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Loe raamatut: «Deportiert auf Lebenszeit», lehekülg 24

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Er ließ ihr Kleid los und ohne sich an die Näherkommenden zu kehren, stand er sprachlos da, von Kopf bis zu Füßen bebend.

Im nächsten Augenblick stürzten sich Frere und Mac Nab auf ihn und er lag blutend am Boden. Obgleich er schwach vor Hunger war, so schüttelte er sie doch wieder ab und trotz der Diener, die aus das Rufen herbeieilten, hätte er noch fliehen können. Aber er war unfähig zu fliehen! Seine Brust hob sich krampfhaft, große Schweißtropfen standen auf seiner bleichen Stirn und aus seinen Augen schienen Thränen zu brechen. Einen Augenblick arbeiteten seine Züge heftig, als ob er auf das Mädchen, das in ihres Vaters Armen weinte einen Fluch herabrufen wollte. Aber es kamen keine Worte aus seinem Munde, – nur steckte er seine Hand in die Brust und mit einer höchst ausdrucksvollen Geberde des Abscheus und Entsetzens schien er etwas von sich zu werfen. Dann entschlüpfte ihm ein tiefer Seufzer und er hielt seine Hände hin, daß sie gebunden würden.

Es lag etwas so furchtbar Trauriges in diesem stillen Kummer, daß die Leute, welche ihn fortführten, unwillkürlich ihr Gesicht abwandten, damit es nicht schiene, als ob sie über ihn triumphierten.

Elftes Capitel.
Eine Reliquie von Maguarie Harbour

»Du mußt versuchen, ihn von weiterer Strafe zu retten« sagte Sylvia am nächsten Tage zu Frere. »Ich wollte den armen Menschen nicht verrathen, aber ich war so schreckhaft geworden, dadurch daß ich die Geschichte gelesen hatte.«

»Du solltest solches Zeug nicht lesen,« sagte Frere. »Wozu ist das? Ich glaube, kein Wort davon ist wahr.«

»O, es muß wahr sein. Ach, Maurice diese schrecklichen Menschen! Ich dachte, ich wüßte Alles von den Deportierten, aber ich hatte keine Vorstellung, daß solche Menschen darunter seien. »Danke Gott, daß u so wenig davon weißt,« sagte Maurice. Die Diener, die Du hier hast, sind ganz andere Leute als Rex und seine Gefährten.« »Ach Maurice, ich bin es so überdrüssig, hier zu leben. Es ist wohl recht Unrecht, da ich doch Papa habe und Alle, aber ich wünschte, ich brauchte keine Ketten und keine gelben Jacken mehr zu sehen. Ich weiß nicht, warum ich dies Gefühl habe.«

»Komm nach Sydney. Da sind nicht so viel Deportierte. Es war doch bestimmt, daß wir nach Sydney gehen sollten.« »Ja während unseres Honigmonats,« sagte Sylvia ganz einfach. Ich weiß, aber wir sind ja noch nicht verheirathet.« »Das ist bald geschehen,« sagte Maurice.

»Unsinn Herr-s – Ich wollte über diesen Dawes sprechen. Ich glaube, er wollte um etwas zu essen bitten, ich war nur so erschrocken. Sie werden ihn doch nicht hängen, Maurice?«

»Nein, sagte Maurice. Ich sprach heute früh mit Deinem Vater. Wenn der Kerl wieder in Untersuchung kommt und zum Tode verurtheilt werden soll, mußt Du vor Gericht kommen und Zeugniß ablegen, also sind wir übereingekommem daß wir ihn wieder nach Port Arthur schicken wollen und ihm Ketten-Arbeit geben. Heute früh haben wir ihn zum ritten Mal lebenslänglich verurtheilt.«

»Was sagte er?«

»Nichts. Ich habe ihn gleich auf den Schooner geschickt. Jetzt ist er wahrscheinlich schon aus dem Hafen gesegelt.«

»Maurice, ich habe ein sonderbares Gefühl für diesen Mann.«

»Wie?« fragte Maurice.

»Ich glaube, ich fürchte ihn, als ob ich irgend von ihm etwas wüßte und doch mich nicht darauf besinnen könnte.«

»Das ist nicht sehr klar,« lachte Frere etwas gezwungen, »aber laß uns nicht mehr davon sprechen. Wir werden bald weit weg sein von Port Arthur und Allem, was damit zusammenhängt.«

»Maurice,« sagte sie liebkosend, »ich liebe Dich, Du Lieber; Du wirst mich doch immer gegen diese Menschen beschützen, nicht wahr?«

Der glückliche Maurice küßte sie.

»Du bist Deine Furcht noch nicht los, Sylvia,« sagte er. Ich sehe schon, ich muß sehr viel für meine Frau sorgen.«

»Natürlich« sagte Sylvia.

Und nun begannen sie Beide einander zu liebkosen, oder vielmehr Sylvia duldete Frere’s Zärtlichkeit.

Plötzlich fiel ihr Auge auf etwas. »Was ist das, da neben dem Springbrunnen auf der Erde?« Sie waren dicht Bei der Stelle, wo Dawes sie am Tage vorher überrascht hatte.

Ein kleiner Bach lief durch den Garten, und ein Triton – Gefängnis-Arbeit – blies sein Horn in der Mitte eines Felsenbassins – Gefängnis-Arbeit. Daneben lag ein kleines Päckchen. Frere nahm es auf. Es war von schmutzigem gelblichen Tuch gemacht und augenscheinlich von Männerfingern zusammengenäht.

»Es sieht aus wie ein Nadelkissen.«

»Laß mich sehen. Wie sonderbar es aussieht. Gelbliches Tuch. Das muß einem Gefangenen gehören. Ach, Maurice, dem Mann, der gestern Abend hier gewesen war!«

»Ja, sagte Maurice, das Päckchen zwischen den Fingern haltend, »es mag ihm wohl gehören, sicher ist es so.«

»Er schien etwas fortzuwerfen, glaube ich. Vielleicht ist es das?« sagte sie und blickte neugierig über seinen Arm. Frere mit finsterer Stirn riß die äußere Schale ab und fand nun eine zweite Hülle von grauem Tuch. (die Uniform der Gebesserten). Darin war ein Stückchen Zeug eingewickelt, etwa drei Zoll groß von schmutzigem, fahlem Merino, der einst blau gewesen.

»Hallo,« rief Frere, »was ist das?«

»Es ist ein Stück von einem Kleide,« sagte Sylvia.

Es war der Talisman, den Rufus Dawes bei sich gehabt, ein Stück von dem Kleide, welches sie in Macquarie Harbour getragen und welches der Unglückliche fünf lange Jahre wie eine Reliquie aufbewahrt hatte.

Frere machte eine ungeduldige Bewegung und warf es in das Wasser. Der schnelle Bach trug es mit fort. »Warum thatest Du das?« rief das Mädchen mit einem scharfen Gefühl des Bedauerns, wofür sie sich keine Rechenschaft geben konnte.

Das Stückchen Zeug, von einer Ruthe gefaßt, kam noch ein Mal auf die Oberfläche.

Fast in demselben Augenblick sah das Paar, als es seine Blicke erhob, den Schooner, welcher Rufus Dawes wieder in die Gefangenschaft führte, durch die Oeffnung in den Bäumen vorüber gleiten und verschwinden. Als sie dann unwillkürlich wieder nach der Reliquie des Desperats von Port Arthur blickten, war diese verschwunden.

Zwölftes Capitel.
In Port Arthur

Das gewöhnliche Hämmern und Klopfen erklang auf i dem Hafendamm von Port Arthur, als der Schooner, welcher Rufus Dawes zurückbrachte, einlief. Auf der Höhe über der Espalande lag die düstere Vorderseite der Kaserne; unterhalb der Soldatenkaserne die lange Reihe der Gefängnisgebäude mit ihren Werkstätten und Lohgruben. Zur Linken lag das Haus des Kommandanten, hervorragend durch seine schattige Terrasse und seine Schildwachen. Der Hafendamm, der tiefblauen Linie der »Insel der Todten« gegenüber, schwärmte von halb bunten Gestalten, die mit ihren Ketten klirrend, an ihre Zwangsarbeit gingen, stets unter der Muskete ihrer Kerkermeister.

Rufus Dawes hatte dies Alles zuvor gesehen und kannte jeden schönen Aussichtsblick: die untergehende Sonne, das blitzende Wasser, die waldigen Höhen. Von dem vollendet reinen Hafendamm zu seinen Füßen bis hinauf zu der Signal-Station, welche von Grün und Blüthen umgeben, ihre schlanken Arme in die Luft, hoch in den blauen Himmel hinein streckte, kannte er Alles. Für ihn war kein Reiz in dem tiefblauen Wasser des Meeres, in den weichen Schatten der Berge oder in dem einschläfernden Murmeln der Wellen, welche sich weich an den weißen Rand der Küste hinlegten. Er saß da, den Kopf niedergebeugt, die Hände um seine Knie geschlungen, ohne irgend Jemand anzublicken bis er aufgerüttelt wurde.

»Hallo, Dawes,« rief der Aufseher Troke und hielt seine Abtheilung Kettensträflinge in gelben Jacken an. »So seid Ihr wieder da? Sehr erfreut, Euch zu sehen, Dawes. Eine Ewigkeit, seit wir das Vergnügen Eurer Gesellschaft gehabt haben!« Bei diesem Spaß lachte die Kette und ihre Eisen, klirrten mehr denn je.

Sie fanden es zuweilen fast unmöglich, nicht über Troke’s Witze zu lachen. »Treten Sie näher, Dawes, ich will Sie mit Ihren alten Freunden bekannt machen. Sie werden sehr erfreut sein, Sie zu sehen, die alten Jungen. Nicht wahr, Ihr Burschen? Aber Dawes, bei Gott, wir dachten, wir hätten Euch für immer verloren; wir dachten, Ihr hätten uns nun Lebewohl gesagt. Sie haben Euch in Hobart Town nicht gut gepflegt, Dawes, – was? Nun, wir wollen besser nach Euch sehen, Dawes; Ihr sollt nicht mehr davon kommen.«

»Nehmen Sie sich in Acht, Troke,« sagte eine warnende Stimme, »Sie sind schon wieder dabei. Lassen Sie den Mann zufrieden.«

In Folge eines Befehls, der von Hobart Town gekommen war, fesselten sie den gefährlichen Mann mit dem Letzten in der Kette, indem sie die Fußketten noch mit einem Extraringe verbanden, den man im Nothfall abnehmen konnte.

Dawes hatte während dieses Verfahrens kein Zeichen von Bewußtsein von sich gegeben, bei dem Ton dieser gütigen Stimme aber blickte er auf, er sah einen großen, mageren Mann, in einen schäbigen, grauen Anzug gekleidet, mit schwarzem Tuch um den Hals geschlungen. Er war ihm fremd.

»Ich bitte um Verzeihung, Mr. North,« sagte Troke und versteckte sogleich seine Unverschämtheit hinter Kriecherei, »ich sah Euer Ehrwürden nicht.«

»Ein Pfaffe,« dachte Dawes enttäuscht und senkte den Blick.

»Das weiß ich,« sagte Mr. North kühl. »Wenn Sie mich gesehen hätten, wären Sie ganz Butter und Honig gewesen. Bemühen Sie sich nicht, eine Lüge zu sagen, – es ist ganz unnöthig.«

Dawes blickte wieder auf. Das war ein sonderbarer Pfarrer.

»Wie heißen Sie, lieber Freund?« fragte Mr. North plötzlich, als er diesen Blick sah.

Rufus Dawes hatte mürrisch sein wollen, aber der Ton der Autorität weckte seine zur zweiten Natur gewordene Deportierten-Gewohnheit und er antwortete fast unwillkürlich: »Rufus Dawes.«

»O,« sagte Mr. North und blickte ihn mit Neugierde und Mitleiden an. »Dies ist der Mann; ich glaubte, er solle nach den Kohlenminen geschickt werden.«

»Ja, das soll er,« sagte Troke, »aber wir schicken erst wieder in vierzehn Tagen hin und in der Zwischenzeit muß er hier an der Kette arbeiten.«

»So,« sagte Mr. North. »Bitte, leihen Sie mir Ihr Messer, Troke.«

Und dann nahm dieser sonderbare Pastor aus seiner schlechten Tasche Tabak heraus und schnitt ein Stück mit Mr. Troke’s Messer ab. Rufus Dawes fühlte, was er seit drei Tagen nicht gefühlt, ein Interesse für Etwas. Er starrte den Pfarrer in unverstelltem Erstaunen an. Mr. North mißverstand vielleicht die Bedeutung dieses starren Blickes, denn er hielt ihm den Rest des Tabaks hin.

Die Kette zitterte bei diesem Anblick und Jeder beugte sich vor, um das Vergnügen zu haben, einen andern Mann Tabak kauen zu sehen.

Troke grinste in stiller Freude. Er dachte daran, wie er es dem begünstigten Sträfling wiedergeben wolle. »Hier,« sagte Mr. North und hielt das hübsche Stück, auf das sich so viele Augen richteten, Rufus Dawes hin. Rufus nahm den Tabak, blickte ihn mit gierigen Augen einen Augenblick an und dann, zum Erstaunen Aller, warf er ihn fluchend fort.

»Ich brauche Ihren Tabak nicht,« sagte er, »behalten Sie ihn.« Ein Schrei des Staunens durchlief die Reihen der Sträflinge und Troke’s Augen funkelten vor Empörung. »Du undankbarer Hund,« rief er und hob seinen Stock.

Mr. North hielt die Hand in die Höhe. »Nicht weiter, Troke,« sagte er. »Ich kenne Ihre Achtung vor dem geistlichen Kleide. Laßt die Leute weiter gehen.«

»Vorwärts« sagte Troke und stieß viele Flüche zwischen den Zähnen aus. Dawes fühlte, wie die so eben angelegte Kette drückte. Seit einiger Zeit war er schon nicht mehr in einer Kette gewesen und der plötzliche Stoß ließ ihn fast sein Gleichgewicht verlieren. Er griff nach seinem Nachbar und aufblickend sah er in ein Paar schwarze Augen, die ihm zublinzelten. Sein Nachbar war John Rex. Mr. North, welcher sie beobachtete, war erstaunt über die große Aehnlichkeit, welche die beiden Männer mit einander hatten. Ihre Größe, Augen, Haar und Gesichtsfarbe waren gleich. Trotz des verschiedenen Namens mochten sie verwandt mit einander sein.

»Sie sind vielleicht Brüder,« dachte er. »Arme Teufel. Ich habe niemals gesehen, daß ein Gefangener Tabak zurückwies.« Und er sah auf den Boden nach dem weggeworfenen Stück. Aber vergebens. John Rex, durch kein thörichtes Ehrgefühl zurückgehalten, hatte es aufgehoben und in seinen Mund gesteckt.

So war Rufus Dawes wieder zu seinem alten Leben zurückgekehrt, mit dem Haß gegen die Menschen, den das Gefängnis in ihm erzeugt hatte und der nun hundertfach gewachsen war. Es schien ihm, als ob dies plötzliche Erwachen ihn geblendet, als ob der Strom von Licht, der so schnell seine schlummernde Seele getroffen, ihn blind gemacht, nachdem er so lange im sanft verhüllenden Zwielicht gelebt. Zuerst war er ganz unfähig, alle Einzelheiten seines fürchterlichen Elendes zu fassen.

Er wußte nur, daß sein Traumkind noch lebte und vor ihm schauderte, daß das einzige Wesen, welches er liebte und welchem er traute, ihn verrathen hatte, daß jede Hoffnung aus Gnade und Gerechtigkeit dahin war für immer, – daß die Schönheit von der Erde, das Licht vom Himmel geschwunden war und daß er doch noch verdammt war zu leben. Er ging an seine Arbeit, unbekümmert um die Witze von Troke, ungerührt von den Ketten, unbewußt des Lachens und des Stöhnens rings umher. Seine prachtvollen Muskeln retteten ihn vor Schlägen, denn der liebenswürdige Troke versuchte vergebens, ihn zu überbürden. Er beklagte sich nicht, er lachte nicht, er weinte nicht. Sein Gefährte Rex versuchte, mit ihm zu sprechen, aber es gelang ihm nicht. Mitten in den besten Geschichten aus Londons Gesellschaft, die Rex erzählte, seufzte Dawes wie ermüdet. »Der Kerl hat etwas im Sinn,« meinte der schlaue, ränkevolle Rex, der geneigt war, die Zeichen zu beobachten, aus denen man den Seelenzustand liest. »Er hat ein Geheimniß, das ihn niederdrückt.«

Vergebens versuchte Rex zu entdecken, was dies für ein Geheimniß war. Auf alle Fragen, welche sein früheres Leben betrafen, wenn auch noch so schlau gestellt, blieb Rufus Dawes stumm. Vergebens wandte Rex alle seine Künste an, versuchte alle seine Anmuth und sein Geschick in Rede und Manier, die er in hohem Grade besaß, um sich das Vertrauen von Rufus Dawes zu erwerben. Rufus Dawes setzte allen diesen Versuchen eine cynische Gleichgültigkeit entgegen, welche nichts offenbart und wenn er nicht angeredet wurde, beobachtete er ein düsteres Schweigen. Erbittert durch dies Schweigen, versuchte John Rex jene fein erfundenen Quälereien, womit Gabbett, Vetch oder andre Häupter der Kette ihre Ueberlegenheit über ihre ruhigeren Kameraden zeigten.

Doch hörte er bald auf.

»Ich bin länger in dieser Hölle gewesen, als Du,« sagte Rufus Dawes, »und ich kenne mehr von den Teufels-Streichen, als Du mir zeigen kannst. Du solltest Dich lieber ruhig verhalten.« Rex vernachlässigte die Warnung und Rufus Dawes packte ihn eines Tages an der Kehle und würde ihn gewürgt haben, wenn der wachsame Troke den wüthenden Mann nicht mit einem tüchtigen Stock zurückgeschlagen hätte. Rex hatte eine gesunde Hochachtung vor persönlicher Tapferkeit und hatte die Gnade zu gestehen, daß er der Herausforderer gewesen. Selbst dies Zeichen von Selbstverleugnung rührte den hartnäckigen Dawes nicht. Er lachte nur.

Eine Frage hatte Dawes an Rex gerichtet, welche dieser beantworten konnte: »Wer ist dieser North?«

»Ein Kaplan. Er ist nur etwa auf eine Woche hier. Es kommt ein Neuer. North geht nach Sydney. Er ist nicht in Gunst beim Bischof.«

»Woher weißt Du das?« fragte Dawes mit großen Augen.

»Durch Beobachtung,« sagte Rex, mit einem Lächeln, das ihm eigen war. »Er trägt farbige Röcke und raucht und schwatzt nicht im Bibelton. Der Bischof kleidet sich schwarz, haßt Tabak und führt Bibelstellen an, wie eine Concordanz. North ist nur als Wärmflasche auf einen Monat für Meekin, den Esel hergeschickt. – Ergo, der Bischof hält nichts auf North.«

Jemmy Vetch, der zunächst Rex ging, ließ das volle Gewicht seines Antheils an dem Baume, den sie trugen, aus Gabbett ruhen, um seine Bewunderung über die Sarkasmen von Rex auszudrücken.

»Ist der Dandy nicht ein Rechter?« fragte er.

»Willst Du fromm werden?« fragte Rex. »Das hilft bei North nichts. Worte bis der höchst begabte Meekin kommt. Diesen würdigen Nachfolger der Apostel kannst Du um Deinen kleinen Finger wickeln.«

»Still dort,« schrie der Aufseher. »Soll ich Euch anzeigen?«

Unter solchen Unterhaltungen gingen die Tage hin und Rufus Dawes sehnte sich nach den Kohlenminen. Nach den Kohlenminen geschickt zu werden und von den Kohlenminen nach der Ansiedlung, war für diese Unglücklichen ein Ausflug.

In Port Arthur ging man auf eine Außenstation, wie man von Melbourne aus nach Queenscliffe geht oder nach der Küste heutzutage wegen »Luftwechsel.«

Dreizehntes Capitel.
Der Kommandanten Haushofmeister

Rufus Dawes war etwa vierzehn Tage in der Strafkolonie gewesen, als ein Neuer an der Kette erschien. Dies war ein junger Mann, ungefähr zwanzig Jahre alt, sein, blond und zart. Sein Name war Kirkland und er gehörte zu den »gebildeten« Gefangenen. Er war Clerk in einem Bankgeschäft gewesen und wegen Unterschlagung deportiert, obgleich starke Zweifel über seine Schuld erhoben wurden. Der Kommandant, Kapitain Burgeß, hatte ihn als Haushofmeister in sein eigenes Haus genommen und sein Schicksal wurde als ein sehr glückliches gepriesen. Das war es auch und hätte so bleiben können, wenn nicht ein unvorhergesehener Fall eingetreten wäre. Kapitain Burgeß, ein Junggeselle von der alten Schule, hatte eine merkwürdige Schwache in Bezug auf Fluchen und verwünschte der Gefangenen Augen und Glieder mit unglaublicher Wuth. Kirkland gehörte einer Methodistenfamilie an und war von einer Frömmigkeit, die an diesem Platze gänzlich unangebracht war. Die Sprechweise von Burgeß war ihm fürchterlich und eines Tages vergaß er sich und seine Stellung so weit, daß er sich die Ohren mit den Händen zuhielt. »Mein Seel,« schrie Burgeß, »Du Grünschnabel, ist das Dein Witz, Du verdammter Schurke, das will ich Dir austreiben!«

Er gab Befehl, daß Kirkland wegen Insubordination in die Kette eingereiht würde.

Die Kette empfing ihn mit Argwohn, denn sie liebte keine Gefangenen mit weißen Händen. Troke als erfahrener Kenner menschlicher Natur, stellte ihn dicht neben Gabbett. Der Tag verging in gewöhnlicher Weise und Kirkland lebte ein wenig auf. Die Arbeit war schwer und die Gefährten roh, aber trotz seiner Hände, die voll Blasen waren, hatte er doch nichts Entsetzliches erlebt. Als die Musterglocke schlug und die Kette aufbrach, bemerkte Rufus Dawes auf seinem Wege nach seiner einsamen Zelle eine Aenderung in der sonst gewöhnlich beobachteten Ordnung für Neue. Statt ihn allein in eine Zelle zu führen, brachte ihn Troke in einen Hof mit den Andern.

»Ich soll doch nicht da mit hinein?« fragte der Exschreiber, in Entsetzen vor den scheußlichen Gesichtern, welche ihn anstierten. »Beim Himmel, das sollt Ihr,« sagte Troke. »Der Gouverneur sagt, eine Nacht da drin wird Euch wohl den Schwindel etwas austreiben. Kommt, geht hinein.«

»Aber, Mr. Troke —«

»Haltet das Maul,« sagte Troke fluchend und hieb ungeduldig mit seinem Stabe auf den Burschen ein. »Ich kann hier nicht die ganze Nacht verhandeln. Hinein!« So ging Kirkland, zwei und zwanzig Jahre alt, Sohn von Methodisten-Eltern, hinein.

Rufus Dawes, unter dessen düstersten Erinnerungen auch dieser Gefängnissaal war, seufzte. Doch war die ganze Luft des Platzes so wüst und wild, daß er sich sogar dieses Seufzers schämte und die Erinnerung daran zu verwischen suchte.

»Was ist er mehr, als jeder Andere auch?« sagte der Elende zu sich, als er an sein eigenes Unglück dachte.

Um Tagesanbruch am nächsten Morgen wurde Mr. North, der unter anderen Gewohnheiten, mit denen der Bischof nicht zufrieden war, auch die hatte, zu nicht offiziellen Stunden im Gefängnis umherzuwandern, von einem Streit an der Thür des Schlafsaales angezogen.

»Was gibts hier?« fragte er.

»Ein Gefangener ist widersetzlich, Euer Ehrwürden,« sagte der Aufseher. »Er will hinaus.«

»Mr. North, Mr. North,« schrie eine Stimme, – »um der Liebe Gottes willen, lassen Sie mich hinaus.«

Kirkland, leichenblaß, blutend, sein wollenes Hemd zerrissen, seine blauen Augen in furchtbarem Entsetzen weit aufgerissen, hing an dem Gitter.

»O Mr. North, Mr. North, um Gotteswillen, Mr. North!«

»Was Kirkland,« rief North, der nichts von der Rache des Kommandanten wußte, – »Kirkland, Ihr hier?«

Aber Kirkland konnte nichts als rufen: »Ach Mr. North, um Gotteswillen, Mr. North!« Und er schlug mit seinen weißen, in Schweiß gebadeten Händen gegen die Eisenstäbe.

»Laßt ihn hinaus, Aufseher!« rief North.

»Kann ich nicht, Herr, ohne besonderen Befehl des Kommandanten.«

»Ich befehle es,« schrie North ärgerlich.

»Thut mir sehr leid, Ehrwürden, aber Ehrwürden weiß, daß ich es nicht thun kann.«

»Mr. North,« schrie Kirkland, »können Sie mit ansehen, daß ich hier verderbe, Leib und Seele, – au diesem Ort? Mr. North! O Ihr Priester des Herren, Ihr Wölfe in Lammsfellen, Ihr werdet dafür gerichtet werden! – Mr. North.«

»Laßt ihn hinaus.« schrie North und stampfte mit dem J u .

»Es hilft nichts,« sagte der Aufseher. »Ich kann nicht. Und wenn er stürbe, ich könnte nicht.«

North lief fort zum Kommandanten und sobald er den Rücken gewandt hatte, öffnete Hailes, der Aufseher, die Thür und stürzte in den Schlafsaal.

»Nimm das,« schrie er und versetzte Kirkland einen Schlag auf den Kopf mit seinem großen Schlüsselbund.« »Mit euch verdammten Aristokraten hat man die meiste Noth. Nun liege still.«

Der Kommandant, aus dem Schlaf geweckt, sagte Mr. North, daß Kirkland bleiben könne, wo er wäre und daß er dem Kaplan nicht dafür dankte, ihn mitten in der Nacht auf aufzuwecken, weil ein hundsföttischer Gefangener ein hundsföttisches Geheule anhübe.

»Aber mein lieber Herr,« sagte North, der sich zusammennahm, um nicht die Grenzen der Bescheidenheit in seiner Sprache gegen seinen Vorgesetzten zu überschreiten, »Sie kennen den Charakter der Gefangenen in der Abtheilung, – Sie können errathen, was der arme Bursche gelitten Haben muß.«

»Unverschämter, junger Bettler,« sagte Burgeß. »Es wird ihm gut thun, dem verdammten Schlingel. Mr. North, es thut mir leid, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, hierher zu kommen, aber wollen Sie mich einschlafen lassen?«

North kehrte trostlos in das Gefängnis zurück, fand den pflichterfüllten Hailes auf seinem Posten und Alles still. »Was ist aus Kirkland geworden?« fragte er.

»Hat sich in den Schlaf geweint, Ehrwürden,« sagte Hailes in väterlichem Ton. »Es ist hart für solche Jungen, hierherzukommen.

* * *

Am Morgen, als Rufus Dawes an seinen Platz in der Kette ging, fiel ihm das veränderte Aussehen von Kirkland auf, Sein Gesicht hatte eine grünliche Farbe und einen Ausdruck verwirrten Entsetzens.

»Muth, Mann, Muth!« sagte Dawes, von augenblicklichem Mitleid ergriffen. »Es ist nicht gut, sich zu grämen, wißt ihr.«

»Was geschieht Einem, wenn man zu fliehen versucht?« flüsterte Kirkland.

»Hängen den Mann,« erwiderte Dawes, ganz überrascht von der vorzeitigen Frage.

»Gott sei Dank!« sagte Kirkland.

»Nun, Miß Nancy,« sagte Einer der Männer, »was fehlt Dir?«

Kirkland schauderte und sein bleiches Gesicht wurde dunkelroth. »O,« sagte er, »daß solch ein Elender wie ich, noch lebt!«

»Still,« rief Troke. »Nummer 44, wenn Ihr Euer Maul nicht halten könnt, will ich Euch etwas zu sprechen geben. Marsch!«

Die Arbeit der Kette bestand an diesem Nachmittag darin, daß sie schwere Balken nach dem Wasser hinunter zu bringen hatte. Rufus Dawes bemerkte, daß Kirkland erschöpft war, lange bevor die Arbeit zu Ende ging.

»Sie werden Dich tödten, kleiner Bursche,« fügte er, nicht unfreundlich. »Was hast Du gethan, um hierher zu kommen?«

»Seid Ihr je dort in dem Ort gewesen, da drin, wo ich die letzte Nacht war?« fragte Kirkland.

Rufus Dawes nickte.

»Weiß der Kommandant, was dort vorgeht?«

»Wahrscheinlich. Was macht er sich daraus?«

»Was er sich daraus macht! Mann glaubt Ihr an Gott?«

»Nein,« sagte Dawes, »hier nicht. Halt, mein Kind. Wenn Du fällst, müssen wir Alle über Dich fallen und dann ist’s mit Dir vorbei.«

Kaum hatte Dawes diese Worte ausgesprochen, als der Knabe sich unter dem Balken auf die Erde warf. Im nächsten Augenblick hätte die ganze Kette aus dem zermalmten Körper gelegen, wenn Gabbett nicht seine eiserne Hand ausgestreckt und den Knaben, der so einen Selbstmordversuch machte, aufgehoben hätte.

»Halt fest an mir, Miß Nancy,« sagte der Riese. Ich bin stark genug, für zwei zu tragen.«

Es mußte etwas in dem Ton und in der Art des Sprechers sein, das Kirkland Ekel einfloßte, denn die angebotene Hand zurückstoßend, stieß er einen Schrei aus, hielt seine Ketten mit einer Hand in die Höhe und lief plötzlich nach dem Wasser hin.

»Halt, Du junger Narr,« rief Troke, sein Gewehr anlegend. Doch Kirkland rannte unbekümmert dem Wasser zu. Als er es beinahe erreicht hatte, erhob sich Mr. North’s lange Gestalt hinter einem Steinhaufen. Kirkland sprang auf den Hafendamm, stolperte und fiel gerade in die Arme von Mr. North.

»Du junges Ungeziefer, dafür sollst Du bezahlen,« brüllte der atemlose Troke. »Du sollst sehen, an diesen Tag wirst Du denken.«

»O Mr. North, warum hielten Sie mich auf. Lieber will ich todt sein, als noch eine Nacht an dem schrecklichen Platz zubringen!«

»Du wirst es abkriegen, mein Junge,« sagte Gabbett, als der Ausreißer zurückgebracht wurde. »Dein gesegneter Buckel wird es fühlen, denke an mich.«

Kirkland athmete schwer und sah sich nach Mr. North um, aber Mr. North war fort. Der neue Kaplan wurde diesen Nachmittag erwartet und es kam dem Alten zu, den Neuen zu empfangen.

Troke zeigte den Exbankschreiber bei Burgeß an. Derselbe war eben im Begriffe, mit dem neuen Kaplan zu Tische zu gehen und machte die Sache schnell ab. »Versucht, auszureißen! Das muß ein Ende haben. Fünfzig Hiebe, Troke. Sagt Macklewain, sich bereit zu halten, oder ich werde es ihm selbst sagen. Ich will des jungen Teufels Muth brechen, – verdammt, das will ich.«

»Gut,« sagt Troke. »Guten Abend, Herr.«

»Troke, suchen Sie einen passenden Mann aus, wollen Sie? Der letzte Mann, den Sie genommen hatten, hätte selbst angebunden werden müssen. Seine Schläge hätten keiner Fliege geschadet.«

»Sie kriegen sie nicht dazu, daß sie sich warm machen. Sie thun es nicht,« sagte Troke.

»Sie werden’s schon thun,« sagte Burgeß, »oder ich will den Grund davon wissen. Ich will meine Leute nicht damit anstrengen, daß sie diese Schurken peitschen. Wenn der Peitscher nicht seine Pflicht thut, so wird er selbst angebunden und bekommt seine fünfundzwanzig Hiebe aufgezählt. Ich will morgen selbst dabei sein, wenn ich kann.«

»Sehr gut, Euer Gnaden,« sagte Troke.

Kirkland wurde für diese Nacht in eine besondere Zelle gesperrt und der freundliche Troke sagte ihm, als Wunsch für eine gute Nachtruhe, daß er morgen früh fünfzig haben sollte.

»Und Dawes soll sie Euch geben,« fügte er hinzu. Er ist Einer der Feinsten, die ich habe, daraus könnt Ihr schwören.«