Schick mit Schlick - Meine Lebensgeschichte - Buch II

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Schick mit Schlick - Meine Lebensgeschichte - Buch II
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Schick mit Schlick - Meine Lebensgeschichte - Buch II

1  Titelseite

2  Impressum

3  Vorwort

4  Kapitel 1 - Die Kurbetriebe

5  Kapitel 2 - Die Anfänge der Firma La mer

6  Kapitel 3 - Die Krise bei La mer und ihre Überwindung

7  Kapitel 4 - Der Kooperationsvertrag mit Estée Lauder

8  Kapitel 5 - Die Gründung der AG

9  Kapitel 6 - Aufbau der Firma NSL / Die AG in der Krise

10  Nachwort

Titelseite
Schick mit Schlick

Meine Lebensgeschichte Buch II

Paul Gojny

Impressum

Texte: © Copyright by Paul Gojny

Umschlag & Foto: © Copyright by Paul Gojny

Covergestaltung: Jagpal Singh

Korrektorat: Bettina Singh

Verlag: Paul Gojny

Mecklenburger Str. 46

27478 Cuxhaven

Paul.Gojny@t-online.de

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Autors zulässig.

ISBN 978-3-****-***-*

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Vorwort

In meinem ersten Buch habe ich meine Lebensgeschichte, beginnend mit der Flucht aus Schlesien bis zum Ende meiner Laufbahn als Marineflieger, erzählt.

In diesem zweiten Buch erzähle ich die Geschichte über mein Leben als Unternehmer. Eine bewegende und spannende Geschichte mit sehr vielen Höhen und Tiefen. Aber ich habe nie aufgehört an meinen Erfolg zu glauben.

Mit Hilfe meiner geliebten Familie und einer Hand voll äußerst motivierter Mitarbeiter habe ich alle Schwierigkeiten, die sich mir immer wieder in den Weg stellten, überwunden und bin gestärkt aus ihnen hervorgegangen. Getreu meinem Motto: „Was mich nicht umbringt, macht mich nur noch stärker!"

So war letztlich auch meine unternehmerische Laufbahn erfolgreich. Aber auch vor diesem Hintergrund, habe ich bis heute noch keine endgültigen Antworten auf zwei Fragen gefunden, die sich in meiner beruflichen Laufbahn ergaben.

Die Fragen, die mir zur endgültigen Beantwortung übriggeblieben sind, lauten:

Erstens: War es richtig, die Bundeswehr nach 12jähriger Dienstzeit zu verlassen, um Unternehmer zu werden?

Zweitens: War es richtig, so unerschütterlich an den Geschäftspartner, der sich zuerst gemeldet hatte, zu glauben und an ihm festzuhalten?

Ich bitte den verehrten Leser, sich diese Fragen, die sich in meinem Leben auftaten, selber zu beantworten.

Ihre Meinung dazu würde mich interessieren.

Alle in diesem Buch aufgeführten Zahlen sind frei erfunden und entsprechen nicht den tatsächlichen Zahlen, mit denen damals gearbeitet wurde.

Kapitel 1 - Die Kurbetriebe

Aufbau meiner Firmen

Am 1. Januar 1970 begann ich mit meiner Ausbildung zum Physiotherapeuten. Die Ausbildung begann mit einem dreimonatigen Pflegepraktikum in unserem Stadtkrankenhaus Cuxhaven. Eingeteilt wurde ich auf die Station 5.

Die ersten Tage waren für mich nicht so ganz einfach. Als Marineflieger, Flugingenieur und Hauptbootsmann mit immerhin schon 30 Jahren wieder ganz von vorne und ganz, ganz unten anzufangen, das war zugegebenermaßen auch für mich nicht ganz einfach. Dieses Praktikum bestand ja nicht nur aus Pillen verteilen und der Essensausgabe oder anderen ähnlichen angenehmen Aufgaben. Nein, es gehörte natürlich auch das Schleppen und Säubern der „Pfannen und Urinflaschen“ dazu. Aber was soll‘s, sagte ich mir. Du hast ein Ziel vor Augen, und diese Aufgaben gehören eben zur Erreichung dieses Zieles dazu.

Nach ein paar Tagen hatte ich mich an den Krankenhausbetrieb gewöhnt und verschiedene Dinge fingen an mir sogar Spaß zu machen. Mit den Arbeitskollegen auf der Station, mir fallen da die Namen Heinrich Reisen und Paul Strecker als Krankenpfleger und die Schwestern Johanna und Hildegard ein, verstand ich mich in kürzester Zeit sehr gut. Auch bei den Patienten kam ich sehr gut an. Für so manch einen Gefallen, den ich ihnen erwies, nannten sie mich dann „Bruder Paul“. Ein Zeichen, dass sie mich mochten und meine freundliche, gefällige Art zu schätzen wussten. Auch darauf war ich damals stolz.

Privat musste ich nun natürlich einiges umstellen. Jutta überraschte mich eines Abends, als ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, mit einer riesengroßen Überraschung.

„Du, Paule, obwohl ich mir vorstellen kann, dass dir das, was ich dir jetzt sagen werde, gar nicht gefallen wird, ich bin schwanger, wir werden dann bald zu fünft sein. Ich weiß das schon seit ein paar Wochen, aber ich wollte dich im Moment, wo du so viele andere Dinge im Kopf hast, nicht auch noch damit belasten.“

Natürlich war ich im Moment perplex. Aber wirklich nur einen kleinen Augenblick, dann hatte ich mich schon wieder völlig im Griff. Ich nahm sofort mein Juttalein in den Arm und sagte ihr: „Mein Schatz, das ist doch klasse. Haben wir uns nicht immer drei Kinder gewünscht? Nun werden wir sie bald haben. Nun gut, der Zeitpunkt ist nicht gerade ideal, aber wir beide haben doch schon so viel, auch unter schwierigen Umständen, geschafft. Dann schaffen wir das auch noch.“

Dann drückte ich sie ganz fest an mich. Später erzählte sie mir noch, dass sie in der achten Woche wäre, dass mit dem Kind alles in Ordnung sei und dass es mit größter Wahrscheinlichkeit ein Junge werden würde.

Mein Freund Gustav Wittkowski hatte mir, nachdem er erfahren hatte, dass Willi und ich das Grundstück von der OFD bekommen hatten, sofort zugesagt, mir für mein neues Bauvorhaben die Baupläne zu erstellen. Natürlich fertigte er auch für meinen alten Kameraden und Freund Willi die Baupläne für sein Einfamilienhaus. Die Pläne wurden dann noch im Dezember 1969 zur Baugenehmigung eingereicht. Gustav Wittkowski war zu dieser Zeit schon pensioniert, so dass er nun viel mehr Zeit hatte, sich um alles, was mit den Bauvorhaben zusammenhing, zu kümmern, was er auch sehr gerne tat. So bekamen Willi und ich schon im Februar 1970 die Baugenehmigungen. Das hieß, wir konnten nun auch mit unseren Bauten beginnen.

Das Grundstück war von der Bundesvermögensstelle geteilt worden. Wir hatten uns so geeinigt, dass der Willi, von der (damals noch) Berliner Straße aus gesehen, die linke und ich die rechte Hälfte bekam. Deshalb war mein Baugrund, weil es ein Eckgrundstück war, von beiden Straßen erreichbar, das heißt, von der Berliner Straße, an der es lag, als auch von der damaligen B6, also der Hauptstraße, was für einen solchen Gewerbebetrieb wegen der Parkplätze besonders günstig war.

Noch im März fingen Willi und ich gemeinsam mit der Herrichtung unserer Bauplätze an. Im Krankenhaus hatte ich mich in die Frühschicht versetzen lassen. Deshalb musste ich zwar schon sehr früh anfangen, hatte dann aber den ganzen Nachmittag frei. Den verbrachte ich dann auf meiner neuen Baustelle, um zu arbeiten. Da wir uns gegenseitig halfen, schafften wir auch sehr viel. Die Grundstücke waren noch bewaldet, deshalb mussten wir mit den Holzfällerarbeiten anfangen.

Ende Februar hatte ich bereits die Fundamente für den nicht unterkellerten Teil des Gebäudes angelegt. Mitte März hatte ich schon alleine den kleinen Keller hochgemauert. Da Willi mir alle Ecken anlegte, er war ja wirklich ein sehr guter und schneller Maurer, ging diesmal alles ganz flott. Willi bekam dafür von mir für seinen Bau Wasser und Strom, den ich von meinem Haus zu unseren Baustellen provisorisch verlegt hatte.

Noch bevor ich mein Praktikum im Stadtkrankenhaus beendet hatte und bevor ich im Annastift in Hannover mit der Fachschule zum Physiotherapeuten begann, hatte mir, wie damals auch, die Firma Kaden die Kellerdecke in meinen Neubau eingezogen. Willis Bau lief beinahe parallel dazu. Auch er war mit dem Keller fertig. Im Übrigen hatten Willi und ich während unserer gemeinsamen Bauzeit auch sehr viel Spaß miteinander. Wir hatten zum Beispiel nur einen gemeinsamen Mischplatz mit nur einem Wasser- und Stromanschluss. Auf diesem stand meine alte, von Gustav geerbte Mischmaschine. Obwohl wir uns sehr bemühten, kam es immer wieder dazu, dass beide die Mischmaschine gleichzeitig benutzen wollten. Durch Hochwerfen einer Münze stellten wir dann den Erstbenutzer fest.

Unsere Pausenbude waren im Grunde genommen zwei etwa 1½ Meter voneinander entfernt stehende Lerchen, zwischen die wir in Sitzhöhe ein Stück Baubohle genagelt hatten. Das Besondere daran war, dass zwischen den beiden Bäumen unsere gemeinsame Grundstücksgrenze verlief, aber so, dass auf meiner Seite etwas mehr Platz zum Sitzen war. Fast jedes Mal, wenn wir uns dann dort zu einer gemeinsamen Arbeitspause niederließen, kam es dann immer von Seiten Willis zu einer üblen Grenzverletzung, und ich musste ihn dann wieder auf sein Grundstück zurückdrängen. Das ging aber meistens nur mit lautem Geschrei und Gelächter vonstatten. Einmal war der diesbezügliche Lärm so groß, dass unser Nachbar Gustav Wittkowski ganz aufgeregt zu uns herüberkam, weil er glaubte, wir hätten uns ernsthaft in die Haare bekommen. Als er dann mitbekam, dass wir wegen der „Grenzverletzung“ nur herumgealbert hatten, setzte er sich zwischen uns und wir tranken ein Nachbarschafts-Bier.

 

Auch nahmen wir beide es nicht ganz so tragisch und ernst, wenn einem von uns beiden mal der Zement oder der Mauersand ausging. Da wurde einfach, nach einem vorsichtigen Blick auf die Nachbarbaustelle, schnell mal mit der Schaufel in die Zementtüte des Nachbarn gefahren und man konnte weiterarbeiten. Da das aber beide Bauherren taten, glich sich das immer wieder aus und wurde nie ein ernsthafter Anlass zum Streit.

Der März 1970 ging dann auch sehr schnell zu Ende. Damit endete auch mein Praktikum im Stadtkrankenhaus Cuxhaven. Mir war natürlich bewusst, was für ein hohes Risiko ich damals einging. Nur wenn von nun an alles ohne irgendeine Verzögerung klappen würde, würde mein Plan aufgehen. Feststand, dass ich am 30.06.1971 aus der Bundeswehr entlassen werden würde. Ab dem Zeitpunkt wäre ich ohne Einkommen. Die Abfindung, auch Übergangsbeihilfe genannt, nach 12jähriger Dienstzeit wollte ich mir ja zur Finanzierung meines Unternehmens auszahlen lassen. Also musste mein Unternehmen, das „Altenwalder Kurbad“ (mit Therapie und Sauna) heißen sollte, am 01.07.1971 betriebsfertig sein. Nicht nur das, es musste von Anfang an laufen und Geld abwerfen, so dass meine dann fünfköpfige Familie davon leben konnte. Dass ich die Fachschule nicht bestehen könnte, daran wollte und durfte ich gar nicht denken.

Mit der Fachschule begann ich am 01.04.1970. Wir waren zu Beginn dreizehn Schüler. Mein bester Freund und Kumpel, mit dem ich mir ein möbliertes Zimmer teilte, war Egon Mentrup aus Georgsmarienhütte. Ein ganz feiner Kerl. Er war wie ich Zeitsoldat (Z12) gewesen. Er war Sanitäter beim Heer und sein letzter Dienstgrad war Stabsunteroffizier. Wir verstanden uns von Anfang an sehr gut. Nur, er war kein Schnelldenker und hatte doch merkliche Probleme beim Auswendiglernen der Lehrstoffe. Nach genau drei Monaten hatten wir eine Zwischenprüfung, die zwei unserer Schulkameraden nicht bestanden. Egon wäre um ein Haar auch dieser Prüfung zum Opfer gefallen, und zwar in Anatomie. Ein typisches Merkfach.

Zu Beginn unseres Lehrgangs musste ein Schul- oder Klassensprecher gewählt werden. Meine Klassenkameraden, übrigens waren es nach der Zwischenprüfung noch fünf Frauen und sechs Männer, hatten mich zu ihrem Klassensprecher gewählt. Als ich mitbekam, dass man meinen guten Freund und Zimmerkumpel auch durchfallen lassen wollte, bat ich die Schulleiter, Professor Hauberg und Herrn Dr. Klümper, um einen Termin. Bei diesem Termin legte ich als Schulsprecher mein Veto gegen den Rauswurf von Egon ein. Die Schulleitung zeigte sich in diesem Fall einsichtig. Sie gaben Egon noch eine Chance. Ich musste mich aber verpflichten, Egon zukünftig zu helfen, besonders in den Fächern Anatomie und Physiologie, was ich gerne tat, weil es ja auch für mich selbst immer einen guten zusätzlichen Lerneffekt dabei gab.

Die Ausbildung zum Physiotherapeuten machte mir sehr viel Freude. Dementsprechend gab ich mir auch Mühe. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich dort jemals einen Test schrieb, der schlechter als mit einer Zwei benotet wurde. Als Belohnung der Schulleitung für meine guten Leistungen durfte ich bei zwei schweren und großen Operationen, die Professor Hauberg und sein Oberarzt Dr. Klümper durchführten, zusehen. Dabei war ich zwar durch eine große Glasscheibe vom eigentlichen OP-Saal getrennt, aber doch nah genug, so dass ich das Geschehen auf dem OP-Tisch gut verfolgen konnte. Die eine OP war eine Morbus Bechterew, die andere eine neuartige Hüftgelenks-OP. Bei beiden Eingriffen konnte ich unvergessliche Eindrücke sammeln.

Die einzelnen Wochen während der Ausbildung in Hannover liefen folgendermaßen ab: Am Montag, früh am Morgen, setzte ich mich immer in meinen alten, schon in die Jahre gekommenen Opel Rekord, fuhr dann mit „Bleifuß“ nach Hannover-Anderten in die Schule. Um acht Uhr begann dann der Unterricht. In der Regel dauerte er bis 14 Uhr. Danach ging ich meistens mit Egon in eine Imbissbude, um zu Mittag eine Boulette oder eine Bratwurst zu essen.

Am Nachmittag lernten wir dann für unsere Ausbildung. Bei schlechtem Wetter machten wir das auf unserer Bude. Bei gutem Wetter bevorzugten wir, das heißt, im Sommer, die Natur. Wir fuhren dann an einen Baggersee nahe der Autobahn, an dessen Ufer wir eine Decke ausbreiteten und uns gegenseitig abfragten.

Am Freitagnachmittag nach Schulschluss fuhr ich immer nach Haus zu meiner geliebten Familie. Wenn ich dort so gegen 17 Uhr eintraf, zog ich mich sofort um, um noch auf meiner Baustelle ein paar Stunden zu Arbeiten. Auch dieser Bau wurde von mir mit den großen Hohlblocksteinen erstellt und somit ging es verhältnismäßig schnell.

In den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft hatte mir Jutta noch auf dem Bau geholfen. Während ich mauerte, bediente sie die Mischmaschine und mischte mir den Mörtel zum Mauern an. Nun aber, wo Jutta kurz vor der Niederkunft war, ging das natürlich nicht mehr. Obwohl, wenn es nach ihr gegangen wäre, sie das auch noch getan hätte. Meine Jutta in der Hinsicht zu stoppen, das war wirklich nicht ganz einfach.

Der Bau war dann auch wunsch- und termingerecht Anfang November richtfertig. Da ich diesmal mit Hilfe der Kreissparkasse Land Hadeln, nicht zuletzt auch wegen der Auszahlung meiner Abfindung, besser, das heißt, großzügiger kalkuliert hatte, konnte ich verschiedene Gewerke meines Baus an Unternehmen vergeben. Es waren dies in erster Linie alle Elektrik-, Heizungsbau-, Klempner- sowie alle Installationsarbeiten. Nachdem diese Arbeiten erledigt waren, wurden von einer Bremerhavener Firma Kistner Fenster und Türen eingebaut.

Vor Wintereinbruch war der Bau dicht. Nicht nur das, wir konnten ihn auch schon heizen, was ein großer Vorteil für die nachfolgenden Gewerke war. Die Firma Kaden schickte mir dann auch pünktlich, wie bei der Auftragsvergabe vereinbart, ihre mir schon bekannte Putzkolonne unter der bewährten Führung von Wilhelm Ludders.

Willis Haus war aufgrund der Tatsache, dass er weiterhin an dem Dienstzeit beendenden Unterricht teilnahm und dadurch jeden Nachmittig auf seiner Baustelle arbeiten konnte, vier Wochen eher dicht. Jetzt hatte er Zeit, mir das Fliesenlegen in einem Kurzlehrgang beizubringen. Da die Saunaräume fast alle gefliest werden mussten, konnte ich mir durch das Selberfliesen entsprechend viel Geld einsparen. Einen vollen Samstag bemühte sich Willi, mir das Fliesen beizubringen. Dann ließ er mich wieder auf meinem Bau allein. Allerdings habe ich damals auch ein wenig getrickst. Von der Putzkolonne habe ich alle Wände putzen und alle Fußböden mit Estrich belegen lassen, so dass ich die Fliesen nur noch mit einem Spezialfliesenkleber auf die glatten Flächen aufkleben musste, was natürlich wesentlich einfacher war.

Nach dem ersten Tag, wo ich zur Vorsicht nur einen Nebenraum flieste, beherrschte ich das Fliesen nach Beurteilung des Bauingenieurs Wittkowski so gut, dass man meine Arbeit kaum von der eines Profis unterscheiden konnte. Langsam aber sicher wurde ich so nebenbei zu einem guten Bauarbeiter.

Unser neuestes Familienmitglied, unser Thomas, war in der Zwischenzeit gesund und munter zu Welt gekommen.

Von Mitte Dezember bis Anfang Januar machte unsere Schule Ferien. Für mich war das eine willkommene Zeit, um auf meinem Bau die noch fehlenden Räume zu kacheln. Noch in dem Weihnachtsurlaub wurde ich damit fertig.

Die bei der Firma Schober in Bremerhaven-Spaden bestellte Saunakabine wurde noch kurz vor Weihnachten eingebaut, was bedeutete, dass ich damit über eine Zeitreserve von drei Monaten verfügte. Also, bei Bestehen meines Examens würden wir pünktlich am 01.07.1971 eröffnen können. Bis auf die Malerarbeiten und die Arbeiten im gesamten Erfrischungsraum, waren wir tatsächlich noch im Jahre 1970 fertig geworden. Somit hatte ich noch ein halbes Jahr Zeit für die Restarbeiten. Wenn alles planmäßig verlaufen würde, und ich mein Staatsexamen zum Physiotherapeuten Ende März 1971 machen würde, könnte ich dann pünktlich am 01.07.1971 in die Selbstständigkeit starten.

Das letzte Vierteljahr auf der Schule ging mit den Vorbereitungen auf die Abschlussprüfung wie im Fluge um. Da auch die Schule wollte, dass möglichst alle noch vorhandenen Schüler das Examen bestehen sollten, gaben sich auch alle, inklusive des Lehrkörpers, entsprechend große Mühe, dieses Ziel auch zu erreichen. Sehr froh darüber, dass wir gut in der Zeit lagen, war ich, weil ich mich deshalb besonders intensiv auf mein Staatsexamen vorbereiten konnte.

In der letzten Woche im März war es dann soweit. Zuerst mussten wir die schriftlichen Examensarbeiten schreiben. Gut fand ich damals, dass wir gleich nach der Auswertung und Benotung die Ergebnisse erfuhren. In der schriftlichen Prüfung war keiner durchgefallen. Bei der mündlichen und praktischen Prüfung ging es also nur noch darum, sich um eine Note zu verbessern, was den Meisten auch gelang. Ich selber hatte eine glatte Zwei bekommen. Mein Stubenkamerad Egon Mentrub, der ja bei der ersten Zwischenprüfung große Probleme hatte, bestand sein schriftliches Examen mit einer glatten Drei. Ich wurde mit einer Zwei plus sogar Klassenbester, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Die Zwei plus bedeutete aber noch viel mehr! Mit dieser Benotung bekam ich über den sogenannten zweiten Bildungsweg die Möglichkeit, Medizin zu studieren. Professor Hauberg bot sich sogar an, mir bei der Beschaffung eines Studienplatzes behilflich zu sein. Wieder einmal war ich mächtig stolz auf mich. Hatte ich doch wieder etwas erreicht, was man unter normalen Umständen nur mit einem verdammt guten Abitur erreichen konnte.

Natürlich wäre ich auch gerne Arzt geworden, schon deswegen, weil ich dadurch meinen älteren Geschwistern hätte zeigen können, was ich wirklich erreichen konnte. Sei es drum, dieses für mich so wunderbare Angebot konnte ich so oder so nicht annehmen. Ich hatte eine große Familie, die musste ich ernähren!

Der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr war verpflichtet mir eine Ausbildung zu bezahlen, was er mit der Ausbildung zum Physiotherapeuten ja auch getan hatte. Mehr wollten sie auf meine Nachfrage hin auch nicht tun.

Am 30. Juni 1971 ging meine Ausbildung zum Physiotherapeuten erfolgreich zu Ende. Somit hatte ich meinen vierten Beruf. Nun war ich nach dem Maschinenschlosser, Seemaschinisten und Flugingenieur selbstständiger Physiotherapeut. Das alles mit 31 Jahren.

Irgendwie hatte ich aber damals schon das Gefühl, dass ich immer noch nicht angekommen war. Aber was würde noch kommen? Es sei hier jetzt schon verraten, dass ein paar Jahre später wirklich noch WAS kam. Dieses WAS sollte nach meinem Dafürhalten, meine, nein, ich muss mich da verbessern, nicht nur meine, sondern unsere größte Lebensleistung darstellen. Ganz klar muss ich da, was ich auch sehr gerne tue, die ganz großen Leistungen meiner überaus tüchtigen Jutta miteinbeziehen.

Zunächst ging meine Lebensgeschichte nach dem Staatsexamen so weiter. Wieder zu Hause angekommen, machte ich zwei Dinge. Zum einen musste ich noch ein sogenanntes Anerkennungs-Berufspraktikum machen. Zum anderen waren da noch diverse Restarbeiten an meinem Betriebsgebäude zu erledigen. Beides musste ich irgendwie unter einen Hut bekommen, was mir auch gelang!

Pünktlich am 2. Juli 1971 eröffneten meine Jutta und ich unser „Altenwalder Kurbad“ mit Sauna und physikalischer Therapie. Wir begannen unsere Eröffnung mit einem kleinen Empfang um 11 Uhr. An diesem Empfang nahmen Freunde, Verwandte und auch die lokalen Größen aus der Politik teil. Es gab Sekt, Orangensaft und belegte Brötchen. Es erschien auch unser Dorfbürgermeister. Er überreichte mir vom Gemeinderat eine wunderschöne, etwa 34 Zentimeter hohe Keramikblumenvase. Dabei überbrachte er mir auch die Grüße des gesamten Gemeinderats.

Nachdem der offizielle Teil vorbei war, nahm er mich an die Seite und flüsterte mir wenig taktvoll in plattdeutscher Sprache ins Ohr: „Wenn du miene Meinung heurn wullt. Dat gaht nich goot mit dien‘n Kurbad in Olen Woolde. Wedden, in en holf Johr best du weder kapott.“

 

Natürlich war ich damals beleidigt und gekränkt. Was hatte ihn bloß veranlasst, so eine Taktlosigkeit von sich zu geben. Nach dem ich mich etwas gefangen hatte, sagte ich zu ihm: „Herr Bürgermeister, ich werde mit diesem Betrieb noch da sein, wenn von Ihnen schon lange keiner mehr spricht.“ Ich sollte recht behalten!

Nun musste ich diesen Betrieb zum Laufen bekommen. Eigentlich ging das schneller, als ich zu hoffen gewagt hatte. Die Sauna lief von Anfang gut. Die Cuxhavener, die sonst über Altenwalde hinaus nach Bremerhaven fuhren, die ich durch meine häufigen Besuche in der dortigen Sauna, fast alle kannte, kamen nun, wie von mir erhofft, sofort alle zu mir. Erstens mussten sie nun nicht mehr so weit fahren, und zweitens war meine Saunaanlage viel moderner und nach dem neuesten Stand der Technik von mir errichtet worden. Aber es war vor Allem eine sehr gemütliche Saunaanlage. Dieses wurde mir von allen Seiten bestätigt.

Zusätzlich war ein von mir angewandter Werbetrick sehr erfolgreich. Dem sich schnell bildenden Stammkunden-Kreis machte ich ein spezielles Angebot. Dabei dachte ich wieder an meine Großmutter. Die hatte mir bei irgendeiner Gelegenheit mal gesagt, was ich lange nicht richtig verstanden hatte: „Junge, merke dir fürs Leben: Was du mit den Händen zum Fenster hinauswirfst, das wird man dir mit der Schubkarre zur Tür wieder hereinfahren.“ Lange wusste ich nicht, was sie damit gemeint hat. Aber in dem Zusammenhang hatte ich es begriffen! Sie hatte nichts anderes gemeint als die schlichte Tatsache: Eine gewisse Großzügigkeit macht sich immer bezahlt.

So war es auch in diesem Fall. Meinen Stammkunden machte ich folgendes, großzügiges Angebot: Wenn sie aus ihrem Verwandten- oder Bekanntenkreis jemanden in meine Sauna mitbringen würden, hatte derjenige das erste Saunabaden frei. Das schlug ein wie eine Bombe. Die Sauna füllte sich von Woche zu Woche immer mehr. Dadurch wurden auch viele Sauna-Neulinge zu Sauna-Dauergästen. Vorsichtig geschätzt blieben von denen, die mein Angebot des kostenlosen Saunabadens genutzt hatten, etwa ein Drittel dabei und wurden Stammgäste.

Auch kamen von Beginn an viele Gäste aus meinem alten Geschwader. Der Fliegerarzt Dr. Ebel war selber Sauna-Fan und empfahl dem gesamten fliegenden Personal zur Körperertüchtigung das Saunabaden. Der Eintritt für ein Saunabad betrug DM 5,00 und eine 12er Saunakarte kostete DM 50,00.

Aber der ganz große Durchbruch kam wieder einmal durch eine Idee, die meine Jutta hatte. Wir hatten von Beginn an, streng nach Geschlecht getrennt, Badetage für Frauen und Badetage für Männer. Jutta, die immer von Sauna-Beginn um 14 Uhr bis 18 Uhr im Erfrischungsraum Saunadienst hatte und dadurch den meisten Kontakt zu den Sauna-Gästen hatte, überraschte mich eines Tages mit einem Vorschlag.

„Paul, was hältst du davon, hier bei uns in der Sauna einen Tag in der Woche Familien-Sauna einzuführen. Das soll heißen: Männlein und Weiblein zusammen.“

Das hielt ich damals in unserer doch überwiegend ländlichen Gegend für sehr gewagt. Es gab in Deutschland schon in den Großstädten das gemischte Saunabaden. Aber wie würde das bei uns auf dem Land ankommen?

Nach ein paar Tagen der Diskussion mit Jutta, entschloss ich mich dann doch, dem zu zustimmen. Aber um eventuellen „Wildwuchs“ vorzubeugen, wollten wir bei der Gemischt-Sauna die Kunden nur paarweise hereinlassen. Ein entsprechender Aushang wurde gefertigt und vierzehn Tage vor Beginn der Familien-Sauna in unserem Betrieb ausgehängt. Schon der erste gemeinsame Badetag wurde ein voller Erfolg. Die Sauna war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Sie hatte zunächst eine Kapazität von bis zu dreißig Personen. Da wir zunächst nur einen Familien-Sauna-Tag in der Woche eingerichtet hatten, reichte das bei weiten nicht aus. Schon nach wenigen Wochen mussten wir einen solchen zweiten Tag einrichten. Irgendwelche unangenehmen Situationen sexueller Art oder gar Übergriffe hat es in meiner Saunaanlage niemals gegeben.

Die Bäder- und Massage-Abteilung lief auch sehr gut an. Nur dass ich die auf eine ganz andere Art und Weise ins Laufen bringen musste.

Schon von Anfang an kam zu uns in die Sauna ein Ehepaar namens Ute und Kali Möller. Kali war der Sohn und Mitarbeiter des Inhaber-Ehepaars Möller der Firma Möller und Schade. Damals ein sehr bekanntes und sehr nobles Damen- und Herrenoberbekleidungsgeschäft in Cuxhaven.

Durch unseren Bau und durch den dadurch hervorgerufenen dauerhaften Geldmangel, waren Juttas und meine Garderobe so ziemlich abgetragen, so dass ich mich mit den noch verbliebenen Klamotten nirgends mehr, wo es darauf ankam, sehen lassen konnte. Heutzutage würden ja eine abgetragene Jeans und ein Sacco reichen. Das war damals aber noch ganz anders. Da machte mir mein, mittlerweile zum Freund gewordener Kali Möller von sich aus ein tolles Angebot.

„Weißt du was, Paul, ich habe da schon mal mit meinem Vater gesprochen. Wenn deine Jutta und du wollt, dann kommt doch mal zu uns ins Geschäft. Da werden wir euch ganz neu einkleiden. Das Ganze könnt ihr dann in monatlichen kleinen Raten, so wie es euch beliebt, abzahlen. Ute und ich würde euch dann auch selbst bedienen.“

„Mensch, Kali, das würdet ihr wirklich für uns tun?“

„Na klar“, sagte er. „Euer Laden läuft doch gut an. Da ist doch für uns gar kein Risiko drin. Also, abgemacht!“

Dann hielt er mir die Hand hin, in die ich kräftig einschlug. Schon am nächsten Morgen fuhren Jutta und ich in die Stadt zu Möller und Schade. Von Kali und Ute wurden wir bestens beraten. Aber wir kauften viel mehr ein, als wir eigentlich wollten. Wenn ich mich recht erinnere, kamen dann unterm Strich so rund DM 1000,00 heraus. Das wollte Anfang der siebziger Jahre etwas heißen.

Dennoch, als wir mit unserem Einkauf auf Pump fertig waren, bat uns der alte Herr Möller, also Kalis Vater, in sein Büro. Was mich damals wirklich verblüfte, er bat uns Platz zu nehmen, bot uns Kaffee und mir noch zusätzlich eine wunderbare, kubanische Zigarre an. Obwohl wir das alles auf Kredit gekauft hatten, bedankte er sich sehr herzlich für den guten Einkauf. Diesen Moment habe ich damals wirklich genossen und ihn niemals vergessen. Bis zum Schluss bin ich dafür mit meiner Jutta immer Kunde bei Möller und Schade geblieben. Ute und Kali gehören heute noch zu unserem engsten Freundeskreis.

Wie bekam ich aber dann den letzten Schub in meine physikalische Therapie? Als gewerbefreier Therapeut und Betrieb war es mir anfänglich verboten, über Annoncen zu werben. Das nannte man Werbung zu Lasten Dritter, also zu Lasten der Krankenkassen, was verboten war. Also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen.

Eines Tages begann ich, alle Ärzte nach telefonischer Voranmeldung zu besuchen. Um einen guten Eindruck zu machen, musste ich natürlich gut und solide gekleidet sein. Bei den einzelnen Ärzten stellte ich dann mein gesamtes, in Hannover erlerntes physiotherapeutisches Programm vor. Diese Idee sollte sich als sehr gut und sehr erfolgreich erweisen. Damals konnte ich richtig beobachten, wie nach jedem Arztbesuch die Patientenanzahl zunahm. Nach kurzer Zeit war das Arbeitsaufkommen so groß, dass ich es nicht mehr alleine bewältigen konnte, obwohl ich täglich von morgens 6 Uhr bis abends 18 Uhr, also 12 Stunden am Tag, in meiner Praxis arbeitete und täglich bis zu 40 Behandlungen gab. Also musste ich den ersten Therapeuten einstellen. Es war der Hermann Pöhlmann. Ein ganz hervorragender und sehr gut ausgebildeter Therapeut.

Unser Arbeitstag sah damals wie folgt aus: Wir standen jeden Morgen um halb sechs auf. Bevor ich in den Betrieb ging, frühstückten wir immer gemeinsam. Wenn ich das Haus verlassen hatte, kümmerte sich Jutta um die Kinder. Unser Ältester, der Martin, war in dem Jahr eingeschult worden und wurde von Jutta anfänglich immer zur Schule gebracht. Aber schon bald war er so selbstständig, dass er ganz alleine in die Schule ging, was für meine Jutta eine große Entlastung war.

Jutta machte dann am Vormittag den Haushalt. Am Nachmittag ging sie dann rüber in den Saunabetrieb und öffnete dann immer um 14 Uhr die Sauna. Sie kassierte das Eintrittsgeld, machte Kontrollgänge durch die Saunen und wenn gewünscht, machte sie den Gästen in der Saunakabine auch einen Aufguss. Ihr Arbeitsplatz, wo sie sich meistens aufhielt, war der sehr gemütlich eingerichtete Erfrischungsraum. Hier gab es Fruchtsäfte aller Art oder eine frisch gebrühte Tasse Kaffee. Bei Herren-Sauna gab es auch ein gutes kühles Bier.