Manche sagen, daß dieses

Bern, wovon der Held Dietrich den Namen geführt,

nicht das Bern in der Schweiz, auch nicht das welsche

Bern, Verona, gewesen, sondern das rechte Dietrichs-

Bern sei Bonn gewesen, der älteste Teil dieser Stadt

habe auch Verona oder Bern geheißen, und da in dieses

rheinische Land und Gefilde so viele Taten Dietrichs

von Bern fallen, von denen in alten Heldenbüchern

viel zu lesen, so dürfte wohl etwas Wahres an

der Sache und Sage sein. Der Gezwerg Goldemar aber

habe, nachdem ihm Dietrich die Beute abgedrungen,

die Riesen zu Hülfe gerufen und Berge und Wälder

ringsum schrecklich verwüstet. Die Stadt Elberfeld

soll ihren Namen von nichts anderm tragen als von

den Elben, auf deren Felde sie begründet ward.

112. Das heilige Köln

Köln ist eine der ältesten, größesten und berühmtesten

Städte am Rhein. Es soll, nachdem seine Stätte

schon von Urvölkern bewohnt worden, sechzehn

Jahre vor Christi Geburt begründet sein, und zwar

von Marcus Agrippa, dem Tochtermann Kaiser Augusts,

daher sein lateinischer Name Colonia Agrippina,

den es noch heute führt, und der offenbar auf Römeransiedelung

hindeutet, sprächen nicht noch steinerne

Zeugnisse für deren Vorhandensein schon in

sehr früher Zeit. Es hatte die Stadt Köln so viele Kirchen

und Kapellen, als das Jahr Tage zählt, und es

birgt so viele Heiligen- und Martyrerleiber, daß der

Stadt schon in früher Zeit der Beiname der heiligen

wurde, auch ward Köln häufig das deutsche Rom genannt.

Zahllose Wunderlegenden wären von alle den

hier aufbewahrten Martyrerleibern, Schädeln und Gebeinen

zu erzählen. Die drei Weisen des Morgenlandes,

die das Christkind begabten, ruhen allda, St. Gereon

mit seinen Kriegern, St. Ursula mit ihren eilftausend

Jungfrauen, St. Georg der Drachentöter, die

Mutter der Makkabäer mit ihren Söhnen, St. Matern,

des heiligen Apostel Petrus Jünger, kein anderer als

der Sohn der Witwe zu Nain, vom heiligen Petrus mit

seinen Gefährten Eucharius und Valerianus nach

Deutschland gesendet, im Elsaß, drei Meilen von

Schlettstadt, abermals gestorben, begraben und nach

vierzig Tagen mit dem Stab St. Petri, der noch im

Kölner Domschatz vorhanden, berührt und wieder lebendig

gemacht, der erste Bischof von Köln geworden

und im einhundertundfünfzehnten Jahre seines Lebens

zum dritten und letztenmal gestorben. Und nun die

langen Reihen heiliger und frommer Bischöfe, dann

Erzbischöfe aus den edelsten und berühmtesten rheinischen

Geschlechtern, mit großer Macht begabt,

unter ihnen St. Severin, St. Cunibert u.a. Und Anno,

der heilige Erzbischof, mit dem die heilige Stadt Köln

die erste Fehde hatte, ihn unterm Banner ihrer Heiligen

und Martyrer verjagte und dann aufs neue ihm

dennoch huldigen mußte – und so viele andere. Gar

große Rechte und Freiheiten hatte die Stadt und hat

sie zum Teil noch immer, und sie stammen aus uralten

Zeiten her.

113. Der Bürger Marsilius

Zu den Heidenzeiten geschah es, daß ein römischer

Kaiser Köln belagerte und es in große Not brachte. Es

begann in der Stadt an allem zu mangeln, am meisten

aber war Mangel am Holz. Da war ein edler Bürger

und Hauptmann in der Stadt gesessen, der hieß Marsilius,

der ersann einen listigen Anschlag und gab

guten Rat. Eine Schar Frauen, als Männer verkleidet,

mußte mit Karren und Holzwagen zu dem einen Tore

aus und nach dem Walde ziehen, dort Holz zu fällen

oder auch nur so zu tun, als sei das der Schar Geschäft

und Wille, die Bürger aber unter ihrem Führer

Marsilius zogen zu einem andern Tore hinaus, um den

Feind, sobald er sich gegen die Schar der Frauen wenden

würde, in den Rücken zu fallen. Und es geschah

alles so, wie es vorgesehen war, und die Bürger drangen

mit großer Macht auf den Feind, und auch die

Frauen trugen ihre Wehren nicht zum Schein, und die

Kölner gewannen einen vollständigen Sieg, erwarben

viele Beute und gewannen eine große Schar von Gefangenen,

darunter den Kaiser selbst, der ihre Stadt

belagert. Der ward in einen tiefen Turm gelegt und

sollte dann auf offenem Markte enthauptet werden.

Schon war ein köstlicher Teppich bereitet, der des

Römerkaisers Blut trinken sollte, und schon mußte

der Kaiser auf ihn niederknieen; da sprach er: Ließet

ihr mich leben, ihr Bürger von Colonia, so sollte euch

mein Leben viel nützer sein denn mein Tod. – Da

wurde dem Henker geboten, noch zu harren, und

wurde noch einmal Rat gehalten, und Marsilius riet,

dem Kaiser das Leben zu schenken, aber von ihm

stattliche Gerechtsame zu begehren. Der Rat war den

Kölnern abermals genehm, und Marsilius und die Senatoren

entwarfen die Gerechtsame, welche sie fordern

wollten, und schrieben sie auf eine glatte Tierhaut,

und der Kaiser mußte sie besiegeln und seinen

großen Ring in ein dickes Stück Wachs auf dem pergamentnen

Brief drücken und seinen Namenszug danebenschreiben

nach alter Sitte. Solches geschah an

einem Donnerstage im Monat Junius, und hernachmals

haben die zu Köln fort und fort am Donnerstag

nach dem heiligen Pfingstfest diesen Tag begangen

und ihn Holzfahrttag geheißen und sind mit Gesang

und Spiel und Festlust nach dem Walde gezogen.

Marsilius aber ward ob seines guten Rates hoch geehrt

und der Stadt vornehmster Bürger und Hauptmann,

und als er gestorben war, wurde sein Sarg in

die Stadtmauer beigesetzt, da, wo man es nachher zu

St. Aposteln genannt hat, und ihm ein steinern Denkmal

aufgerichtet. Auch ist seine Bildsäule noch am

Gürzenich zu sehen, dem alten Kauf- und Ballhaus

der Stadt Köln, neben ihrem Begründer Marcus

Agrippa, zu ewigen Ehren und Gedächtnis.

114. Die Kölner Dom-Sage

Da man begann, den Kölner Dom zu bauen, verdroß

den Teufel mächtig, daß in der heiligen Stadt Köln,

welche schon so viele Kirchen und Kapellen hatte,

darinnen die Frommen Gott dienten, dem Herrn auch

noch so ein übergroßes Haus erbaut werden solle; der

Teufel nahm daher Menschengestaltung an, trat mit

List zu dem Baumeister und sprach zu ihm: Du übernimmst

ein unausführbar schweres Werk! Was wettest