Michael Schenk
Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1 Vorwort und Hinweis
Kapitel 2 Das Volk der Lederschwingen
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59 Karte "Die Völker" der Serie "Die Pferdelords"
Kapitel 60 Karte "Der Osten und der Pass von Merdoret"
Kapitel 61 Personenregister
Kapitel 62 Einige Maßeinheiten und Definitionen
Kapitel 63 Ankündigung Pferdelords 9
Impressum neobooks
Michael H. Schenk
Die Pferdelords 8
- Das Volk der Lederschwingen -
Fantasy-Roman
© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020
Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords“ wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe“ feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords“ und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.
Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.
Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.
Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und seine Freunde und Feinde.
Die Pferdelords-Reihe:
Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks
Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge
Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes
Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen
Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel
Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt
Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne
Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen
Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes
Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes
Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak
Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken
Mein Dank gilt dem Verlag WELTBILD, der es mir ermöglichte, die von ihm lektorierten Manuskripte für die weiteren Veröffentlichungen als e-Book zu verwenden und so dazu beitrug, dass diese Serie weiterhin im Handel erhältlich ist.
Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.
Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen
Michael H. Schenk
Hinweis:
Kapitel 59: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe
Kapitel 60: Detailkarte "Der Pass von Merdoret"
Kapitel 61: Personenregister
Kapitel 62: Einige Maße und Definitionen
Kapitel 63: Vorschau auf "Die Pferdelords 9 – Die Nachtläufer des Todes"
Der Pfad war steil und sein Verlauf nur für das eingeweihte Auge zu
erkennen. Einzelne Tritte führten an der aufragenden Felswand entlang, und
die Hände mussten sich in Spalten und an Vorsprünge klammern, wenn die
Füße keinen festen Halt fanden. Nur zu leicht konnte man abgleiten und in die
Tiefe stürzen. Aber die beiden Männer nahmen die Mühsal des Aufstieges
zum Geburtsfelsen gerne auf sich. Viel zu selten schlüpfte im Horst der
Lederschwingen ein Junges, und noch seltener überlebte es das Ereignis um
mehr als wenige Augenblicke. Die Lederschwingen waren mächtige Wesen,
und vielleicht hatte die Natur es mit Bedacht so eingerichtet, dass es nur
wenige von ihnen gab.
Hier oben, unter dem höchsten Gipfel der Schwarzen Berge von Uma’Roll,
war die Luft dünn, und es war kalt. Obwohl die Männer die Unbilden dieser
Höhen gewohnt waren, fröstelten sie unter dem scharfen Wind. Anschudar
und Mordeschdar hatten sich fest in ihre dicken Pelzmäntel gehüllt, die
Kapuzen hochgeschlagen. Sie hielten die Köpfe ein wenig gesenkt,
verzichteten aber darauf, die Klarsteinscheiben vor ihre hölzernen Reithelme
zu klappen.
Unter Anschudars Fuß löste sich ein Stein, und er krallte seine freie Hand
in eine Felsspalte, als er für einen Augenblick den Halt verlor.
»Aufgeregt?« Mordeschdars Stimme klang nachsichtig.
Im Grunde war Anschudar noch kein erwachsener Mann und, wenn man es
genau nahm, auch noch kein Schwingenreiter. Jeden Morgen kämmte er sich
den Bartflaum gegen den Strich, damit er dichter und kräftiger wirkte. Ja, er
war aufgeregt, aber das war nur zu verständlich. An diesem Tag, wenn die
Geburt gelang, würde Anschudar zum ersten Mal den Rücken einer
Lederschwinge bedecken und sich auf ihr in die Lüfte erheben. Dann, endlich,
würde er ein Schwingenreiter sein.
»Gib mir den Sattel, Junge. Ich bin den Pfad schon oft mit
Schwingenrekruten gegangen und weiß, wohin ich den Fuß setzen muss.«
»Es ist mein Sattel«, erwiderte Anschudar störrisch. »Also muss ich ihn
auch tragen.«
»Stell dich nicht so an. Es ist auch dein Leben, Junge, und wenn du
abstürzt, dann bin ich es, der dich bergen und zum Horst zurückschleppen
muss.«
Anschudar seufzte. Der alte Schwingenführer hatte recht. Zögernd zog er
den ledernen Sattel unter dem Arm hervor und reichte ihn dem Alten. Die
Sitzfläche war kaum zwei Handflächen groß und weich gepolstert, während
die Steigbügel plump und massiv von ihren Lederriemen hingen.
»Wir sind bald da, Anschudar«, meinte Mordeschdar. »Glaube mir, ich
kann gut nachvollziehen, wie du dich jetzt fühlst. Mir erging es nicht anders,
als ich meiner Lederschwinge zum ersten Mal begegnete.«
»Vielleicht werde ich sie gar nicht zu Gesicht bekommen«, seufzte der
Jüngere und tastete sich weiter den eisigen Pfad entlang.
»Mag sein«, brummte Mordeschdar. »Wenn deine Schwinge schlüpft und
gut aus dem Ei kommt, muss sie noch den Sturz überstehen. Viele sind daran
schon gescheitert.«
Das war eigentlich Anschudars größte Angst. Von klein auf war er zum
Schwingenreiter erzogen worden. Nicht alle Männer seines Volkes waren
dazu auserkoren, eines Tages den Bund mit einem dieser Wesen einzugehen.
Man musste über die Fähigkeit der Verbindung verfügen, durch die man die
Gedanken der Flugwesen spürte, wenn man ihre Haut berührte. Als er zum
ersten Mal aus eigener Kraft auf seinen Beinen stehen konnte, hatten seine
Eltern ihn zur Feedanaa gebracht, der Hüterin des Horstes. Sie hatte
Anschudars Gaben erkannt und über seine Zukunft bestimmt. Doch all seine
Erziehung und sein theoretisches Wissen würden vergebens sein, wenn das
für ihn bestimmte Flugwesen zu Tode stürzte.
Anschudar blickte nach oben. Nur wenige Längen noch, und sie hatten
endlich den Gipfel des Geburtsfelsens erreicht. Diese höchste Erhebung des
Uma’Roll fiel zu einer Seite steil ab. Gute eineinhalb Tausendlängen ging es
dort hinab in die Tiefe. Dieser Abgrund würde über das Schicksal seiner
Lederschwinge und Anschudars Zukunft entscheiden.
Ein Stück über sich sah er das schwarze Rund des Eises. Anschudar
bemerkte den Schatten, der über ihn fiel, und spürte einen leichten Luftzug,
als das Muttertier dicht neben ihnen am Pfad vorbeistrich. Ihre ledrigen
Schwingen bewegten sich auch hier, in der dünnen Höhenluft, mit anmutigen,
sanft wirkenden Bewegungen. Sie hatte ihr Ei bebrütet und nun, da der
Schlupf unmittelbar bevorstand, behutsam auf dem Geburtsfelsen abgelegt.
»Sie ist sicherlich ebenso aufgeregt wie du, mein Junge.« Mordeschdar
nickte unter seinem Helm und der Kapuze. »Auch für sie hängt viel davon ab.
Es muss schwer sein, ein Junges zu verlieren.«
Anschudar konnte das verstehen. Die Lederschwingen empfanden um den
Tod eines ihrer Jungen nicht weniger Trauer als die Menschen des Volkes um
den ihrer eigenen Kinder. Er sah erneut auf das Ei. »Ich glaube, es ist gleich
so weit, Schwingenführer. Das graue Netz breitet sich aus.«
»Dann sollten wir uns beeilen«, knurrte Mordeschdar. »Du musst deine
Hände an die Schale legen, bevor sie bricht.«
Die Schale begann sich unmerklich zu öffnen. Mit den zahlreichen
Sprüngen, die ihre Oberfläche überzogen, wirkte sie, als habe man ein graues
Netz darübergeworfen. Lederschwingen hatten keinen Eizahn, mit dem sie die
dicken Schalen öffnen konnten. Sie mussten ihre Körpermuskeln anspannen
und die Schwingen ausbreiten, um das Ei zu zersprengen. Die Natur hatte es
so eingerichtet, damit das Wesen bereit war, sofort nach der Geburt zu
fliegen.
Erneut strich das Muttertier um den Geburtsfelsen, und dieses Mal stieß es
einen leisen Schrei aus, der die Männer zur Eile mahnte. Hastig kletterten sie
den Pfad hinauf, bis sie endlich auf dem winzigen Gipfelplateau des
Geburtsfelsens standen. Sie achteten nicht auf die Höhe, in der sie sich
befanden. Sie waren es gewohnt, in die Tiefe hinabzusehen. Sei es vom
Boden ihres Hortes aus oder vom Rücken einer Lederschwinge.
Das Plateau maß keine zehn Längen im Durchmesser und war nahezu
kreisrund. Der Boden war von den Lederschwingen sorgfältig geglättet und
anschließend gebrannt worden, damit kein spitzer Stein die Hülle eines Eis
beschädigen konnte. Eine kräftige Bö hätte die beiden Männer einfach vom
Felsen heruntergewischt, aber der Wind ging gleichmäßig, als Anschudar mit
einem langen Schritt an das Ei herantrat, während Mordeschdar am Ende des
Pfades verharrte. Es mochte an die fünf Längen hoch sein und deren zwei im
Durchmesser haben. Anschudar zog die gefütterten Handschuhe aus und legte
die klamm werdenden Hände an die Schale des Eis. Sie fühlte sich warm an
und vibrierte leicht. Es konnte nur noch Augenblicke dauern, bis es so weit
war.
»Es ist groß«, murmelte Anschudar.
»Ja, das ist es. Wenn du Glück hast, wirst du auf einer außergewöhnlichen
Schwinge reiten können. Doch beeile dich. Du musst nun ihren Namen
denken«, mahnte der Schwingenführer. »Rasch, bevor sie schlüpft.«
Gedanken waren intensiver, wenn man sie in Worten formulierte. Das
hatte sich Anschudar gut eingeprägt. »Flieg, Showaa, meine Lederschwinge.
Flieg.«
»Showaa?« Mordeschdar nickte beifällig. »Ein guter Name. Wollen wir
hoffen, dass …«
Es knackte hörbar, und Anschudar trat instinktiv zurück. Andächtig
starrten die beiden Männer auf das Ei. Die Linien des grauen Netzes
verbreiterten sich rasend schnell, Spalten entstanden. Auch das Muttertier
hatte diesen entscheidenden Augenblick erfasst. Elegant schwang es herum
und glitt sachte heran. Ihre muskulösen Beine berührten die Männer fast, als
sie dicht über ihre Kapuzen hinwegstrichen und dann mit wohldosierter Kraft
gegen die zerbrechende Schale stießen.
Vom Schwung des Muttertieres getroffen, zerbarst das Ei endgültig und
wurde dabei vom Plateau geschleudert. Instinktiv presste Anschudar die Hand
vor seinen Mund, als er es in die Tiefe stürzen sah. Er trat hastig an den Rand,
um besser sehen zu können. Zwischen den Schalen war ein Schemen zu
erkennen. Ein gedrungener Leib, der sich aber zu entfalten schien, während er
zusammen mit den Schalen in die Tiefe wirbelte.
»Flieg, Showaa, flieg«, flüsterte Anschudar.
Es war eine brutale Auslese, die nur den kräftigsten Jungtieren eine
Überlebenschance gab. Viele stürzten in den Tod und wurden dann betrauert.
Doch nicht Showaa.
Sie flog.
Instinktiv breitete sie ihre noch feuchten Flugschwingen und Steuerhäute
aus, die im Sturzflug trockneten und offenbar fest genug waren, um den
Luftmassen Widerstand zu bieten. Aus dem Sturz wurde eine flache Kurve.
Dicht über dem Boden zog Showaa steil an, und Anschudar stieß einen
heiseren Jubelschrei aus. »Sie fliegt! Showaa fliegt!«
»Was sollte sie auch sonst tun?«, brummte Mordeschdar, um seine
Rührung zu verbergen. »Schließlich ist sie eine Lederschwinge.« Er räusperte
sich. »Bereite dich jetzt vor. Sie muss dich erkennen und als ihren
Schwingenreiter akzeptieren.«
Das Muttertier zog weite Kreise um den Geburtsfelsen und beobachtete
mit seinem Doppelpupillenauge aufmerksam sein geschlüpftes Junges. Ihre
Bauchseite hatte sich intensiv rot verfärbt, was ihre Aufregung zeigte.
Showaa flog, doch nun kam es darauf an, ob sie ihren Reiter auch anerkannte.
Anschudar nahm den Schwingensattel und trat an den Rand des
Geburtsfelsens. Showaa gewann an Höhe und kam näher. Obwohl noch ein
Jungtier, war sie schon jetzt ungewöhnlich groß. Von den beiden kurzen
Maultentakeln bis zur Schwanzspitze maß ein ausgewachsenes Exemplar gute
zehn Längen, ein Maß, das von der Spannweite ihrer Schwingen noch
übertroffen wurde. Der Rumpf einer Lederschwinge war schlank und leicht,
und die beiden muskulösen Beine wurden im Flug nach hinten an den Leib
gelegt. Der flache Schädel glich einem stumpfen Dreieck, in dessen breiter
Vorderseite sich das Auge befand. Es hatte eine elliptische Form und zwei
schlitzartige Pupillen. Jede von ihnen war mit einem der Maultentakel
gekoppelt und erlaubte es der Lederschwinge, ihre Beute auf große
Entfernung zu erkennen und den Brennstrahl zu fokussieren. Die Seiten des
Schädels liefen in kurze Steuerschwingen aus, die das Flugwesen äußerst
wendig machten. Unter dem Schädel befand sich der Fressschlitz, an der
Oberseite die Membranen für die Saugatmung. Der Kopf saß auf einem
schlauchartigen Hals, der in den schlanken Rumpf überging. Dort setzten die
dreieckigen Flugschwingen an. Die grau und grün schattierte Haut war ledrig
und hatte den Wesen ihre Bezeichnung eingetragen. Showaa war ein
Weibchen, und so schimmerte ihre Bauchseite in einem sanften Rot. Sobald
sie in die Brunftzeit kam, würde es einen intensiveren Ton annehmen. Ein
verlockendes Signal für jedes Männchen. Natürlich würde die intensive
Färbung auch andere Wesen auf Showaa aufmerksam machen, doch für die
Lederschwingen gab es keine natürlichen Feinde. Nichts konnte ihnen die
Herrschaft über die Lüfte streitig machen.
»Präsentiere ihr Sattel und Lenkstab«, raunte Mordeschdar mit heiserer
Stimme.
Anschudar hob beides über den Kopf und verkniff sich einen leisen Fluch,
als einer der schweren Steigbügel schmerzhaft gegen seine Wange schlug.
Mit der einen Hand den Schwingensattel, mit der anderen den Lenkstab in die
Höhe haltend, sah er nervös zu der kreisenden Lederschwinge hinüber.
Showaa schien unentschlossen, zog mit aufgeregten Schwingenschlägen an
dem Menschenwesen vorbei. Der dreieckige Kopf war ihm zugewandt, und
die beiden senkrechten Schlitzpupillen im ovalen Auge bewegten sich
unruhig hin und her. Sie spürte instinktiv, was ihre Aufgabe war. Jede
neugeborene Lederschwinge wusste es, denn seit Generationen lebten die
Wesen mit den Menschen des Horstes in enger Verbindung.
»Showaa!«, rief Anschudar fordernd.
Showaas Kopf schien sich ein wenig zu neigen, so als lausche sie dem
Klang der Stimme. Erneut umrundete sie den Geburtsfelsen, und die beiden
Maultentakel zuckten leicht. Sie waren leer und hielten noch nicht die zwei
Gelbsteine, die der Lederschwinge die Fähigkeit verleihen würden, ihre
Feinde zu brennen. Auch die Kammern in ihrem Leib waren kaum mit Gas
gefüllt. Es reichte gerade aus, Showaa leicht genug zum Flug zu machen. Erst
später, nach dem Fressen, würden die Verdauungsgase in die Hohlräume
strömen.
Dann, endlich, legte sich die junge Lederschwinge in eine sanfte Kurve.
Ihre muskulösen Beine schoben sich nach vorn, und die noch weichen Krallen
reckten sich dem Boden des Plateaus entgegen. Die Landung war noch ein
wenig ungeschickt, und Showaa musste sich mit den Flugschwingen
abstützen. Aber sie war Anschudars Ruf gefolgt.
Er wusste, was er zu tun hatte, und trat an sie heran. Showaa senkte ihren
Kopf, bis dieser fast den Boden berührte, und wendete ihren langen Hals, um
Anschudar zu beobachten. Ihre beiden Schlitzpupillen schoben sich
aufeinander zu, als sie auf ihren künftigen Reiter scharf stellte.
»Leg ihr den Sattel auf. Jetzt«, raunte Mordeschdar.
»Ja, ich weiß«, erwiderte Anschudar.
Showaa zuckte leicht zusammen, als der Sattel ihre Haut berührte.
Anschudar hatte die Handgriffe oft geübt, und seine Bewegungen waren
schnell und sicher. Er legte Showaa den breiten Sattelgurt um den Hals, direkt
vor dem Ansatz der Flugschwingen, und strich ihr sanft über die Kehlhaut.
Instinktiv zog sich Showaas Muskulatur zusammen, und Anschudar konnte
den Gurt endgültig festziehen. Mordeschdar nickte beifällig. Sein Schüler
hatte es genau richtig gemacht. Nicht zu fest und nicht zu locker. Das richtige
Maß war wichtig, um einen festen Sitz zu garantieren, ohne den Hals zu stark
einzuschnüren. Anschudar zog die Steigbügel mit den schweren
Bügelschuhen nach unten und sah Mordeschdar für einen Augenblick an.
Dieser nickte. »Flieg mit ihr, Schwingenreiter. Nur so findet ihr endgültig
zueinander.«
Anschudar setzte den rechten Fuß in den Bügelschuh und zog sich in den
Sattel hoch. Unter dem ungewohnten Gewicht ihres Reiters richtete sich
Showaa instinktiv auf. Anschudar hatte Mühe, sich oben zu halten, als sich
die Schwinge zu voller Größe aufbaute. Er klopfte ihr beruhigend gegen den
Hals und spürte dabei ihre Erregung.
Behutsam setzte er mit der anderen Hand das Lenkholz an, ein
fingerstarker Stab, gute zwei Spannen lang und an den Enden nach unten
gekrümmt. Dort befanden sich die Lenkdorne aus reinem Gold. Stumpf
genug, um die Haut nicht zu verletzen, und spitz genug, der Schwinge die
gewünschte Richtung anzuzeigen. Später, wenn Anschudar und Showaa sich
aneinander gewöhnt hatten, würde das Lenkholz überflüssig sein. Eine leichte
Gewichtsverlagerung des Reiters im Sattel würde dann ausreichen.
»Flieg, Showaa«, sagte Anschudar leise. »Flieg, meine Schöne.«
Die Lederschwinge ging ein wenig in die Knie, stieß sich mit ihren
muskulösen Beinen ab und breitete zugleich ihre Flugschwingen aus.
Anschudar stieß einen Schrei reinsten Entzückens aus, als Showaa über den
Rand des Plateaus in die Tiefe glitt. Er spürte das Pumpen in ihren inneren
Kammern, als sie das Gewicht des Reiters ausglich, und genoss es, wie der
Wind an seinem Gesicht vorüberstrich. Der Boden kam rasend schnell näher,
aber der junge Schwingenreiter empfand keine Furcht und vertraute auf die
Fähigkeiten Showaas. Erneut stieß er einen jauchzenden Schrei aus, als sie
den Sturz dicht über dem Boden abfing und rasch wieder an Höhe gewann.
Das Plateau fiel hinter ihnen zurück, und Anschudar ließ Showaa ihren
Willen. Sie beide sollten diesen ersten gemeinsamen Flug genießen, denn er
würde sie zusammenführen. Der Wind stach wie mit eisigen Nadeln in sein
Gesicht. Es war schmerzhaft, und doch verzichtete Anschudar auch jetzt
darauf, das Klarsteinvisier vor seinen Helm zu klappen. Zu sehr genoss er das
Gefühl der Freiheit, wie es nur ein Schwingenreiter empfand. Hoch oben
zwischen den Wolken, losgelöst von der Mühsal, die mit dem Leben am
Boden verbunden war. Frei von der Enge des Horstes, der seinem Volk
Heimat und sichere Zuflucht vor den Kriegen der anderen Völker war.
Einst hatte auch Anschudars Volk den Boden der fruchtbaren Ebenen von
Rumak bewohnt. Doch dann waren die großen Kriege ausgebrochen, der
Menschenreiche untereinander und der Menschen und Elfen gegen die
Legionen des Schwarzen Lords. Wie mächtige Mühlsteine hatten sie
Anschudars Volk zwischen sich zerrieben, bis sich einige aus ihm der
Finsternis unterwarfen und die letzten freien Rumaker in die Schwarzen
Berge von Uma’Roll flüchteten. Immer höher hinauf, bis in die eisigen
Regionen, wohin ihnen kein Mensch und erst recht kein Ork folgen konnte,
denn die Bestien des Schwarzen Lords erstarrten in der Kälte. Die Handvoll
Überlebender wäre selbst dem Tod geweiht gewesen, wäre sie dort oben nicht
auf den Horst der Lederschwingen gestoßen. Obwohl sie äußerlich so wenig
gemeinsam hatten, fanden sie in einer nahezu symbiotischen Verbindung
zueinander.
Die Flugwesen waren Allesfresser. Sie verschmähten weder Pflanzen noch
Fleisch, begnügten sich aber auch mit Aas. Darin ähnelten sie durchaus den
Menschen, doch sie hatten eine Besonderheit, die sie von allen anderen
Lebewesen unterschied: Ihre Körper waren von großen Hohlräumen
durchzogen. Kammern, in denen Verdauungsgase gesammelt und aufgetrennt
wurden. Ein Teil davon diente dem zusätzlichen Auftrieb, ein anderer Teil als
Brennstoffvorrat. Über eine knöcherne Öffnung unterhalb des Auges konnte
das brennbare Gas ausgestoßen werden. Die schlitzförmigen Pupillen
zusammen mit den beiden Maultentakeln fokussierten den Ausstoß. Dadurch
konnte das Brenngas als diffuse Wolke oder scharf gebündelter Strahl
abgegeben werden. In längst vergangenen Zeiten, als die Lederschwingen
noch von kleinem Wuchs gewesen waren, hatte das Gas dazu gedient, einen
Angreifer durch seinen infernalischen Gestank abzuwehren oder ihn zu
ersticken. Dann hatten die Flugwesen im Zuge der Jahrtausendwenden
gelernt, über ihre Maultentakel winzige Blitze abzusondern, welche das Gas
entzünden konnten. Von da an wagte sich kaum mehr ein Fressfeind an die
Schwingen heran. Wieder viele Jahrtausendwenden später hatten die Wesen
entdeckt, dass die Wirkung des Brennstrahls noch gesteigert wurde, wenn sie
in ihren Maultentakeln Brocken von Gelbstein bereithielten. Ihm entströmten
Substanzen, welche die Wirkung des Brennstrahls auf verheerende Weise
steigerten.
Gelbstein war eigentlich eine flüssige Substanz, die sich in heißen
Tümpeln sammelte und bestialisch stank. An den Rändern der Tümpel oder
wenn diese austrockneten, kristallisierte die Flüssigkeit zu gelben Brocken. Es
fiel den Lederschwingen leicht, diese zu lösen und in ihre Tentakel
aufzunehmen. Aber dann wurden die Tümpel und die Vorkommen des
Gelbsteins seltener, und es wurde immer schwieriger, ihn zu finden. Meist
war er unter der Erde verborgen. Die Lederschwingen konnten ihn riechen,
doch gelang es ihnen kaum, ihn auszugraben. Bis die Menschen zu ihnen
stießen. Nun grub Anschudars Volk für die Flugwesen nach dem Gelbstein,
und die Lederschwingen schützten mit ihrem Brennstrahl den Horst und die
darin lebenden Menschen.
Der Horst selbst war eigentlich kaum gefährdet. Er lag zu weit oben in den
eisigen Gipfeln von Uma’Roll, unerreichbar für jedes Wesen, das nicht
fliegen konnte. Aber zur Suche nach Nahrung und Brennstein musste man
den Gipfel verlassen und in die Ebenen von Rumak hinabsteigen. Nur dort
gab es noch ausreichend Wild. Doch in den Ebenen herrschten schon seit
Langem die Orks des Schwarzen Lords. Solange der Gelbstein den Feueratem
der Lederschwingen verstärkte, waren die Krieger der Finsternis zwar keine
Gefahr. Aber nun, da er selten wurde, hatte der Rat der Schwingenreiter
verkündet, dass man in einigen Jahren wohl eine neue Heimat suchen müsse,
hoch oben im Norden. Für die Schwingen und ihre menschlichen Freunde war
der Norden unbekanntes Land. Dort sollte es Zwerge und Elfen geben und
sogar Menschen, die noch immer im Krieg mit den Orks lagen. Man musste
einen neuen Horst finden, der ebenso unerreichbar in eisigen Höhen lag, und
man brauchte neue Vorkommen von Gelbstein. War beides gefunden,
könnten die Bodenläufer ihre Kämpfe ruhig austragen, denn das Volk der
Lederschwingen bliebe davon unberührt.
Anschudar verlagerte sein Körpergewicht auf den rechten Steigbügel.
Showaa folgte bereitwillig seinem Wunsch und schwenkte in eine leichte
Rechtskurve. Sie gewann zusehends an Sicherheit in ihren Bewegungen. Der
Wind strich nun unangenehm in Anschudars Gesicht, und seine Augen
begannen zu tränen. Den Lenkstab in der Rechten, griff er mit der linken
Hand unter die Kapuze seiner Felljacke. Er spürte die Glätte des Helms, den
alle Schwingenreiter trugen. In den kalten Gefilden, in denen die Schwingen
lebten, waren die sorgfältig geschnitzten und bearbeiteten Holzhelme weit
angenehmer zu tragen als die rasch auskühlenden Metallhelme. Anschudar
tastete nach dem gekrümmten Schild aus Klarstein und klappte es vor seine
Augen. Auch wenn seine Sicht nun leicht verzerrt war, bedeutete es für sie
doch eine Erholung.
Fernab entdeckte er einen winzigen Punkt am Himmel. Es war eine
Schwinge, die in ihrer einsamen Wache um den Horst kreiste. Anschudar
lächelte unmerklich. Nun war er selbst ein Schwingenreiter, und bald würden
solche Streifenflüge ebenfalls zu seinen Aufgaben gehören. Er wandte sich
um, und was er dort sah, gefiel ihm nicht. Dunkle Wolken begannen sich am
Horizont zusammenzuballen, und Anschudar meinte das Leuchten von
Blitzen zu erkennen. Ein Gewittersturm braute sich zusammen, und es sah
ganz danach aus, als würde es ein ungewöhnlich starker werden.
Anschudar mochte keine Gewitterstürme, und für die Lederschwingen
waren sie sogar gefährlich. Wenn ein starker Blitz dicht genug an einem der
Flugwesen entlangfuhr, dann konnte er das Gas in dessen Brennkammern
entzünden, und das Wesen verging in einem Feuerball. Nein, die Schwingen
mieden die Gewitterstürme, und wenn ein solches Unwetter den Horst
bedrohte, zogen sich die Flugwesen in ihre Felsnischen zurück. Daher
beobachtete Anschudar den Gewittersturm mit wachsendem Unbehagen. Die
finstere Wolkenwand wurde größer und kam immer näher. Der junge
Schwingenreiter überlegte. Es sah ganz danach aus, als würde der Sturm das
Gebirge von Uma’Roll erreichen. Das wäre schlecht. Die Blitze entluden sich
meist an den höchsten Gipfeln, und auf dem allerhöchsten lag seine Heimat,
der Horst.
»Zeit, nach Hause zu fliegen, Showaa«, seufzte Anschudar. Er verlagerte
sein Gewicht auf den linken Steigbügel und drückte mit dem Lenkstab gegen
Showaas linke Halsseite.
Die Schwinge stieß einen leisen Schrei aus, und es war offensichtlich, dass
sie froh darüber war, dem Gewittersturm die Schwanzseite zu zeigen.
Instinktiv hatte sie erkannt, dass von der herannahenden und von Blitzen
durchzuckten Finsternis Gefahr ausging. Showaa neigte sich vor und ging in
einen steilen Sturzflug über. Sie gewann an Geschwindigkeit, fing dann ihren
Flug über den unteren Ausläufern des Gebirges ab und stieg mit raschen