Tödliches Verlangen

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Tödliches Verlangen
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Madlen Schaffhauser

Tödliches Verlangen

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

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Impressum neobooks

Zu diesem Buch

Es ist beängstigend an einem Ort zu erwachen, an den man sich nicht erinnern kann und sich mir der Grund dafür ständig entzieht. Doch schlimmer als die dunkle Lücke sind die qualvollen Erinnerungsfetzen, die sich langsam zu einem schrecklichen Bild zusammenfügen.

Ich sollte beruhigt sein, dass meine Wunden so rasch heilen, was jedoch nur meine äusseren Verletzungen betrifft. Denn meine Seele kämpft noch lange nach innerem Frieden. Erst an dem Tag an dem ich den attraktiven, geheimnisvollen Milliardär Alexander kennenlerne, beginnt endlich meine Heilung. Vom ersten Augenblick an knistert eine sexuelle Spannung zwischen uns und auch wenn seine Berührungen für mich eine Gefahr bedeuten, verzehre ich mich nach ihnen, nach seinem Herz und nach etwas Glück...

Widmung

Ich widme diesen Roman meinem Mann Dani, der mein persönlicher Held ist. Danke für deine unermüdliche Unterstützung.

1.

Warum schmerzt mein Rücken und warum fühlt sich mein Kopf so an, als wäre ich gegen einen Baum gerannt? Etwas sticht in meine Seite, so dass es mir beinahe die Luft abdrückt. Ich weiss ich liege im Bett. Nur wo? Bestimmt nicht in meinem eigenen. Denn die Luft schmeckt nicht nach meinem zu Hause und das Laken fühlt sich nicht wie meine Bettwäsche an. Ich versuche meinen rechten Arm zu heben, aber ich zucke bei der kleinsten Bewegung gleich zusammen. Von weit her höre ich jemanden ständig meinen Namen sagen. Ich glaube es ist meine Mutter, bin mir aber nicht ganz sicher. Sie klingt irgendwie fremd. Langsam öffne ich meine Augen. Aus dem Einen sehe ich klar und deutlich meine Mutter, mit ihren schulterlangen, braunen Haaren und neben ihr einen älteren Mann, in einem weissen Kittel, den ich noch nie gesehen habe, vor mir stehen. Das andere Auge bringe ich nur einen Schlitz breit auf. Es tut höllisch weh, während ich einen Versuch starte, es offen zu halten.

Als ich den Kopf vorsichtig nach links drehe, entdecke ich auf dem Fensterbrett, verschiedene Blumensträusse in Vasen stehen. Von wem waren die alle? Warum liege ich in diesem mir unbekannten Zimmer?

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mit Pam verabredet war und dass es an der Tür klingelte, während ich gerade eines meiner Lieblingssommerkleider überstreifte. Und jetzt liege ich hier in diesem Bett. Was war nur geschehen? Meine Stimme ist nur ein leises Flüstern, als ich mich bemerkbar machen will. Trotzdem dreht sich meine Mutter sofort zu mir um, die mir bis anhin den Rücken zugewandt hatte und stellt sich neben meinem Bett auf. Sie nimmt meine linke Hand in die ihre und drückt sie ganz sanft. Ihren Anblick schockt mich zutiefst. Ihre Augen wirken rot und geschwollen. Hat sie etwa wegen mir geweint? Was nur ist passiert? Ich muss unbedingt wissen, was geschehen ist. Diese Ungewissheit frisst mich beinahe auf.

„Hallo meine Kleine. Endlich bist du wach. Ich warte schon lange auf diesen Moment.“ begrüsst mich meine Mutter und gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Hallo Mam.“ krächze ich heraus und erwidere ihren Händedruck. „Wo bin ich?“

„Im Kantonsspital.“

„Im Kantonsspital? Warum?“

„Du kannst dich tatsächlich nicht daran erinnern?“

„An was?“ Mein Hals schmerzt, während ich spreche.

„Dr. Stevens hat mir schon erzählt, dass du wahrscheinlich an einem Gedächtnisverlust leidest, aber dass du dich wirklich nicht daran erinnern kannst, kann ich kaum glauben.“

„Gedächtnisverlust? Aber...“ Ich spüre, wie ich nervös und unsicher werde. Was geht hier vor sich? Meine Mutter erhöht ihren Druck um meine Hand und bemerke sogleich, dass meine Rechte in einen weissen Verband eingewickelt ist.

„Beruhige dich meine Kleine. Es wird alles wieder gut.“ sie muss mir meine Verwirrung angesehen haben.

„Mir schmerzt der ganze Körper und ich habe keine Ahnung, was geschehen ist.“ rufe ich mit meiner angeschlagenen Stimme heraus. „Bitte sag mir endlich, warum ich hier bin.“ Ein mulmiges Gefühlt droht mich zu übermannen.

„Wenn ich das könnte.“

„Wie bin ich hierhergekommen?“

„Pam hat dich gefunden.“

„Wo?“

„Bei dir zu Hause.“

Der Mann im weissen Kittel tritt auf mich zu und streckt mir seine Hand entgegen. „Guten Tag Frau Berner. Ich bin ihr zuständiger Arzt Dr. Stevens.“

„Wie lange bin ich schon hier?“

„Seit gut sechzig Stunden.“

„Wie bitte?“ Diese Information bringt mich sofort zum husten, was mir unheimlich weh tut. Die Bewegungen, die in meinem Innern vollführt werden, sind kaum auszuhalten.

„Die Krankenschwestern haben mir mitgeteilt, dass sie immer wieder kurz aufgewacht sind, aber sie waren nie ganz bei Bewusstsein.“

„Warum kann ich mich an nichts erinnern? Ich weiss nur noch, dass ich auf meine Freundin gewartet habe.“

„Sie leiden unter einem Gedächtnisverlust? Einer sogenannten retrograde Amnesie, das durch Ihren Unfall verursacht wurde.“

„Was für einen Unfall?“

„Anscheinend sind Sie die Treppe hinuntergestürzt.“

„Ich... ich...“ Mein Gehirn versucht sich angestrengt an einen Unfall zu erinnern. Aber da ist einfach nichts ausser Dunkelheit und Leere. Pam und ich wollten seit langem wieder einmal um die Häuser ziehen und jetzt liege ich, ohne den Grund zu wissen in einem Krankenhausbett.

„Zoe.“ Mams Stimme erklingt leise neben mir. „Ich kann dir nur erzählen, was Pam gesagt hat.“

„Und das wäre?“

„Als Pam letzten Freitagabend mehrmals bei dir geklingelt hat, versuchte sie die Tür zu öffnen, die zum Glück nicht verschlossen war. Sie sah dich am Ende der Fusstreppe am Boden liegen.“

Ich versuche tief ein und auszuatmen, um zur Ruhe zu kommen, was mir aber gleich wieder einen Stich in den Brustkorb verursacht.

„Ich kann nicht glauben, dass die letzten zweieinhalb Tage aus meinem Gedächtnis verschwunden sein sollen.“ wende ich mich an den Arzt, der immer noch an meinem Bett steht.

„Machen Sie sich nicht verrückt. Kommen Sie zuerst einmal wieder zu Kräften. Danach können wir mit den Gedächtnisübungen beginnen, die ihre Erinnerungen allenfalls wieder zurückbringen werden.“

„Ist das denn möglich?“ frage ich verwundert.

„Bei einer retrograden Amnesie kann es vorkommen, muss aber nicht sein. Ich empfehle Ihnen jetzt erst einmal Ruhe. Wenn Sie etwas benötigen oder Fragen haben, wenden Sie sich bitte an die Krankenschwestern.“

Eigentlich schwirren mir etliche Fragen im Kopf herum, die ich meinem Arzt stellen möchte, aber ich bin viel zu müde dazu.

Der Arzt zeigt auf einen Bändel, der oberhalb von meinem Kopf von einer Stange herunterbaumelt. „Wenn Sie auf diesen roten Knopf drücken, wird sogleich jemand bei Ihnen sein. Ich werde gegen Abend nochmals bei Ihnen vorbeischauen. Gute Besserung Frau Berner.“ mit diesen Worten verabschiedet sich Dr. Stevens und verlässt das Zimmer mit grossen, leisen Schritten.

 

Ich wende mich wieder meiner Mutter zu. „Wo ist Dad?“

„Er ist vor einer guten Stunde zur Arbeit. Er lässt dich grüssen. Sowie deine Geschwister und Pam. Ich werde deinem Vater nachher gleich Bescheid geben, dass du erwacht bist.“

„Von wem sind all die Blumen?“

„So wie es scheint, sind die meisten von Noah.“

„Noah? War er auch hier? Hast du ihn gesehen?“

„Er ist mir einmal begegnet, als ich gerade zu dir wollte und er schon wieder auf dem Weg in sein Büro war. Aber warum sollte er nicht hier gewesen sein?“ meine Mam sieht mich fragend an.

Ich versuche ihrem Blick auszuweichen und eine gute Miene zu machen, jedoch entgeht ihr nichts.

„Sag schon, was ist los?“

„Wir haben uns gestritten.“

„Wieso habt ihr euch gestritten?“

„Das weiss ich auch nicht mehr so genau. Wahrscheinlich wieder wegen irgendeiner unnötiger Sache.“ leugne ich ihr vor.

„Wann?“

„Am Abend bevor ich den Unfall hatte.“

„Jetzt verstehe ich auch, warum er so viele Rosensträusse gebracht hat.“

„Wahrscheinlich hat er ein schlechtes Gewissen. Aber das ist mir momentan egal. Soll er doch.“ Ich fühle mich plötzlich total erschlagen und kann mein gesundes Auge kaum noch offen halten. „Mam ich brauche etwas Schlaf. Bist du mir böse?“

„Meine Kleine, natürlich nicht.“ Sie fährt mir mit ihrer zarten Hand über meinen Kopf und streicht mir ein paar meiner langen, braunen Haare aus dem Gesicht. „Erhole dich schnell wieder. Hörst du? Schliesslich ist bald dein dreissigster Geburtstag und den möchten wir gebührend mit dir feiern.“

„Ach ja mein Geburtstag.“

„Freust du dich nicht?“

„Ehrlich gesagt, nein. Im Augenblick sicher nicht. Aber es geht ja noch fast drei Wochen. Zum Glück.“ Meine Lippen bewegen sich bei den letzten Wörtern kaum noch und ich spüre wie mir meine Mutter einen Kuss auf die Stirn drückt, bevor ich in einen unruhigen Schlaf falle.

Langsam öffne ich wieder meine Augen so gut es geht. Ich habe keine Ahnung, wie lange es her ist, seit meine Mutter bei mir war und wie lange ich geschlafen habe. Ich weiss jedoch, dass mich irgendwas aus dem Schlaf geholt haben muss. Nur was? Eine kleine Bewegung neben meinem Bett erweckt meine Aufmerksamkeit.

„Hallo mein Schatz.“ begrüsst mich Noah und küsst mich auf meinen Mund.

Ich erstarre sogleich, als seine Lippen die meinen berühren. Kein Wort schlüpft aus mir heraus. Ich bin einfach nicht fähig irgendwas zu erwähnen. Vor noch nicht allzu langer Zeit genoss ich noch seine Liebkosungen. Doch dies gehört nun der Vergangenheit an. Ich wollte meiner Mam noch nicht erzählen, dass ich mich von Noah getrennt habe. Sie hätte mich mit Fragen durchlöchert. Um diese zu beantworten bin ich noch nicht bereit und habe auch keine Kraft, mich mit der ganzen Situation auseinander zu setzten.

Ich spüre wie Noah meine verbundene Hand in seine Hände nimmt und sanft mit seinen Fingern auf und ab streicht.

„Hast du starke Schmerzen?“ er schaut mir tief in die Augen.

Ich versuche meine Hand wegzuziehen, aber er lässt mich nicht los. „Was willst du hier?“

„Was für eine Begrüssung ist das denn? Habe ich das verdient?“

„Ich will dich nicht mehr sehen. Das weisst du ganz genau. Wir haben Schluss gemacht.“

„Du hast Schluss gemacht.“

„Wo ist da der Unterschied?“

„Ich habe dir gesagt, dass ich nicht bereit bin, dich gehen zu lassen.“

„Was soll das heissen?“

„Genau das was ich sage. Ich werde dir beweisen, dass ich dich für immer lieben werde und du wirst merken, dass ich der Richtige für dich bin.“

„Lass mich endlich in Ruhe.“ Mir wird fast übel bei dem Gedanken, dass er mich nicht gehen lassen will. Noch bis vor einem Jahr war ich die glücklichste Frau auf der Welt. Noah war am Anfang unserer Beziehung so aufmerksam, humor- und rücksichtsvoll, dass ich nicht anders konnte, als ihn zu lieben. Nur leider entpuppte er sich all mehr zu einem kontrollsüchtigen Freak.

Mir wir es ganz anders, als ich zum zweiten Mal versuche meine Hand von seinen zu lösen. Er lässt mich einfach nicht los und ich bin ihm hilflos ausgeliefert. Ich schaue ihn an. „Bitte lass mich in Ruhe und geh. Bitte.“

„Ich will hier bei dir sein und für dich sorgen.“

„Ich brauche dich aber nicht!“ Ich merke, wie sich meine Stimme zu einem schrillen Ton entwickelt. Mich erfasst eine gewisse Panik und lässt mich innerlich erzittern. Wo bleiben nur die Krankenschwestern und Ärzte, wenn man sie braucht? Schiesst es mir durch den Kopf. Ich bin seiner Nähe und seinem durchdringendem Blick, den ich schon seit längerer Zeit verabscheue, ausgeliefert. Fieberhaft überlege ich, wie ich ihn loswerden kann, aber es fällt mir nichts Brauchbares ein.

Ich spüre, wie sich Noah nach vorne beugt und mich küssen will. So schnell es in meinem Zustand möglich ist, drehe ich meinen Kopf zur Seite, so dass er gerade noch mein rechtes Ohr berührt.

„Lass das!“ schreie ich empört auf. Ich merke gar nicht, dass die Zimmertür halb offen steht. Erst als ich Pams Stimme höre und sich Noah versteift, bemerke ich was für eine Angst mich in Noahs Nähe ergriff. Ich atme so gut es geht tief durch und lächle meine Freundin erleichtert an.

„Verschwinde!“ höre ich Pam verärgert rufen.

„Du hast mir gar nichts zu sagen.“ Noah bleibt seelenruhig auf seinem Stuhl sitzen.

„Muss ich es wiederholen oder soll ich gleich jemanden holen, der dich rausbringt? Zoe hat mit dir Schluss gemacht und sie möchte dich nicht mehr sehen, geschweige denn etwas mit dir zu tun haben. Hast du das immer noch nicht begriffen?“

„Woher...?“ weiter kommt Noah nicht, als ihm dämmert, dass ich meiner besten Freundin von unserer Trennung erzählt haben muss. Er sieht mich mit seinem finsteren Blick, den ich in letzter Zeit öfters zu sehen bekam und mir ziemlich Angst einjagt, an. Seine Augen auf meinen geheftet steht er langsam auf. „Ich werde nicht so leicht klein beigeben. Das kannst du mir glauben und ich werde dich zurückbekommen. Das schwöre ich dir.“

Ich sehe ihm nach, wie er mit wütenden Schritten an Pam vorbeigeht und sie für eine Sekunde gereizt anstarrt. Kaum ist er draussen, schliesst Pam die Tür hinter ihm zu und kommt auf mich zu, um neben meinem Bett Platz zu nehmen.

„Ich habe von deiner Mam erfahren, dass du endlich aufgewacht bist. Wie fühlst du dich?“

„Wie sehe ich denn aus?“

„Wie ein verbeulter Apfel.“

„Was?“ frage ich verdattert.

Pam kann kaum an sich halten und fängt schlussendlich an loszulachen. Ich kann nicht anders und muss in ihr Gelächter einstimmen. Obwohl ich überall Schmerzen habe, ist unser Lachen ein wohltuender Klang in meinen Ohren. Pam versteht sich gut darin, mich auf andere Gedanken zu bringen. Sie ist ein wahrer Segen.

Als wir uns etwas erholt haben, wird die Miene meiner Freundin gleich wieder ernst, als sie meine sichtbaren Verletzungen betrachtet.

„Du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt. Weisst du das?“

„Ich kann mich leider an nichts mehr erinnern. An rein gar nichts.“

„Das ist vielleicht auch besser so. Du hast wirklich übel ausgesehen und ich dachte schon, dass ...“ Pams Stimme bricht und als ich ihr in die Augen sehe, bemerke ich Tränen, die sich einen Weg über ihr Gesicht bahnen.

Mir wird ganz flau im Magen, wenn ich daran denke, was sie soeben aussprechen wollte. Ich bin froh, dass ihr die Stimme für einen Moment versagt hat und kämpfe gegen die Tränen an, die sich in mir aufstauen.

Pam wischt sich mit einer energischen Bewegung die Tränen fort und streicht über meine bandagierte Hand.

„Ich möchte so etwas nie mehr erleben. Hörst du?“

Wir sitzen einige Minuten stumm da, was ich geniesse. Ich fühle mich immer noch müde und niedergeschlagen. Sowas kenne ich gar nicht von mir. Ich schliesse meine Augen und dämmere vor mich hin, bis Pams Stimme mich aus meinen wirren Gedanken reisst.

„Was wollte Noah hier? Du hast doch Schluss gemacht oder ist das schon nicht mehr der Fall?“

„Er will es nicht wahrhaben, dass wir keine gemeinsame Zukunft haben werden. Sieh dir die vielen Rosensträusse an.“ Ich bewege langsam den Kopf Richtung Fenster. „Anscheinend sind die meisten von ihm.“

„Es gefällt mir nicht, dass er dich besuchen kommt. Er hat irgendwas an sich, dass mir nicht geheuer ist.“

„Du darfst nicht so streng zu ihm sein. Er ist manchmal ein etwas aufgebrachter Typ und stur, aber ansonsten total lieb.“

„Gibst du ihm eine zweite Chance?“

„Eine zweite Chance? Er hatte schon einiges mehr als zwei Chancen und nichts hat sich seit unserer Trennung geändert. Ich habe ihn wirklich von ganzem Herzen geliebt, aber seine ständige Eifersucht und seine Kontrollen, haben alles kaputt gemacht. Mein Leben bestand nur noch aus uns beiden. Wenn ich mit dir ausgehen wollte, hatten wir jedes Mal einen fürchterlichen Streit. Ich kann von Glück reden, dass ich nicht mit ihm zusammenzog, als er mich darum bat.“

„Davon hast du mir ja gar nichts erzählt.“

„Das war auch erst vor ein paar Tagen."

„Wie hat er darauf reagiert?“

„Nicht so angenehm. Er hat mich angeschrien, geriet völlig ausser sich und hat meine Sachen um sich geschleudert.“

„Der gehört doch in die Klapse.“

„Jetzt bist du etwas unfair.“

„Warum? Weil er dir Angst eingejagt hat oder...?“

„Du weisst, dass er ein ganz liebevoller Mann sein kann." schneide ich ihr das Wort ab. „Er ist zärtlich und kann gut zuhören. Er hat mir sehr über die Zeit hinweggeholfen, als das mit meiner Schwester war.“

„Aber das ist nun schon über zwei Jahre her und sie hat sich ausgezeichnet erholt. Was ich jedoch sehe, ist dass du in letzter Zeit nicht so glücklich gewesen bist, wie du es eigentlich sein solltest.“

„Ich habe nicht gesagt, dass ich zu ihm zurück gehe. Ich wollte nur, dass du verstehst, dass er auch gute Seiten an sich hat. Sonst wäre ich doch wohl nicht so lange mit ihm zusammen geblieben.“

„Ich möchte dich glücklich sehen. Das ist alles.“

„So wie du mit Ayden?“

Ich sehe, wie sich die Röte in Pams Wangen ausbreitet. Nur schon den Namen ihres Angebeteten verleiht ihr ein kleines Schamgefühl.

„Ja genau.“

„Ich freue mich, dass ihr endlich zueinander gefunden habt. Hat ja eine halbe Ewigkeit gedauert.“

„Ich liebe ihn.“

„Ich weiss.“

Wir lächeln uns an, während sie sich von ihrem Stuhl erhebt.

„Ich lasse dich jetzt alleine, damit du dich ausruhen kannst.“

„Pam.“

Sie dreht sich zu mir um und sieht mich mit einem fragenden Blick an. „Ja?“

„Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt.“

Pams Stirne erhält ein paar Falten. „Für was?“

„Das du mich gefunden und den Krankenwagen gerufen hast.“

„Dafür brauchst du dich gar nicht zu bedanken. Ich bin heilfroh, dass ich zur rechten Zeit gekommen bin und du mehr oder weniger wohlauf bist.“

Sie beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Ich komme morgen wieder.“

„Grüss Ayden von mir.“

Ich bemerke gerade noch, wie sich ein Lächeln auf Pams Gesicht stiehlt, bevor sich die Tür hinter ihr schliesst.

Erschöpft bleibe ich im Bett liegen. Die Auseinandersetzung mit Noah hat mir mehr zugesetzt, als ich mir wirklich eingestehen will. Wie konnte es nur soweit kommen? Ich schliesse meine Augen und versuche auf andere Gedanken zu kommen. Vom vielen Nachdenken erhalte ich noch mehr Kopfschmerzen, als dass ich schon habe. Plötzlich spüre ich einen Drang zur Toilette zu gehen. Zum einen, weil ich dringend meine Blase entleeren muss und zum anderen will ich wissen, wie mein Gesicht aussieht. Ich habe den mitleidigen Blick von Mam und Pam nicht übersehen, als sie mich ansahen.

Langsam versuche ich aus meiner Lagerstätte zu steigen. Was mir wahrlich nicht leicht fällt, denn mein Körper zuckt mehrmals vor Schmerz zusammen. Doch irgendwie gelange ich, indem ich mich auf den Infusionsständer stütze, von dem verschiedene Schläuche zu meinem Arm führen und mit einer Nadel darin verschwinden, auf die Toilette, die sich rechts von meinem Bett befindet. Einen kurzen Blick in den Spiegel genügt, um mein zerschundenes Gesicht zu betrachten. Mein linkes Auge ist total zugeschwollen und blau. Etliche Schürfungen durchkreuzen meine Stirn und meine Wangen. Ich getraue mich kaum, mich zu berühren, aber streiche trotzdem vorsichtig über die Verletzungen, die ich mir beim Sturz zugezogen habe. Als ich mich weiter zum Klosett begebe, wird mir wieder klar, dass die Wunden in meinem Gesicht die kleineren Übel sind. Ich schiebe meine Unterhose nach unten und bemerke erst jetzt, dass sich eine grosse Nachtbinde, die voller Blut ist, daran befindet. Verwirrt starre ich darauf und lasse mich auf die WC-Schüssel fallen. Ich starre auf einen Kalender, der vor mir an der Tür hängt, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Mein Gedächtnis versucht sich daran zu erinnern, wann ich meine letzte Menstruation hatte. Ich glaube fast, dass es schon länger her war. Nur möchte es mir nicht einfallen. Aber ich habe sie ja sowieso nie regelmässig. Muss das tatsächlich so sein, dass ich gerade jetzt diese bekloppte Monatsblutung erhalten musste? Aber warum habe ich dieses Mal solche Unterleibsschmerzen? Das hatte ich bis anhin noch nie. Irgendwas stimmt hier nicht.

 

In einem gewissen Trancezustand wechsle ich die Binde aus und erhebe mich von der Schüssel. Konzentriert mache ich mich auf den Weg zurück zum Bett, der mich sehr viel Kraft kostet. Zum Glück bin ich zur Zeit die einzige Patientin in diesem Zimmer, da ich mich sonst für meine ungelenken Bewegungen schämen müsste. Gekrümmt und wankend mache ich einen Schritt nach dem anderen. Endlich wieder unter der Bettdecke schliesse ich sofort meine Augen und schlafe im selben Moment ein.

„Frau Berner. Sind sie wach?“

„Hmm.“ Mehr als ein Gemurmel bringe ich nicht zustande.

„Ich habe hier ihr Abendessen.“

Irgendwie habe ich Schwierigkeiten meine Traumwelt mit der Realität auseinander zu halten. Schlafe ich noch oder sollte ich meine Augen öffnen? Als ein köstlicher Duft in meine Nase steigt, fängt mein Magen sofort an zu rebellieren. Ich zwinge meine Augen sich zu öffnen und erkenne sogleich eine Frau in einem weissen Kittel, die mir ein Tablett mit Essen auf die schwenkbare Tischplatte stellt.

„Benötigen Sie noch etwas? Vielleicht eine Tasse Kaffee?“

Ich betrachte mein Abendessen und stelle fest, dass alles, was auf dem Tablett steht, meinem Geschmack entspricht. Wie zum Beispiel das Erdbeerjoghurt und ein Glas Orangensaft, das ich meistens am Abend zu mir nehme.

„Ist es Zufall, dass ich alles mag, was Sie mir hier gebracht haben oder hat jemand für mich das Essen ausgewählt?“

„Ihr Freund hat das für Sie angegeben.“

„Mein Freund?“

„Ja, Herr Wellinger.“

Na klar! Mein ach so fürsorglicher Ex-Freund war das, schreit es in meinem Innern. Mein Ex muss sich immer noch einmischen, wo er nur kann. Obwohl mich diese Geste irgendwie freut, nervt es mich trotzdem, dass er sich immer noch um mich kümmern möchte.

Die Krankenschwester steht ungeduldig an meinem Bett und blickt verstohlen auf ihre Armbanduhr. Ich möchte sie nicht länger aufhalten und Lächle sie schwach an.

„Danke.“

„Wenn irgendwas ist, wissen Sie ja, wo sie drücken müssen.“

„Ja. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“

„Gute Besserung, Frau Berner.“

Ich nicke ihr schwach zu und mache mich über das Abendessen her. „Autsch, verdammt!“ rufe ich laut aus. Denn die Tomatensuppe, die ich soeben vertilgen möchte, ist noch sündhaft heiss. Also mache ich mich über das Erdbeerjoghurt her, das mich mit seiner Frische überwältigt. Ich dachte, ich hätte einen Bärenhunger, aber dem ist anscheinend nicht so. Den letzten Löffel mag ich gerade noch so herunterschlucken, danach fühle ich mich pappsatt. Ich lege das Besteck zur Seite und knipse den Fernseher an. Ohne mich gross auf den Bildschirm zu konzentrieren, zappe ich wahllos durchs Programm. Nur blödes Zeug. Jetzt wäre ich froh, um ein spannendes Buch oder um die Aufträge, die auf meinem Schreibtisch im Büro liegen und noch zu optimieren sind. Ich entschliesse mich Pam eine SMS zu schicken, damit sie mir morgen mein Buch, in dem ich gerade lese, und meinen Laptop bringen soll. Meine Toilettenartikel und frische Kleider habe ich schon, wie ich bei meinem kurzen WC Gang von vorhin, feststellen konnte. Mühsam setzte ich mich auf und öffne die oberste Schublade in dem kleinen Beistelltisch neben meinem Bett. Gerade als ich mein Smartphone in meine Hand nehme, geht die Zimmertür ein weiteres Mal auf. Es ist der Arzt von heute Morgen. Wie hiess er noch mal? Dr. Ste... Ach herrgott. Nicht mal mehr das fällt mir ein.

„Guten Abend Frau Berner.“

Jetzt wo er näher kommt, kann ich auf seinem Schild den Namen lesen. Ach ja, Dr. Stevens.

„Wie ich sehen kann, hatten Sie nicht so einen grossen Appetit.“

„Ich dachte ich hätte grossen Hunger, aber ich kriege nichts mehr hinunter.“

„Das ist ganz normal nach fast drei Tagen Schlaf. Wenigstens haben sie etwas Kleines zu sich genommen. Wie fühlen Sie sich?“

„Ich kann mich kaum bewegen und habe Mühe aufzustehen.“

„Kein Wunder bei Ihren Verletzungen.“

„Die Verletzungen in meinem Gesicht und an meiner rechten Hand habe ich schon gesehen. Aber warum habe ich Schmerzen, wenn ich zu tief Luft hole und mich zu schnell zur Seite drehe?“

„Sie haben sich beim Sturz zwei Rippen gebrochen. Die Heilung braucht ihre Zeit und Sie dürfen in den nächsten Wochen keinen Sport treiben. Etwas Bewegung ist gut, aber ja nicht überanstrengen. Ausserdem weist ihr Oberkörper mehrere blaue Flecken auf, sowie auch ihre Beine.“

Das habe ich noch gar nicht bemerkt und schiebe sogleich mein Krankenhauspyjama hinauf, um mein Körper zu betrachten. „Oh.“

„Die sehen schlimmer aus, als sie sind.“

Ich bedecke mich wieder und lege mich zurück ins Bett. Das Sitzen hat mich ziemlich ermüdet.

„Dass Sie sich keinen Knöchel verstaucht haben, grenzt gerade noch an ein Wunder. Ihr Fuss ist lediglich angeschwollen. Keine Verstauchung und keinen Bruch.

Aber Ihre rechte Hand ist verstaucht. Die Bandage stellt das Handgelenk ruhig und durch den leichten Druck, das sie verübt, sollte die Schwellung rascher abklingen. In zwei Tagen sollten Sie die Bandage abnehmen können.“

„Okay. Das klingt gut. Aber warum habe ich die Erinnerungen an den Sturz verloren?“

„Wir nehmen an, dass Sie einen schweren Schock erlitten haben. Dadurch werden Ihre Erinnerungen an den Unfall verdrängt. Vielleicht können Sie mit gezielten Gedächtnisübungen die offene Lücke füllen. Vorausgesetzt Sie wollen es auch.“

„Es ist ein eigenartiges Gefühl, nicht zu wissen, was passiert ist.“

„Ich kann Frau Dr. Christensen bitten, dass sie sich morgen bei Ihnen meldet. Sie ist wirklich eine ausgezeichnete Ärztin auf diesem Gebiet und hat schon vielen geholfen, die an einer Amnesie litten.“

Ich kann es kaum erwarten, diese Frau Christensen kennenzulernen. Denn ich möchte ein Stück von meinem Leben zurückerhalten, auch wenn es nur ein paar Stunden sind, fehlt mir irgendwas. Hoffentlich ist sie wirklich so gut, wie Dr. Stevens sagt.

„Wie lange muss ich noch hier bleiben?“

„Sie sind erst gerade heute Morgen aus ihrem Bewusstsein erwacht. Wir behalten Sie noch etwas zur Kontrolle hier. Ausserdem können Sie sich kaum auf Ihren eigenen Beinen halten. Sie werden also noch eine paar Tage bei uns bleiben müssen. Schlafen Sie jetzt erst mal und morgen können Sie vielleicht schon wieder eine kleine Runde im Flur umhergehen."

Die nächste Frage ist mir zwar ein wenig peinlich und wäre zum ersten Mal froh, wenn jetzt eine Ärztin statt ein Arzt hier wäre, aber ich möchte wissen, was mit meinem Körper los ist. „Warum habe ich solche Schmerzen in meinem Unterleib und warum blute ich?“

Seine Miene verändert sich und Mitgefühl widerspiegelt sich in seinem Blick. „Eigentlich wollte ich, dass jemand bei Ihnen ist, wenn ich Ihnen diese schlechte Nachricht überbringe.“ er räuspert sich mehrmals und setzt sich auf einen Stuhl, der sich neben meinem Bett befindet.

„Was für eine Nachricht?“ meine Stimme hört sich sogar in meinen eigenen Ohren ganz schrill und fremd an, als ich ihn bitte, mich endlich einzuweihen.

„Frau Berner.“ wieder räuspert er sich „Sie haben ihr Kind verloren. Es tut mir schrecklich leid. Wir konnten es nicht mehr retten. Wir konnten nichts mehr für das Ungeborene tun.“

„Mein Kind?“ geht es noch verwirrter?

Nach meinem Gesichtsausdruck konnte er die Situation richtig beurteilen. „Wussten Sie etwa nicht, dass Sie schwanger waren? Sie waren in der achten Woche.“

„Ich und schwanger? Nein, auf keinen Fall.“ Ich bin froh, dass ich bereits liege, sonst hätten meine Knie bestimmt nachgegeben. Warum sollte ich schwanger sein? Wir haben doch immer auf die Verhütung geachtet. Ich war in der achten Woche und ich habe nichts bemerkt? Oder etwa doch? Meine Gedanken drehen sich ständig im Kreis.

Der Mann im weissen Kittel, der immer noch auf dem Stuhl neben mir sitzt, redet wirres Zeug. Ich kann ihm wahrhaftig nicht folgen, was er von sich gibt. Irgendwas dringt doch noch zu meinem Gehirn durch.

„Was haben Sie gesagt?“

„Mit grosser Wahrscheinlichkeit können Sie keine Kinder mehr bekommen.“

Abermals starre ich ihn verständnislos an. „Was soll das heissen, ich kann keine Kinder mehr bekommen?“

„Sie haben sich durch den Sturz schwere Verletzungen zugezogen und die Gebärmutter wurde ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Auch wenn Sie mich jetzt dafür hassen werden, möchte ich Ihnen keine allzu grosse Hoffnung machen, dass Sie nochmals schwanger werden können. Wenn Sie genauere Informationen Wünschen, wenden Sie sich bitte an Ihren Gynäkologen.“

Ich weiss nicht, wie ich mit diesen Informationen umgehen soll. In den vergangenen Monaten hatte ich überhaupt nicht den Wunsch danach, schwanger zu werden. Aber jetzt wo ich weiss, dass ich ein kleines Geschöpf in mir trug, wird mir ganz eng ums Herz.

„Ich werde Sie jetzt alleine lassen. Morgen werde ich wieder nach Ihnen sehen. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Frau Berner.“

Als der Arzt schon fast bei der Tür ist, dreht er sich nochmals zu mir um. „Einen kleinen Rat hätte ich da noch für Sie. Vielleicht sollten Sie das nächste Mal nicht mehr so hohe Absätze tragen, wenn sie eine Treppe hinuntersteigen wollen. Versuchen Sie etwas zu schlafen. Das wird Ihnen sicherlich gut tun.“