Wie du mit dem Rauchen aufhörst

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Wie du mit dem Rauchen aufhörst
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Für Xaver. Und Merli. Und Carola.

Und alle die anderen unter dem Raucherpilz.

MARION GRILLPARZER

WIE DU
MIT DEM
RAUCHEN
AUFHÖRST

Gut gelaunt, stressfest – und

die Lieblingsjeans passt auch noch!

INHALT

http://www.die-glyx-diaet.de/rauch-stopp

VORWORT

„Wenn du etwas wirklich willst im Leben, dann ziele daneben!“

Eine Zen-Weisheit, die ich von einem meiner wichtigsten Mentoren, von Uli, gelernt habe. Eine Regel, die im Folgenden eine Rolle spielen wird.

Hiermit oute ich mich als Gesundheitsautorin, die raucht. Die 40 Zigaretten am Tag raucht. Mitunter mehr.

Gerne mit Genuss – und natürlich hängt sie voll am Zügel der Sucht. Seit 35 Jahren. So sehr, dass sie ihren Alltag nach folgender Prämisse plant: „Wo kann ich die nächste Zigarette rauchen?“ Freilich ist Ihnen klar: Das würde ich jetzt nicht schreiben, wenn sich daran nichts geändert hätte.

Mir liegt das Rauchen in den Genen. Meine Oma hat geraucht. Bis 99. Meine Mama, mein Dad. Und darum habe ich 35 Jahre lang nicht auch nur im Entferntesten daran gedacht, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich wollte nicht. Ich dachte: „Da denk ich doch gar nicht dran!“ Ein Leben ohne meine Zigaretten ist kein Leben. Und darum hat das Rauchen mein Leben bestimmt: Ich bin nicht mehr in die USA gefahren, habe das (Nichtraucher-)Fliegen eingeschränkt.

Bin irgendwann nicht mehr so oft ins Restaurant gegangen. Hab im Winter die Freunde nicht mehr besucht, die mich auf den Balkon schickten.

Der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, kam plötzlich, irgendwie aus mir heraus. Es gab weder einen Arzt mit ausgestrecktem Zeigefinger noch einen außergewöhnlichen Husten. Kein Was-auch-lmmer. Irgendwann war es so weit. Ich hatte irgendwie das Gefühl, ich sollte jetzt vielleicht doch mal mit dem Rauchen aufhören.


Und ein gutes Vorbild sein. Für andere Menschen, die ich liebe, die rauchen. Und behaupteten, man könnte nicht damit aufhören. Ich tat es. Heute bin ich seit fünf Jahren ein trockener Raucher. Und habe Albträume davon, an einem Tisch zu sitzen, zu ratschen, mir völlig unbewusst eine anzuzünden – und wieder am Tropf zu hängen.

Wer will …

Für uns Raucher hat Rauchen eine ganz, ganz große, wichtige Bedeutung. Und ob man aufhören will oder nicht, das geht nur einen selbst – und niemand anderen – etwas an. Ich schreibe dieses Buch also für die Menschen, die neugierig sind, die wissen wollen, wie ich es geschafft habe. Mit all dem Brimborium drum herum. Mit schlechter Laune. Mit Heißhunger. Zorn. Bauchweh. Und eines möchte ich ganz ehrlich sagen: Es ist alles andere als einfach. Und jeder, der etwas anderes behauptet, lügt. Ein süchtiger Raucher, der mit dem Rauchen aufhört, geht durch die Hölle. Und das ist die gute Nachricht: vier Wochen lang! Dann ist das Gröbste geschafft. Und die zweite gute Nachricht: Es ist machbar. Irgendwann krabbelt ein Glücksgefühl hoch. Ganz zart. Völlig neu, irgendwie jungfräulich. Ohne Zigarette.

… gewinnt soooo viel!

Man lebt so viel intensiver. So viel glücklicher. So viel zufriedener. Warum? Weil die Zigarette die Spitze von jeder Emotion kappt. Stress, Langeweile, Frust, Freude … Man raucht ja immer eine, um das, was man gerade fühlt, das, was man gerade erlebt, zu deckeln. Fällt die Zigarette weg, dann lebt man viel intensiver. Viel glücklicher, schon allein deshalb, weil man viel aufmerksamer ist. Darum traue ich mich jetzt, vollen Ernstes etwas zu versprechen:

Sie gewinnen nicht nur Gesundheit und Energie und Unabhängigkeit und echte Freiheit und Geld – sondern ein neues, tiefes, schier unerklärliches Glück.

Aber lesen Sie die Geschichte – vom ersten Tag an. Und irgendwann wollen Sie vielleicht auch. Sie. Sie allein. Sie müssen wollen. Wenn nur Ihr Partner will oder Ihr Arzt, dann ist das nicht Ihr ureigener Wille und Weg. Dann sind Sie gestresst, und Stress wiederum macht Heißhunger und dick – und schon steckt die Zigarette im Mund …

WAS AUFHÖREN SO SCHWIERIG MACHT

1. Nikotinentzug

2. Andere Atemtechnik

3. Erlernte, geliebte Verhaltensmuster

4. Arbeitslose Finger

5. Heißhunger

Wollen Sie einfach …

Viel Glück!

Ihre Marion Grillparzer



ZIGI ADE! DER PERFEKTE START

Nennen wir diesen Tag „Tag 0“. Der letzte Tag in meinem alten Leben. Der Wetterbericht für morgen lautet: Sonne, 19 Grad. Wunderbar. Der ideale Tag für mein Vorhaben. Ich hole mir eine üble Flasche Rotwein aus dem Keller – ein Geschenk vom Pizzaservice. Und lege eine Schachtel Gauloises Rot daneben. Die wunderbarste Erfindung der Welt. Mein Glück. Meine Droge gegen alles. Mein Aufputschmittel, mein Antidepressivum, mein Ich-mach-dir-das-Warten-leicht-Mittelchen, mein Kokain, mein Brain-Booster, mein Alles. Das darf man einem Nichtraucher nicht erzählen, der zeigt einem den Vogel. Einem Raucher braucht man es nicht zu erzählen, der weiß das. Und er weiß auch, wie man sich fühlt, wenn man so richtig an dieser weißen Stange hängt. Gott sei Dank lesen Nichtraucher diese Zeilen nicht. Die militanten Ex-Raucher sind übrigens die Schlimmsten. Das waren meist auch die Raucher, die bei sich zu Hause nicht rauchten – aber dir die Bude vollqualmten. Und wenn du zu Besuch bist, musst du raus in den Regen. Genau die werden dann irgendwann zu militanten Nichtrauchern. Vorher waren sie ja schon militante, zu Hause nicht rauchende Raucher. Sorry … aber sie lesen dieses Buch ja nicht .

ROTWEIN, ZIGARETTEN, ÜBELKEIT

So sitze ich also vor meiner sehr billigen Flasche Merlot und meiner Schachtel Gauloises. Nach 35 Jahren Abhängigkeit weiß ich noch nicht, wie man das schreibt, obwohl ich 40-mal am Tag diese Schachtel in die Hand nehme … Es ist 20 Uhr. Und ich habe meine letzte Schachtel Zigaretten vor mir liegen.

Am schönsten ist es, sie mit einem Streichholz anzuzünden! Ein leises Knistern und Aufflammen, dann diese Mixtur aus Schwefel- und Zigarettenduft, hmm, wie gut das riecht! Zwischen meinen Fingern steckt eine der 263 Millionen Zigaretten, die in Deutschland pro Tag angezündet werden. Von einer zermürbten Minderheit, die Rauchen nicht mehr als Freiheit, Abenteuer und Stärke ansieht. Sondern als eine über alles geliebte Schwäche, die im Grunde keiner versteht.

Ehrlich: Ich rauche wirklich gerne! Die Zigarette ist für mich Genuss, ein Booster im Kopf, Fröhlichkeit, Aufwachen, Lust …

Bald ist Schluss damit, und morgen früh werde ich als Nichtraucher aufstehen – klar, mit ziemlichem Rotwein-Nikotin-Selbstmitleidskopfweh. Aber das will ich ja. So richtig schlecht soll es mir morgen sein.

3 TAGE DAUERT DER NIKOTIN-FLASH,

4 WOCHEN DIE EMOTIONSFALLE

AM ANFANG STEHT DER PLAN

Man muss wollen. Kein anderer.

Nur man selbst.

Dann legt man sich einen Plan zurecht.

1. Die ersten vier Tage muss man freihaben. Weil man unruhig ist und übellaunig. Vor allem aber, um sich voll auf das Projekt konzentrieren zu können und nicht in übliche Routinen zu verfallen. Viel zu gefährlich, dann zur Zigarette zu greifen.

2. Idealerweise startet man im Frühjahr. Weil die Tage länger sind. Und Licht einem Serotonin schenkt. Es macht glücklich und willensstark. Und dämpft den Heißhunger. Wer im Winter startet, sollte täglich mittags 30 Minuten raus. Am besten nackt.

3. Bäckerhefe besorgen – oder sich Vitamin B spritzen lassen. Man sollte eh den Hausarzt mit ins Nichtraucher-Boot holen. Nicht für Nikotinersatz oder Mode-Medis sondern für Vitamine & Co. Unterdrückt die Zigaretten-Lust.

4. Beschäftigung für die

Hände besorgen: Talisman, Gummiringe und so was. Auf hier. gibt es ein Zirkeltraining für die Finger.

5. Beschäftigung für den Mund besorgen: aus einer Schnabeltasse oder einem To-go-Becher trinken, Kaugummi, Gemüsesuppe, Karotten und Paprika knabbern, getrocknete Früchte, Eiweißpulver, Popcorn, Chiasamen-Pudding.

Ja, ich weiß, dass es E-Zigaretten gibt. Nein, auch von denen möchte ich nicht länger abhängig sein. Und auch nicht von der Shisha. Nein, die ist nicht gesund. Auch wenn sie nach Aprikosen oder Melonen schmeckt.

6. Drei Tage mit Turnschuhen an den Füßen laufen, laufen, laufen. Bewegung lenkt ab, tut gut, hilft beim Detoxen.

7. Laden Sie jetzt schon mal die kleine Rauch-Stopp-Hypnose-Anleitung runter (siehe hier.). Bilaterale Gehirnstimulation hilft binnen drei Minuten beim Verzichten.


GUTEN MORGEN? GUTEN TAG?

Die ersten drei Tage sind die härtesten. Und der erste der allerhärteste. Mein Kopf ist schwer. So schwer, dass ich ihn am liebsten auf den Knien ablegen möchte. Oder gleich dem Postboten mitgeben. Erst mal habe ich überhaupt keine Lust auf eine Zigarette. Das war der Plan. Eine Schachtel plus eine Flasche billigen Wein – danach weiß man dann schon, dass einem das Ganze nicht so richtig guttut. Ich stolpere in die Küche. Zum Kühlschrank. Halte den Kopf rein. Bis die Ohren blau sind. Von Oma habe ich den Tipp mit der frischen Bäckerhefe. Einen Teelöffel davon in etwas warmem Wasser auflösen. Nase zuhalten und runter damit. Sie sagt: „Da widerstrebt dir dann jede Zigarette. Liegt an den B-Vitaminen in der Hefe.“

 

LIEBER EINE KUR VOM DOC

Leider bleibt Omas guter Ratschlag nicht in meinem Magen. Und es dauert eine halbe Stunde, bis ich fähig bin, an etwas anderes zu denken als an Hefe. Wolf sagt: „Guten Morgen, Hulk!“ Nein, ich kann nicht darüber lachen. Überhaupt nicht. Ich trinke meinen ersten Morgenkaffee „ohne“, schlüpf in meine Laufschuhe und lauf zu meiner Hausärztin. Nach dem gescheiterten Hefe-Selbstversuch halte ich eine hohe Sicherheitsdosis für angebracht: B-Vitamine aus der Spritze. Eines der B-Vitamine, die wir dringend brauchen, heißt sogar Nikotinsäure.

Dort angekommen, erzähle ich meiner Ärztin, dass ich gerade mein neues Leben als Nichtraucher starte. Sie sagt: „Finde ich gut!“

„Kannst du mir Vitamin B spritzen? “ – „Klar. Musst aber mindestens dreimal die Woche zum Spritzen vorbeikommen. Zwei Wochen lang. Willst du Nikotinpflaster? “ – „ Nein. Ich denke, ich probier es lieber so.“

Das mit dem Nikotinpflaster ist ein ziemlich dickes Geschäft der Pharmaindustrie. Und im Grunde genommen tut es ja nichts anderes, als das Leiden zu verlängern. Ich möchte erst einmal ausprobieren, was passiert, wenn man es ohne macht – und den Entzug nicht ins Unendliche ausdehnt.

Wenn jemand Entzugserscheinungen hat, dann ich – und die muss ich ja erst mal fühlen, und dann kann ich mir überlegen, ob ich etwas dagegen unternehme und wenn ja, was.

ERSTE SCHRITTE DER ABLENKUNG

Immer wenn ich Lust auf eine Zigarette habe, laufe ich raus – die Sonne scheint. Die schickt mir auch Serotonin in den Kopf. Tieeeeef einatmen: ein irres Gefühl! Da kommt nix mehr rein.

Nur noch gute Luft. Kein Teer, kein Nikotin, kein Formaldehyd, keine kanzerogenen Kohlenwasserstoffe. Kein Gift, Gift, Gift. Tja, ich versuche halt, mir das schon ein wenig schmackhaft zu machen.

Den Mund muss man auch beschäftigen. Klar, mit Kaugummi. Nur: Den kann ich gar nicht leiden. Ich kau lieber auf selbst gedörrten Apfelringen oder Möhren oder dem gesündesten Popkorn der Welt. Selbst gepoppt. Aus Amaranth. Ich trinke viel, viel Kaffee. Irgendwie vergeht dieser Tag. Ein bisschen wie auf Watte. Aber er vergeht. Immerhin.

Abends zieht es mich um 21:15 Uhr ins Bett – Schlafenszeiten wie bei einem Erstklässler. Aber ich denke: „Was ist ein Abend ohne Zigaretten?“ Und massiere noch ein wenig meinen Selbstakzeptanzpunkt.

B-VITAMINE HELFEN ÜBER DEN ERSTEN ENTZUG HINWEG. B3 HEISST NICHT UMSONST NIKOTINSÄUREAMID.

DER SELBSTAKZEPTANZPUNKT

Ehrlich gesagt kann man sich die ersten drei Wochen nicht leiden. Überhaupt nicht. Die Launen, die Figur, den Hunger … die Sucht.

Das ist fatal. Denn Grundlage für alle positiven Veränderungen ist – auch für das Rauchenaufhören: Liebe dich selbst. Sonst funktioniert gar nichts. Und es ist ja auch schön, wenn man den, der einem wirklich am nächsten steht, auch lieb hat. Nur: Das fällt einem in diesen Tagen einfach um einiges mehr als schwer.

ZWEI AUF EINEN STREICH

Nein, es hilft nicht, in den Spiegel zu gucken und zu sagen, dass man den da drin lieb hat. Das hilft nicht. Gar nicht. Aber dafür gibt es den „heilenden Punkt“. Wenn wir diesen Selbstakzeptanzpunkt aktivieren, entgiftet das, und das stärkt auch gleich noch unsere Selbstliebe. Er liegt einige Zentimeter unterhalb des Schlüsselbeins auf der linken Körperseite über dem Herzen. Man kann ihn spüren, als empfindliche kleine Erhebung oder Vertiefung. Dort laufen Lymphbahnen zusammen, zuständig für den Abtransport von Schadstoffen aus dem Körper, und anscheinend fließen Unstimmigkeiten mit der eigenen Person auch gleich mit davon. Es heißt:

Wenn man den Punkt sanft kreisend massiert, hilft das, negative Gedankenmuster aufzulösen – und sich selber zu lieben und zu akzeptieren. Und wenn man das tut, dann tut man das auch ohne die vor allem schützende Freundin namens Zigarette. Wer will, kann das Ganze auch mit seinen eigenen Worten verstärken:

OBWOHL ICH SUPERGRANTIG BIN, LIEBE UND AKZEPTIERE ICH MICH SO, WIE ICH BIN.

AUCH WENN DA SO EIN DOOFES

MÄNNLEIN AUF MEINER SCHULTER

SITZT, LIEBE UND AKZEPTIERE ICH MICH

SO, WIE ICH BIN

OBWOHL ICH DEN COMPUTER GERADE

ZUM fENSTER RAUSGESCHMISSEN HABE,

LIEBE UND AKZEPTIERE ICH MICH SO,

WIE ICH BIN ...


EINE ODE AN DIE BESTE FREUNDIN

Irgendwie muss ich hier jetzt mit dem Zitat von Mark Twain herausrücken: „Zuerst schuf der liebe Gott den Mann, dann schuf er die Frau. Danach tat ihm der Mann leid, und er gab ihm Tabak.“ Ich weiß, das ist politisch jetzt nicht so korrekt. Aber wir haben uns da ja emanzipiert. Und es gilt für Sie wie für Ihn gleichermaßen: Die Zigarette ist eine Freundin. Sie lenkt ab, macht hellwach und gut gelaunt, mit ihr ist es einem nie langweilig, jede Form von Stress macht sie erträglich – und den Hunger dämpft sie auch. Man will sie nicht missen! Nur Nichtraucher sehen das anders. Die lesen ja auch alles über das Rauchen und seine Gefahren, das tun Raucher natürlich nicht. Die gucken selbstverständlich auch weg, wenn im Fernsehen so eine Sie-wissen-wie-die-aussieht-Lunge gezeigt wird … Sieht man ja auch in jedem dritten Körperwelten-Ausstellungsglaskasten. Nur halt der Raucher nicht. Der guckt da weg.

DAS SCHÖNSTE AM NIKOTIN IST …

Es stimuliert. Ist es erst einmal im Blut, produziert unser Körper mehr Adrenalin, mehr Dopamin, mehr Serotonin. Adrenalin weitet die Gefäße, macht alles in uns schneller. Dopamin, ein Nervenbotenstoff, belohnt uns mit guten Gefühlen. Serotonin stimmt uns ebenfalls zufrieden. Jede Zigarette schenkt uns also ein Wohlgefühl – und das auch noch viel schneller als jede andere Droge. Binnen sieben Sekunden beruhigt sie uns oder putscht uns auf, wenn wir gerade mal keine Energie haben.

Dieses Nikotin macht uns also sehr, sehr glücklich. Macht diesen leichten, schönen, stimulierenden Schwindel. Dass da noch andere giftige Stoffe durch den Rauch in den Körper gelangen, ist unserem Kopf natürlich völlig egal. Mit Recht sozusagen.

KAUM ZU GLAUBEN. SIE KANN BEIDES: BERUHIGEN UND AUFPUTSCHEN.

SCHNELLER DENKEN, FÜHLEN, AGIEREN ...

Wir gewinnen nämlich für den Augenblick so viel: Die Blutgefäße werden enger, das Herz schlägt schneller, wir können schneller denken, fühlen, agieren. Nikotin steigert nicht nur Aufmerksamkeit und Gedächtnis, sondern unsere psychomotorische Leistungsfähigkeit – unsere Bewegungen, unsere Emotionen.

Na, und dann verringert Nikotin auch noch den Appetit – es schenkt uns ja auch mehr vom Appetitzügler Serotonin. Es lässt den Magen aktiver arbeiten – und den Darm auch. Wir Raucher tun noch etwas – das klingt jetzt verrückt, aber es spielt eine wichtige Rolle: Wir atmen tiefer.

Wir atmen rein technisch gesehen gesünder, solange wir die Zigarette inhalieren, nutzen wir die volle Kapazität ganz unten im Lungenflügel. Wir trainieren Zwerchfell und Lunge. Leider saugen wir dabei den Dreck ein. Und schreiben mit jedem Zug im Gehirn an einem Programm, das uns abhängig macht.

DIE KOPFMACHT DER ROUTINE

Unser Gehirn liebt Gewohnheiten. Dieser wichtige neurobiologische Aspekt macht die Sache mit der Routine so unendlich schwierig.

Ganz einfach deshalb, weil das Hirn ziemlich faul ist und mit automatisierten Abläufen schlicht Arbeitsspeicher und Stoffwechsel-energie spart. Und damit das so bleibt, schüttet das Oberstübchen bei Routinevorgängen Botenstoffe aus, die uns das gute Gefühl von Sicherheit und Struktur vermitteln. Tja, und das ist nun leider ein ziemlich mächtiger Effekt, der den Wunsch nach Ausbruch und Aufbruch immer wieder zurückdrängt. Nur nix ändern.

Alles darf und soll tunlichst so bleiben, wie es ist. Muss man austricksen, den faulen Geist dort oben. Funktioniert mit Beharrlichkeit: Das Gehirn akzeptiert neu etablierte Strukturen nach gut acht Wochen, wenn sie immer wieder stur geübt werden. Es akzeptiert sie und baut sie als neue Gewohnheiten ins Normalprogramm ein. Nach dieser Zeitspanne sind also umgesetzte Pläne wie „mehr Sport, weniger arbeiten, nicht mehr rauchen“ ziemlich zuverlässig geschafft.

ENTZUGSERSCHEINUNGEN

Die körperlichen Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Nervosität und Panik halten 72 Stunden an.

Nikotin gehört zu den Substanzen mit dem höchsten Suchtpotenzial, schlimmer noch als Kokain. Und: Es erzeugt die Lust auf mehr. Man raucht also in immer kürzer werdenden Abständen immer mehr Zigaretten.

Nach drei Wochen ist alles gut. Denn dann haben sich auch die Acetylcholinrezeptoren auf Normalniveau eingestellt. Und bis dahin leidet man ganz schön. Unter Unruhe, Zorn, ja bis hin zu Aggression – und depressiv ist man auch oft. Und sooooo müde. Außer man kennt das Grillparzer’sche Nichtraucher-Programm.

Nach acht Wochen hat das Gehirn eine alte Gewohnheit eliminiert – und durch eine neue ersetzt. Man muss nicht mehr zur Zigarette greifen. Es reicht das kleine Fingerspiel (siehe hier).

LÄSTIGES LASTER ODER BÖSE SUCHT?

Ich grüble über der ersten Seite für ein Stress-dick-schlank-Buch. Diese erste Seite ist Horror für uns Autoren. Die tut richtig weh. Erst wenn wir die geschrieben haben, beginnt das Schreiben, der Flow, die Freude … Ich grüble also. Im Mundwinkel das Motivationsstangerl. Das Telefon klingelt, das Ding muss Platz machen für freundliche Worte. Wandert über die linke Hand zum Aschenbecher. Am Telefon der Tierarzt, der mir einen Blutbefund von Moony schickt. Nervös fuchtle ich, den Hörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, eine Zigarette aus der Packung. Anzünden. Reden. Auflegen. Ach, so könnte man den Text anfangen: Tippen braucht freie Hände. Und schon braucht der Kopf wieder Stoff. Zigi anzünden. Da glimmen doch tatsächlich drei Zigaretten im supervollen Aschenbecher. Wie süchtig kann man denn nur sein? Ein noch peinlicherer Suchtmarker ist eigentlich nur der Raucherkäfig im Flughafen.

DER KERN DER SUCHT

Wir haben in unserem Hirn, genauer: im unteren Vorderhirn, den sogenannten Nucleus accumbens. Nucleus heißt „Kern“, accumbere so viel wie „Platz nehmen“, „beiwohnen“. Und dieser in unserem Gehirn platzierte Kern, der NA, spielt eine wichtige Rolle im Belohnungssystem, bei der Entstehung der Sucht. Denn dort haben wir Dopaminrezeptoren.

Und werden die aktiviert, dann fühlen wir Zufriedenheit bis hin zu Glück. Das schenkt uns Zucker, und das schenkt uns Nikotin.

WIRKT WIE KOKAIN

Eigentlich wissen wir erst seit 2008, dass Rauchen mehr ist als eine schlechte Angewohnheit. Eine Sucht. Bestätigt haben das zum Beispiel Wissenschaftler der Uniklinik Mainz, die 17 starken Rauchern mit dem PET, einem speziellen nuklearmedizinischen Bildgebungsverfahren, ins Gehirn geguckt und deren Dopaminstoffwechsel mit 21 Nichtrauchern verglichen haben. Heraus kam: Nikotin setzt genauso wie Alkohol, Heroin und Koks den Belohnungsstoff Dopamin frei – und führt dazu, dass die Dopaminrezeptoren abstumpfen und wir mehr und mehr Dopamin brauchen, um uns zufrieden und glücklich zu fühlen. Sprich: mehr Nikotin. Wir haben im Gehirn dann mehr Nervenzellen, die Nikotin einfordern. Darum fällt das Rauchen-Aufhören auch so schwer. Wir müssen stärker sein als dieser Rezeptor-Wald da oben im Gehirn, der nach Nikotin brüllt. Nach einer Zigarette brüllt. Uns zornig macht, uns traurig macht, uns hungrig macht …

„DIE ZIGARETTE RAUCHT DEN MENSCHEN.“

 

Manfred Hinrich

WIR HABEN UNS SELBST KONDITIONIERT!

Sie kennen die Geschichte vom Pawlow’schen Hund, der sabbert, wenn das Futter kommt. Die Forscher haben erst zu jeder Fütterung ein Glöckchen klingeln lassen – und später hat der Hund gesabbert, sobald es nur geklingelt hat. Das nennt man „konditionieren“. Noch raffinierter ist das „operante Konditionieren“, wobei man eine bestimmte Verhaltensweise belohnt. Beispielsweise gibt man dem Affen einen süßen Saft, wenn er in die Hände klatscht. Der freut sich dann irgendwann schon alleine über das Händeklatschen. Genau dasselbe machen wir mit den Zigaretten – die wir zum Kaffee rauchen, zum Wein, nach dem Essen, beim Warten auf irgendwas, wenn das Telefon klingelt, im Auto, wenn Pause ist, wir die Zeitung lesen, über einer Idee brüten, wir uns gemeinsam eine anzünden … Und je mehr uns da einfällt, womit wir uns noch alles operant konditionieren können, desto Kettenraucher werden wir.

DER MAN-KANN-JA-TRICK

Einer der wichtigsten Ich-höre-auf-Sätze heißt: „Man kann ja!” Es gibt keinen Grund, keine Zigarette zu rauchen. Kein Gesetz, das es einem verbietet. Kein anderer Mensch, der so sehr drunter leidet, wie wenn wir einer anderen Droge verfallen wären, Alkohol oder Heroin … Man kann ja. Darum liegt bei mir auch eine Stange Zigaretten in der Schublade. Ich kann mir jederzeit, wenn ich will, wenn ich es brauche, eine Zigarette holen. Ohne nachts eine offene Tankstelle suchen zu müssen … Die liegt immer noch da. Heute noch nach fünf Jahren. Man kann sich jederzeit eine Zigarette anstecken. Wenn man das will. Man sollte das ganz einfach nur fünf Minuten lang wirklich wollen. Sich diese Zigarette erst anzünden, wenn man fünf Minuten darüber nachgedacht hat. Ob man das jetzt wirklich will.


DIE KETTE UND DAS (FALSCHE) GLÜCK

Kein Wunder also, dass wir Kettenraucher werden, weil uns diese Zigarette jedes Mal glücklich macht. Jedes Mal belohnt. Denn auf einen mit einer Belohnung verbundenen (konditionierten!) Reiz feuern bestimmte Areale im Gehirn so lange, bis endlich belohnt wird. Das heißt:

Wenn jemand beim Telefonieren immer eine Zigarette geraucht hat, wird sein Gehirn, sobald er zum Hörer greift, so funken, dass er sich auch eine Fluppe anzündet. Und so konditioniert sich ein Raucher auf: Stress – rauchen. Langeweile – rauchen.

Auto fahren – rauchen. Mit anderen zusammen – rauchen. Das Gemeine am Aufhören ist, dass man mit dem Rauchen in der Regel viele gute Erinnerungen verbindet. Die Entspannung durch die Zigarette nach einer anstrengenden Prüfung, die mit der besten Freundin an einem Strand beim Sonnenuntergang geteilte Zigarette, die Zigi nach dem ersten Mal: All diese positiven Erinnerungen werden mit dem Rauchen gleichgesetzt und – dem selektiven Gehirn sei Dank – all die schlimmen Zigaretten vergessen, die man währenddessen ja auch geraucht hat. Und was wir uns im Alltag so unbewusst angelacht haben, das müssen wir uns im Entzug mühsam weglernen. Funktioniert das? Wie funktioniert das? Ist das dann ein glückliches Leben? Ja, ist es. Glaubt man kaum. Ist aber wahr.

DIE KÖRPERLICHE ABHÄNGIGKEIT

… ist stark ausgeprägt, wenn man morgens binnen 30 Minuten nach dem Aufwachen schon raucht – und mehr als 20 Zigaretten pro Tag genießt. In drei Tagen haben wir das Nikotin geschafft, doch unsere Rezeptoren im Gehirn brauchen drei Wochen, bis wir nicht mehr unter Entzugserscheinungen leiden. International misst man die Stärke der Tabakabhängigkeit mit dem Fagerström-Test for Nicotine Dependence (FTND). Den können Sie sich unter www.mariongrillparzer.de herunterladen.


DIE PSYCHISCHE ABHÄNGIGKEIT

… wächst mit jedem Zug. Denn mit jedem Zug lernt das Gehirn, dass die Zigarette etwas Gutes ist. Wir selbst bringen uns bei, in bestimmten Situationen rauchen zu müssen: bei Stress, am Telefonhörer, zum Kaffee, immer – oder nur auf der Party. Dieses im Gehirn eingespurte Lernprogramm „Mit der Zigarette bist du wach, bist du ruhig, bist du satt, bist du glücklich …“ taucht sofort wieder auf, wenn man wieder eine raucht.

Diese nächste darf man nicht rauchen. Man ist ein Leben lang ein „trockener Nichtraucher“.


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