Perry Rhodan - Die Chronik

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PERRY RHODAN wird gelesen von Leuten, die sich Gedanken machen. Das geht einwandfrei aus allen Briefen hervor. Es wird von Leuten gelesen, die sich Gedanken darüber machen, wie geht es weiter, in welcher Welt lebe ich, wie entwickelt sich diese Welt, wo stehe ich, wohin gehen wir, was kann passieren. PERRY RHODAN wird gelesen von Lesern, die ein großes Bedürfnis haben, sich geistig in irgendeiner Form zu betätigen.

Ich glaube, daß die Möglichkeit der Entfaltung von Phantasie heute in unserer Gesellschaft zum großen Teil erstickt wird. Es ist doch so, daß kaum noch Bereiche da sind, die den Raum bieten, in dem sich gerade der jugendliche Leser entfalten kann: in seiner Phantasie. Und ich halte gerade die Phantasie und die Entfaltung der Phantasie für überaus wichtig für die Entwicklung des jugendlichen Lesers.

Ich glaube, die PERRY RHODAN-Serie bietet ein breites Feld für diese Betätigung. Das zeigt sich auch an den Briefen, in denen auf ein bestimmtes Thema eingegangen wird: Ist es möglich, daß meinetwegen die Überbevölkerung in der Galaxis Naupaum in der geschilderten Form auch auf unsere irdischen Verhältnisse übertragbar ist? Ist es möglich, daß mit diesen oder jenen technischen Belangen, wie sie in der Serie dargestellt werden, das eine oder andere Problem hier auf der Erde lösbar ist?

Es lesen also in erster Linie junge Leute PERRY RHODAN, die sich die Frage stellen, wie sieht es morgen aus, geht es morgen noch weiter, und wenn ja, wie geht es weiter und was kann der einzelne dazu beitragen, daß es weitergeht. Das wird zwar von unseren Kritikern des öfteren bestritten, aber ich bin gern bereit, jedem Einsicht zu gewähren in die vorliegenden Leserbriefe, die ganz klar belegen, daß hier eine wirkliche Kommunikation zwischen Autor und Lesern stattfindet, und das habe ich noch bei keiner anderen Romanserie und noch bei keinem anderen Roman in diesem Umfang erlebt.

(Aus einem Radio-Interview, das Jochen Maes am 25.11.1977 mit Voltz führte)

Das PERRY RHODAN-Jahrbuch

In den letzten Jahren war eine regelrechte Flut von Kalendern und Almanachen erschienen. Der Pabel Verlag hatte sich mit zwei Jahrbüchern beteiligt, die Grenzwissenschaften und UFOs behandelten, genauer: Parapsychologie und die Möglichkeit eines Besuchs Außerirdischer auf der Erde. Ihr großer Erfolg bewog den Verlag, einen Vorschlag des Literaturagenten, Übersetzers und Redakteurs Thomas Schlück aufzugreifen, der gerade Scheers ZBV-Serie bearbeitete: Warum nicht ein Jahrbuch über PERRY RHODAN herausgeben – ein attraktives Buch zu einem möglichst niedrigen Preis?

Schon im letzten Jahresdrittel 1974 begannen die Vorarbeiten, die mit Schlücks Einverständnis William Voltz übertragen wurden. Der frischgebackene Herausgeber schilderte im Juli 1975, als das Jahrbuch bereits sechs Wochen an den Verkaufsständen war, auf der Leserseite von PERRY RHODAN 726 den Werdegang des Projekts.

»Nachdem der Verlag seinen Entschluss einmal gefaßt hatte«, weiß Voltz zu berichten, »fand eine Besprechung statt, an der die Geschäftsleitung ebenso teilnahm wie die Mitarbeiter des Cheflektorats und der Redaktion. Ich war überrascht, mit welcher Intensität man an diese Sache heranging, von Anfang an war mir klar, dass die Übernahme der Jahrbuch-Redaktion kein Zuckerschlecken sein würde. Im Verlauf dieser Besprechung wurde beschlossen, jedes Jahrbuch unter ein besonderes Leitthema zu stellen. Das sollte natürlich auch bereits für das erste Jahrbuch gültig sein. Wir einigten uns auf das Thema ›Roboter‹, weil wir glauben, damit einen besonders großen Kreis unserer Leser zu interessieren.«

Voltz wandte sich im Herbst 1974 in einem Rundschreiben an das Autorenteam und setzte es von dem neuen Projekt in Kenntnis. Als eine größere Reaktion ausblieb, nahm Cheflektor Kurt Bernhardt die Sache am 23. Oktober selbst in die Hand. In einem neuerlichen Rundschreiben bezog er sich auf Voltz’ Brief, »in dem Sie davon in Kenntnis gesetzt worden sind, dass der Verlag ein PERRY RHODAN-Jahrbuch 1974/75 herausbringen wird. Die Autoren haben bisher dazu noch keine Stellung genommen. Ich bin der Auffassung, ein Story-Wettbewerb ist für alle Autoren nicht nur interessant, sondern gibt dem Jahrbuch den Pfiff, um die PERRY RHODAN-Serie mit neuen Impulsen zu versehen.«

Er rekrutierte die gewünschten Mitarbeiter: »Letzten Endes will doch jeder Autor noch in den nächsten 10 Jahren für PERRY RHODAN schreiben, und dafür muß man auch etwas tun. Ich bitte jeden Autor, seine Roboter-Story so schnell wie möglich dem Verlag zuzusenden. Natürlich soll sie aus der Welt der PERRY RHODAN-Serie sein. Der Umfang jeder Story soll ca. 7–8 Druckseiten betragen. Ich schlage ausdrücklich das Thema ›Roboter‹ vor, weil es ein sehr interessantes Thema ist. Ein Thema, das von allen Autoren behandelt wird, gibt auch jedem Autor die Möglichkeit für eine gerechte Beurteilung.«

Für populärwissenschaftliche Beiträge war Thomas Schlück angesprochen worden, auch Erich von Däniken sollte einen Beitrag leisten, was von Cheflektor Bernhardt jedoch vehement abgelehnt wurde. Außerdem wollte Voltz einige amerikanische Beiträge aufnehmen, vor allem einen Artikel des legendären SF-Autors A. E. van Vogt – was Bernhardt am 13. November 1974 sehr skeptisch stimmte: »Haben Sie die entsprechenden Übersetzer? Finden Sie es nicht besser, wenn die Übersetzung hier durch den Verlag erfolgt? Die Entscheidung als Herausgeber (!) liegt natürlich bei Ihnen.«

Das lange Warten

Voltz trommelte nicht zuletzt unter Mithilfe Clark Darltons in kürzester Zeit einige Autoren zusammen, darunter auch einen alten Freund. Er hieß Klaus Fecher und war einigen SF-Lesern noch durch Übersetzungen von Romanheften bei Pabel bekannt, die vorwiegend in den Fünfzigerjahren erschienen waren. Aber die wenigsten Leser werden gewusst haben, dass er auch einmal als professioneller Lektor tätig gewesen war.

Voltz bat ihn im Januar 1975 aufgrund der Zeitknappheit gleich um mehrere Artikel, die Fecher auch prompt verfasste. Aber Cheflektor Bernhardt wollte ein möglichst vielseitiges Produkt. Er wandte sich deshalb am 21. des Monats an den Herausgeber und verfügte – leider heute noch bei vielen Verlagen gängige Praxis –, »daß für jeden Artikel ein besonderes Pseudonym im Jahrbuch verwendet werden muß. Setzen Sie sich deshalb mit Herrn Fecher in Verbindung und vereinbaren Sie die einzelnen Pseudonyme.«

Ein solches Gespräch fand allem Anschein nach auch statt, denn Voltz notierte sich sechs Namen, die in Frage kamen: Fred Gurich, Karl A. Ritz, Garry Morgan, Martin Fölsing, Jay D. Stewart und F. Klaus. Aber ihm war wohl unbehaglich zumute, und verwendet wurde schließlich nur Karl A. Ritz für einen Artikel über die »Gespensteranalyse in der Solaren Flotte«. Ein Artikel über Quasare, dunkle Löcher und Einstein sowie eine Kurzvorstellung des SF-Autors A. E. van Vogt erschienen unter Fechers richtigem Namen. Auch eine Übersetzung fertigte Fecher an, während die anderen von Clark Darlton stammten. Es handelte sich um einen Artikel von A. E. van Vogt, der auf dessen Kurzvorstellung folgte. Leider wurde dieser Beitrag stark bearbeitet und gekürzt, worüber Fecher sich sehr ärgerte.

Kurz vor Manuskriptabgabe schickte Voltz noch eine Anfrage an Hubert Straßl alias Hugh Walker. Der Mitautor von DRAGON und Herausgeber von TERRA FANTASY hatte in seinem Wiener Bekanntenkreis zahlreiche Zeichner, die er häufig für graphische Projekte einsetzte. Am 1. Januar 1975 antwortete Walker: »Schade, daß Sie das mit den Illus nicht früher wußten. Da hätte sich eine schöne Sache machen lassen, und viele unserer Zeichner wären sicherlich an diesem Projekt interessiert gewesen. Leider ist der Termin zu kurz, um neues Material anzufertigen.«

Aber er vertröstete Voltz auf das Jahrbuch des kommenden Jahres, mit dem alle Mitarbeiter des Verlags fest rechneten: »Wenn Sie nächstes Jahr wieder so was planen, dann geben Sie mir ein bis zwei Monate früher Bescheid. Die meisten meiner Zeichner wären sicherlich interessiert, auch mal was Utopisches zu machen.«

Voltz begnügte sich für diese Ausgabe mit Material, das er kurzfristig besorgen konnte: Porträtaufnahmen der acht Serienautoren, Coverabbildungen von aktuellen Lizenzausgaben in Japan, den USA, Finnland, Holland, Belgien und Frankreich, zwei ältere Risszeichnungen von Rudolf Zengerle, die bereits in der Heftserie erschienen waren, und Illustrationen des RAUMSCHIFF PROMET-Coverzeichners Manfred Schneider, welche die Roboterstories einleiteten.

Ob das Jahrbuch wirklich erst am 27. Mai ausgeliefert wurde, wie es offiziell heißt, oder nicht doch schon am 8. Mai, ist unbekannt. Jedenfalls brillierte es mit drei Schwerpunkten: Erzählungen aus der Welt von PERRY RHODAN, Hintergrundartikel und Listen zum Perryversum sowie populärwissenschaftliche Artikel von allgemeinem Interesse.

Highlight auf die Roboter

Das Highlight des Buches waren natürlich die acht Roboter-Geschichten der Autoren, anonym verfasst und mit einer Einleitung von Bärbel Jung über die Herkunft des Begriffs »Roboter« versehen. Sie wurden mit einem Preisausschreiben gekoppelt.

»Die Stories erscheinen ohne die Namen ihrer Verfasser«, schreibt Voltz auf der LKS von PERRY RHODAN 726. »Die Aufgabe der Leser soll es nun sein, herauszufinden, welcher Autor für die jeweilige Geschichte verantwortlich zeichnet. Außerdem sollen die Leser die beste Story auswählen.« Es winkte ein Geldpreis von immerhin 1000 DM, hinzu kamen Geldpreise zu 500 und 200 DM sowie Jahresabonnements der Serie.

Es folgten Hintergrundartikel über PERRY RHODAN, zunächst Karl A. Ritz mit einem Beitrag über die Spektralapparate, mit denen ein Astrogator der Solaren Flotte seine Daten gewinnt, anschließend von Klaus Mahn, der unter dem Titel »Der Zweitausendjahrplan« über die Bevölkerungkontrolle auf Terra und die Entwicklung der Moral schrieb.

 

Walter Ernsting plauderte über die damals siebzig Bände der amerikanischen PERRY-RHODAN-Ausgabe und deren umfangreichen Magazinteil, während Forrest J. Ackerman sich mit dem dortigen Fandom befasste. Ein kurzer Beitrag von Wigberth Schubert deckte auf, dass PERRY RHODAN in Japan LO-TAN heißt und aus Kurt Mahr »kúlúto ma-lú« wird, während K. H. Scheer dort als »schi-ri« firmiert. Es folgten mehrere Listen, eine über Mutanten in der PERRY-RHODAN-Serie, die der Chronist erstellte und William Voltz ergänzte, sowie weitere mit den Risszeichnungen und Zyklen der Serie.

Ein weiteres Highlight war »Die akademische Science Fiction wird vergessen« – eine Abhandlung des legendären A. E. van Vogt über sein Leben als SF-Autor, eingeleitet von Klaus Fecher. Es folgten Fechers Beitrag über Quasare und dunkle Löcher, ein ausführlich begründeter Vorschlag von Fredric Ellrich, warum Jules Verne nachträglich zum Preisträger des »Club of Rome« ernannt werden sollte, ein UFO-Artikel des Präastronautik-Vertreters Peter Krassa, ein historischer Abriss von Manfred Knorr über Science Fiction im Film und eine kurze Vorstellung des Deutschen Hugo von Walter Ernsting.

Den abschließenden Höhepunkt bildete die exklusive SF-Story »Smookers Brandzeichen« von William Voltz, eine im Perryversum spielende Geschichte über die Roboter der Firma »Whistler«, bevor eine Liste aller PERRY RHODAN-Romane das Jahrbuch abschloss.

Eine Autorin für ATLAN

Seit Mitte des vorigen Jahres bemühte sich eine junge SF-Autorin, mit ihren Romanen bei TERRA ASTRA unterzukommen. Sie hatte sich mit Space Operas um Prospektoren, Sicherheitsdienstler und menschliche Unterdrückung schon ein hohes Ansehen beim Konkurrenzverlag Zauberkreis erschrieben. Aber bis auch TERRA ASTRA-Lektor Günter M. Schelwokat sich für ihre Manuskripte erwärmte, dauerte es eine Weile.

Dann gab es allerdings kein Halten mehr!

Schelwokat kaufte nicht nur den Roman »Irrwege im Weltall« an, sondern empfahl die junge Frau auch der Aufmerksamkeit des Cheflektors Kurt Bernhardt, der sich umgehend – am 2. Juli 1974 – an die Berlinerin wandte. Unter Bezugnahme auf ihren Roman fragte er an, ob sie vielleicht bei DRAGON oder ATLAN mitschreiben wolle.

Zwei Tage später schickte er William Voltz eine Kopie ihrer Antwort, in der sie ihr Interesse für ATLAN bekundete. »Ich glaube, dass Sie mich verstehen«, heißt es in Bernhardts Begleitschreiben an Voltz. »Ich möchte unbedingt den Mitarbeiterstab für die SF-Reihen erweitern. Wir müssen deshalb jeden Versuch machen, um entsprechende Mitarbeiter zu gewinnen. Natürlich werden wir viele Enttäuschungen erleben.«

Bernhardt bat Voltz, sich mit der Autorin in Verbindung zu setzen und sie vielleicht zu einem Gespräch zu sich nach Offenbach zu bitten. »Aber Sie können auch auf schriftlichem Wege versuchen, ihr einen ATLAN-Auftrag zu geben (natürlich für einen Roman, der terminlich noch nicht eilig ist). Lassen Sie sie zwanzig bis dreißig Seiten unverbindlich schreiben. Dann können Sie ja prüfen, ob sie in der Lage ist.«

Voltz rief die Autorin am 13. Juli 1974 an, und zehn Tage später kam es zu einer Begegnung. Wie sich herausstellte, war sie »in der Lage«. Ihr erster ATLAN-Roman erschien im Februar 1975 als Band 178/39 der Serie, und nur sieben Wochen später folgte ein Doppelband, der sie endgültig als ständige Autorin von ATLAN etablierte.

Der Name der jungen Frau: Marianne Sydow.

»Wie ich zum Schreiben kam, weiß ich gar nicht mehr genau«, schrieb die frischgebackene ATLAN-Autorin im April 1975 in TERRA ASTRA 192. »Ich liebte Bücher schon, als ich sie noch gar nicht lesen konnte. Wie ich ausgerechnet mit der SF bekannt gemacht wurde, kann ich dagegen genau sagen. Es lag an meinem großen Bruder, der seine ›Zukunftsromane‹ überall herumliegen ließ. Mit zehn Jahren fand ich Roboter, Raumschiffe und Atombrände viel interessanter als Rübezahl und Märchenzwerge. Es überraschte mich nicht im geringsten, als man mir umgehend mitteilte, solche Bücher wären nichts für Mädchen. Als Reaktion auf diesen Ausspruch entwickelte sich meine Vorliebe für SF zu einer Manie.«

Wie sehr die Science Fiction ihr im Blut steckt, bewies sie durch ihre mitreißenden und stimmungsvollen Romane, die bei Leserinnen und Lesern gleichermaßen gut ankamen – so gut sogar, dass Marianne Sydow schon anderthalb Jahre später, im November 1976, ganz unspektakulär ihren Einstand bei PERRY RHODAN gab. Leider sollte sie erst mit Band 875, also weitere anderthalb Jahre später, ihren zweiten Band verfassen.

Danach ging es wieder rasend schnell, denn nach fünfjähriger Erfahrung mit dem Perryversum löste sie mit Band 448 überraschend William Voltz als Exposéautor von ATLAN ab. Außer einem kurzen Intermezzo bei den Bänden 500 bis 509, die wegen des Zyklusstarts wieder von Voltz gestaltet wurden, übte sie diese Funktion bis Band 532 aus. Dann übernahm Peter Griese ihre Aufgabe, mit dem sie – nachdem sie die Bände 698 bis 707 wieder allein ausgearbeitet hatte – anschließend ein Team bildete. Mit Band 765, etwas über ein Jahr danach, trat H. G. Ewers in ihre Fußstapfen. Und mit Band 795 – der Bandnummer, unter der sie ihren ersten PERRY RHODAN geschrieben hatte – schied sie bei ATLAN auch als Autorin aus, um sich fortan ganz auf PERRY RHODAN zu konzentrieren.

Sie war eines der beliebtesten Mitglieder des Autorenteams, als sie nach fünfundzwanzig Jahren als Schriftstellerin endgültig ihren Abschied nahm – nach sechzehn Jahren des erfolgreichen Schreibens für die größte Weltraumserie der Welt!

Kurzbiografie: Marianne Sydow

Als Mariannne Bischoff wurde sie am 24. Juli 1944 in Berlin geboren. Die finanziellen Mittel ihrer Familie erlaubten es nicht, dass sie das Gymnasium mit dem Abitur abschloss. Also schlug sie sich mit einer Reihe von Jobs durch, etwa als Verkäuferin, Telefonistin und Betreuerin einer Chinchillazucht. Ihre Liebe zur SF erwachte schon früh durch die Heftsammlung des älteren Bruders. 1967 erschienen mit »Das Wesen aus der Retorte« und »Die größenwahnsinnige Elektronik« ihre ersten Romane – damals noch in der UTOPIA-Reihe des Pabel Verlags unter Garry McDunn. Fünf Jahre später heiratete sie, brachte einen Sohn zur Welt und veröffentlichte – unter demselben Pseudonym – mit »Der Zeitmörder« den ersten von dreizehn SF-Romanen bei Zauberkreis. 1975 wechselte sie zu TERRA ASTRA, wo sie unter ihrem Ehenamen Marianne Sydow in den nächsten vier Jahren neun Romane und zwei Storysammlungen herausbrachte, 1983/84 von vier Nachdrucken aus ihrer McDunn-Zeit gefolgt. Ebenfalls 1975 wurde sie ins ATLAN-Team aufgenommen und verfasste bis 1986 sechzig Romane und zeitweise auch die Exposés. Auf einen Band mehr brachte sie es bei PERRY RHODAN, wo sie 1976 einstieg. Dieser Serie blieb sie bis 1992 erhalten. Seit 1980 in zweiter Ehe mit dem SF-Sammler Heinz-Jürgen Ehrig verheiratet, der im Oktober 2003 verstarb, galt sie lange Zeit als einzige hauptberufliche SF-Autorin Deutschlands.

Frankenstein auf Hessisch

Eine Horrorserie aus der PERRY RHODAN-Redaktion? Für viele ein unvorstellbarer Gedanke, weil Horror damals noch mehr als Schundliteratur betrachtet wurde als Science Fiction. Und doch ist das einmal geplant gewesen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg wurden sogar intensive Vorarbeiten geleistet, bevor das Projekt im letzten Augenblick wieder gestrichen wurde. Die Gründe dafür sind bis heute nicht ganz bekannt.

Es begann am 30. Januar 1974, als Cheflektor Kurt Bernhardt sich begeistert an William Voltz wandte. Der SF-Autor Dirk Hess, gerade wieder bei ATLAN eingestiegen, hatte ihm ein ausführliches Exposé für die Comicserie VAMPIRELLA geschickt. »Für mich war dieses Exposé von der Handlung, den Ideen und auch von den Figuren her eine kleine Offenbarung«, schreibt Bernhardt. »Es hat mir gezeigt, was man aus Horror-, Fantasy- und SF-Elementen zusammenbrauen kann. Die Amerikaner sind uns da um 100 Jahre voraus.«

Aber es ging Bernhardt nicht so sehr um den Comic, obwohl er für VAMPIRELLA schließlich grünes Licht gab. Ihm schwebte eine neue Heftromanserie vor. »Meine Bitte ist nun«, drängte er Voltz in seinem Schreiben: »Ich möchte von Ihnen unter dem Begriff FRANKENSTEIN (das ist für die Masse der deutschen Leser der Horror-Zünder) ein ähnliches Rahmenexposé für eine neue Serie, in der jedoch Frankenstein nur eine Figur unter vielen ist.« Dabei müsse der Hintergrund für diese Serie wie bei VAMPIRELLA weltweit gespannt sein – er könne seinethalben bis ins Universum reichen.

Bernhardt lief in seiner Begeisterung sogar zu poetischer Höchstform auf: »Die Serie muß moderne Horror-, Fantasy- und SF-Elemene enthalten und ein schwefelhaltiges, giftiges, stinkendes Gebräu mit einer Pseudoweltanschauung werden.«

Noch im selben Schreiben erklärte Bernhardt, dass Voltz ihm vor der Niederschrift eines solchen Rahmenexposés telefonisch kurz eine Ideenskizze durchgeben solle. Anscheinend kam man während dieses Gesprächs überein, sich einmal persönlich zusammenzusetzen und vor allem Dirk Hess hinzuzuziehen. Voltz war kein Gegner von Horrorliteratur, aber auch nicht gerade ein begeisterter Anhänger und sah Bernhardts Wunsch, auch bei FRANKENSTEIN federführend zu sein, als das an, was es war: der Versuch, ihn wie seinerzeit bei DRAGON als Schrittmacher für die neue Serie zu gewinnen.

Ordnung und Chaos

Dirk Hess erinnert sich dreißig Jahre später in einer E-Mail an den Chronisten: »Als mich William Voltz und Kurt Bernhardt im März 1974 in Frankfurt besuchten, sprachen wir unter anderem über den außerordentlichen Erfolg von VAMPIRELLA bei den Lesern. Vor dem Hintergrund der drohenden Indizierung klagte Bernhardt sein Leid mit dem Horror-Genre im Romanheftbereich. Nicht nur die Splatterproduktionen im Film machten der Printversion zunehmend zu schaffen, auch die leidige Konkurrenz plus der Bundesprüfstelle trübten seinen ›Horror-Alltag‹. Er stellte sich eine gesoftete Fortsetzungsreihe mit feststehenden Charakteren vor. Auf keinen Fall SF, aber auch keinen harten Horror – eher einen Mix aus Crime, Fantasy und Horror. Gern hätten wir VAMPIRELLA in Romanform gebracht, aber die Lizenzkosten und die bereits erfolgte Indizierung des Comics hielten ihn davon ab.«

Eines der beiden Serienkonzepte, die Hess daraufhin entwickelte, war FRANKENSTEIN, das den Alternativtitel DAS BÖSE trug. »Das Ganze war eine krude Mixtur aus – heute würden wir sagen – ›X-Files‹ und Zombie-Splatter. Klassische Horrorfiguren wie Frankenstein, Dracula, Werwolf und Mumie sollten in der Gegenwart gemeinsam auftreten. Nicht eindeutig böse und gut, sondern getrieben, gejagt und benutzt von einem Pandämonium, das von außerhalb wirkt. Fox Mulder hätte es heute treffender formuliert: ›Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen.‹ Ich hatte alles bis ins Detail ausgearbeitet: die ersten zehn Episoden, die Bedrohung durch das kosmische Ringen zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos – Entropie und ständiger Neubeginn. Frankenstein war von mir als positiver Held gedacht. Sein Gehirn überdauerte die Zeit in unterschiedlichen Körpern. Nur sein Unterbewusstsein kannte die kosmische Bedrohung.«

Auch Dirk Hess legte Wert darauf, dass William Voltz an der neuen Serie mitarbeitete. Cheflektor Bernhardt hatte das verabredete Rahmenexposé bereits erhalten, als Hess seinem Freund am 8. April 1975 eine Kopie zuschickte. In seinem Begleitbrief heißt es: »Was die Serie FRANKENSTEIN betrifft, so würde ich mich freuen, wenn Du Dir unabhängig von mir ein paar Gedanken machen würdest. Sobald ich die ersten vier Exposés abgeschlossen habe – das ist diese Woche –, denke ich mir die nächsten vier Handlungsabläufe aus. Dazu sollten wir uns kurz treffen. Ich brauche jetzt noch Deine Regie – beziehungsweise Dein ordnendes ›Seriengewissen‹. Danach könnte ich dann diese Exposés schreiben.«

Anscheinend war die Begeisterung auf beiden Seiten groß, denn jetzt ging es Schlag auf Schlag. E-Mail-Originalton Hess: »William Voltz schrieb unter dem Pseudonym Thor Caplon den ersten Roman ›Apokalypse der Untoten‹. Unter meinem Alias Derek Chess verfasste ich den Folgeband ›Pilgerzug der Hexenmeister‹.« Nicht einmal zwei Monate später, am 5. Juni 1975, fertigte der Verlag die Verträge für die ersten beiden Romane aus.

Kurt Bernhardt blieb weiter am Ball. Postwendend hatte er Voltz schon einen Tag vor der Vertragsunterzeichnung in diesem vordigitalen Zeitalter aufgefordert: »Ich möchte, dass Sie die beiden FRANKENSTEIN-Romane sechsmal kopieren, damit wir sie an die entsprechenden Autoren weiterleiten können. Mir schicken Sie bitte auch eine Kopie der beiden Romane zu.« Dieses Verfahren entsprach dem bei PERRY RHODAN, das ebenfalls mit einem Autorenteam arbeitete – dem Erfolgsgaranten schlechthin!

 

Das FRANKENSTEIN-Autorenteam

Wer sollte aber nun zum Autorenteam gehören? Neben Voltz und Hess, die als Thor Caplon und Derek Chess firmierten, war zunächst von Earl Warren alias Walter Appel die Rede, der nicht nur Krimis und Western schrieb, sondern seit Anfang 1974 auch für die Horrorreihe VAMPIR tätig war und vermutlich im Juli oder August des Jahres zum ständigen Autor bei DÄMONENKILLER geworden war, einer von Ernst Vlcek und Kurt Luif ins Leben gerufenen Serie, mit denen gemeinsam er schließlich die meisten Folgen schreiben sollte. Appel ist heute noch ein sehr fleißiger und vielseitiger Verfasser von Heftromanen.

Am 29. September 1974 schickte er William Voltz das durchgesehene Rahmenexposé wieder zurück – mit dem Kommentar, das Ganze sei sehr schön in einen kosmischen Rahmen eingepasst, und die ersten drei Exposés bildeten einen Block. Mit dem vierten könne man Jason Crotor vielleicht durch und durch menschlich erscheinen lassen, um sich ein Hintertürchen offen zu lassen, falls die Opal die Hauptträgerrolle der Serie nicht schaffe …

Zwischen den Zeilen drückte sich deutlich seine Skepsis über die neue Serie aus.

Im März 1975 hatte auch Hans Kneifel seine Mitarbeit angeboten und als weiteren Autor seinen Freund Konrad Schaef alias Conrad Shepherd vorgeschlagen, der einige Jahre zuvor drei Romane für PERRY RHODAN geschrieben hatte. Und drei Monate darauf, kurz vor dem ersten Treffen aller Beteiligten, der ersten und einzigen FRANKENSTEIN-Autorenkonferenz, forderte Voltz noch drei Autoren zur Mitarbeit auf, die gerade vor ihrem Einstieg bei ATLAN standen: Peter Terrid, Marianne Sydow und Hans Peschke alias Harvey Patton. Von Terrid sind leider keine Reaktionen auf diese Anfrage bekannt. Und während die Autorin Sydow, die damals regelmäßig bei ZAUBERKREIS-SF unter dem Pseudonym Garry McDunn veröffentlichte, sich sehr über dieses Angebot freute und die Einladung zu einer Mitarbeit annahm, reichte der RAUMSCHIFF PROMET-Autor Peschke die Entwürfe zu der Horrorserie mit den Worten zurück, dass ihm diese Thematik überhaupt nicht liege.

Auch Kurt Bernhardt war nicht mehr uneingeschränkt von dem Projekt begeistert. Deutlich stand ihm die Indizierung eines DÄMONENKILLER-Romans vor Augen, die vielleicht auch der Grund dafür gewesen ist, dass Ernst Vlcek nie auf eine Mitarbeit angesprochen worden war; dieser erklärte im Februar 2004 auf eine Anfrage des Chronisten: »Von der FRANKENSTEIN-Serie höre ich heute zum ersten Mal. Davon wusste ich nix, schon gar nicht, dass Voltz daran beteiligt war – ich aber ganz sicher nicht.« Vielleicht wollte man auch nur die Fahrwasser der beiden Serien strikt trennen, und außerdem war Vlcek mit PERRY RHODAN und ATLAN stark ausgelastet.

Jedenfalls begann sich Skepsis über die Machbarkeit des Projekts auszubreiten. »Auf Wunsch von Bernhardt«, erinnert sich Hess in einer E-Mail an den Chronisten, »sollte wegen der Indizierung eines Romans nicht die bewährte VAMPIR-Lektorin Sabine Illfeld das Projekt übernehmen, sondern PERRY RHODAN-Lektor Günter M. Schelwokat. Diesem waren nach eigener Aussage Horrorromane zuwider, auch wünschte er keine Beteiligung von William Voltz an der Serie, damit dessen guter Name keinen Schaden nahm. Er gab ein Gutachten zu meiner Arbeit in Auftrag, das er auf dem Treffen mit den vorgesehenen Autoren Marianne Sydow, Peter Terrid und William Voltz präsentierte. Und was für ein Gutachten das war – einfach hanebüchen!«

Alles hatte ein enormes Tempo angenommen. Erst vierzehn Tage waren seit dem Ankauf der ersten beiden FRANKENSTEIN-Romane vergangen, und das Gutachten, das auf diesem Treffen am 16. Juni vorgestellt wurde, war Dynamit.

Hess erinnert sich noch wie heute: »Dämonendiener sollten danach wegen ihrer übersinnlichen Fähigkeiten als Psikonen bezeichnet werden, man dürfe dem Leser keine Pseudo-Philosophie aufschwätzen und man müsse auf Rückblendeerzählungen wegen ihres spannungsmindernden Effekts verzichten. Die Kritik gipfelte jedoch in der Feststellung, dass die Aktivitäten des Pandämoniums nicht in Einklang mit dem öffentlichen Bewusstsein der Ordnungsbehörden zu bringen sei: ›Die Polizei überall auf der Erde glaubt nicht an Geister, Dämonen und Zauberei, wie es ja auch im Exposé steht. Die Serie würde sich selbst lächerlich machen.‹ Es war ein Graus!«

Allen klang in den Ohren, dass sie es nur mit »ekelerregender Horror-Kolportage« zu tun hätten. Dieses Urteil verunsicherte die Anwesenden. Das Projekt war aus dem Ruder gelaufen. Von einer Horrorserie der geplanten Art konnte nicht mehr die Rede sein.

Jubel unter den Lesern

Das PERRY RHODAN-Jahrbuch war so schnell entstanden, dass sogar die Mitarbeiter von seinem Erscheinen überrumpelt wurden. William Voltz war seinem Freund Clark Darlton sehr dankbar dafür, ihn hinter den Kulissen unterstützt zu haben, und Klaus Fecher schrieb Voltz verwundert, dass er das Jahrbuch bereits in Händen halte, obwohl es doch erst im Herbst herauskommen sollte. Aber dem Verlag – allen voran Kurt Bernhardt – war das schnelle Erscheinen natürlich nur recht. Der Cheflektor schickte es auch sofort dem Veranstalter des ersten amerikanischen PERRY RHODAN-Cons, der Anfang Januar 1976 stattfinden würde – mit der Bitte, sich beim Verlag Ace Books für eine Lizenznahme einzusetzen.

Bei den Lesern fand das Jahrbuch begeisterte Aufnahme. Wie Voltz in Heft 734 mitteilte, gab es niemals zuvor für ein Projekt aus seiner Redaktion so viele Zuschriften, in denen ausnahmslos Lob gespendet wurde. Zu den Gratulanten, die sich auf der LKS dieses Romans zu Wort meldeten, gehörten auch der damals auf Science Fiction spezialisierte Literaturagent Thomas Schlück und der spätere PERRY RHODAN-Autor Horst Hoffmann.

Voltz teilte mit, dass zu dem Zeitpunkt, da diese Informationen zusammengetragen wurden, erst ein einziger Leser das Preisausschreiben richtig gelöst habe. »Die Chance, mit der richtigen Aufteilung der Robotstories unter den PR-Autoren eintausend, fünfhundert und zweihundert Mark zu gewinnen, ist also noch riesengroß, ganz zu schweigen von siebzehn Jahresabonnements der PERRY RHODAN-Serie, die zu gewinnen sind.«

Mehrere Leser äußerten die Hoffnung, dass das Jahrbuch eine ständige Einrichtung werde. Die Redaktion sah das nicht anders. In einem Kommentar zu einer Leserzuschrift erklärte Voltz noch auf derselben LKS, die im September 1975 erschien: »Schon jetzt sei darauf hingewiesen, daß wir im PR-Jahrbuch 1977 drei große PERRY RHODAN-Kreuzworträtsel unserer Leser bringen wollen.« Sie sollten auch prämiert werden. »Daneben wollen wir im Jahrbuch 1977 sechs SF-Stories über das Thema PSI veröffentlichen. Auch dazu bitten wir um Einsendungen. Die Stories, die veröffentlicht werden, bringen den Autoren je 200,- DM Honorar! Außerdem haben die Verfasser eine einmalige Chance, sich einen Namen zu machen. Wenn Sie eine Story einschicken möchten, denken Sie daran, daß sie nicht weniger als 20.000 und nicht mehr als 30.000 Anschläge haben sollte. Das sind 6 bis 10 DIN-A 4-Seiten, eineinhalbzeilig beschrieben.« Angaben aus einer Zeit vor dem PC.

Im Oktober 1975 wurde in Heft 738 der Aufruf wiederholt. Es seien Mitarbeiter unter den Lesern gesucht, hieß es da. »Wir haben uns das Ganze als Wettbewerb vorgestellt und hoffen, daß sich möglichst viele von ihnen daran beteiligen. Wir wissen, daß unter unseren Lesern viele Talente verborgen sind. Auf diesem Weg möchten wir ihnen eine Chance geben.« Als Einsendeschluss für Rätsel und Storys wurde der 15. Dezember 1975 festgelegt.