Vier Schlüssel zum König

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Vier Schlüssel zum König
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Merlin T. Salzburg

Vier Schlüssel zum König

Ein o-vier Jugendkrimi

Ebook-Ausgabe

Kaum haben die Detektive von o-vier ihren ersten Fall erfolgreich gelöst, stirbt Tivaros Großvater unerwartet und hinterlässt seinem Enkel ein paar merkwürdige silberne Schlüssel und ein altes Schachspiel. Tivaro findet eine siebzig Jahre alteStollenkarte, die zu einem millionenschweren Nazi-Schatz führt, der im Taunus versteckt sein soll. Die vier Detektive Tivaro, Otto, Nico und Jojo rüsten sich aus, um sich auf die Suche zu machen. Dabei geraten sie unversehens in das nächste haarsträubende Abenteuer, denn zu allem Übel erhalten die Jungen von o-vier unerwünschte Unterstützung von einem Widersacher, der offenbar bereit ist, sogar über Leichen zu gehen ...

Informationen zum Nachfolgewerk des Jungautors

Merlin T. Salzburg finden Sie unter

http://buchwelten-verlag.de

info@jugend.buchwelten-verlag.de

Copyright© 2011 by Merlin Thorkild Salzburg

1. Auflage Januar 2013

Ebookausgabe November 2014

Imprint

Vier Schlüssel zum König

Merlin T. Salzburg

published 2011-2016 by

Bubans Buchwelten-Verlag,

Frankfurt am Main

Germany

Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten.

Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und

des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die

elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung,

Verbreitung sowie öffentliche Zugänglichmachung.

www.buchwelten-verlag.de

ISBN 978-3-945740-20-0

Inhalt

Zimmer B 214

Der König

Die vier Schlüssel

Ein neuer Fall

Weg vom Bett

Der Deal

Drei, zwei, eins … keins!

Nachts auf Tour

Schachmatt

Die Gartenfete

Zimmer B 214

Tivaro Kirchner erwachte irgendwann nachts durch ein Geräusch. Hatte er im Schlaf nicht das Telefon läuten gehört? Unruhig hob er den Kopf vom Kissen. Durch den Türspalt seines Zimmers drang schwaches Licht von unten aus der Diele. Er lauschte angestrengt und glaubte dann, seine Mutter undeutlich und leise sprechen zu hören. Möglicherweise war es ja sein Vater, überlegte er. Wenn der manchmal von einer seiner Geschäftsreisen anrief, war es bei ihm vielleicht früh abends, während es zuhause bereits spät in der Nacht war. Tivaro gähnte, legte sich wieder zurück und schlief dann durch bis zum Morgen.

Tivaros Wecker klingelte um halb acht. Er sprang aus dem Bett, zog sich schnell an und flitzte dann ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.

»Guten Morgen!«, rief er nach unten. Keine Antwort. Kurz darauf stand er in der Küche. »Guten Morgen, sagte ich.«

Sabrina saß am Frühstückstisch über ihrer Müslischale und heulte.

»Guten Morgen, Tivaro!«, sagte Elise leise. Auch ihre Augen waren feucht.

»Was habt Ihr denn? Ist etwas passiert?«, fragte Tivaro voller Sorge.

»Opa ist heute Nacht schwer gestürzt und liegt jetzt mit einem Oberschenkelhalsbruch im Bürgerhospital«, informierte Elise ihn.

»Was?« Für Tivaro hörte sich das wie Bein- und Genickbruch zusammen an. »Ist es sehr schlimm?«, wollte er wissen.

»Ich will ehrlich zu euch sein«, antwortete Elise. »Ja, es ist sehr schlimm, wie der Arzt sagte. Und er sagte auch, dass es nicht sicher ist, ob er wirklich wieder auf die Beine kommt. Viele Menschen, die so alt wie Opa sind, sterben nach einem Oberschenkelhalsbruch, wenn sie nicht operiert werden können.«

»Kann man Opa nicht operieren?«, fragte Tivaro.

»Das wird sich erst heute im Laufe des Tages klären«, sagte Elise und seufzte.

»Ich will jetzt zum Opa«, forderte Sabrina. »Oh, er tut mir ja so schrecklich leid.« Sie war noch im Schlafanzug und schluchzte: »Ich weiß auch gar nicht, was ich überhaupt anziehen soll.«

Auch Tivaro liebte seinen Opa über alles und wäre am liebsten ebenfalls gleich zu ihm gefahren. Doch heute würde er erst abends vom Taunus-Camp zurückkommen.

Elise schien Tivaros Gedanken gelesen zu haben. »Sabrina und ich fahren heute Vormittag ins Krankenhaus. Und wenn du am Abend zurück bist, fahren wir noch mal hin.«

»Ich würde ihn gerne alleine besuchen«, sagte Tivaro nach dem Frühstück.

»Wenn du meinst. Ich bringe dich jedenfalls hin«, entgegnete Elise. »Hast du deinen Rucksack zusammengepackt?«

»Ist alles noch so wie beim letzten Mal. Einen Schlafsack brauchen wir heute bestimmt nicht.«

»Unwahrscheinlich«, sagte Elise. »Das hätten die mir schon gesagt. So, und nun mach dich auf den Weg zur U-Bahn. Ich hole dich und Otto dann um sechs ab, okay?«

»Ist okay, Mom. Und grüßt mir Opa Reinhard schön.« Die beiden Freunde Tivaro und Otto hatten sich im ersten Wagen der U2 verabredet. Bis zur Haltestelle Gonzenheim in Bad Homburg dauerte die Fahrt etwa eine Viertelstunde.

Otto war mit seiner Spiele-Console beschäftigt. Er spielte gerade Pokemon. Trotzdem bemerkte er schnell, dass mit Tivaro irgendetwas nicht stimmte.

»Du guckst so traurig. Freust du dich nicht aufs Camp?«

»Klar doch. Aber ich muss an meinen Opa denken. Der liegt seit heute Nacht mit einem Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus. Und ich kann erst heute Abend zu ihm. Aber meine Mom sagt, es geht ihm sehr schlecht. Das geht mir durch den Kopf, verstehst du?«

»Tut mir leid«, versuchte Otto zu trösten. »Ist schon hart, gleich zwei Brüche auf einmal.«

»Wieso zwei Brüche?«, wunderte sich Tivaro.

»Na, Oberschenkel und Hals denke ich«, sagte Otto.

Tivaro musste trotz der ernsten Situation grinsen, und er klärte Otto auf.

»Außerdem will ich heute Abend alleine bei ihm sein. Wenn mein Opa und ich zusammen sind, ist alles ganz anders als mit Mom oder Sabrina«, erklärte Tivaro. »Da reden wir eben über viele andere Dinge.«

»Mein Opa ist schon tot«, bemerkte Otto nur und spielte weiter.

Pünktlich um 8:30 Uhr kamen sie an der Endhaltestelle Gonzenheim an. Dort wartete auch schon der Bus, der die Kinder aus dem Frankfurter Umland in die verschiedenen Camps im Taunus brachte. Für die zwanzig Kilometer nach Oberreifenberg brauchte der Bus fast eine dreiviertel Stunde. Wie immer ging es ziemlich laut zu. Am Ziel angelangt hielt der Bus mitten im Wald, wo auf einer großen Lichtung eine Wohn- und Zeltlandschaft errichtet worden war – das Taunus-Camp.

Tivaro und Otto schulterten ihre Rucksäcke und liefen mit den anderen Kindern Richtung Sammelstelle.

»Ich hoffe, ihr habt alle eure Sportsachen dabei. Wir machen heute nämlich ein Völkerball-Turnier«, sagte Ernst, einer der Camp-Betreuer, den Tivaro und Otto bereits kannten. Sie wurden in Teams zu je sechs Spielern eingeteilt und bekamen von Christian, einem weiteren Betreuer, entweder rote oder blaue Halstücher, damit jeder wusste, wer zu welcher Mannschaft gehört. Dann ging es auch schon los. Tivaro und Otto schlugen sich prächtig und hatten eine Menge Spaß. Bis zum Mittag wurden dann auch noch Staffelläufe und ein paar andere Spiele veranstaltet. Für die abgekämpften und hungrigen Sportler gab es schließlich Essen aus der Gulaschkanone.

In der Mittagspause gingen Tivaro und Otto zum Betreuerzelt. Dort fanden sie Christian und fragten ihn, ob Nico und Jojo sich noch nachträglich für das Ferienlager anmelden könnten.

»Da muss ich erst mal bei der Campleitung nachfragen. Ich gebe euch morgen Bescheid«, versprach Christian.

»Hoffentlich klappt’s für die beiden«, meinte Otto.

»Ich fände es auch toll, wenn die ganze Gang hier wäre«, sagte Tivaro. »Mal sehen, was geht.«

Nachmittags wurden in Tivaros und Ottos Gruppe Lieder gesungen, die Ernst mehr oder weniger schön mit seiner Gitarre begleitete.

»Ich kann nicht mehr singen«, krächzte Otto irgendwann plötzlich. »Meine Stimme kratzt so.«

»Du kommst in den Stimmbruch«, freute sich Tivaro.

»Was?«, kiekste Otto.

»Stimmbruch«, wiederholte Tivaro. »So wie bei mir. Es dauert ein bisschen, bis die tiefere Stimme bleibt. Und so lange es noch nicht soweit ist, geht die Stimme erst mal rauf und runter.«

»Aha«, sagte Otto diesmal in tiefem Brustton und beide lachten.

Pünktlich um sechs kam Elise mit ihrem Fiat und holte die beiden Jungen ab. Tivaro ließ sich mit Otto am Weißen Stein absetzen.

»Ich fahre mit der U-Bahn weiter«, sagte Tivaro.

»Wie du willst«, entgegnete Elise. »Aber spätestens um neun bist du wieder zuhause.«

»Ist okay, Mom«. Tivaro und Otto stiegen aus, und Elise fuhr weiter.

»Ich fahre bis Miquelallee und gehe dann den Rest zu Fuß. Wir treffen uns Morgen wieder im ersten Wagen«, verabschiedete sich Tivaro von seinem Freund. Er kannte den Weg zum Bürgerhospital. Er und Sabrina wurden dort geboren, und mit zehn Jahren war er dort Blinddarm-Patient.

Tivaro betrat das Bürgerhospital gegen halb acht und fragte an der Pforte nach der Station, auf der sein Opa lag. Mit dem Fahrstuhl fuhr er dann in den zweiten Stock. Über der Glastür rechts von ihm hing ein Schild mit der Aufschrift Station B – Chirurgische Abteilung. Hier musste es wohl sein. Er hatte gerade die schwere Glastür geöffnet, als plötzlich ein alter Mann aus einem der Krankenzimmer auf den Gang trat und dann mit hochrotem Gesicht wutentbrannt an ihm vorbeistürmte.

»Geh’ mir aus dem Weg, Rotzlöffel!«, schnauzte er Tivaro an, der sofort erschrocken zur Seite wich.

 

»Immer schön langsam, Alter!«, rief Tivaro dem Mann hinterher. »Sonst liegen Sie auch bald hier.«

Der Alte lief schimpfend die Treppen nach unten, ohne vom Fahrstuhl Notiz zu nehmen. »Dieser Narr!«, brüllte er durchs Treppenhaus, und Tivaro sah ihm noch eine Weile nachdenklich hinterher. Und dann glaubte er plötzlich, das Gesicht des alten Mannes, das er nur einen Augenblick lang gesehen hatte, von irgendwoher zu kennen. Merkwürdig, dachte Tivaro.

Dann betrat er erneut die Krankenstation und wanderte von Tür zu Tür, bis er vor Zimmer B 214 stand. Genau aus dieser Tür war gerade der alte Mann gekommen! Tivaro drückte vorsichtig die Klinke herunter und betrat dann leise den Raum. Draußen schien noch immer die Sonne, aber man hatte die Fenster mit Vorhängen abgedunkelt. Nur eines von drei Betten war belegt, und darin lag sein Opa.

»Ja, Tivaro! Mein lieber Tivaro!«, rief der Opa erfreut.

»Ach, Opa Reinhard!« Tivaro trat schnell an das Bett und umarmte behutsam seinen geliebten Großvater. »Wie geht’s dir denn?«, fragte er mit Tränen in den Augen.

»Es geht, es geht«, sagte der Opa, doch er klang ziemlich erschöpft. »Weißt du, die geben mir hier Spritzen gegen die Schmerzen im Bein. Und Pillen für dies und Pillen für das. Siehst Du?«

Er zeigte auf einen kleinen fahrbaren Nachttisch aus Metall neben ihm. Darauf lag eine längliche weiße Plastikbox mit Tabletten in verschiedenen Farben.

»Wofür sind die?«, fragte Tivaro.

»Na, zum Essen. Oder glaubst du, die geben mir hier etwas Richtiges?«

»Aber Opa!«, wehrte Tivaro ab, der die Flunkereien seines Großvaters gut kannte.

»Doch, doch! Es ist wahr. Bis Morgen kriege ich bloß Wasser. Und dann komme ich unter das Messer.« Seine Stimme klang düster.

»Du wirst operiert?«

»Ja, die schrauben mich wieder zusammen.«

»Schrauben?«, rief Tivaro erstaunt.

»Ja, mit richtigen Schrauben. So macht man das heutzutage. Und vor der Operation darf ich eben nichts essen. Aber mir ist sowieso der Appetit vergangen.«

»Wieso?«, wollte Tivaro wissen.

»Ach, es ist nichts«, entgegnete Opa. »Nichts als Ärger jedenfalls.«

Da fiel Tivaro die Begegnung draußen an der Glastür wieder ein. »Opa, wer war denn eigentlich der alte Mann, der gerade aus deinem Zimmer kam?«

Opas Gesicht war erst überrascht, wurde aber gleich darauf zornig. »Genau der, Tivaro! Der Kerl ist der Grund für meinen Ärger.« Wütend hämmerte Opa mit der Faust auf seine Bettdecke. »Aua, mein Bein!«, stöhnte er. »Diese miese, hundsgemeine Wühlratte!« Opa Reinhard war richtig blass vor Wut.

»Opa, du darfst dich nicht aufregen! Sag mir doch ganz ruhig, was los ist«, versuchte Tivaro seinen Großvater zu beruhigen. Opa hustete etwas, und wieder verzog er vor Schmerzen sein Gesicht. Tivaro konnte seinen Anblick vor Mitgefühl kaum ertragen.

Opa keuchte. »Du musst dir einen Stuhl holen, mein lieber Tivaro«, sagte er dann. »Ich habe dir nämlich einiges hoch Interessantes zu erzählen.«

Tivaro gehorchte und trug einen Stuhl vom Besuchertisch neben Opas Bett und setzte sich.

»Ich denke, es ist an der Zeit, dass du ein paar sehr wichtige Dinge erfährst. Der Mann, dem du da eben begegnet bist, das war Rupert. Professor Dr. Rupert Raff. Du hast ihn schon öfter mal bei mir gesehen, als du noch sehr klein warst. Damals waren Rupert und ich auch noch gute Freunde.«

»Du bist ja auch Professor«, nickte Tivaro.

»Ja genau. Ich für Geschichte und er für Paläontologie.«

»Palä ... was?« versuchte Tivaro zu wiederholen.

»Der gräbt alte Tiere aus. Dinosaurier und so’n Zeug. Unser Senckenberg-Museum ist sozusagen sein zweites Zuhause. Dort schläft er sogar manchmal.«

»Wirklich? Bei den Dino-Skeletten?«, fragte Tivaro amüsiert.

»Ja wirklich. Und er ist sogar ziemlich berühmt.«

»Na und?«, fragte Tivaro.

»Und habgierig«, ergänzte Opa. »Der macht seinem Namen alle Ehre. Ihm genügen ja seine Dinoknochen gar nicht. Rupert buddelt nämlich nach allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Und er geht sogar über Leichen.« Opas Augen weiteten sich und glänzten unruhig.

»Was?«, fragte Tivaro erstaunt.

»Pass auf!«, fuhr der Opa fort. »Rupert und ich sind uns vorhin zufällig beim Röntgen begegnet. Ich mit meinem Bein und er mit seiner Lunge wegen irgendeines grippalen Infekts. Dann kam er sogar noch mit hier ins Zimmer. Und weißt du, was er zu mir gesagt hat?«

»Was?«, fragte Tivaro.

»Er sagte, ich würde es ja nun sowieso nicht mehr lange machen. Und deshalb sollte ich ihm etwas geben.«

»Was?«, fragte Tivaro zum dritten Mal.

»Komm mal näher, Tivaro.« Opas rechter Arm tauchte unter der Decke hervor und griff in Brusthöhe nach Tivaros T-Shirt. Tivaro musste schlucken und beugte sich nach vorne, bis sein rechtes Ohr ganz nahe an Opas Mund war.

»Es geht um vier silberne Schlüssel, die ich besitze«, raunte Opa Reinhard erregt. »Und um sehr, sehr viel Gold!«, fügte er hinzu.

Tivaro wurde heiß und kalt zugleich. »Oh!«, machte er nur erstaunt. »Was denn für Gold, Opa Reinhard?« fragte er leise.

»Nazi-Gold!« Opa ließ Tivaros T-Shirt los, und der Junge glitt wieder auf seinen Stuhl zurück. Das klang ja unglaublich! Doch was hatte sein Opa damit zu tun?

»Und dieser Rupert wollte deine Schlüssel?«, überlegte er laut.

»Nicht ganz, mein lieber Tivaro. Von denen weiß die dumme Wühlratte nämlich gar nichts«, kicherte Opa. »Nein, er wollte natürlich das Gold.« Er hustete wieder und stöhnte auf. »Hör zu!«, begann er erneut. »Es gibt vier silberne Schlüssel für vier Kisten voller Gold. Alles Wertsachen von Juden, die während des Krieges von den Nazis ermordet wurden. Ihr werdet das Thema noch in Geschichte durchnehmen.«

»Ich habe schon davon gehört«, bemerkte Tivaro.

»Also vier silberne Schlüssel«, wiederholte Tivaros Großvater. »Einer für eine Kiste voller Goldringe und Uhren. Einer für eine Kiste voller Juwelen und Ketten. Einer für eine Kiste voller Goldmünzen aus der Kaiserzeit und eine Kiste voller …«. Der alte Mann machte eine Pause. »Keine Ahnung, was in der vierten Kiste steckt«, sagte er dann matt.

»Und die Schlüssel sind für die Kisten?«, kombinierte Tivaro.

»Genau!«, bestätigte Opa. »Ohne Schlüssel keine Kisten.«

»Und weißt du wo die Kisten sind?«, fragte Tivaro weiter.

»Bist du neugierig?«, fragte der Opa zurück. »Ich sage dir: Diese vier Schlüssel führen zum König«

»Aha«, gab Tivaro zurück.

»Willst du denn nicht erst einmal wissen, woher ich die Schlüssel habe?«

»Äh, ja sicher«, erwiderte Tivaro. Er schämte sich etwas dafür, dass er eben wohl ein wenig zu neugierig gewesen war.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und eine Krankenschwester betrat den Raum.

»So, noch Besuch?«, sagte sie freundlich. »Ich bin Nachtschwester Marlies. Möchten Sie vielleicht etwas Tee, Herr Wallenberger?«

Tivaros Großvater nickte, und die Nachtschwester goss hellen Tee in eine Schnabeltasse. »Die Besuchszeit ist aber eigentlich schon zu Ende«, sagte sie dann sanft zu Tivaro gewandt.

»Ich bin doch gerade erst gekommen«, wehrte sich Tivaro, der unbedingt Opas Geschichte weiter hören wollte.

Doch auch Opa sagte: »Geh du nur, Tivaro. Für heute ist es genug. Du kannst mich ja morgen nach meiner Operation besuchen.«

Tivaro war sichtlich enttäuscht, aber natürlich verstand er, dass sein Opa wirklich Ruhe brauchte.

»Kann ich noch irgendetwas tun, Opa?«, fragte er.

»Ja, du kannst Elise ausrichten, sie soll Morgen mal in meine Wohnung gehen und mir mein Schachspiel und etwas zu lesen mitbringen. Dann können wir morgen eine Partie zusammen spielen.«

»Ist gut«, versicherte Tivaro. »Dann komme ich morgen Abend um die gleiche Zeit, wenn ich vom Camp zurück bin.«

»Camp? Was für ein Camp?«, fragte Opa.

»Ach, das erkläre ich dir morgen. Dann haben wir uns beide was zu erzählen«, freute sich Tivaro.

»Verstehe«, sagte Opa nur. »Und jetzt ab nach Hause mit dir!«

»Tschüss, Opa Reinhard!« Tivaro stand auf und ging zur Tür. »Bis morgen also. Und viel Glück bei deiner Operation.«

»Wünsch mir lieber Erfolg. Wenn die Ärzte hier erst mal Glück brauchen, ...«

Zuhause pünktlich angekommen hängte Tivaro seine Jacke an den Haken und lief in Küche. Beim Abendbrot sagte er zu Elise: »Du, morgen wird Opa operiert. Er kriegt richtige Schrauben in sein Bein.«

»Das wusste ich schon«, entgegnete Elise. »Deshalb dachte ich, dass es besser wäre, wenn ihr Kinder ihn erst am Mittwoch wieder seht, wenn alles gut überstanden ist.«

»Lieber morgen«, sagte Tivaro. »Es war ja auch ganz okay für Opa, dass ich heute bei ihm war. Er hat sich wirklich gefreut.« Von Opas geheimnisvoller Geschichte wollte er lieber nichts sagen. Wozu auch, er kannte sie ja selbst noch nicht einmal. »Du sollst morgen Opas Schachspiel und etwas zu lesen aus seinem Haus holen. Opa will morgen Abend mit mir spielen.«

»Na, das sind ja schöne Pläne«, stöhnte Elise. »Wie soll ich das nur wieder alles unter einen Hut bringen? Ich habe um zehn einen Friseurtermin. Dann muss ich Sabrina zu ihrer Freundin fahren. Um zwölf muss ich im Tutti-Frutti bei der Arbeit sein. Und spät nachmittags will ich selbst zu Opa«

»Er hat aber nichts zu lesen, und er will mit mir Schach spielen.«

»Ist gut, Tivaro. Ich fahre gleich Morgen früh in Opas Wohnung nach Oberursel.«

Der König

Der Dienstag brachte für die beiden Freunde Tivaro und Otto erst einmal schlechte Nachrichten. Im Camp erfuhren sie, dass sich die Gangmitglieder Nico und Jojo doch nicht nachträglich anmelden durften. Außerdem hatte Ernst, der eine Betreuer, es sich nicht nehmen lassen, überall im Lager herum zu posaunen, dass Tivaro und Otto zwei Jungdetektive waren, die kürzlich zwei Bankräuber überführt hatten. »Wenn wir vier von eurer Sorte im Lager haben, wird es hier wohl sicher bald wieder vor lauter Polizisten wimmeln«, meinte Ernst ironisch. »Eure Freunde sollen ruhig woanders kampieren.«

»Wir vielleicht auch«, meinte Otto leise zu Tivaro gewandt.

»Na toll!«, stöhnte Tivaro genervt. »Das hat der Typ sicher alles jetzt erst in der Zeitung gelesen. Unsere Tarnung ist nun jedenfalls dahin. Was sind wir denn für Detektive, wenn hier jeder gleich weiß, wer wir sind?«

»Da hast du Recht«, gab Otto zu. »Ich für meinen Teil habe hier jedenfalls genug herumgeschnuppert. Mir reicht es hier.« Otto spielte damit auf die sogenannten Schnuppertage an. Damit sich die Kinder ein Bild von der Umgebung und vom Leben im Zeltlager machen konnten, wurden nämlich drei Schnuppertage angeboten. Der dritte Tag war heute.

»Mir reicht es hier auch, Otto. Außerdem wäre ich viel lieber bei uns im Garten als hier im Wald mit diesen beiden Betreuer-Spackos. Heute Abend sage ich Mom, dass sie mich hier erst gar nicht anmelden soll.«

»Das gilt auch für mich«, pflichtete ihm Otto bei.

Der Tag wurde nicht besser. Das Mittagessen schmeckte heute abscheulich nach Kantinenfraß, und nachmittags fing es auch noch an zu regnen. Elise holte die beiden Freunde wieder pünktlich um sechs ab. Sie eröffneten ihr sogleich, dass das heute ihr letzter Tag im Camp war.

»Bis jetzt hat euch doch alles noch so gut gefallen?«, wunderte sich Elise.

»Aber Nico und Jojo werden nicht aufgenommen«, erklärte Tivaro. »Und jetzt, wo wir eine Gang sind und unser Hauptquartier im Garten haben, fühle ich mich im Camp ohne die anderen echt fehl am Platze.«

Otto nickte zustimmend. »Außerdem hat Nico gesagt, dass es auch noch andere Camps im Taunus gibt, die vielleicht noch Leute nehmen.«

»Hast du das Schachspiel dabei?«, wollte Tivaro wissen.

»Ja, und hier sind noch zwei Bücher, die auf Opas Nachttisch lagen.« Elise reichte ihrem Sohn zwei dicke Taschenbücher und einen Holzkasten, den man zu einem Schachbrett aufklappen konnte. Er enthielt auch die Figuren, die man zum Spielen brauchte.

Am weißen Stein stiegen die beiden Jungen aus.

»Bis nachher, Mom«, verabschiedete sich Tivaro.

»Ich könnte ein paar Einkäufe erledigen und dich dann abholen«, bot Elise an. »Es soll nachher nämlich wieder regnen.« Tivaro willigte ein. »Aber nicht vor halb neun. So ein Schachspiel braucht lange.« Elise nickte lächelnd. »Bis später, Tivaro!« Tivaro und Otto unterhielten sich noch ein Weilchen auf Ottos Heimweg, und dann fuhr Tivaro wie am Montag mit der U-Bahn weiter bis Miquel-Adickesallee und lief dann den restlichen Weg zum Bürgerhospital zu Fuß.

 

Wieder betrat er die chirurgische Abteilung im zweiten Stock. Der Fußboden glänzte im Licht der Sonne, und die Luft roch nach Bohnerwachs. Tivaro klopfte leise an die Zimmertür seines Großvaters und trat dann ein. »Guten Abend, Opa Reinhard!«, grüßte er.

»Guten Abend, mein lieber Tivaro. Schön, dass du kommst.«

Tivaro nickte. »Wie geht’s dir denn nach der Operation?«

»Wie man sieht lebe ich noch«, erwiderte der Großvater. Aus seinen Nasenlöchern traten zwei durchsichtige Plastikschläuche, die irgendwo unter der Bettdecke verschwanden. Opa Reinhard bemerkte Tivaros Blicke. »Durch diese Schläuche bekomme ich zusätzlichen Sauerstoff. Das ist nur zur Unterstützung«, erklärte er. »Hast Du denn das Schachbrett mitgebracht? Und meine Lektüre?«

»Klar habe ich«, sagte Tivaro und holte das Schachspiel und die Bücher aus seinem Rucksack.

»Du kannst die Figuren ja schon mal aufbauen«, sagte der Großvater und legte die Bücher in eine Schublade seines Nachttisches. »Das Tablett nehmen wir als Unterlage. Hilf mir mal!«

Tivaro zog das eingehängte Tablett aus dem Nachttisch und klappte es nach außen. Dann begann er die Schachfiguren aufzustellen.

»Der weiße König fehlt ja«, bemerkte Tivaro nach kurzer Zeit.

»Das ist ja seltsam. Wo denn wohl der König ist?« Opa Reinhard spielte den Erstaunten. »Geh mal an meinen Spind, Tivaro. Dort hängt mein Jackett. Und gib mir mal das, was du in der rechten Innentasche findest.«

Tivaro gehorchte und öffnete die Tür des schmalen Blechschranks, der dem Krankenbett gegenüber stand. Als er in die Innentasche des Jacketts griff, zog Tivaro erschrocken seine Hand zurück. Dann griff er erneut hinein und hielt zwei Gebisshälften in der Hand. »Deine Zähne, Opa«, meldete Tivaro etwas verwirrt.

»Falsche Seite. Such in der anderen Innentasche«, lachte der Großvater.

Tivaro angelte den fehlenden Schachkönig aus der Innentasche des Jacketts. »Wieso hast du denn den König in deiner Jacke?«, wunderte er sich.

»Weil er dort vermutlich am besten aufgehoben ist. Bei Leuten wie Rupert Raff kann man nie wissen, was sie im Schilde führen. Wenn Rupert gewusst hätte, dass ich den weißen Schachkönig bei mir im Jackett habe, hätte er mich gestern bestimmt bestohlen. Deshalb bat ich dich, das Schachspiel zu holen. Ich möchte nämlich, dass du es an dich nimmst mitsamt diesem König. Ohne König kann man schließlich nicht gut spielen.«

»Was hat es denn mit dem König auf sich, Opa?«, fragte Tivaro neugierig.

»Sieh mal draußen nach, ob die Luft rein ist«, sagte Opa Reinhard.

Tivaro ging zur Tür, öffnete sie und blickte auf den Gang hinaus. »Niemand zu sehen«, sagte er.

»Gut. Nimm dir einen Stuhl und setze dich zu mir ans Bett. Ich will dir nämlich die Geschichte mit dem Nazi-Schatz zu Ende erzählen. Dann wirst Du auch gleich mehr über den König erfahren. Oder willst du lieber Schach spielen?«

»Natürlich will ich die Geschichte weiterhören«, sagte Tivaro voller Eifer und hatte schon einen Stuhl neben Opas Bett geschoben.

»Ich erzähle dir nun etwas von damals, als ich selbst noch ein kleiner Junge war«, begann Tivaros Großvater. »Ich war gerade mal sieben, und mein Vater war Förster im Taunus. Der Krieg war schon fast vorbei, als die Nazis eine Menge Gold im ganzen Land versteckten. Mein Vater erzählte uns damals von seltsamen Grabungen im Wald, von denen niemand Genaueres wusste. Wir waren natürlich neugierig. Viele Gebiete im Wald wurden damals von den deutschen Soldaten abgesperrt. Als dann gegen Ende des Krieges die Amerikaner kamen, verschwanden die deutschen Soldaten aus dem Wald. Manche flüchteten auch aus der Armee. Und so kam es, dass eines Tages ein verletzter deutscher Soldat Zuflucht bei uns im Forsthaus suchte. Dieser Mann besaß eine Karte ...«

»Was für eine Karte?«, hakte Tivaro gespannt nach.

»Eine Schatzkarte. Auf ihr ist ein unterirdischer Stollen eingezeichnet, der sich mit mehreren Gängen irgendwo durch den Taunus zieht.« Tivaros Großvater nahm den weißen König vom Schachbrett. Dann löste er den grünen Filzbelag vom Boden der Schachfigur und zog ein Röllchen Papier daraus hervor. »Sieh mal, Tivaro! Dies ist eine Kopie der Karte. Genauer gesagt, meine eigene Kopie.«

Opa Reinhard übergab Tivaro das Röllchen, und während Tivaro die Karte entrollte und sie neugierig betrachtete, fuhr der Großvater fort: »Der Soldat bat meinen Vater diese Karte vor den Amis zu verstecken. Oder er sollte sie der Nachhut der deutschen Kameraden übergeben, falls diese das Forsthaus noch vor den Amerikanern erreichten. Er erzählte meinem Vater auch noch viele weitere Einzelheiten über die Grabungen und einen gewaltigen Nazi-Schatz. Ich versuchte, mir soviel wie möglich von diesen Gesprächen zu merken. Aber ich war nun mal erst sieben Jahre alt, weißt du?«

Tivaro nickte nur und hörte weiter gebannt zu.

»Nun, kurze Zeit später starb der verletzte Soldat in unserem Haus«, erzählte der Großvater weiter. »Doch vorher zeichnete ich die Karte heimlich nach. Und das, was du da in der Hand hältst, ist die Zeichnung deines siebenjährigen Opas. Außerdem fehlt die Hälfte der Karte.«

Tivaro blickte seinen Großvater erstaunt an. »Und wo ist die andere Hälfte?«

»Die hat Rupert Raff«, sagte Opa Reinhard, und Ärger breitete sich in seinem Gesicht aus. »Auf der anderen Hälfte sind die Gänge eingetragen. Doch davon später. Du musst zuvor noch ein paar andere Dinge wissen. Meine Eltern fanden nämlich bei dem Toten auch die vier Silberschlüssel, von denen ich dir gestern erzählte. Diese vier Schlüssel gehören zu vier Schatzkisten, die im Taunus unterirdisch versteckt wurden.«

Der Großvater wies auf die Karte, die Tivaro in der Hand hielt. »Auf deinem Teil der Schatzkarte siehst du zum Beispiel diese vier Symbole: einen Ring, eine Perle, eine Münze und ein Symbol, das ich bis heute nicht richtig deuten konnte. Auch Rupert Raff nicht.«

Tivaro suchte die Karte nach den Symbolen ab. »Mit ein wenig Phantasie könnten das Steine sein oder so etwas ...«, versuchte Tivaro.

»Ich war vielleicht erst sieben, aber Steine habe ich da sicher nicht abgezeichnet«, verteidigte sich Opa Reinhard. Er hüstelte etwas, und Tivaro bemerkte, dass seinem Großvater das Atmen recht schwer fiel. »Der Soldat hat meinem Vater genau gesagt, was sich in diesen Goldkisten befindet. Und ich habe vieles mit angehört.«

Tivaro nickte und wickelte die Schatzkarte langsam wieder zu einem Röllchen zusammen. »Was habt ihr eigentlich mit dem toten Soldaten gemacht?«, wollte er dann wissen.

»Nun, er wurde noch am selben Tag abgeholt. Da kam ein Trupp deutscher Soldaten mit einem Geländewagen zum Forsthaus. Sie nahmen den toten Soldaten mit, und mein Vater übergab dem Hauptmann die zusammengerollte Karte.«

»Da waren die anderen Soldaten sicher froh, dass die Karte nicht den Amis in die Hände fiel, oder?«, fragte Tivaro.

Opas Gesicht wurde plötzlich sehr traurig. »Das hätte man meinen können. Aber die Sache verlief ganz anders als erwartet, mein lieber Tivaro. Als mein Vater die Karte übergab, wurde er vor unseren Augen vom Hauptmann mit einem Kopfschuss getötet.«

Tivaro war entsetzt: »Wie furchtbar! Warum haben die das getan?«

»Wahrscheinlich fürchteten sie, dass mein Vater schon zuviel Wind von der Sache bekommen hatte. Sie konnten keine Zeugen gebrauchen, die etwas über ihre Grabungen im Wald wussten.«

»Und wie erging es dir und den anderen damals?«

»Mir und meiner Mutter taten sie nichts. Sie durchsuchten noch das ganze Haus, konnten aber nichts finden.« Tivaros Opa kicherte. »Ich hatte nämlich meine Zeichnung zuvor unter die vielen Pläne, Karten und anderen Papiere meines Vaters geschoben, die überall herumlagen. Und die Silberschlüssel habe ich einfach in unsere Besteckschublade gelegt, wo sie nicht weiter auffielen.«

»Geniales Versteck«, gab Tivaro zu.

»Und in dieser Besteckschublade liegen sie heute noch. In meiner Küche. Sie sind natürlich nach über sechzig Jahren schon schwarz geworden und nicht mehr so schön silbern wie vorher.« Tivaros Großvater machte eine kleine Atempause, bevor er weiter sprach. »Du musst unbedingt auch diese vier Schlüssel aus meinem Haus holen, bevor sie vielleicht in falsche Hände geraten. Ich muss dich also noch einmal bitten, so schnell wie möglich in meine Wohnung zu gehen. Auch wenn Rupert Raff nichts von den Schlüsseln weiß, glaube ich doch, dass sie bei dir sicherer aufgehoben sind als bei mir.«

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