Skrupellos II - Baby Farm

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Sari: Skrupellos #2
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Skrupellos II - Baby Farm
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Nicole Le

Skrupellos II - Baby Farm

Thriller

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2:

Kapitel 3:

Kapitel 4:

Kapitel 5:

Kapitel 6:

Kapitel 7:

Kapitel 8:

Kapitel 9:

Kapitel 10:

Kapitel 11:

Kapitel 12:

Kapitel 13:

Kapitel 14:

Kapitel 15:

Kapitel 16:

Kapitel 17:

Kapitel 18:

Kapitel 19:

Kapitel 20:

Kapitel 21:

Kapitel 22:

Kapitel 23:

Kapitel 25:

Kapitel 26:

Kapitel 27:

Nachwort:

Impressum neobooks

Kapitel 1

Skrupellos II - Baby Farm

Dogon Dawa war ein kleines nigerianisches Dorf nördlich von Abuja. Entlang der Malam Mudi-Zaria Road befanden sich kleine bescheidene Häuschen. Lisha lebte seit ihrer Geburt in diesem überwiegend katholischen 2000 Einwohner Dorf. Die meisten jungen Männer und Frauen hatten das Dorf verlassen, um in den nächstgelegenen größeren Städten Arbeit zu finden. Die meisten, die hier noch lebten, waren Alte, Kranke und Kinder, die man in der Obhut der Großeltern zurückgelassen hatte. Lishas Eltern betrieben den einzigen Lebensmittelladen und ihre Kinder halfen ihnen dabei.

Es war Nacht und Lisha lag in ihrem Bett, welches sie sich mit ihren Geschwistern Osaro und Yola teilte. Die Eltern, Tayo und Chioma, schliefen im hinteren Teil des gleichen Raumes auf einer Matte. Lisha wusste nicht, was sie geweckt hatte. Sie dachte erst an einen bösen Traum, doch dann hörte sie laute Rufe draußen und jemand trat gegen ihre Wohnungstür. Diese flog mit einem Krachen auf. Es war stockfinster und sie drückte sich ängstlich gegen die Wand, als sie von dem hellen Strahl einer Taschenlampe geblendet wurde.

Bewaffnete Männer in Uniformen drangen in ihre bescheidene Unterkunft. Lishas Vater war aufgesprungen, er griff nach einem Holzknüppel, den er neben seiner Schlafmatte liegen hatte, doch die Männer waren schneller. Zwei drückten ihn nieder, verdrehten ihm die Arme auf dem Rücken, dass er laut vor Schmerzen aufschrie, dann wurde es dunkel um ihn. Einer der Männer hatte ihm mit dem Gewehr auf den Kopf geschlagen. Mit blutigem Schädel, direkt neben Lishas Matratze lag er nun. Seine Augen waren Schreck geweitet, doch er bewegte sich nicht mehr.

„Nein!“ Lishas Mutter schrie, außer sich vor Angst um ihren Mann und ihre Kinder. Sie stürzte zu Tayo und fiel neben ihm auf die Knie. Die Hände zum Schutz gegen die Männer hoch erhoben. Yola, die 10-jährige Schwester von Lisha weinte, Osaro, der 13-jährige Bruder, war stumm. Mit fest aufeinander gepressten Lippen verfolgte er schweigend das ganze Geschehen. Einer der Männer kam zu Lisha, packte ihr Gesicht mit einer Hand unter dem Kinn und drückte schmerzhaft zu. Er hatte goldene Zähne und roch aus dem Mund. Auf Kanuri sagte mit einem rauen Lachen zu den Anderen gewandt:

“Die gehört mir!“

Als Lishas Mutter das hörte, schrie sie noch lauter. Sie bettelte und flehte, man möge ihrer Tochter nichts tun, doch die Männer lachten nur und packten sie am Arm und zerrten sie hinaus.

Draußen sah Chioma das ganze Ausmaß des nächtlichen Überfalls. Freunde und Nachbarn drängten sich im Mondlicht eng aneinander. Sie weinten verängstigt und manche schrien. Tote und Verletzte lagen überall verstreut auf dem Boden. Manche erschlagen, bei dem Versuch zu entkommen. Blut tränkte die staubige Erde. Die Männer führten Chioma hinter das Haus. Dort musste sie sich ausziehen. Sie versuchte ihre Blöße mit den Händen zu bedecken. Sie ahnte was kommen würde. Zu oft waren Menschen bei einer Aktion der Boko Haram zu Tode gekommen und entführt worden. Alles was sie sich wünschte war, dass man ihre Kinder verschonen würde.

Ein bulliger Mann in Militäruniform trat zu ihr und zerrte ihre Arme weg, damit er sie betrachten konnte. Die Männer lachten. Der Bulle, drückte sie zu Boden und kniete sich hinter sie. Er öffnete seinen Gürtel und ließ die Hose hinab, während er sie abschätzig betrachtete. Sie kniete vor ihm wie ein Hund. Niemand half ihr, als einer nach dem anderen seine Bedürfnisse an ihr befriedigte. Sie schlugen sie, kniffen hart in ihre Brustwarzen, bissen hinein und steckten ihre Schwänze in alle Öffnungen ihres Körpers. Hilflos und weinend ließ sie alles über sich ergehen in der Hoffnung, dass sie danach weiterzogen, ohne ihren Kindern etwas anzutun. Bewusstlos und blutend, ließen sie sie danach im Staub, hinter ihrem brennenden Haus liegen.

Als sie wieder aufwachte, qualmten die Häuser ihres Dorfes, oder besser gesagt, dass was von ihnen übrig war. Beißender Rauch ließ sie husten. Blut floss ihre nackten Beine hinab. Sie konnte kaum etwas sehen. Ihre Augen waren zugeschwollen, die Lippen blutig. Sie stand wackelig auf und sah sich um, von ihren Kleidern war nichts zu sehen. Überall lagen Leichen von alten Frauen und Männern. Man hatte ihnen den Schädel eingeschlagen oder den Kopf und Gliedmaßen abgetrennt. Die Häuser waren alle abgebrannt. Sie rief mit rauer Stimme nach ihren Kindern, doch niemand antwortete. Sie humpelte weiter und fand die halb verkohlte Leiche ihres Mannes Tayo. Von ihren Kindern fehlte jede Spur.

Der Schmerz traf sie mit voller Wucht. Weinend brach sie neben Tayo zusammen und fiel auf die Knie. Aus ihrem tiefsten Inneren drang ein lauter kehliger Schrei.

Kapitel 2:

Josie, James, Sarah, Philip und das Kindermädchen Lucy mussten sich noch in Nigeria einleben. Sie waren erst vor kurzem in Abuja angekommen. Das Krankenhaus stellte ihnen ein Haus, aber es war fast unmöbliert und wirkte kalt und ungemütlich. Josie war unruhig und angespannt.

Die ganze Geschichte mit dem Organhandel in Ägypten und Sarahs Herztransplantation steckte ihr noch in den Gliedern. Josie hatte in ihrer Tätigkeit als Kriegsberichterstatterin schon vieles gesehen und Grausames erlebt, doch die letzten Monate in Kairo waren die härtesten in ihrem Leben gewesen. Erst war sie einem Organhändler-Ring auf die Spur gekommen und dann benötigte sie plötzlich selbst ein Spenderherz für ihre Tochter Sarah. Die ganzen Ereignisse mit den ausgeweideten Leichen im Wüstensand, deren Anblick sie nachts immer noch nicht losließ, die Anspannung und Sorge um Sarah, die Rettung in letzter Minute und doch immer dieses Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben. Die Unsicherheit, ob ihr Mann James in die ganze Geschichte involviert war und die eigene Integrität wurden in Frage gestellt. Ihr Leben hatte sich verändert und sehr viel Kraft gekostet. Sie war froh, dass James einverstanden war eine Stelle im Krankenhaus in Abuja, der Hauptstadt Nigerias anzunehmen, wo er nur noch normale chirurgische Eingriffe durchführen würde. Keine Transplantationen mehr. Die andere Umgebung und die neuen beruflichen Anforderungen würden ihnen guttun und ihnen hoffentlich, den gewünschten Abstand, zu dem Erlebten bescheren.

Josie hatte eine Stelle bei der örtlichen Nachrichtenstelle angenommen. Sie wusste, es konnte wieder ein gefährlicher Einsatz werden, denn die Terror-Milizen und die Boko Haram- Anhänger im Norden des Landes versetzen ganze Dörfer in Angst und Schrecken. Doch der Chef der Nachrichtenagentur beruhigte sie, indem er versicherte, dass die Terrormiliz nur im Norden und an der Grenze zum Tschad aktiv seien. Sie solle sich auf die lokalen Geschehnisse konzentrieren und dem Land eine positive Berichterstattung zukommen lassen, um den Tourismus zu fördern und das Ansehen des Landes im Allgemeinen zu fördern. Sarah und Philip würden auf die Internationale Schule gehen, doch zunächst hatten sie noch etwas Zeit, denn die Schule fing erst in drei Monaten wieder an.

 

Sarah hatte sich erstaunlich schnell von der Herztransplantation erholt. Sie stellte auch nicht viele Fragen zu dem Spender. Josie und James hatten sich darauf geeinigt ihr zu sagen, dass die Spender immer anonym blieben und sie sich freuen sollte, dass sie das Glück hatte, ein neues Herz bekommen zu haben. Damit war das Thema anscheinend für Sarah erledigt und schien sie auch nicht weiter zu beschäftigen. Josie beschloss es ihr gleichzutun. Sie war so unendlich dankbar, dass ihre Tochter leben durfte. Sie schloss deshalb sozusagen einen Pakt mit sich selbst, um das Thema in Frieden ruhen zu lassen.

Auch James schnitt dieses Thema nicht mehr an.

Philip und Lucy gingen anfangs sehr vorsichtig mit Sarah um. Sie waren ängstlich, dass ihr wieder etwas geschehen konnte, doch ihre Angst erwies sich als unbegründet und Sarah forderte sie auf, sie nicht immer wie ein kleines Kind zu behandeln und in Watte zu packen. Es war erstaunlich, wie erwachsen sie damit umging. Doch es half den Anderen, die Scheu vor ihr zu verlieren und ihr Familienleben war bald wieder so lebhaft, wie vor ihrer Zeit in Kairo.

Josie hatte noch frei, bis die Kinder wieder in die Schule gingen und sie genoss das Zusammensein mit ihnen sehr. James begann bald nach ihrer Ankunft in Abuja mit seiner Arbeit im Cedar Crest Hospital. Man sagte ihnen, es sei das fortschrittlichste Krankenhaus des Landes und es gab noch eine Zweigniederlassung in Lagos. James sollte also zwischen den beiden Städten pendeln. Josie fand das noch nicht einmal so schlecht. Ein bisschen Abstand würde ihnen sicherlich guttun.

Josie war James gegenüber überhaupt sehr reserviert. Zwiespältig ihre Gefühle, ob sie es wissen wollte, inwieweit James in die Transplantations-Geschäfte an seinem ehemaligen Krankenhaus verwickelt war. Was er wusste und was nicht und ob er seine Finger im Spiel hatte, als es darum ging ein Spenderherz für Sarah zu finden. Auf der einen Seite war sie froh, dass sie all diese Fragen nicht stellen musste, doch auf der anderen Seite schlug ein Journalist Herz in ihr. Sie musste den Sachen auf den Grund gehen, das entsprach ihrem Naturell. Deshalb war sie so eine gute Journalistin. Sie war jemand der auch dann noch hinsah, wenn Andere es nicht mehr aushalten konnten. Sie war selbst entführt und festgehalten worden und nur knapp einer Vergewaltigung entgangen. Sie kannte Angst und Folter. Als sie damals James kennengelernt hatte, gab er ihr das Vertrauen zurück, welches sie bei ihren Recherchen verloren hatte. Sie klammerte sich so verzweifelt an den Wunsch eine eigene heile Familie zu haben, dass sie ihn heiratete und Sarah und Philip bekam. Sie wollte daran nicht rütteln. Es sollte so bleiben, ihre heile kleine Welt.

James musste am nächsten Tag für zwei Wochen nach Lagos, sie hatte also Zeit, mit den Kindern etwas zu unternehmen und die Umgebung zu erkunden.

Sie beschlossen am nächsten Morgen zunächst das Haus einzurichten, es fehlten noch viele Möbel, um es gemütlich zu machen. Das Haus lag in der Nähe der Amerikanischen Internationalen Schule der Kinder, damit Lucy sie ohne viel Aufwand zur Schule bringen und wieder abholen konnte. Die Kinder wollten unbedingt die Nigerianische Nationalmoschee besuchen und danach ins Magic Land gehen, einem Amüsement Park für Kinder. Josie willigte lachend ein.

Philip war schon ganz aufgeregt. Er liebte historische Plätze. In Kairo war er immer gern in die Moschee gegangen, auch wenn er mit dem islamischen Glauben nicht viel zu tun hatte.

Josie glaubte nicht an Gott. Nicht nach allem, was sie in ihrem Leben gesehen hatte. Gott würde diese Gräueltaten nicht zulassen, dachte sie, deshalb glaubte sie, es gäbe gar keinen.

James war katholisch, aber er war auch kein praktizierender Christ. In die Kirche gingen sie nur selten. Und sie sprachen auch nicht über das Glaubensthema. Die Rituale mit den Kindern beschränkten sich auf abendliches Vorlesen von Märchen und den aktuellen Kinderbüchern.

Lucy, das Kindermädchen hingegen war sehr gläubig. Sie kam aus einer rein katholischen Familie und betete regelmäßig. Josie gab ihr sonntags immer frei, damit sie zur Andacht gehen konnte. Manchmal begleiteten sie Sarah und Philip und je älter die beiden wurden, umso mehr Fragen gab es zum Thema Gott. Josie fragte sich selber manchmal, ob es nicht tröstlich wäre, wenn sie anfangen könnte zu glauben. Verantwortung abgeben und sich in dem Glauben an eine übermächtige Macht zurücklehnen und sich getröstet fühlen.

Diese Fragen, musste sich jeder selbst beantworten, legitim sind alle Antworten. Frieden finden, das ist das Ziel.

In der darauffolgenden Nacht wachte Josie schweißgebadet auf. Ausgehöhlte Leichen sahen sie an, vorwurfsvoll. Warum hatte man ihnen die Organe gestohlen? Josie hielt im Traum ein blutendes Herz in den Händen. Sarah weinte…und dann war sie aufgewacht.

Sie hörte tatsächlich jemanden weinen, doch es war Lucy, das Kindermädchen.

Josie klopfte leise an ihre Tür.

„Lucy, ist alles in Ordnung? Darf ich hereinkommen?“ Josie wartete die Antwort erst gar nicht ab. Sie trat in das dunkle Zimmer. Lucy stand im Mondschein vor dem Fenster und drehte sich zu Josie um.

„Ah, Madame Josefine, Es ist alles gut. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie geweckt habe.“

„Was ist denn los?“ Josefine trat zu ihr.

„Ach, ich hatte nur Heimweh. Wissen Sie, ich kenne hier niemanden. Sarah und Philip gehen bald jeden Tag bis 16.00Uhr in die Schule, was soll ich dann nur machen? Es wird langweilig. Ich vermisse meine Freunde und meine Familie. Ich würde auch gerne wieder einmal ausgehen.“ Sie schnäuzte sich laut.

Josie musste sich ein Lachen verkneifen. „Ach Lucy, wenn's weiter nichts ist. Du kannst mir sagen, wenn Du ausgehen möchtest. Ich habe ja noch frei, bis die Schule anfängt. Und auch danach können wir uns absprechen. Es wird kein Problem sein, wenn Du mal Samstag abends ausgehst. Es gibt hier sicherlich internationale Treffen, die organisiert werden. Google doch mal und dann sagst Du mir, wann das nächste Treffen ist. Dann gehst Du hin und lernst neue Leute kennen. Das ist überhaupt eine gute Idee. Du kannst auch einen Kurs machen. Zum Beispiel einen Kochkurs, oder Sprachkurs, wenn Du magst. Solange Du Zeit genug für Deine Arbeit hier hast, ist alles kein Problem.“

„Lucy strahlte. Okay, Madame Josie, ich werde gleich mal im Internet nachsehen. Vielen Dank. Ich sage Ihnen dann morgen Bescheid.“

Josie lächelte sie an und ging zurück in ihr Zimmer.

Kapitel 3:

Die 15-jährige Lisha wurde mit ihrer kleinen Schwester Yola und ihrem Bruder Osaro verschleppt. Man hatte ihnen die Augen verbunden und sie an den Händen gefesselt. Sie stolperten hinter den Männern her, die sie unsanft hinter sich herzogen.

Lisha hörte Yola hinter sich leise weinen. Sie sprach besänftigend mit ihr, dabei hatte sie selber Angst. Ihr Vater war tot, ihr Haus in Brand gesteckt. Was mit ihrer Mutter passiert war, wusste sie nicht. Aber sie machte sich große Sorgen, dass auch sie tot war. Lisha, fühlte sich innerlich kalt und abgestorben. Sie hatten von den Gräueltaten der Boko Haram gehört. Viele Nachbardörfer waren bereits überfallen worden. Die Überlebenden munkelten, dass die Jungen zu Soldaten ausgebildet und die Mädchen als Sex-Sklavinnen benutzt oder verkauft wurden. Lisha machte sich nicht viele Hoffnungen, dass sie das Ganze unbeschadet und lebend überstehen würde. Sie hatte Angst vor dem, was noch kommen würde. Und das Schlimmste, sie würde ihre kleine Schwester nicht beschützen können. Der Gedanke an das, was die Männer ihnen antun konnten, ließ ihren Mund trocken werden und ihr Herz schlug schnell und voller Angst. Lisha begann zu beten. Es war das Einzige, was ihr einfiel, um nicht verrückt zu werden. Und sie forderte ihre Geschwister auf, es ihr gleich zu tun. Sie begannen das Vaterunser leise vor sich hin murmelnd, während sie durch den Staub stolperten.

Der Mann mit den Goldzähnen kam näher, lief direkt neben Lisha. Er sah sie lüstern an. Sie konnte ihn nicht sehen, nur riechen. Sein büffelartiger Schweißgeruch ließ sie fast würgen. Sie versuchte nur durch den Mund zu atmen, doch seine Anwesenheit und körperliche Nähe verschlugen ihr fast den Atem vor Angst.

Er griff ihr an den Po und kniff so fest zu, dass ihr ein erschrockener Schrei entwich. Yola weinte lauter und Osaro begehrte auf.

„Lass meine Schwester in Ruhe, oder ich…“ er verstummte resigniert. Jemand schlug ihm hart ins Gesicht.

„Oder was?“ fragte ein Mann und lachte dann.

Lisha, Yola und Osaro waren nicht die Einzigen aus dem Dorf, die von den Männern entführt wurden. Mit ihnen waren es etwa 20 andere Kinder und Jugendliche, die gefesselt und mit verbundenen Augen von den Männern weggebracht wurden.

Die Sonne ging auf, Lisha konnte die Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht spüren. Es würde heiß werden. Sie hatte jetzt schon starken Durst. Sie wusste nicht, wie lange sie bereits gelaufen waren, es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Die staubigen Straßen vom Anfang hatten sich in steinige Wege verändert. Und es ging leicht bergauf. Sie stolperten über die Steine und rissen sich durch die aneinander geketteten Fesseln gegenseitig zu Boden. Ihre Knie waren blutig, der Mund staubtrocken. Lisha, betete ununterbrochen, Osaro und Yola waren verstummt. Hin und wieder hörte Lisha ihre kleine Schwester weinen, doch meistens war sie stumm. Die anderen Kinder weinten auf, wenn sie hinfielen und sich Knie und Ellenbogen auf den spitzen Steinen aufschlugen, sonst waren auch sie stumm und verängstigt.

Lisha versuchte sich zu erinnern, wo die Sonne im Dorf aufging. Anscheinend wanderten sie Richtung Osten. Maiduguri lag im Osten. Die Hochburg der Boko Haram-Kämpfer. Sie waren nicht weit entfernt von dem Ort Chibok. Dort waren vor kurzem erst mehr als zweihundert Mädchen aus einer katholischen Schule entführt worden. Es war bekannt, dass die Mädchen als Sex-Sklavinnen gehalten wurden. Entweder von den Kämpfern selbst oder sie wurden weiterverkauft, um die Machenschaften des IS, des Islamischen Staates, zu finanzieren.

Von diesen zweihundert Geiseln, war es einigen Mädchen gelungen zu fliehen, ein paar wurden auch freigelassen, weil sie krank waren. Lisha klammerte sich an die Hoffnung, eine Gelegenheit zur Flucht zu finden.

Yola stürzte und blieb liegen. Sie war zu schwach und zu dehydriert um weiterzulaufen. Panik breitete sich in Lisha aus. Was, wenn die Männer sie einfach erschossen, weil sie nur Ballast war und das Weiterkommen der Gruppe behinderte? Sie forderte Yola leise auf, aufzustehen und weiterzugehen.

Der Mann mit den Goldzähnen trat zu ihr und leckte ihr übers Gesicht. Lisha versuchte sich wegzudrehen. Er stank und es ekelte sie derart, dass sie erschauerte. Er griff nach ihrer Brust und kniff hart in ihre Brustwarze. Sie schrie auf. Doch er lachte wieder nur.

Er befahl seinen Männern, den Gefangenen etwas zu trinken zu geben und sie in den Schatten unter den spärlichen Bäumen zu bringen. Er telefonierte danach, doch Lisha konnte nichts verstehen.

Kurz darauf hörte sie in der Ferne Motorengeräusch. Hoffnung keimte auf. Vielleicht wurden sie entdeckt und gerettet. Doch sie konnte ja nicht ahnen, dass es die Jeeps und Lastwagen der Boko Haram Kämpfer waren, die auf dem Weg waren, sie einzusammeln.

Kapitel 4:

Chioma wurde nach Stunden von der Polizei gefunden und in das Krankenhaus in Abuja gebracht. Die Polizisten befragten sie. Wollten wissen, warum sie als Einzige das Massaker überlebt hätte. Chioma wusste es nicht. Traumatisiert stammelte sie immer wieder etwas von ihren Kindern und ihrem toten Mann vor sich hin. Ihre Verletzungen waren so stark, dass man ihr ein starkes Schmerzmittel und Beruhigungsmittel verabreicht hatte. Sie war unbrauchbar als Zeugin, konnte den Polizisten nicht mehr erzählen, als dass es Boko Haram Kämpfer waren, die anscheinend die Jugendlichen des Dorfes entführt und die Alten abgeschlachtete hatten.

Selbst die Polizei war machtlos. Die Kämpfer kamen immer nachts. Die Überfälle waren gut vorbereitet und organisiert. Die meisten Übergriffe dauerten weniger als eine Stunde. Und die abgelegenen Dörfer waren in dieser kurzen Zeit kaum von der Polizei zu erreichen, geschweige denn zu beschützen.

Chioma wurde untersucht. Ihr Körper war derart geschunden, dass sie operiert werden musste. Ihr Unterleib war verletzt, man konnte die inneren Blutungen nicht stillen. Die anderen Verletzungen würden abheilen, doch die Seele, war so traumatisiert, dass sie lange brauchen würde, um wieder einigermaßen in Takt zu kommen. Der Chef der Abteilung beschloss, James in Lagos anzurufen. Er sollte sich dieser Frau annehmen. Schließlich hatte er Erfahrung im Rekonstruieren von Körperteilen. Chiomas Unterleib war so verletzt, dass es einen erfahrenen Operateur brauchte, um ihn einigermaßen wiederherzustellen.

 

Chioma dachte an ihre Kinder. Sie betete, dass es ihnen gut gehen würde. Dass sie ihre Liebsten irgendwann wieder in ihre Arme schließen konnte. Sie weinte lautlos, als man sie in den Operationssaal brachte.

Doktor James Eckhard beeilte sich, als er aus dem Taxi ausstieg, welches ihn vom Flughafen zur Klinik brachte. Das Elend und die Gewaltbereitschaft der Menschen erschreckten ihn immer noch. Er hatte gehofft sein Job würde ruhiger werden, doch es schien, als würden ihn die Gräueltaten der Menschheit verfolgen und er dürfte immer den Dreck wegkehren. Im Aufzug telefonierte er mit der leitenden Oberschwester. Die Patientin sei bereits im Vorbereitungsraum. Er hatte also nicht mal Zeit für einen Kaffee. Er hatte zwar schon Operationen gehabt, bei denen er die Genitalien wiederherstellen musste, doch es hatte es sich fast ausnahmslos um eine freiwillige Geschlechtsumwandlung gehandelt.

Er schmiss seine Tasche in den Aufenthaltsraum und zog sich um. In grüner OP-Kleidung machte er sich auf den Weg zum Operationssaal. Er dachte an seine Familie, an Sarahs Operation, an die fragenden Augen seiner Frau. Er wünschte sich, dass alles wieder ruhig und normal ablief in seiner Familie. Als er den Job in Abuja annahm, sagte man ihm beim Vorstellungsgespräch, dass er hauptsächlich dafür eingestellt würde, die anderen Ärzte auszubilden. Er hatte nicht damit gerechnet, gleich zu Anfang wieder mit einem Gewaltverbrechen konfrontiert zu werden. Er wusch sich die Hände und schlüpfte in den Kittel und die Handschuhe, welche man ihm hinhielt.

Als er an den Operationstisch trat, sah er mit Schrecken, was man der armen Frau angetan hatte. Es würde nicht ganz einfach werden, das zerfetzte Fleisch wieder zusammenzunähen. Auch die halb abgebissene Brustwarze musste wieder angenäht werden. Was hatte man der armen Frau nur angetan. Sie musste Höllenqualen ausgehalten haben.

Eigentlich hätte er den jungen Ärzten jeden Handgriff erklären sollen, doch stattdessen wollte er wissen, was passiert war.

Eine junge farbige Operationsschwester erzählte resigniert von den Übergriffen der Boko Haram oder den Mitgliedern der Terror Milizen. Dass sie nachts abgelegene Dörfer überfielen, um die jungen Männer, oft noch Kinder zu entführen. Sie brauchten Soldaten Nachschub. Kinder, die zu Soldaten ausgebildet wurden. Und dann kam der Menschenhandel mit jungen Mädchen als Sex-Sklavinnen und dem Verkauf von Babys noch hinzu. Die Kämpfer lebten seit Jahren in provisorischen Unterkünften, standen ständig unter Druck und hatten Bedürfnisse, die gestillt werden wollten. So kam es, dass junge, meist katholische Mädchen entführt und als Sex-Sklavinnen gehalten wurden. Wenn sie schwanger oder krank wurden, setzte man sie irgendwo aus oder brachte sie in sogenannte Babyfarmen, wo sie die Babys zur Welt brachten und die Babys danach an gut zahlende Kunden verkauften.

James operierte schweigend. Und er dachte, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, nach Nigeria zu gehen.

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