Loe raamatut: «Philosophische und theologische Schriften», lehekülg 7

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DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Übertragung der unendlichen Kugel
auf die alles wirkende Existenz Gottes

Nun noch einige Betrachtungen über die unendliche Kugel!

In der unendlichen Kugel sehen wir die drei größten Linien der Länge, Breite und Tiefe im Zentrum zusammenlaufen. Das Zentrum der größten Kugel ist aber gleich dem Durchmesser und der Peripherie; es ist folglich das Zentrum jenen drei Linien gleich, ja, das Zentrum ist sie alle: Länge, Breite und Tiefe. Im Größten sind daher alle Länge, Breite und Tiefe das eine einfachste und unteilbare Größte selbst. Und wie das Zentrum aller Breite, Länge und Tiefe vorhergeht, das Ende und die Mitte von ihnen ist (denn in der unendlichen Kugel sind Zentrum, Dichtigkeit und Peripherie ein und dasselbe), wie die unendliche Kugel ganz in actu und auf die einfachste Weise ist, so ist auch das Größte ganz in Wirklichkeit (in actu) auf die einfachste Weise. Wie die Kugel die volle Wirksamkeit der Linie, des Dreiecks und des Kreises ist, so ist das Größte die Wirksamkeit von allem (omnium actus). Jedes wirksame Sein hat also von ihm alle seine Wirksamkeit; jedes Sein existiert in Wirksamkeit insoweit, wie weit es in dem Unendlichen wirksam ist. Daher ist das Größte das bildende Prinzip von allem (forma formarum), das Prinzip des Seins (forma essendi) oder das höchste wirksame Sein (maxima actualis entitas). Sehr scharfsinnig sagt daher Parmenides, Gott sei es, für den jegliches Sein all das Sein ist, das es ist (Deum esse, cui esse quodlibet, quod est, est esse omne id, quod est). Wie die Kugel die höchst mögliche Vollendung der Figuren ist, so ist das Größte die vollkommenste Vollendung von allem, so daß alles Unvollkommene in ihm das Vollkommenste ist, wie die unendliche Linie Kugel und in ihr das Krumme gerade, das Zusammengesetzte einfach, das Verschiedene identisch, das Anderssein Einheit ist. Wie könnte dort eine Unvollkommenheit sein, wo die Unvollkommenheit die höchste Vollkommenheit, die Möglichkeit die unendliche Wirksamkeit ist etc.? Ist das Größte wie die größte Kugel, so ist es das einfachste, adäquateste Maß des ganzen Universums und aller Wesen im Universum, denn in ihm ist das Ganze nicht größer als der Teil, wie die Kugel nicht größer ist als die unendliche Linie. Gott ist daher der einzige einfachste rationelle Grund (ratio) des ganzen Universums, und wie aus unendlich vielen Umkreisen (circulationes) die Kugel entsteht, so ist Gott als die größte Kugel das einfachste Maß aller kreisförmigen Bewegungen, denn alle Belebung (vivificatio), Bewegung und Intelligenz ist aus ihm, in ihm und durch ihn, bei dem eine Kreisbewegung der achten Sphäre nicht kleiner ist als die der unendlichsten, weil er das Ziel aller Bewegung ist, in dem alle Bewegung als in ihrem Ziele zur Ruhe kommt. Es ist nämlich dasjenige die größte Ruhe, in dem alle Bewegung Ruhe ist. So ist denn die größte Ruhe das Maß aller Bewegung, wie das größte Gerade das Maß aller Umkreise, die größte Gegenwart oder die Ewigkeit das Maß aller Zeiten ist. Und weil Gott das Sein alles Seins ist und alle Bewegung sich auf das Sein bezieht, so ist er, das Ziel der Bewegung, auch die Ruhe der Bewegung, d. i. das Prinzip (forma) und die Wirksamkeit des Seins. Alles Seiende hat daher einen Zug zu ihm (ad ipsum tendunt). Weil es aber endlich ist und nicht auf gleiche Weise an ihm partizipieren kann, so partizipieren die einen Wesen an dem Ziele aller Dinge mittelst der andern, wie die Linie mittelst des Dreiecks und Kreises, das Dreieck mittelst des Kreises, der Kreis durch sich selbst zur Kugel wird.

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Vom Namen Gottes und der affirmativen Theologie

Nachdem wir nun mit Gottes Hilfe durch ein mathematisches Beispiel in unserem Nichtwissen über das erste Größte zu größerer Erkenntnis zu gelangen gestrebt, wollen wir zur Ergänzung unseres Wissens noch über den Namen des Größten eine Untersuchung anstellen, die, wenn wir das Bisherige festhalten, von keiner Schwierigkeit sein wird.

Da das Größte das schlechthin Größte ist, das keinen Gegensatz hat, so ist klar, daß ihm eigentlich kein Name zukommen könne. Denn alle Namen entstehen aus einer gewissen singulären Verstandestätigkeit, durch welche eines vom andern unterschieden wird. Wo nun alles Eins ist, kann es keine besonderen Namen geben. Mit Recht sagt daher Hermes Trismegistus : Da Gott das All der Dinge ist (universitas rerum), so hat er keinen besondern Namen, denn man müßte entweder Gott mit jedem Namen, oder alles mit seinem Namen benennen, da er in seiner Einfachheit das All der Dinge in sich begreift, daher muß auch der Gott eigentlich zukommende Namen (jener von uns unaussprechliche Name, der τετϱαγϱάμματον ist oder aus vier Buchstaben besteht, und deshalb der eigentliche Name Gottes heißt, weil er ihm nicht infolge eines Verhältnisses zu den Kreaturen, sondern nach seiner eigentlichen Wesenheit zukommt) übersetzt werden: Einer und Alles (unus et omnia) oder besser: Alles in Einheit (omnia uniter). Und so hat sich uns ja oben die höchste Einheit, die soviel ist als: »Alles in Einheit« ergeben, ja der Name »Einheit « scheint noch näher bezeichnend zu sein, als: Alles in Einheit. Daher sagt auch der Prophet: »an jenem Tage wird Gott sein und sein Name ist: Einer« und ein andermal: »Höre Israel! (d. i. du, der du Gott mit der Vernunft schaust) dein Gott ist Einer.« Die Einheit ist aber nicht in dem Sinne der Name Gottes, wie wir die Einheit verstehen. Der Einheit steht die Vielheit gegenüber. Eine solche Einheit kommt Gott nicht zu, sondern jene, der kein Anderssein, keine Vielheit entgegensteht. Dies ist der größte Name, der alles in der Einfachheit der Einheit zusammenfaßt, dies der unaussprechliche Name, der über allen Verstand geht. Denn wer könnte die unendliche Einheit begreifen, die unendlich allem Gegensatze vorausgeht, wo alles ohne Zusammensetzung in der Einfachheit der Einheit begriffen ist, ohne Anderes und Gegensatz, wo der Mensch nicht vom Löwen, der Himmel nicht von der Erde verschieden und doch jedes auf die wahrste Weise ist, nicht nach seiner Endlichkeit, sondern als die größte Einheit selbst! Wer diese Einheit zu begreifen oder zu benennen vermöchte, die als Einheit – alles, und als das Kleinste – das Größte ist, der hätte den Namen Gottes gefunden. Allein da der Name Gottes Gott selbst ist, so kennt niemand Gott, außer derjenige Geist, der das Größte selbst ist und der größte Name. Durch die Wissenschaft des Nichtwissens sehen wir also ein, daß die Einheit, wenn sie gleich eine nähere Bezeichnung des Größten ist, doch hinter dem wahren Namen des Größten, der das Größte selbst ist, noch unendlich zurückbleibt.

Hieraus erhellt, daß die affirmativen Namen Gottes nur im unendlich kleinsten Grade (per infinitum diminute) ihm zukommen, denn sie werden ihm nach irgendeiner Eigenschaft der Kreaturen beigelegt. Da nun aber Gott etwas Partikulares, das einen Gegensatz hat, nur im allerkleinsten Grade zukommen kann, so sind alle affirmativen Namen, wie Dionysius sagt, nicht genug zusammenfassend (incompactae). Nennst du ihn die Wahrheit, so ist der Gegensatz die Lüge, nennst du ihn die Tugend (virtutem), so ist der Gegensatz die Sünde (vitium) –, Substanz, so ist der Gegensatz das Akzidens usf. Da er aber nicht eine Substanz ist, die nicht alles ist, ohne einen Gegensatz, nicht Wahrheit, die nicht alles ohne Gegensatz36 ist, so können ihm jene Namen nur im ganz verminderten Grade zukommen. Alle Affirmationen, die in sein Wesen etwas aus dem von ihnen bezeichneten Gegenstande hineinlegen (quasi in ipso aliquid sui significati ponentes), können ihm nicht zukommen, der nicht irgend etwas mehr ist, als er alles ist (qui non est plus aliquid quam omnia). Daher werden ihm die affirmativen Namen, wenn sie anders ihm zukommen, nur im Verhältnisse zu den Kreaturen beigelegt, nicht als ob die Kreaturen die Ursache hiervon wären, da das Größte von den Kreaturen nichts haben kann, sondern sie kommen ihm vermöge seiner unendlichen Macht im Verhältnisse zu den Kreaturen zu (sed ei ex infinita potentia ad creaturas conveniunt); denn von Ewigkeit konnte Gott schaffen; hätte er dies nicht gekonnt, so wäre er nicht die höchste Allmacht. Wenn ihm daher gleich der Name: Schöpfer im Verhältnisse zu den Geschöpfen zukommt, so kommt er ihm doch auch zu, bevor noch ein Geschöpf war, weil er von Ewigkeit schaffen konnte. So verhält es sich auch mit der Gerechtigkeit und anderen affirmativen Namen, die wir auf Gott aus dem Leben der Geschöpfe wegen einer gewissen Vollkommenheit, die durch diese Namen bezeichnet wird, übertragen. Alle diese Namen waren von Ewigkeit, ehe wir sie Gott beilegten, in Wahrheit in seiner höchsten Vollkommenheit und seinem unendlichen Namen enthalten, so wie auch alle Dinge, die durch diese Namen bezeichnet, und von denen sie durch uns auf Gott übertragen werden. Das Gesagte hat so sehr Gültigkeit, daß auch der Name der Trinität und der Personen: Vater, Sohn und heiliger Geist im Verhältnisse zu den Geschöpfen ihm beigelegt werden. Denn da Gott als Einheit erzeugend und Vater, als Gleichheit der Einheit – gezeugt oder Sohn, als Verbindung beider – der heilige Geist ist, so ist klar, daß der Sohn Sohn heißt, weil er die Gleichheit der Einheit oder des Seins ist. Weil Gott von Ewigkeit die Dinge erschaffen konnte, wenn er sie auch nicht erschaffen hätte, so wird er in Rücksicht auf die Dinge Sohn genannt ; denn deshalb ist er Sohn, weil er die Gleichheit des Seins ist, über oder unter welcher die Dinge nicht bestehen könnten, die Gott machen konnte, wenn er sie auch nicht gemacht hätte. Könnte Gott sie nicht machen, so wäre er weder Gott Vater noch Sohn, noch heiliger Geist, überhaupt nicht Gott. Betrachtest du die Sache tiefer, so heißt: »der Vater erzeugt den Sohn,« soviel als: er erschafft alles durch das Wort (quod si subtilius consideras, patrem filium gignere, hoc fuit omnia in verbo creare). Deshalb nennt auch Augustin das Wort die Kunst und Idee im Verhältnis zu den Geschöpfen. Die Kreatur beginnt dadurch, daß Gott Vater ist, ihr Sein; dadurch, daß er Sohn ist, erlangt sie ihre Vollendung (perficitur), dadurch, daß er heiliger Geist ist, ist sie mit der ganzen Weltordnung im Einklang. Dies sind die Spuren der Trinität in jeglichem Dinge. Dies ist der Sinn der Worte Augustins, wenn er die Stelle der Genesis: »Im Anfange erschuf Gott Himmel und Erde« also erklärt: Gott hat als Vater die Prinzipien der Dinge erschaffen.

Was also in der affirmativen Theologie von Gott ausgesagt wird, gründet sich auf das Verhältnis zu den Geschöpfen. Dies gilt auch in Bezug auf jene heiligsten Namen, die sich bei den Hebräern und Chaldäern finden und in denen die größten Geheimnisse der Erkenntnis Gottes enthalten sind. Keiner dieser Namen bezeichnet Gott anders als nach einer besonderen Eigentümlichkeit, außer jenem Namen mit vier Buchstaben, welche sind: , das der eigentliche und unaussprechliche Name ist und oben erklärt wurde. Hierüber handeln Hieronymus und der Rabbiner Salomon in dem Buche: dux neutrorum ausführlich, was man nachlesen mag.

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Die Heiden gaben Gott im Verhältnisse zu den Geschöpfen
verschiedene Namen

Die Heiden benannten Gott nach den verschiedenen Verhältnissen zu den Geschöpfen. Jupiter nannten sie ihn wegen seiner bewunderungswürdigen Güte (propter mirabilem pietatem). Julius Firmicus sagt nämlich, Jupiter sei ein so günstiges Gestirn, daß, wenn er allein im Himmel regierte, die Menschen unsterblich wären. Saturn heißt Gott wegen der Tiefe der Gedanken und der Erfindungen in dem, was zum Leben notwendig ist, Mars von den Siegen im Kriege, Merkur wegen der Klugheit im Rate, Venus wegen der die Natur erhaltenden Liebe, Sonne wegen der Stärke der Bewegungen in der Natur, Mond wegen der Erhaltung der zum Leben notwendigen Feuchtigkeit, Cupido wegen der Einheit beider Geschlechter, weshalb man ihn auch die Natur nannte, weil er durch das Geschlechtliche die Gattungen der Dinge enthält. Hermes sagt, alles, sowohl Lebendes als nicht Lebendes, sei doppelten Geschlechts, weshalb die Ursache von allem, Gott, männliches und weibliches Geschlecht in sich enthalte, wovon Cupido und Venus die äußere Erscheinung sei. In gleichem Sinne besang der Römer Valerius den allmächtigen Jupiter als die zeugende und gebärende Gottheit (genitorem genitricemque Deum). Daher nannte er auch Cupido, sofern nämlich ein Wesen nach dem andern begehrt (cupit), die Tochter der Venus, d. i. der natürlichen Schönheit. Die Venus nannten sie die Tochter des allmächtigen Jupiters, von dem die Natur und alles, was mit ihr gegeben ist, herstammt. Auch die Tempel des Friedens, der Ewigkeit und der Eintracht, das Pantheon, in dem ein Altar des Unendlichen (termini infiniti), der keine Grenze hat, in der Mitte unter freiem Himmel errichtet war, und ähnliche Erscheinungen zeigen uns, daß die Heiden Gott nach dem Verhältnisse zu den Geschöpfen verschieden benannt haben. Alle diese Namen sind nur die Entfaltung des einen unaussprechlichen Namens, und sofern der eigentlich Gott zukommende Name unendlich ist, faßt er unzählige solche den besonderen Vollkommenheiten entnommene Namen in sich. Daher ist auch die Entfaltung dieses Namens eine vielfache, die immer der Vermehrung fähig ist, und jeder einzelne Name verhält sich zu dem eigentlichen und unaussprechlichen Namen wie das Endliche zum Unendlichen.

Die Heiden verlachten die Juden, welche den einen unendlichen Gott, den sie nicht kannten, anbeteten, und doch verehrten sie selbst ihn in der Entfaltung seines Wesens (quem tamen ipsi in explicationibus venerabantur), da sie ihn verehrten, wo immer sie seine göttlichen Werke erblickten. Der Unterschied im ganzen Menschengeschlechte bestand damals darin, daß alle an den einen größten Gott, über dem es keinen größeren gibt, glaubten, den die einen, wie die Juden und Sissennier, in seiner einfachsten Einheit, als den Inbegriff (complicatio) aller Dinge, die andern dagegen da verehrten, wo sie die Entfaltung seiner Gottheit wahrnahmen, wobei sie das für die Sinne Bekannte als einen Wegweiser zu der Ursache und dem Prinzip nahmen (recipiendo notum sensibiliter pro manuductione ad causam et principium). Auf der letzten Stufe (in hac ultima via) dieses Weges geriet das schlichte Volk in Irrtum, das die Entfaltung (der Gottheit) nicht als Bild, sondern als Wahrheit nahm, wodurch der Götzendienst im Volke sich ausbildete, während die Verständigeren in der Regel über die Einheit Gottes richtig dachten. Das ist jedem bekannt, der Tullius (Cicero) über die Natur der Götter und die alten Philosophen mit Aufmerksamkeit gelesen hat. Wir stellen indes nicht in Abrede, daß einige Heiden nicht eingesehen haben, daß Gott, das Sein der Dinge, in anderer Weise existiere denn als eine bloße Abstraktion außerhalb der Dinge, wie z. B. die erste Materie außerhalb der Dinge nur als eine Abstraktion existiert (Non negamus tamen, quosdam ex paganis non intellexisse37, Deum, cum sit entitas rerum, aliter, quam per abstractionem extra res esse, sicut prima materia extra res nonnisi per abstrahentem intellectum existit). Diese haben Gott in den Geschöpfen angebetet und den Götzendienst auch philosophisch begründet (rationibus astruebant). Einige glaubten auch, man könne Gott in etwas hineinzaubern (Deum devocabilem putarunt), wie denn die Sissannier ihn in Engel hineinzauberten; die Heiden zauberten ihn in Bäume hinein, nach dem, was man von dem Sonnen- und Mondsbaume liest. Andere zauberten ihn durch bestimmte Zauberformeln in Luft, Wasser oder Tempel. In welch großer Täuschung sie alle waren und wie weit von der Wahrheit entfernt, geht aus dem oben Gezeigten hervor.

SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Von der negativen Theologie

Da die Gottesverehrung im Geiste und in der Wahrheit sich notwendig auf positive Aussagen von Gott gründet, so erhebt sich jede Religion in ihrer Gottesverehrung notwendig mittelst der affirmativen Gotteslehre zur Anbetung Gottes als des Einen und Dreieinigen, weisen, gnädigen, des Lebens, der Wahrheit etc., indem sie dieser Verehrung durch den Glauben, den sie durch die Wissenschaft des Nichtwissens richtiger auffaßt (verius attingit), die Richtung gibt, durch den Glauben nämlich, der, den sie als den Einen anbetet, sei alles in Einheit, und den sie als das unzugängliche Licht verehrt, sei nicht ein physisches Licht, das die Finsternis zum Gegensatze hat, sondern das einfachste und unendliche Licht, in dem die Finsternis unendliches Licht ist, das beständig in der Finsternis unseres Nichtwissens leuchtet, aber von dieser Finsternis nicht erfaßt werden kann. Daher ist die negative Gotteslehre eine so notwendige Ergänzung der positiven, daß ohne sie Gott nicht als unendlicher Gott, sondern vielmehr als Geschöpf verehrt würde. Dies Letztere ist Götzendienst, der dem Abbilde erweist, was nur der Wahrheit gebührt. Daher dürfte es zweckmäßig sein, über die negative Gotteslehre noch einige Worte beizufügen.

Unsere heilige Wissenschaft des Nichtwissens (sacra ignorantia) hat uns belehrt, daß Gott unaussprechlich ist, weil er größer ist als alles, was genannt werden kann. Da dies ausgemacht ist, so werden wir von ihm richtiger auf dem Wege des Ausschließens und Regierens, gleich dem großen Dionysius, der ihn weder Wahrheit noch Vernunft, noch Licht, noch irgendetwas, was sich aussprechen läßt, genannt wissen wollte, denken. Ihm folgten der Rabbiner Salomon und alle Philosophen. Nach dieser negativen Gotteslehre ist daher Gott weder Vater, noch Sohn, noch heiliger Geist, sondern nur unendlich. Die Unendlichkeit als solche ist weder zeugend noch gezeugt, noch hervorgehend. Daher hat Hilarius von Poitiers sehr scharfsinnig in der Unterscheidung der göttlichen Personen gesagt: Im Ewigen ist Unendlichkeit, Idee, Ausübung (in aeterno infinitas, species in imagine, usus in munere). Er will sagen: Obwohl wir in der Ewigkeit nur die Unendlichkeit sehen können, so kann doch die Unendlichkeit, die die Ewigkeit ist, weil negativ, nicht als zeugend aufgefaßt werden, wohl aber die Ewigkeit, weil sie die Affirmation der Einheit oder größten Gegenwart ist. Sie ist daher der Anfang ohne Anfang, die Idee (species in imagine) ist der Anfang vom Anfang (principium a principio), die Ausübung (usus in munere) ist das Hervorgehen aus beidem. Dies ist durch das früher Gezeigte ganz klar; denn obwohl die Ewigkeit Unendlichkeit ist, so daß die Ewigkeit ebensowenig Ursache des Vaters ist als die Unendlichkeit, so wird doch in der Betrachtungsweise (secundum considerationis modum) die Ewigkeit dem Vater, nicht dem Sohne und heiligen Geiste zugeschrieben, die Unendlichkeit hingegen nicht einer Person mehr als der andern, weil die Unendlichkeit als Einheit betrachtet (secundum considerationem unitatis) der Vater, als Gleichheit der Einheit der Sohn, als Verbindung beider der heilige Geist ist. Dagegen die Unendlichkeit, schlechthin betrachtet, ist weder Vater noch Sohn, noch heiliger Geist. Wenn also gleich die Unendlichkeit und Ewigkeit jede der drei Personen ist und umgekehrt jede Person Unendlichkeit und Ewigkeit, so gilt dies doch nicht nach der Betrachtungsweise der Sache. Die Unendlichkeit, als solche betrachtet, ist Gott weder Einer noch Mehreres, vom Standpunkte der negativen Gotteslehre finden wir in Gott nichts anderes als die Unendlichkeit. Er ist daher auch nach derselben weder in dieser noch in der künftigen Welt erkennbar, weil jede Kreatur, da sie das unendliche Licht nicht fassen kann, im Verhältnis zu diesem verdunkelt wird. Gott ist nur sich selbst bekannt.

Aus dem Gesagten erhellt, daß in der Gotteserkenntnis38 die Negationen wahr, die Affirmationen unzureichend sind. Je mehr Unvollkommenheit eine Negation von dem vollkommensten Wesen entfernt, desto wahrer ist sie. So ist es wahrer, Gott sei kein Sein, als er sei nicht das Leben oder die Intelligenz, wahrer, er sei nicht die Trunkenheit, als er sei nicht die Tugend. Das Gegenteil gilt von den Affirmationen. Es ist eine wahrere Affirmation, Gott sei die Intelligenz oder das Leben, als er sei Erde, Stein, Körper. Alles dies ist aus dem früher Gesagten ganz klar.

Als Schlußwahrheit ergibt sich, daß die präzise Wahrheit in der Finsternis unseres Nichtwissens in unerfaßbarer Weise leuchtet, und das ist die Wissenschaft des Nichtwissens, die wir gesucht haben, durch die wir allein dem größten, dreieinigen Gott von unendlicher Güte auf den Stufen dieser Wissenschaft des Nichtwissens uns nahen können, um ihn aus allen unsern Kräften ewig dafür zu loben, daß er selbst sich uns als unbegreiflich zu erkennen gibt, der über alles gepriesen sei in Ewigkeit. Amen.