Loe raamatut: «Morde am Hinterkreuz», lehekülg 4

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Im Dorf wurde wenig über die Ehe von Viktoria und Klaus gesprochen, und wenn doch, dann nur flüsternd, als hätte man Angst, das ohnehin schon zerbrechliche Aussehen eines Familienglücks zu zerstören.

“Viktoria ist natürlich eine bemerkenswerte Frau, aber Klaus brauchte meiner Meinung nach eher eine Hausfrau als eine Ehefrau aus Liebe”, tuschelte die alte Frau Schmidt, die auf der Veranda saß und Sonnenblumenkerne knackte. Andere, aufmerksamere, bemerkten: “Ich habe sie einmal auf dem Jahrmarkt gesehen. Sie gingen nebeneinander her wie Fremde. Kein Wort, kein Blickwechsel.” Es wurde auch gemunkelt, dass Klaus dieser Ehe lange Zeit nicht zustimmte. “Die arme Viktoria! Sie dachte, sie würde wenigstens in Klaus Unterstützung finden, aber er liebt nur ihr Land”, bedauerte sie die barmherzige Gretchen.

All diese Tuscheleien und Tratsch fügten sich zu einem erdrückenden Bild zusammen, wie ein Stacheldraht, der das Haus Gruber umgab. Niemand sprach offen darüber, aber jeder spürte: Zwischen Viktoria und Klaus klafft ein Abgrund. “Klaus brauchte einen Hof, keine Frau”, warfen sie verstohlen ein. Das Mitgefühl für Viktoria vermischte sich mit Verachtung für Klaus, und die allgemeine Atmosphäre erinnerte eher an eine Ruhe vor dem Sturm als an eine familiäre Atmosphäre. Und selbst die pessimistischsten Bewohner von Hinterkaifeck verstanden, dass eine solche Ehe kein gutes Ende nehmen würde.

Nur wenige quälende Wochen nach der Hochzeit verließ Klaus Briel, als hätte er sich wie ein Gefangener in einem goldenen Käfig gefühlt, zum Erstaunen und Gerede von ganz Hinterkaifeck plötzlich den Hof und kehrte zu seinen Eltern in den bescheidenen Weiler Lack im Bezirk Neuburg-Schrobenhausen zurück. Offiziell wurde die Ursache für seine Abreise nie bekannt gegeben, sondern in nebulöse Andeutungen und Auslassungen gehüllt. Hinter dem Schleier des Schweigens brodelten jedoch Leidenschaften und vervielfachten sich Versionen.

Einige tuschelten, dass die Ursache die unerträgliche Atmosphäre im Hause Gruber war, wo der strenge und herrschsüchtige Andreas, Viktorias Vater, alle Haushaltsmitglieder fest im Griff hatte und sich Klaus, der mehr Freiheit gewohnt war, unterdrückt und gedemütigt fühlte. Andere behaupteten, die Ursache sei ein banaler Konflikt mit Viktoria gewesen, deren Ansichten über das Leben und die Landwirtschaft völlig unvereinbar mit seinen eigenen waren.

Es hieß, ihre Ehe habe fast sofort Risse bekommen, wie Eis unter der Frühlingssonne. Streitigkeiten zwischen Viktoria und Klaus erschütterten die Stille von Hinterkaifeck, manche hörten die Schreie sogar hinter dem Dorfrand. “Viktoria weinte wie um einen Toten”, flüsterte die alte Witwe Seiler, die nebenan wohnte, – “und Klaus brüllte wie ein Tier im Käfig.”

Einige Zeugen dieser Streitigkeiten bemerkten in Viktorias Augen nicht nur Tränen der Kränkung und Enttäuschung, sondern auch eine versteckte Angst, als hätte sie nicht nur Angst vor ihrem Mann, sondern auch vor etwas Größerem. Und in den Augen von Klaus schwamm nicht nur Irritation, sondern offene Abscheu, als wäre Viktoria für ihn keine Frau, sondern eine Last. “Man sieht, er hat sie nicht aus Liebe geheiratet”, schüttelte Frau Müller den Kopf, – “sondern nur wegen des Landes. Und jetzt lässt er seinen Ärger aus.”

Es gab auch eine dritte Version, die schmutzigste und unanständigste, über die man nur mit halber Stimme hinter fest verschlossenen Fensterläden sprach. Sie betraf Andreas und sein Verhältnis zu seiner Tochter Viktoria. Es wurde getuschelt, dass zwischen Vater und Tochter eine Verbindung bestand, die das Blut in den Adern gefrieren ließ und weit über gewöhnliche Verwandtschaftsgefühle hinausging. “Er schmiegt sich zu sehr an sie, der alte Bock”, sagte eine barmherzige Nachbarin und spuckte über die Schulter. “Er schaut sie an, wie ein junges Mädchen.”

Es kursierten Gerüchte, dass Klaus, der sich in diesem perversen Dreieck überflüssig und unerwünscht fühlte, es vorzog, zu fliehen, nur um nicht Zeuge einer ungesunden Zuneigung zu werden. Es hieß, er sei oft angeblich auf Arbeitssuche unterwegs gewesen, aber in Wirklichkeit konnte er die Atmosphäre auf dem Hof einfach nicht ertragen.

Aber viele glaubten nicht an die Version von Klaus’ Flucht. Er verschwand zu verdächtig, ließ Viktoria mit ihren betagten Eltern und dem Hof zurück. Es kursierten Gerüchte, dass Andreas den unliebsamen Schwiegersohn selbst beseitigt hatte, damit ihn niemand an seinen schmutzigen Machenschaften hinderte.

Erst Jahrzehnte später, im Jahr 1952, tauchte ein neues Detail in der verworrenen Geschichte von Klaus Briel auf, das von Jakob Knecht, einem der Leiharbeiter, die auf dem Gruber-Hof gearbeitet hatten, erzählt wurde. Huber behauptete, dass Klaus seiner Meinung nach die ungesunde Nähe zwischen Viktoria und ihrem Vater Andreas nie akzeptieren konnte. “Er war keiner von denen, die so etwas ertragen können”, soll Huber gesagt haben und deutete damit auf die unerträgliche Atmosphäre im Haus hin. Es blieb unbekannt, ob Klaus die Scheidung von Viktoria plante, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, oder ob er einfach floh, weil er nicht die Kraft hatte, sich den Familiendämonen der Grubers zu widersetzen.

So oder so war Klaus’ Entscheidung, Hinterkaifeck unmittelbar nach der Hochzeit zu verlassen, ein Schatten auf der gesamten Familie Gruber und ein Vorbote kommender Unglücke. Es war wie ein Riss im Fundament des Hauses, der einen baldigen Einsturz ankündigte. Klaus’ Abreise nach Lack warf viele Fragen auf, die nie schlüssig beantwortet wurden, sondern nur neue Gerüchte und Spekulationen hervorriefen, die wie giftige Wurzeln in den Herzen der Bewohner von Hinterkaifeck wucherten.

Tatsache war jedoch, dass Klaus Gabriel nur vier Monate nach seiner Flucht nach Lack, am 14. August 1914, als Freiwilliger in das Wehrbuch eingetragen wurde. In der Spalte “Grund für den Beitritt” stand in krakeliger Schrift: “Patriotische Pflicht”.

Aber wer weiß, welche Pflicht ihn tatsächlich in die Hölle des Ersten Weltkriegs trieb? Vielleicht die Pflicht gegenüber dem Land, oder vielleicht die Pflicht gegenüber sich selbst, um zu beweisen, dass er kein Feigling, kein Flüchtling, sondern ein echter Mann ist.

Bemerkenswert ist, dass er bei der Ausfüllung der Dokumente die Adresse in Lack als Wohnadresse angab und Hinterkaifeck endgültig aus seinem Leben strich, als wäre diese Farm ein verfluchter Ort, befleckt mit Blut und Lügen, von dem man ohne Zurückzublicken fliehen musste. Und er floh. Er floh dem Krieg entgegen, den Gasangriffen, den Schützengräben, dem Schlamm und dem Tod. Er floh dorthin, wo das menschliche Leben nichts wert war, wo die gestrigen Bauern und Handwerker zu Kanonenfutter wurden, wo ganze Generationen für die Ambitionen von Königen und Generälen starben. Er floh in die Hölle, in der Hoffnung, vielleicht Erlösung von der Hölle zu finden, die ihn auf Erden verfolgte.

Am 12. Dezember desselben Jahres 1914 ereilte die Familie Gruber ein weiteres Unglück, als hätte ein böses Schicksal sie auf Schritt und Tritt verfolgt. Von der Front traf eine Nachricht ein, versiegelt mit Siegellack und durchdrungen vom Geruch von Schießpulver und Tod: Klaus Briel war irgendwo auf französischem Boden gefallen, kämpfend in den Reihen der kaiserlichen Armee. In der trockenen, bürokratischen Formulierung (“fiel den Heldentod fürs Vaterland”) wurde kein Wort darüber verloren, was er in seinen letzten Lebensminuten fühlte, woran er dachte, an wen er sich erinnerte.

Die Nachricht vom Tod ihres Mannes erreichte Viktoria, als sie ihre Tochter, die kleine Cäzilie, unter dem Herzen trug und die Neugeborene noch vor ihrer Geburt zu Waisen verurteilte. Viktoria war zu Witwenschaft und der schweren Last der alleinigen Kindererziehung verdammt.

In Hinterkaifeck, wie in vielen bayerischen Dörfern, wurden Mütter ohne Ehemänner zurückhaltend, wenn nicht gar misstrauisch behandelt. Ein uneheliches Kind galt als Schandfleck für den Ruf der Familie, und die Mutter als eine Frau, die einen Fehler begangen hatte. Natürlich wird niemand Beleidigungen offen aussprechen, aber sie wird spüren, dass sie gemieden wird. Anständige Bürger werden sich bemühen, ihren Blick nicht auf sich ruhen zu lassen, aus Angst, sich zu beschmutzen. Verheiratete Frauen werden hinter ihrem Rücken tuscheln und darüber diskutieren, wer der Vater des Kindes ist und wie es dazu kommen konnte. Der Priester wird sie zwar nicht von der Kanzel aus verfluchen, aber seine Predigten über die Reinheit der Ehe werden für Viktoria wie eine persönliche Anklage klingen. Es wird keine offene Feindseligkeit geben, aber sie wird eine kalte Distanziertheit spüren, als ob sie durch eine unsichtbare Mauer vom Rest des Dorfes getrennt wäre.

Und wer könnte sagen, was schwerer auf dem Herzen lastet: der Schmerz des Verlustes (auch wenn er nicht der glücklichste war) oder die Angst vor der Zukunft, in der sie und ihr Kind in dieser Atmosphäre der Vorsicht und Verurteilung überleben müssen?

Nach dem tragischen Tod von Klaus an der Front sah sich Viktoria neben der Trauer und der Last der Witwenschaft auch mit der Notwendigkeit konfrontiert, Eigentumsfragen zu regeln. Nach den damaligen Gesetzen ging das Viertel des Hofes Hinterkaifeck, das zuvor Klaus gehört hatte, an seinen nächsten Verwandten über – Viktoria.

So wurde Viktoria Gruber zur Alleineigentümerin von Hinterkaifeck. Alle drei Viertel des Eigentums, die zuvor ihren Eltern gehört hatten, und das von ihrem Mann geerbte Viertel standen nun zu ihrer vollen Verfügung. Sie war nicht nur die Herrin des Hauses, sondern auch die offizielle Besitzerin des Hofes und trug die volle Verantwortung für dessen Erhalt und Gedeihen.

Es schien, als hätte diese Tatsache ihre Position gestärkt und ihr eine stabile Zukunft gesichert. Doch im Fall von Hinterkaifeck wurde der Besitz des Eigentums eher zu einem Fluch als zu einem Segen, da er ihr eine unerträgliche Last der Verantwortung und Bindung an einen Ort auferlegte, der von Trauer und Geheimnissen durchdrungen war. Der Status der offiziellen Herrin verstärkte nur ihre Abhängigkeit von Hinterkaifeck und erlaubte es ihr nicht, aus dem Teufelskreis der Tragödien auszubrechen, die diesen Hof heimsuchten.

 
Kapitel 7
Absolute Macht
 
1910—1915

Nach Klaus’ Tod schien das Leben auf dem Hof Hinterkaifeck erstarrt, gelähmt nicht nur von Trauer, sondern auch von einer erdrückenden, zähen Stille. Die Tage zogen sich eintönig hin: Arbeit auf dem Feld, Pflege des Viehs, Betreuung des Kindes, endlose Hausarbeiten. Viktoria mit ihrem erloschenen Blick und ihrem abgemagerten Gesicht schien zu einem Schatten ihrer selbst geworden zu sein. Aber Stille ist bekanntlich trügerisch. Hinter den geschlossenen Fensterläden der Bauernhäuser reiften Gerüchte heran, die mit jedem Tag lauter und kühner wurden.

Und es lag nicht nur an ihrer Witwenstellung oder ihrem unehelichen Kind. Es kursierten Gerüchte, dunkle, unanständige, bei denen sich manche bekreuzigten, als würden sie böse Geister vertreiben. Diese Gerüchte betrafen ihr Verhältnis zu ihrem Vater, Andreas Gruber.

Viktoria, eine schöne und selbstbewusste Frau, die erste Sängerin des Kirchenchors, schien nun gebrochen zu sein. Vor dem Krieg war sie die alleinige Herrin des Hofes, traf Entscheidungen, wurde respektiert… oder vielmehr gefürchtet. Es kursierten Gerüchte, dass sie sich nicht vor männlicher Aufmerksamkeit scheute, obwohl dies vielleicht nur neidische Klatsch war, der aus ihrer Unabhängigkeit resultierte. Aber wie sich später herausstellte, fanden sich während der Ermittlungen drei Männer, die bereit waren, zu schwören, dass sie eine engere Beziehung zu Viktoria anstrebten.

Andreas, hochgewachsen und kräftig, auch noch nach sechzig Jahren, hatte den Hof immer fest im Griff. Besonnen, aber jähzornig – im Dorf erinnerte man sich an mindestens zwei Fälle, in denen er zu Mistgabel und Gewehr griff. Es ist seltsam, dass ihn die Spuren des Einbruchs am Vorabend der Tragödie nicht beunruhigten. Vielleicht war er zu selbstsicher, zu gewohnt, sein Territorium zu verteidigen. Aber verteidigte er nur sein Territorium?

Die Version von Andreas’ Gewalt gegenüber seiner Tochter Viktoria wirkt trotz fehlender direkter Beweise erschreckend plausibel, insbesondere im Kontext dieser Epoche und der sozialen Ordnung. Logisch argumentierend lässt sich eine Kette von Ereignissen rekonstruieren, die zu diesem düsteren Schluss führt.

Andreas, der Cäcilie heiratete, die keineswegs eine Schönheit war, fünf Jahre älter als er und außerdem Witwe, die einen Hof geerbt hatte, ließ sich höchstwahrscheinlich von kalter Berechnung leiten. Ehe aus Liebe? Kaum. Es war eher ein Geschäft, das für beide Seiten vorteilhaft war. Andreas erhielt einen Hof und Stabilität, Cäcilie – Schutz und Fortbestand der Linie. Die Eheleute bekamen Kinder, aber ein böses Schicksal verfolgte die Familie Gruber: Nur Viktoria erreichte das Erwachsenenalter, die anderen starben im Säuglingsalter, wie es leider in jenen Tagen oft vorkam.

Und so erblüht Viktoria wie eine Knospe und verwandelt sich in ein attraktives Mädchen. Und Andreas, ein Mann in seinen besten Jahren, erkennt plötzlich, dass er nicht nur seine verhasste Frau, sondern auch seine Tochter, die völlig von ihm abhängig ist, in seiner Gewalt hat. Straflosigkeit und Macht berauschen den Verstand. Was kann den Besitzer des Hofes, das Oberhaupt der Familie, einen Mann, der an bedingungslosen Gehorsam gewöhnt ist, davon abhalten, seine dunklen Wünsche zu befriedigen?

Wie der englische Historiker John Dalberg-Acton sagte: “Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.” Und Andreas, der mit uneingeschränkter Macht über seine Familie ausgestattet war, konnte der Versuchung erliegen und Viktorias Leben in einen Albtraum verwandeln.

Wusste Cäcilie von dem Inzest? Höchstwahrscheinlich ja. In engen Dorfgemeinschaften ist es schwierig, die Wahrheit zu verbergen, besonders wenn sie wie ein schwerer Verwesungsgeruch in der Luft liegt. Vielleicht bemerkte sie Andreas’ Blicke, seine Berührungen, hörte Gesprächsfetzen, spürte die bedrückende Atmosphäre im Haus. Aber als abhängige, eingeschüchterte oder einfach lebensmüde Frau zog es Cäcilie vor, die Augen vor dem Geschehen zu verschließen. Die Frau wusste von dem Inzest, aber Wissen bedeutet nicht Handeln. Entweder aus offener Angst vor ihrem Mann oder zufrieden mit dem materiellen Wohlstand, den er gewährte, zog sie es vor, im Schatten zu bleiben, ohne zu versuchen, etwas zu ändern. Ihr Schweigen wurde zur Mittäterschaft an einem Verbrechen, einer Tragödie, die sich in den Mauern des Hofes Hinterkaifeck abspielte.

Im Halbdunkel der alten Kirche, wo sich der Geruch von Weihrauch mit dem Geruch feuchter Erde vermischte, kniete Viktoria zitternd vor dem beichtstuhl. Im Kopf hämmerte es, das Herz raste, wie ein Vogel, der in einem Käfig flattert. Sie hatte lange Zeit ihren Mut zusammengenommen, diesen Moment hinausgezögert, aber die Last des Geheimnisses war unerträglich geworden und drohte, sie zu erdrücken.

Hinter der dünnen Trennwand wartete in der Stille der Priester, Pater Huber, auf sie. Gütig und aufmerksam schien er ihr der einzige Mensch zu sein, der ihren Schmerz verstehen konnte. Tief atmend begann Viktoria ihre Beichte, bemüht, leise, fast flüsternd zu sprechen, als hätte sie Angst, dass die Wände ihre Worte mithören würden.

“Vater… ich… habe gesündigt…”, begann sie und brachte die Worte nur mit Mühe hervor.

Der Priester beugte sich näher an das Gitter und antwortete mit ruhiger, ermutigender Stimme: “Hab keine Angst, meine Tochter. Gott ist barmherzig. Sprich und erleichtere deine Seele.”

Ihren Mut zusammennehmend stieß Viktoria in einem Atemzug hervor: “Ich… ich habe seit meinem sechzehnten Lebensjahr eine intime Beziehung zu meinem Vater…”

Im Beichtstuhl herrschte Stille, so dicht, dass man sie mit den Händen greifen konnte. Viktoria hielt den Atem an und wartete auf die Reaktion des Priesters. Sie hoffte auf Worte des Trostes, auf Vergebung, auf einen Rat, wie sie aus diesem Albtraum entkommen konnte.

Schließlich brach Pater Huber das Schweigen, und in seiner Stimme schwang nicht nur Mitgefühl, sondern auch Entsetzen mit: “Meine Tochter… was du sagst, ist monströs… Es ist eine abscheuliche Sünde, die nicht nur dich, sondern auch deine Familie und das Land, auf dem ihr lebt, verunreinigt…”

Viktoria weinte und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie wusste, dass ihre Sünde schrecklich war, aber sie hatte nicht erwartet, dass der Priester in einem solchen Ton mit ihr sprechen würde. Sie hatte auf Verständnis gehofft, aber nur Verurteilung erhalten.

“Was soll ich tun, Vater? Wie kann ich meine Sünde sühnen? Wie kann ich diesen Albtraum loswerden?”, fragte sie schluchzend.

Der Priester schwieg einen Moment und sagte dann mit leiser, aber fester Stimme: “Ich… ich muss nachdenken, meine Tochter. Was du mir erzählt hast, erfordert ernsthafte Überlegung. Ich werde für dich beten, und morgen früh werde ich dir meine Entscheidung mitteilen.”

Viktoria dankte dem Priester und verließ die Kirche, fühlte sich noch leerer und niedergeschlagener als zuvor. Die Hoffnung, die kaum in ihrem Herzen aufgekeimt war, war erloschen und hatte nur kalte Asche der Enttäuschung zurückgelassen.

Sie wusste noch nicht, dass Pater Huber, anstatt nach einer spirituellen Lösung für das Problem zu suchen, beschloss, sich an die weltlichen Behörden zu wenden. Da er Andreas’ Sünde für so ungeheuerlich hielt, dass sie alle kirchlichen Gesetze übertraf, brach der Priester das Beichtgeheimnis und informierte den Sheriff über den Vorfall, in der Annahme, dass er Viktoria auf diese Weise schützen und das Böse stoppen könnte, das sich in den Mauern des Hofes Hinterkaifeck abspielte. Er konnte sich nicht vorstellen, welche tragischen Folgen seine “gute Absicht” haben würde.

Das Gerücht über den Inzest verbreitete sich wie ein schlechter Ruf schnell in der Gegend und vergiftete die Beziehungen zwischen den Grubers und ihren Nachbarn. Anstelle von mitgefühl begegneten sie Ausgrenzung. Die Leute bemühten sich, ihnen auf der Straße nicht zu begegnen, vermieden Gespräche, als hätten sie Angst, dass die Sünde auf sie übergreifen würde.

Hinter ihrem Rücken wurde geflüstert:

“Ich weiß nichts über die familiären Beziehungen der Grubers. Es gab jedoch Gerüchte, dass Gruber seine Frau schlecht behandelte. Es hieß weiter, Gruber habe mit seiner Tochter Blutschande begangen.”

“Ich habe Geschichten gehört, dass der Vater (Gruber Andreas) Blutschande mit seiner leiblichen Tochter (Frau Gabriel) begangen hat. Ich weiß nicht genau, wann das passiert ist; ich habe es erst erfahren, nachdem die beiden deswegen ins Gefängnis gesteckt wurden. Meiner Meinung nach haben die beiden Blutschande begangen, als sie bereits mit Klaus Briel verheiratet war. Ich komme zu diesem Schluss, weil der junge Bauer (Klaus Briel) seine Frau verlassen hat und in sein Elternhaus zurückgekehrt ist. Ich weiß nicht, wie lange er zu diesem Zeitpunkt abwesend war. Ich selbst lebte zu dieser Zeit nicht in Groben, da ich in Fontenay meinen Dienst versah.”

Die Isolation der Familie Gruber wurde immer spürbarer, und die Schande wurde immer unerträglicher.

Die ohnehin schon ungeselligen Grubers wurden noch verschlossener. Der Hof Hinterkaifeck verwandelte sich in ihre persönliche Welt, in der sie sich selbst überlassen waren. Fahrten ins Dorf, um das Nötigste zu besorgen, wurden zu einer unangenehmen Pflicht, und der Umgang mit den Nachbarn zu einer Formalität.

Im Jahr 1915, nach mehrmonatigen, beschwerlichen Vorermittlungen, erstarrte Weidhofen in Erwartung. Im Gerichtssaal, der nach Feuchtigkeit und Mottenkugeln von alten Uniformen roch, begann ein Prozess, der die Grundfesten des gesamten Landkreises erschüttern konnte: der Prozess gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel.

Es sind nur bruchstückhafte Informationen über diesen Prozess erhalten geblieben. Das Protokoll der Gerichtsverhandlung ist spurlos verschwunden und hat Historikern und Biographen nur Raum für Spekulationen gelassen. Es ist unbekannt, wer den Fall initiiert hat, wer die ersten Aussagen gemacht hat, wer es wagte, das jahrelange Schweigen von Hinterkaifeck zu brechen.

Vor Gericht kehrte sich alles um. Viktoria, die auf Mitgefühl und Hilfe gehofft hatte, wurde vor Gericht als Mittäterin angeklagt. Man warf ihr vor, sich dem Willen ihres Vaters nicht widersetzt zu haben, dass sie geschwiegen und seine Sünde gedeckt habe. Andreas Gruber hingegen verhielt sich arrogant und selbstbewusst und stritt alle Vorwürfe ab. Was sie wirklich sagten, welche Argumente sie vorbrachten, blieb ein Geheimnis.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es überhaupt keine Veröffentlichung gab, sondern nur ein Beweisstück. Die Staatsanwaltschaft, die den Staat vertrat, nutzte es möglicherweise, um ein Gerichtsverfahren einzuleiten. Denn im Strafprozess ergänzen die Opfer nur die Klage, die Hauptrolle spielt die Anklage, die vom Staat vertreten wird.

Das Gericht fällte ein Urteil: Viktoria Gabriel wurde für schuldig befunden und zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Andreas Gruber erhielt eine härtere Strafe – ein Jahr Gefängnis. Ein Urteil, das im Dorf Erstaunen und Tuscheln auslöste. War das Gerechtigkeit oder nur der Anschein von Gerechtigkeit? Denn der Schuldige an einem grausamen Verbrechen kam mit einer so milden Strafe davon.

Wer konnte die Sünden der Grubers verraten? Der Verdacht fiel auf Maximilian Altmann, Viktorias Halbbruder. Diese Tatsache fügte dem ohnehin schon düsteren Bild noch dunklere Farben hinzu. Martin, so glaubten manche, könnte Zeuge dieser Beziehung zwischen seiner Schwester und seinem Stiefvater gewesen sein. Vielleicht hatte er dieses schreckliche Geheimnis jahrelang in sich getragen, genährt von seiner eigenen Verbitterung. Denn nach dem Tod seines Vaters erhielt Martin nur magere 100 Mark Erbe, während seine Schwester Cäcilie Starringer an ganzen 700 Mark reich wurde. Hatten ihn Neid und Gerechtigkeitssinn zu diesem Verrat getrieben?

Martin war der einzige männliche Erbe, und wer weiß, welche Gedanken in seinem Kopf herumschwirrten. Vielleicht hielt er sich für würdiger, den Hof zu verwalten als seine Halbschwester, und dieser Prozess war für ihn eine Möglichkeit, seine verlorene Position zurückzugewinnen. Es ist durchaus möglich, dass Rache für ihn der einzige Weg war, den jahrelangen Schmerz und die Demütigung zu lindern.

Es blieb jedoch unklar, wie Martin ruhig unter einem Dach mit den Menschen leben konnte, die er eines so schrecklichen Verbrechens beschuldigte. Viktoria, die herrschsüchtige Besitzerin des Hofes, hätte die Anwesenheit eines Verräters sicherlich nicht geduldet. Es sei denn natürlich, Martin war schlau genug, um im Verborgenen zu bleiben, anonym zu agieren, Informationen an die Staatsanwaltschaft weiterzugeben und dabei in Hinterkaifeck unbemerkt zu bleiben. Die wahren Motive von Maximilian Altmann werden für immer ein Rätsel bleiben, begraben unter einer Schicht aus Zeit und Klatsch.

Einer anderen Version zufolge hat Viktoria Bauer das Geheimnis verraten. Es gab Gerüchte, dass sie, ihrer Namensvetterin, Viktoria Gabriel, in einem Anfall von Verzweiflung vertraut hatte, ihr Herz ausgeschüttet und ihr von dem dunklen Geheimnis erzählt hatte, das sie quälte. Vielleicht konnte Bauer, getrieben von moralischen Prinzipien oder Mitgefühl für ihre Freundin, dieses schreckliche Geheimnis nicht bewahren. Vielleicht versuchte sie, Viktoria Gabriel zu überzeugen, sich an die Behörden zu wenden, und als diese sich weigerte, unternahm sie einen verzweifelten Schritt und schickte eine anonyme Denunziation. Vielleicht hoffte sie, Viktoria vor der Macht ihres Vaters zu retten, auch gegen ihren Willen. Was Viktoria Bauer zu einer solchen Tat bewog – Mitgefühl, Pflichtgefühl oder etwas anderes – wird für immer ein Geheimnis bleiben.

Eine weitere Version brachte den Prozess mit der Familie Gabriel in Verbindung. Viele bemerkten, dass der Fall der Blutschande kurz vor der Geburt von Cäcilie, Viktorias Tochter, aufgerollt wurde. Dies legte die Vermutung nahe, dass die Geburt des Kindes und die anschließende Anklage in irgendeiner Weise zusammenhingen. Klaus Briel senior, der Vater des im Krieg gefallenen Klaus, hatte möglicherweise schon lange die ungesunde Beziehung zwischen Viktoria und ihrem Vater vermutet.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Familie Gabriel an der Vaterschaft von Cäcilie zweifelte. Jeder Zweifel an der Herkunft des Kindes hätte als Rachemotiv dienen können.

Vielleicht informierte Klaus Briel senior anonym die Behörden über das Verbrechen, um die befleckte Ehre seines Sohnes zu rächen und die Reinheit seines Blutes zu schützen. Zudem war zu dieser Zeit zwischen den Familien Gabriel und Gruber ein Streit um das Erbe des gefallenen Klaus junior entbrannt, der den alten Mann zu entschlossenen Maßnahmen hätte bewegen können. Vielleicht war es ein listiger Schachzug im Kampf um das Familiengut, eine sorgfältig geplante Rache, getarnt als Sorge um Gerechtigkeit.

Einige tuschelten über die Arbeiter und Nachbarn, die in jenen Jahren mit dem Wiederaufbau von Hinterkaifeck beschäftigt waren. Josef Steiner bestätigte in seinen späteren Aussagen, dass in der Zeit von 1908 bis 1909 auf dem Hof fleißig gearbeitet wurde und die Einheimischen den Grubers halfen.

In seinen Aussagen erklärte er:

“Ich war mit allen Bewohnern von Hinterkaifeck gut bekannt”, behauptete er, “und half ihnen sogar bei der Ernte, auch während des Krieges, als Klaus Briel in Frankreich fiel.” Er kannte alle, außer den geheimnisvollen Fremden, die sich nie auf dem Hof von Hinterkaifeck blicken ließen.

Es gab Gerüchte, dass der alte Gruber mit seiner verwitweten Tochter “Blutschande” trieb, und Steiner behauptete sogar, gesehen zu haben, wie Gendarmen ihn deswegen auf der Wiese verhafteten – ein Vorfall, der im Nebel der Zeit liegt und Zweifel an der Richtigkeit der Erinnerungen aufwirft.

Steiner wusste nicht, wie sich Viktoria nach dem Tod ihres Mannes gegenüber Männern verhielt, aber er erinnerte sich, dass sie einmal “in gesegneten Umständen” war, und alle im Dorf tuschelten, dass der Vater des Kindes ihr eigener Vater war. Und es ging nicht um Cäcilie, die bereits auf dem Gut aufgewachsen war, sondern um den Jungen, der bei dem Mord ums Leben kam… aber dazu kommen wir noch. Steiner erinnerte sich sogar an den Herbsttag des Jahres 1919, als er half, Getreide auf dem Hof zu dreschen. Damals sagte der alte Gruber einen seltsamen Satz: “Ach, mei Buam (“meine Freunde” im lokalen Dialekt”), ich habe diese Nacht fast nicht geschlafen… letzte Nacht hat eine junge Frau entbunden… Ja, aus meiner Sicht wäre das der gewesen, der es wollte, darunter auch der Bausen-Sepp wegen mir!”

Unter “Bauersepp” verstand Gruber, wie alle verstanden, sich selbst, womit er indirekt seine Beteiligung an der Schwangerschaft seiner Tochter eingestand und seine Unzufriedenheit mit dem Vater des Kindes zum Ausdruck brachte. Wer dieser Vater war, konnte man nur raten. Aber eines war klar: Die Geheimnisse von Hinterkaifeck umhüllten wie dichter Nebel jedes Ereignis, verzerrten und brachen die Wahrheit.

Vielleicht gelang es einigen von ihnen während dieser Arbeiten, inmitten des Lärms von Sägen und Äxten etwas zu sehen oder zu hören, was sich hinter den verschlossenen Türen des Hauses verbarg. Sie beobachteten das Leben der Bewohner von Hinterkaifeck, bemerkten Seltsamkeiten in den Beziehungen zwischen Vater und Tochter, und diese Beobachtungen keimten wie Samen lange Zeit in ihrem Bewusstsein.

Aber warum schwiegen sie dann so viele Jahre? Wenn sie tatsächlich Zeugen eines Verbrechens waren, warum erschien die anonyme Anzeige erst Jahre später? Vielleicht zwang die Angst vor Andreas Gruber, einem herrschsüchtigen und grausamen Mann, sie zum Schweigen. Oder vielleicht warteten sie einfach auf den richtigen Moment, bis die Last der Schuld und des Schweigens unerträglich wurde.

Aber natürlich konnte nicht ausgeschlossen werden, dass all diese Versionen nur Vermutungen und Fantasien waren, die der menschlichen Meinung entsprungen sind. Vielleicht hatte keine der genannten Personen etwas mit dieser Geschichte zu tun. Vielleicht war die anonyme Anzeige das Werk einer ganz anderen Person, deren Motive und Name für immer ein Geheimnis bleiben werden. Und vielleicht sind all diese Vermutungen und Spekulationen nur ein Versuch, die Leere zu füllen, die durch das Fehlen der Wahrheit entstanden ist.

Die Staatsanwaltschaft Neuburg an der Donau erhob im Rahmen des Falls mit der Nummer Str.P.Reg. 105/15 Anklage, und am 28. Mai 1915 fällte das Gericht ein Urteil. Andreas Gruber und Viktoria Gabriel wurden eines Verbrechens gegen die Sittlichkeit für schuldig befunden, besser bekannt als “Blutschande”. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass in der Zeit von 1907 bis 1910 inzestuöse Beziehungen stattgefunden hatten.

§173 des deutschen Strafgesetzbuches, das in jenen Jahren in Kraft war (vom 1. Januar 1872 bis zum 1. Oktober 1953), regelte die Strafe für Inzest, d. h. für sexuelle Beziehungen zwischen nahen Verwandten. Nach diesem Paragraphen wurden Gruber und Gabriel höchstwahrscheinlich verurteilt. Der Paragraph lautete:

(1) Geschlechtsverkehr zwischen Verwandten in aufsteigender und absteigender Linie (z. B. zwischen Vater und Tochter, Großvater und Enkelin) wird im ersten Fall mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, im zweiten Fall mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

(2) Geschlechtsverkehr zwischen Verwandten in der Seitenlinie (Brüdern und Schwestern) wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.

(3) Neben der Freiheitsstrafe konnte das Gericht den Verurteilten die bürgerlichen Ehrenrechte entziehen.

(4) Minderjährige (die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben) Verwandte waren von der Strafe befreit.

Aber warum wurde Inzest gesetzlich Es tut mir leid für die ständigen Unterbrechungen. Ich werde den Text immer vollständig übersetzen. Ich versuche, die Anweisungen so genau wie möglich zu befolgen.

Hier ist der Rest der Übersetzung:

Aber warum wurde Inzest gesetzlich bestraft? Das Verbot der Blutschande hat tiefe historische Wurzeln und hängt mit einer Reihe von Faktoren zusammen. In erster Linie ist es die Sorge um die Gesundheit der Nachkommen. Genetisch verwandte Verwandte erhöhen durch sexuelle Beziehungen die Wahrscheinlichkeit der Übertragung rezessiver (versteckter) Gene, die für Erbkrankheiten verantwortlich sind. Infolgedessen können Kinder mit körperlichen Missbildungen, geistiger Behinderung und anderen Gesundheitsproblemen geboren werden.

Tasuta katkend on lõppenud.

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18+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
30 aprill 2025
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9785006700512
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