Lob der Aphrodite

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Lob der Aphrodite
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Marina Zwetajewa

Lob der Aphrodite

Gedichte von Liebe und Leidenschaft

Aus dem Russischen übertragen und mit einem Essayvon Ralph Dutli


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


© Wallstein Verlag, Göttingen 2021

www.wallstein-verlag.de

Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf

© SG-Image unter Verwendung einer Abbildung von Marina Zwetajewa, Paris 1925


ISBN (Print) 978-3-8353-3943-9

ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-4666-6

ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-4667-3

Inhalt

Die Freundin

1 Sind sie jetzt glücklich? Kein Wort

2 Unter dem Plüschplaid, mich liebkosend

3 Tauwetter jetzt, so dass ich heute

4 Sich anzuziehen – keine Lust

5 Heut abend war’s, gegen acht

6 Überm Kaffeesatz schaut nachts dann

7 Wie fröhlich leuchtete von Flocken

8 Den Hals erhoben, hebt sich – frei

9 Du gehst weiter, folgst deinen Wegen

10 Wie sollte ich mich nicht erinnern

11 Alle Augen in der Sonne – glühen

12 Hügel rund um Moskau schimmern blau

13 Vor der Trennung, vor dem Ende

14 Denn Namen gibt’s – wie Blumen

15 Ich will den Spiegel fragen, wo

16 An der ersten liebtest du

17 Und erinnert euch: so viel lieber

Wahnsinn und Vernünftigsein

Mein Leichtsinn! Meine Sünde, mir lieb

Mir gefällt, dass Sie krank sind – nicht nach mir

Die zehn Gebote ließ ich unbeachtet

Wie brennende, geschliffene Schmeichelei

Im fatalen Folianten

Zigeunerleidenschaft: sich trennen

Ich weiß eine Wahrheit! Alle andern Wahrheiten – Schluss

In der Hölle leben, ihr hitzigen Schwestern

Voller Mond und die Bärenpelze

Sie fliegen weg – nur hastig hingeschrieben

Gedichte an Ossip Mandelstam

1 Keiner hat es je überwunden

2 Die ich liebe führ ich zum Weg

3 Du wirfst den Kopf zurück beim Reden

4 Woher nur solche Zärtlichkeit

5 Zerflogen zu silbernen Scherben

6 Unheil kommt von einer Frau

7 Es geschah, er war sonderbar krank

8 Seltsamer Bruder, nimm aus meiner Hand

9 Vorbei an Türmen den stillen

Verse an Blok

Dein Name – ein Vogel in der Hand: verwundet

Für Anna Achmatowa

O Muse der Klage, du herrlichste der Musen

Hände sind mir gegeben – jedem beide entgegen

Weiße Sonne und niedrige, niedrige Wolken wie Zeichen

Schlaflosigkeit 2

Hände zu küssen

Schlaflosigkeit 4

Nach der schlaflosen Nacht wird der Körper kleiner

Schlaflosigkeit 7

Zart-so-zart und leise-leise

Schlaflosigkeit 8

Schwarz wie eine Pupille

Und er blickte, wie zum ersten Mal

Ich erkämpfe dich bei allen Erden, allen Himmeln

Soll denn ich, die ich gar nichts mehr brauche

Auf der Welt, in dem Dunkel, werden alle Nomaden

Die Stirn küssen – verscheucht die Sorgen

Ich erinnere den ersten Tag, wie kindische Bestien

Psyche

1 Nicht als Usurpatorin, nein – nach Haus kam ich

2 Du trägst, mein Sanfter, nichts als Lumpen

Ich bin. Du wirst sein. Zwischen uns – ein Abgrund

Nah wie die rechte und die linke Hand

Ich bin die Seite dir und deiner Schrift

Der Komödiant

1 Keine Liebe, nein, ein Fieber

2 Befreundet sein – geht nicht, mich lieben

3 Ein Auflachen, kurz, dass die Zähne hell blitzen

4 Nein, ich brauch dich nicht mehr, Lieber

5 Du im Sessel, voller Faulheit

6 Ich liebe Sie mein Leben lang und jeden Tag

7 Zärtlich dein Mund – er ist das reine Küssen

8 Wir küssten nicht – wir legten uns zusammen

9 In meinem Ohr zwei Pfiffe: Seide, Schneegestöber

10 Es lebe das schwarze As

Gedichte für Sonetschka

 

1 Ans Fensterchen klopft jetzt der Regen

2 Kleine du, du Sigarrera

3 Deine Hände so braun von der Sonne

Ich küsste diesen Kopf

Für N. N. W.

1 Auf großen stillen Wegen

2 Eine Stunde, was uns bleibt an Zeit

3 Ein unerhörter Freund, ein niegesehener

4 Rein in den Sack, ins Wasser – oh, wie herrlich

5 Meine Vergänglichkeit, die findest

6 Sagst allen Leidenschaften: Ade

7 Angenagelt an den Schandpfahl

8 Am Schandpfahl stehend, vor Gericht

9 Du hast es so gewollt. Sei’s drum. Und Halleluja

10 Nicht so gemein und nicht gar so simpel

11 Der eine ist aus Stein, aus Lehm ist der andre

Auf Schiefertafeln schrieb ich’s, hieß die Hand

Lied

Noch gestern sah er mir ins Aug

Ich hab Bettler, Diebe, Bucklige geküsst

O Liebe! Liebe! In Zuckungen, im Sarg

Lob der Aphrodite

1 Selig, wer deine Töchter, Erde, schnell verließ

2 Von Göttern – nicht mehr dieselben Geschenke

3 Unnütz, von schonenden Zweigen gehalten

4 Wie viele, wie viele fressen dir aus der Hand

Jugend

Bald schon muss ich Schwalbe zu den Hexen

Nicht hübscher geworden in den Jahren der Trennung

Grausam: Jammertal irdische Liebesglut

Such dir zutrauliche Freundinnen am Ende

Ich grüße dich! Nicht ein Stein, nicht Pfeil

Ophelia an Hamlet

Du Hamlet – straff und streng – Enggeschnürter

Ophelia – zur Verteidigung der Königin

Prinz Hamlet! Die wurmstichigen abgelegten Reste

Phädra

1 Die Klage

Hippolyt! Hippolyt! Es schmerzt

2 Der Brief

Hippolyt von der Mutter – von Phädra

Eurydike an Orpheus

Für jene, die abgelegt haben die letzten Fetzen

Ariadne

1 Verlassen zu sein – heißt: eingelassen zu sein

2 Oh, mit allen Stimmen der Muschelgehäuse

Kabel

1 Durch die singenden Pfähle hin

2 Um dir es hier zu sagen … nein, gereiht

3 (Wege) Verlesen alles und – verworfen

4 Selbstherrliche Vorstadt: Machtgehabe

5 Keine Schwarze Magie! Im weißen

6 Stunde, wo hoch oben Magier

7 Als mein Bruder fortging, weit

8 Geduldig, wie man den Schotter schlägt

9 Das Frühjahr bringt den Schlaf. Komm, schlaf

10 Mit andern – in die rosigen Haufen

So hört man sich hinein

1 So hört man sich hinein (die Mündung)

2 Freund! Mach mir keinen Vorwurf für die Flucht

Hamlets Dialog mit dem Gewissen

Sie sank zum Grund, wo Schlamm

Die Spalte

Wie dieser Vorfall zum Ende schrumpfte

Das Treffen

Ich werde zum vereinbarten Treffen mich verspäten

Zu früh – um nicht zu sein

Die Stunde der Seele

1 Aus Seele und Nacht die tiefe Stunde

2 In der tiefen Stunde der Seele

3 Die Stunde der Seele gibt’s, des Monds

Lotos-Saft

Göttlich und kindlich-nackt

Neigung

Mütterliches – durch den Schlaf hindurch – Ohr

Die Muschel

Aus der Leprastation von Lüge und Bösem

Die Klinge

Zwischen uns die Klinge – zweifach verletzend

Magdalena

1 Zwischen uns – die zehn Gebote

2 Balsam, Salben, ihre Preise

3 Deine Wege will ich gar nicht wissen

Von diesem Berg wie vom Dach der Welt

Sei auch bitter deiner Rohre Rauch

Die Schlucht

1 Der Grund – der Schlucht

2 Nie wirst du erfahren, was ich verfeuere

Uralt, unnütz durch die Adern fließend

Ich liebe – doch die Qual ist noch groß

Du, der du mich liebtest mit der Falschheit

Zwei

1 In dieser Welt Reime zu finden

2 Nicht bestimmt ist, dass der Starke

3 In der Welt, wo jeder

Versuch, eifersüchtig zu sein

Na, wie lebt sich’s mit der Andern

Merkmale

Als trüg ich im Schoß einen Berg

Liebe

Ein Türkensäbel? Feuer? Brand?

An das Leben

1 Wirst mir nicht nehmen das Rot meiner Wangen

2 Wirst mir nicht nehmen die Seele – fliegend

Kein Donnerrad in seiner Wut

Kriechspur, Schneckenpfad der Tage

Ent – fernung: die Wersten, Meilen

Grabmal (für Nikolaj Gronskij)

1 »Ich geh nur für Minuten fort …«

2 Vergeblich mit dem Auge – dem Nagel

3 Dafür, dass du einst, jung und kühn

4 Ein Schlag, gedämpft von Jahren ohne Besinnung

Gedichte an den Waisenjungen

 

1 Ich umarme dich mit dem Gesichtskreis

2 (Grotte) Könnte ich – würd ich dich packen

3 Auf der Eisscholle

4 Als Zungenbrecher – im Flusswasser raunt er

5 Endlich hab ich den getroffen

6 Ich denk an den einen, den andern

Zeit jetzt! Auch dieses Feuer zu erfahren


Anhang


Zeittafel


Ich rede von der Liebe in Freiheit. Über das Wunder des Fremden: Marina Zwetajewas Liebeslyrik. Nachwort von Ralph Dutli


Notiz

Gedichte von Liebe und Leidenschaft

Die Freundin
1

Sind Sie jetzt glücklich? Kein Wort kommt von Ihnen!

Auch gut – so stumm!

Mir scheint, Sie küssten wohl schon viel zu viele,

Sind traurig – darum.


Alle Heldinnen aus Shakespeares Tragödien

In Ihrer Gestalt.

Rettung gab’s keine, junge tragische Lady,

Keinen – der half.


Sie sind es müde, all das Liebesgerede

Zu alt, zu schwer.

Der eiserne Reif an der Hand, der blutleeren –

Sagt so viel mehr!


Ich liebe Sie! Die Sünde: Wolkenfetzen

Über Ihrer Stirn,

Weil Sie so ätzend sind und so verletzend –

Und besser als wir.


Weil wir, weil unsre Leben sich nie gleichen

In dieser Nacht,

Für die Verführungskünste, Ihre reichen,

Für die fatale Macht,


Weil ich einst Ihnen, jähgestirnter Dämon,

Sage: Verzeih,

Weil Sie unrettbar sind – noch über Gräbern! –

Reiß dich entzwei!


Für dieses Zitternde – muss ich jetzt träumen?

Ist alles leer? –

Für diese Ironie, den Reiz, den neuen:

Sie sind – kein Er.


16. Oktober 1914

2

Unter dem Plüschplaid, mich liebkosend,

Denk ich an gestern, an den Traum.

Was war das? Mein Sieg, dein Sieg? Bloß die

Besiegte Frau?


Ich überdenke alles, leide

Noch immer alles nochmals neu.

In dem, wofür’s kein Wort gibt, keines!

War Liebe wohl dabei?


Wer war der Jäger? Wer die Beute?

So teuflisch alles und verrannt!

Was – lange schnurrend – wohl der Kater

Von alledem verstand?


In jenem Zweikampf zweier Willen

Wer war der Ball in wessen Hand?

Und wessen Herz – das meine, Ihres –

Ist plötzlich durchgebrannt?


Und – was nur war das? – immer wieder:

Was will man bloß, das dann nur trügt?

Ich weiß es nicht: Bin ich die Siegerin?

War ich besiegt?


23. Oktober 1914

3

Tauwetter jetzt, so dass ich heute

Am Fenster lange-lange stand.

Nüchtern der Blick, ich atme freier,

Besänftigt wieder, nach dem Brand.


Ich weiß gar nicht warum. Die Seele

Ist jetzt ganz einfach abgespannt,

Nicht mal den Bleistift, den Rebellen,

Möcht ich berühren mit der Hand.


So stand ich denn – fast wie im Nebel –

So weit von Gut und Böse, dass

Ich mit dem Finger sachte trommle

Ans kaum erklirrende Fensterglas.


Die Seele schlechter nicht, nicht besser

Als der Erstbeste, der da tappt –

Als schillernd alle Perlmutt-Pfützen

In die der Himmel sich verschwappt,


Als der vorüberfliegende Vogel

Oder der letzte Hund, verirrt.

Nicht mal die Sängerin, die bettelt,

Hat mich zu Tränen jetzt gerührt.


Die liebe Kunst namens Vergessen

Hat sich die Seele eingesaugt.

Und ein Gefühl, irgendein großes,

Hat heute tief in mir getaut.


24. Oktober 1914

4

Sich anzuziehen – keine Lust,

Sie wollten nicht mal aufstehn aus den Sesseln.

– Doch jeder Ihrer künftigen Tage muss

Von meiner Freude froh sein bis zum letzten.


Besonders waren Sie abgeneigt,

Noch rauszugehn in Nacht und Kälte.

– Doch jede Ihrer künftigen Stunden sei

Von meiner Freude jung-erhellte.


Sie haben das so ohne Falsch getan,

Unschuldig und nie gutzumachen.

– Ich war nur Ihre Jugend, kann

Nichts als vorübergehn, verlassen.


25. Oktober 1914

5

Heut abend war’s, gegen acht,

Hinweg über die Große Lubjanka,

Wie Schneebälle, Kugeln – sacht

Sausten die Schlitten und wankten.


Ein Lachen, das schon einmal war …

Mein Blick wie erstarrt, ohne Leben:

Das rötliche Fell – ihr Haar,

Und Jemand sitzt aufrecht daneben!


Mit einer Andern schon waren Sie,

Zogen Ihre Schlittenfährten,

Begehrten und lieben – wie?

Viel stärker als ich – begehrten!


Oh, je n’en puis plus, j’étouffe!

Sie riefen es hell und laut

Und schoben schwungvoll mit dem Ruf

Die Pelzdecke an ihr hinauf.


Fröhlich die Welt, der Abend – schlimm!

Aus dem Muff Ihre Einkäufe wälzend …

So sausten Sie im Schneewind hin,

Blick an Blick, und Pelzchen an Pelzchen.


Ein Aufruhr, grausamster Schlag,

Der Schnee – weißes Weiß, niedertaumelnd.

Ich stand, zwei Sekunden lang –

Nicht mehr – hinterher euch schauend.


Und strich übers lange Haar

Meines Pelzchens – nicht zornig.

O Schneekönigin, jetzt ist es klar:

Dein kleiner Kay ist erfroren!


26. Oktober 1914

6

Überm Kaffeesatz schaut nachts dann

Weinend sie zum Orient.

Unschuldsmund, Mund voller Laster –

Ungeheure Blume: brennt.


Bald der Mond, ein junger, schlanker,

Löst die Purpurdämmerung ab.

Wie viel Ringe, wie viel Spangen

Schenk ich dir – soviel ich hab!


Junger Mond zwischen den Zweigen

Schützt, behütet keinen mehr.

Wie viel Armbänder und Kettchen

Schenk ich liebend gerne her!


Unter einer schweren Mähne

Blitzen die Pupillen weich.

Eifersucht deiner Gefährten?

Vollblutpferde sind so leicht!


6. Dezember 1914

7

Wie fröhlich leuchtete von Flocken

Ihr graues und mein Zobelfell,

Als durch den Weihnachtsmarkt wir zogen

Und Bänder suchten, lockend-hell.


Wie ich an rosig-ungesüßten

Waffeln mich voll aß – wie viel? Sechs!

Und mich die roten Pferdchen rührten,

Mich rührten doch nur Sie zunächst.


Als rote Mäntel, groß wie Segel,

Schwatzten sie uns bloß Lumpen auf,

Und staunten über Moskaus Mädchen –

Die Bauernweiber dumm und laut.


Und dann, als sich das Volk verstreute,

Gingen wir zögernd da hinein,

Wo auf der alten Gottesmutter

Ihr Blick verharrte ganz allein.


Wie das Gesicht mit trüben Augen

So gütig schien und ganz erschöpft,

Mit runden Amorputten auf dem

Ikonenschrein Elisabeths.


Wie Sie dann meinen Arm anhielten

Und sagten: »Oh, ich will sie, sehr!«

Behutsam stellten Sie die gelbe

Kerze hinein ins Lichtermeer …


O weltliche, mit dem Opalring

Geschmückte Hand! Mein Missgeschick!

Und ich versprach, noch diese Nacht dir

Zu stehlen das Ikonenstück.


Dann in den Gasthof jenes Klosters

– Die Glocken dröhnten vor der Nacht –

So selig wie Geburtstagskinder

Krachten wir wie Soldatenpack.


Wie ich dann schwor, bevor ich alt bin

Noch hübsch zu werden – Salz verstreut! –

Und dreimal fiel – Sie wurden grantig –

Der Herzkönig mir zu erneut.


Wie Sie mich fassten, meinen Kopf mir

Liebkosten – jede Locke glüht –

Und die Emailblume der Brosche

Hat meine Lippen mir gekühlt.


Wie ich entlang der schmalen Finger

Mit meiner schläfrigen Wange strich,

Sie neckten mich, ich sei ein Junge,

Ihnen gefiel’s, Sie mochten mich …


Dezember 1914

8

Den Hals erhoben, hebt sich – frei

Als wär’s ein junger Trieb.

Wer sagt den Namen, wer – die Zeit,

Ihr Land, wo es wohl liegt?


Die Krümmung dieser Lippen, matt

Und schwach und launisch-wirr,

Doch blendend steigt sie auf und hart –

Beethovenhafte Stirn.


Von einem hellen braunen Ring

Hervorgehoben leicht,

Die Herrscher des Gesichtes sind

Die Augen, Monde – zwei.


Und bis zur Rührung ist es rein –

Zerschmolzenes Oval.

Die Peitsche passt zur Hand und ein

Silbergefasster Opal.


Die Hand, die in die Seide langt,

Würde zu Geigenbögen stehn,

Unwiederholbar ist die Hand,

Die Hand ist – wunderschön.


10. Januar 1915

9

Du gehst weiter, folgst deinen Wegen,

Nicht mal die Hand berühr ich dir bebend,

Doch die Sehnsucht in mir – ist zu ewig,

Nicht die Erstbeste in dir seh ich.


Und mein Herz sagte sofort nur: »Liebe!«

Ich hab – blindlings – dir alles verziehen,

Noch nicht mal deinen Namen wissend,

Oh du, liebe mich, lieb mich ein bisschen!


Und ich seh’s an der Lippenkrümmung,

Dieser Hochmut, er will nur gewinnen,

An dem Vorsprung, schwer über den Brauen:

Dieses Herz darf im Sturm man nur rauben!


Und dein Kleid – schwarzer Panzer aus Seide,

Deine Stimme zigeunerisch heiser,

Alles gefällt mir an dir, fast schmerzlich,

Sogar dass du nicht schön bist letztlich!


Schönheit, du wirst im Sommer nicht welken,

Keine Blüte, aus Stahl bist du – Stengel,

Schärfer als scharf, wütend-schlimmer,

Entführt woher, von welcher Insel?


Mit dem Fächer treibst du Unfug, mit dem Stöckchen,

In jedem Äderchen, in jedem Knöchelchen,

In der Form jedes Fingerchens, böse –

Weiblich-zart, jungenhaft-freches Wesen.


Spöttisches Lächeln mit Versen parierend,

Dir und der Welt es vor Augen führend,

Zeig ich alles, was in dir liegt verhohlen,

Unbekannte mit der Stirn Beethovens!


14. Januar 1915