Breitod im Sorgenrot

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Breitod im Sorgenrot
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Breitod im Sorgenrot

Ein weiterer Fall für Kommissar Zufall

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Toter und viele offene Fragen

Seen sehn

Die Rückkehr des Mixers

Arzt 4 und andere Asozialreformen

Impressum neobooks

Ein Toter und viele offene Fragen

Was war passiert? Ein richtig übles Unwetter hatte sich über der Stadt sowie dem Landkreis Passau entladen und für enorme Schäden gesorgt. Aber das war alles irgendwie verkraftbar und das Leben ging nichtsdestotrotz wieder weiter; nur wenn jemand starb, dann war es mit dem Dasein endgültig vorbei. Es war Reiner Zufall, der sich mit seinem ehemaligen Kollegen Gerold in einer neuen Gaststätte zum Abendessen getroffen hatte und bei jener handelte es sich um das "Gasthaus zum gefräßigen Dreiflüssepferd". "Ich will Dich echt überhaupt nicht beunruhigen, aber die Kellnerin hier ist zugleich die Chefin des Lokals und sie sieht leider aus wie das fleischgewordene Dreiflüssepferd. Der Koch ist ihr Ehemann und der sieht so aus, als würde er nichts zu essen bekommen. Sie dagegen könnte eine Magenverkleinerung oder eine Fettabsaugung locker vertragen", plauderte der Polizist und Reiner schaute sich ein wenig unsicher um, denn er wollte sich nicht gleich bei seinem ersten Aufenthalt in dem neuen Gasthaus unmöglich machen. Allerdings hörte er wenig später Geräusche, die darauf schließen ließen, daß da bald eine größere Bedrohung auf sie zukommen würde. Ähnlich wie bei "Jurassic Park" begannen die Gläser auf den Tischen zu wackeln und irgendwie fühlte sich Zufall ein wenig unbehaglich. Wenig später erblickte er die Frau mit der Speisekarte und er wußte schon, daß er sich niemals trauen würde, bei ihr eine doppelte Portion zu bestellen, denn sie würde das bestimmt als sehr gemeine persönliche Beleidigung auffassen. Sie war schwer und beschäftigt, das sah man ihr sofort an. Unter ihren immensen Fettmassen verbarg sich höchstwahrscheinlich eine äußerst sensible Prinzessin. "Na hoffentlich liegt die Tonne beim Sex mit ihrem Mann immer unten", wünschte sich Gerold, nachdem sie wieder davon getrampelt war. Der Pensionist dagegen überlegte ernsthaft, ob es eine gute Idee gewesen war, dort zu Abend zu essen. "Wenn die einem das Essen bringt, dann frißt sie bestimmt schon die Hälfte davon auf dem weiten Weg hierher", befürchtete er ernsthaft und sein Gegenüber grinste anerkennend. "Schön wär’s. Aber ich glaube, "friß die Hälfte!" interessiert diese Frau nicht sonderlich. Egal, das Essen hier schmeckt jedenfalls immer ganz vorzüglich und deshalb würde ich Dich einfach darum bitten, die Serviererin zu ignorieren und Dich auf den Festschmaus zu konzentrieren." "Das dürfte nicht ganz einfach werden", vermutete der ehemalige Polizeibeamte, aber er versuchte es trotzdem. Der Hunger kam, sah und das Mahl besiegte seine Zweifel, denn die Speisen mundeten hervorragend, weshalb sich der Ex-Kriminalhauptkommissar mit der Zeit sichtlich entspannte. Nach dem Genuß folgte dann allerdings noch ein ernsthaftes Gespräch zwischen den beiden Männern und das begann der Reiner mit der folgenden Frage: "Wie geht es eigentlich meiner jungen Kollegin Levina?" begehrte er zu wissen und Gerold schaute ihn ein wenig forschend an; ganz so, als würde es sich dabei um eine fiese Fangfrage handeln, hinter der er eine Falle witterte. "Sie hat ihre desaströse Hochzeit immer noch nicht ganz verkraftet, aber schön langsam findet sie in ihr altes Leben zurück und kann hin und wieder sogar mal wieder lächeln." "Das freut mich sehr", gestand Zufall, aber irgendwie sah man ihm an, daß auch er jene Szenen am Tag der Trauung seiner Kollegin noch nicht vollständig verarbeitet gehabt hatte. "Ich habe wirklich gern mit ihr zusammengearbeitet und mich auch häufig mit ihr zum Essen getroffen, doch mittlerweile habe ich das Gefühl, als würde sie mir lieber aus dem Weg gehen wollen", bekannte er. "Tja, vielleicht hält sie Dich ja für so einen Seuchenvogel, der nur Unglück bringt", spekulierte Gerold und schaute seinen Kameraden schadenfroh grinsend an. "Kann schon sein, aber hätte ich ihr etwa die Wahrheit verschweigen und sie in eine total verlogene Ehe laufen lassen sollen?" fragte Reiner ziemlich hilflos und nahm daraufhin einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas. "Ihr Männer wißt halt leider nie, wann Ihr einfach mal die Klappe halten sollt", mischte sich plötzlich die korpulente Kellnerin ungefragt in das Gespräch ein und begann daraufhin damit, die geleerten Teller mitzunehmen. "Was für eine Unverschämtheit! Wer glaubt die denn eigentlich, daß sie ist?" empörte sich Kommissar Zufall. "Sie ist die Chefin und deshalb kann ihr keiner was, nicht mal der Reiner", spottete der andere Cop und trank ebenfalls aus seinem Bierglas. "Egal, dieser Sören ist für Levina jedenfalls Geschichte und das rechne ich mir hoch an, denn wer will schon mit so einem Inzestbruder verheiratet sein?" warf der Ruheständler in den Raum. "Ich nicht", lautete die Antwort des Anderen. "Also gut, genug dazu. Ich weiß, daß es einen Grund gibt, weshalb wir Beide heute Abend hier sitzen und den möchte ich jetzt gerne von Dir erfahren." Gerold schaute Reiner zuerst ziemlich nachdenklich an, entschied sich dann aber doch dafür, das unangenehme Thema zur Sprache zu bringen. "Wir haben da ein Problem", begann er sehr vorsichtig. "Ich bin ganz Ohr", erwähnte Zufall und konzentrierte sich so gut er konnte auf das, was er wohl gleich hören sollte. "Ich auch", gestand die dicke Kochvernascherin und stellte sich dann ebenfalls gebannt lauschend dazu. Es dauerte fünf Sekunden, bis die Neugierige erkannte, daß sie nicht erwünscht war, weshalb sie ein wenig schmollte und etwas grollte, bevor sie sich verzog. "Die ist wohl eine Anhängerin von "Fett vor fun!",oder etwa nicht?", mutmaßte Herr Zufall und Gerold lachte zustimmend. "Es hat da einen Todesfall in Passau gegeben, der uns irgendwie, na ja, wie soll ich sagen, auf die Nerven geht", bemerkte der Polizist im Dienst. "Und was habe ich damit zu tun?" wunderte sich Reiner. "Du sollst diesen Fall aufklären, denn wir aktiven Polizisten können und wollen das nicht." Nun war Zufall völlig perplex, denn so etwas hatte er noch nie zuvor gehört gehabt. "Worum geht es denn?" "Um einen Menschen aus einer Gruppe, die es hier eigentlich nicht gibt." "Also Österreicher." Da lachten Sie Beide laut auf und die Speisenbringerin warf ihnen einen verärgerten Blick zu, weil sie glaubte, die Herren hätten einen Witz über sie gemacht, oder da sie halt immer noch sauer darüber war, daß sie ihr Gesprächsthema genauso wie ihr Essen nicht mit ihr teilen wollten. Gerold setzte noch einmal zu einer Erklärung an: "Es ist so, wir haben da einen toten Mann gefunden und der starb wohl an einem vergifteten Babybrei." Sein Gesprächspartner schaute ihn an, als ob er nicht richtig gehört hätte. "Ja, ich weiß, das ist total absurd, aber es wird leider noch abwegiger. Der Typ, den es da eiskalt erwischt hat, der hatte keine Wohnung in Passau, der war … obdachlos." "Na und? Wo ist das Problem?" "Obdachlosigkeit in Passau! So etwas kann, darf und wird es niemals geben. Wir von der Polizei haben uns deshalb ganz energisch dagegen gesträubt, in jenem aus unserer Sicht nicht real existierenden Milieu zu ermitteln, was bedeutet, daß wir den Fall bis heute auch nicht aufgeklärt haben. Und deshalb kommst jetzt Du ins Spiel." Reiner schaute daraufhin seinen Beamtenkumpan etwas peinlich berührt an, bevor er zusammenfaßte: "Ich soll also herausfinden, warum ein Obdachloser mit Hilfe eines Babybreis vergiftet worden ist, weil sich die Polizei weigert, anzuerkennen, daß es in Passau so etwas wie Obdachlosigkeit gibt?" "Ganz genau, besser könnte ich es auch nicht sagen", lobte ihn sein Gegenüber und schaute den Ermittler daraufhin erwartungsvoll an. "Du bist unsere letzte Hoffnung", fügte er noch schnell hinzu, bevor er sein Bierglas endgültig leerte. "Dann möchte ich lieber erst gar nicht wissen, wie da die Verzweiflung aussehen würde, wenn ich die Hoffnung bin", fiel Zufall dazu ein, doch wenig später äußerte er sich folgendermaßen: "Also gut, ich werde mich bald unter die Brücken dieser tollen Stadt begeben und Nachforschungen anstellen. Hoffentlich verschlingt mich dabei nicht das sagenumwobene Dreiflüssepferd." Gerold grinste schief, klopfte seinem Ex-Kollegen danach anerkennend auf die Schulter und ließ Folgendes von sich hören: "Das freut mich. Ich habe ja schon immer gewußt, daß wir uns auf Dich verlassen können. Du hast absolut freie Hand, denn von uns will sich eh niemand näher mit der Thematik auseinandersetzen, von daher kannst Du so ermitteln, wie Du es für richtig hältst." "Gut zu wissen", meinte Reiner dazu nur und als die üppige Dame des Hauses die Rechnung brachte, freute er sich bereits auf ein neues Rätsel, das es für ihn demnächst zu lösen galt.

Als Reiner Zufall zum ersten Mal abends unter die Brücken schaute, um dort nach eventuellen Gesprächspartnern zu suchen, war er etwas enttäuscht, denn er fand nur zwei düstere Gestalten, von denen sich eine sofort verzog, nachdem sie ihn erblickt gehabt hatte. "Heiko Lege", begrüßte ihn der andere Mann. "Äh, also, das ist jetzt ein Mißverständnis, ich bin keiner von Euch, zumindest noch nicht. Aber ich bin auch nicht nur Reiner von Vielen", konstatierte der Schnüffler. "Ich sagte Heiko Lege und nicht Hi Kollege", stellte daraufhin der Pennerbruder klar. "Ach so, aber was hat das zu bedeuten?" "So hieß der Kerl, den ein nicht harmloser Babybrei ins Jenseits befördert hat. Heiko Lege. Ich kannte ihn nicht sonderlich gut, weil er unter einer etwas weiter entfernten Brücke hier hauste, aber ich war trotzdem auf seiner Beerdigung." "Alle Achtung! Dann gibt es bei Euch also auch so etwas wie eine Berufsehre", befand Zufall anerkennend. "Ach was! Ich wollte nur mal wieder auf den Friedhof und unter die Leute. Jedenfalls wäre mir so etwas nicht passiert und außerdem würde ich niemals so tief sinken, Babybrei in mich rein zu mampfen." "Können Sie mir vielleicht mitteilen, wo eigentlich der selbsternannte "König der Penner" abgeblieben ist?" "Ach der, der wollte in einer Burg hausen. Der hielt sich plötzlich für was Besseres." "Und wo befindet er sich nun?" "Das habe ich Ihnen doch gerade schon gesagt." "Ach so, ja tatsächlich! Ich verstehe." "Sie sind mir aber auch ganz schön schwer von Begriff. Wenn Sie glauben, daß einer von uns den Lege erlegt hat, dann muß ich Sie warnen: Wir beklauen und beschimpfen uns zwar oft sowie gerne gegenseitig, aber das Leben nehmen wir uns nicht gegenseitig, denn unter den Brücken ist die Freiheit zwar nicht grenzenlos, aber wir akzeptieren uns und unseresgleichen schon so, daß wir nicht aufeinander herabschauen, wenn Sie da stehen, wo ich es meine." Der Kommissar wieder im Dienst gestand es sich nur ungern ein, doch irgendwie nervte ihn der Typ, weshalb er sich schnell von ihm verabschiedete und sich danach sofort an den Ort begab, an dem er hundertprozentig keinen von den Pennern, Obdachlosen oder Tippelbrüdern antreffen würde, nämlich in die "Unüberbrück-Bar". Dort war die obere Klasse unter sich und an jenem Ort hielten sich nur die Leute auf, die wichtig waren oder sich wenigstens dafür hielten. Zufall fühlte sich unter den Vertretern der upper class zwar auch nicht wirklich wohl, aber er brauchte mal kurz einen Augenblick, um zur Besinnung zu kommen und das funktionierte ausgerechnet dort erstaunlich gut. Wenig interessiert lauschte er den Gesprächen einer kleinen Gruppe und fand mit der Zeit heraus, daß dort von einer ganz tollen Psychologin geschwärmt wurde, die anscheinend neu in der Stadt war und deren unkonventionelle Behandlungsmethoden die Passauer Elite ungeheuer beeindruckt zu haben schienen. "Diese Frau hat mein Leben verändert. Ihre Ratschläge sind sensationell und ihre Vorschläge erscheinen mir wie ein Geschenk des Himmels!" schwärmte ein noch relativ junger Apotheker. "Ich bin auch ganz begeistert von ihr. Sie bringt mich auf völlig andere Gedanken und ihre innovativen Ideen haben mir schon recht oft aus der Patsche geholfen", erinnerte sich eine ältere Chefärztin. "Na wenn das so ist, dann werde ich diese Psychologin mal aufsuchen. Vielleicht kann die mich ja irgendwie bei meinen Ermittlungen unterstützen", hoffte der alte Zufall und verließ daraufhin ganz schnell jene Kultstätte der Klassengesellschaft, wobei sich die Oberen selbstverständlich für große Klasse und eine ganz klasse Gesellschaft hielten.

 

Es war soweit. Er hatte einen Termin bei jener Wunder-Psychologin erhalten und war schon ganz gespannt sowie total aufgeregt. "Hallo, liebe Frau Stuckenrieder!" platzte es aus ihm heraus, als er ihr Behandlungszimmer betrat. Sie schaute ihn etwas gekränkt und auch leicht mißmutig an. "Das heißt Frau Doktor Stuckenrieder. Soviel Zeit muß sein", machte sie energisch deutlich. "Ach du Scheiße, die Alte hat ja einen richtigen Vollbart auf den Zähnen. Na das kann ja Eiter werden", kam es ihm in den Sinn, doch nun war er dort und wollte in Erfahrung bringen, was es mit jener Meister-Psychologin auf sich hatte. "Ich ermittle in dem Fall von Heiko Lege, dem Obdachlosen, der an einer Babybreivergiftung gestorben ist", erzählte er. Sie blickte kurz auf, schüttelte danach herablassend ihren lockigen Kopf und tönte: "Diese armen Schlucker interessieren mich echt nicht. Ich verdiene 5000 Euro im Monat, da will ich mit solch geldlosem Gesocks nichts zu tun haben. Könnten Sie mir 50 Euro leihen?" Reiner glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Er setzte sich und fragte: "Wie bitte? Sie haben doch ein sehr hohes Einkommen, warum betteln Sie dann ausgerechnet mich an?" "Tja, ich kann halt mit Geld nicht umgehen. Das kommt in den besten Familien vor und ich komme aus der allerbesten Familie auf dem ganzen Planeten." "Das freut mich wirklich für Sie, aber in der Stadt werden Sie überall gefeiert und hochgelobt, deshalb habe ich mir gedacht, daß Sie so etwas wie eine Koryphäe auf Ihrem Gebiet wären und sich auch für alle Menschen einsetzen sowie interessieren." Sie schaute ihn an, als ob sie ihn für einen absoluten Vollidioten halten würde, bevor sie loslegte: "Hören Sie mal, Sie Niemand! Ich interessiere mich einzig und allein für die Reichen und die Mächtigen, denn die haben die Kohle und bestimmen wo es langgeht. Mit all den Normalos, Losern und dem Gesocks will ich nichts zu tun haben. Wieso um alles in der Welt haben Sie überhaupt Ihre Katze hierher mitgebracht?" forschte sie ein wenig ungehalten und schaute danach demonstrativ zum Fenster hinaus. "Jeden Tag, wenn ich irgendwann vormittags aufstehe, habe ich mittlerweile einen Kater. Das hier ist Fasso, mein treuer Freund und Gefährte", stellte Reiner seinen tierischen Begleiter vor. "Das ist mir scheißegal, Hauptsache, er kackt mir nicht auf den Teppich. Ich kann Ihnen jedenfalls mit diesem toten Penner nicht weiterhelfen und Sie sollten sich lieber auch um wichtigere Dinge kümmern. Unsere Reichen haben es nämlich inzwischen sehr schwer. Sie sollen auf einmal keine Steuern mehr hinterziehen, keine Arbeiter mehr ausbeuten und keine Firmen mehr schließen. Also im Grunde wird ihnen alles verboten, was ihnen Spaß macht und das führt bei denen selbstverständlich zu Neurosen und Depressionen. Das ist zwar einerseits gut für mich, weil ich dadurch jede Menge gute Kundschaft bekomme, aber im Grunde kann ich den Leuten ja auch nicht wirklich weiterhelfen. Das sind die wahren Tragödien dieser Zeit und nicht irgendwelche Obdachlosen, die zu blöd zum Fressen sind. Arme Leute sind an ihrem Schicksal selber schuld. Entweder waren sie in der Schule zu blöd oder zu faul, oder sie haben halt in ihrem Beruf versagt und sind deshalb völlig zurecht entlassen worden, oder sie haben ihr Geld verjubelt, oder was auch immer, vielleicht waren sie auch in einem vorherigen Leben extrem schlecht gewesen, weshalb sie als gerechte Strafe in so einer total beschissenen Reinkarnation auf die Welt gekommen sind, jedenfalls bringen mir arme Patienten keine großen Einnahmen und da ich reich und berühmt werden will, halte ich mich natürlich an die Wohlhabenden und die Einflußreichen, denn die können mir etwas bieten und mir einen Aufstieg ermöglichen, der seinesgleichen sucht. Arme Leute ekeln mich voll an, die sind so bedürftig, einfach nur widerlich.", dozierte die Frau Doktor und nahm auf einmal einen merkwürdigen Geruch wahr. "Hat Ihr mißratener Kater etwa soeben auf meinen sündteuren Teppich gekackt? Der sollte mal ganz dringend therapiert werden, aber bestimmt nicht von mir", ließ sie empört von sich hören. "Nein, er ist wirklich völlig unschuldig. Das war nämlich ich", gab Zufall zu. Sie betrachtete ihn plötzlich mit ganz anderen Augen, nämlich nur noch mit denen, mit denen eine entsetzte, hochnäsige Dame einen Geisteskranken anblickt. "Wie bitte? Sie Ferkel! Wie haben Sie das nur gemacht?" "Ach, Sie haben die ganze Zeit geredet und sich dermaßen an ihren eigenen dämlichen Worten berauscht, daß ich mir gedacht habe, zeige ich Ihnen doch mal auf meine Art, was ich von Ihrem hirnlosen Palaver halte, liebe Gesa." "Was erlauben Sie sich! Raus hier und die Teppichreinigung werden Sie mir auch bezahlen, ist das klar? Außerdem wird da auch noch ein sehr hohes Schmerzensgeld wegen seelischer Grausamkeit fällig", drohte sie ihm, doch er grinste nur selbstzufrieden, lüftete kurz seinen Hut und ging danach fröhlich seiner Wege, auf denen ihm sein toller Kater natürlich sofort folgte.

Wenn jemand einen Hund hatte, dann traf derjenige oft auf andere Hundebesitzer und kam mit denen nicht selten ins Gespräch. Beim ehemaligen Chefermittler und seinem Kampfkater Fasso war das alles ein bißchen anders. Alle Katzen und Kater hatten Angst vor ihm, weshalb sie ganz schnell das Weite suchten, sobald sie ihn erblickten. Doch damit nicht genug. Auch viele Hunde fürchteten sich vor dem sehr aggressiven "Muskel-Kater", der häufig wild auf sie zulief und nicht den Anschein erweckte, als würde er vor den kläffenden Kötern Angst haben. Ganz im Gegenteil, sie verkrochen sich hinter ihren Herrchen und die sahen so etwas verständlicherweise überhaupt nicht gern. "Nehmen Sie Ihren blöden Kater gefälligst in Zukunft an die Leine!" verlangten sie des Öfteren von Zufall, doch der entgegnete ihnen daraufhin fast immer nur: "Fasso ist aber nicht blöd, der hat ganz bestimmt einen wesentlich höheren Intelligenzquotienten als Ihr Wadenbeißer und vielleicht ist er sogar schlauer als Sie." Kurz und gut, Fasso war so ein richtiger Polizei-Kater und wenn er sich zu schlimm aufführte, dann bekam er hin und wieder für einen Tag Mausverbot, was ihn allerdings nicht sonderlich zu beeindrucken schien. Aber er lehrte nicht nur anderen Katzen und diversen Hunden das Fürchten, auch manche Menschen waren vor ihm und seinen Attacken nicht sicher. "Ich werde Ihren scheiß Kater anzeigen! Er hat mir nämlich in den großen Zeh gebissen", beschwerte sich eine relativ junge Frau bei Reiner über Fasso. "Hätten Sie Schuhe angehabt, dann wäre Ihnen nichts passiert", konterte jener darauf nur.

Beim Spazierengehen mit seinem tollen Kater in der Stadt erlebte der Beamte öfter auch eher skurrile Augenblicke. "Heil Ermittler!" schrie Rune, nachdem er den alten Kommissar erblickt gehabt hatte und Zufall zeigte ihm daraufhin freundlich winkend den Ermittler-Gruß. "Sehr merkelwürdig, das Ganze", befand ein CSUler, dem die Szene nicht verborgen geblieben war. Reiner wollte trotz der Pleite bei der Psychologin noch nicht aufgeben und versuchte deshalb bei einem männlichen Vertreter der Zunft sein Glück. Sie unterhielten sich prächtig miteinander und auch Kater Fasso schien den Typen zu mögen, jedenfalls fauchte, biß und kratzte er kein bißchen, sondern lag still und andächtig zu Füßen des weisen Mannes, der sich so äußerte: "Wissen Sie, mein lieber Herr Polizist, wir haben hier in Deutschland ein großartiges Sozialsystem aufgebaut, in dem wir allen Menschen helfen können, wenn die es nur wollen. Allerdings gibt es einen blinden Fleck in unserem System und die Opfer davon sind all die armen Obdachlosen. Vielleicht haben Sie ja auch mitbekommen, daß der DFB auf all die Ultras sowie die Hooligans zugehen will, indem er künftig auf Kollektivstrafen verzichten wird. Das ist sehr lobenswert und der richtige Ansatz, aber in der Sozialarbeit sind die Beteiligten leider noch lange nicht soweit. Dort heißt es nach wie vor "friß oder stirb!" und wenn so ein Gescheiterter nicht dazu bereit ist, auf seine alkoholische Medizin zu verzichten, dann fliegt er aus den Obdachlosenunterkünften raus und gehört damit der Katz. Also nicht diesem prächtigen Kater, der mich die ganze Zeit schon total verliebt anschaut, sondern er ist perspektivisch betrachtet dem Untergang geweiht. Und genau den Schuh müssen sich alle im sozialen Bereich arbeitenden Leute leider anziehen. Wären die nämlich dazu bereit, auf die Obdachlosen zuzugehen und ihnen ihren Alkohol zu lassen, dann könnte man denen höchstwahrscheinlich wirklich helfen." Reiner nickte zustimmend und begeistert. Er schaute den Psychologen dankbar an, kratzte sich danach verlegen am Kinn und erkundigte sich: "Wie kommt es, daß Sie so unheimlich kompetent sind, wohingegen Ihre Kollegin Stuckenrieder nur gequirlte Kacke von sich gegeben hat, auf die ich nur mit meiner eigenen Scheiße antworten konnte?" Nun war es der Andere, der Zufall ganz beeindruckt anblickte und sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen konnte. "Dann sind Sie also der großartige Held, der meiner total dämlichen Ex-Frau auf den völlig überteuerten Teppich geschissen hat! Es ist mir eine große Ehre, Sie hier bei mir begrüßen und mit Ihnen reden zu dürfen", gestand er fast ein wenig verlegen. "Ja da schau her! Sowas aber auch! Die Gesa war mal mit Ihnen verheiratet! Wie geht denn sowas?" staunte der Bulle. "Das frage ich mich heutzutage auch, aber ich war damals, als ich sie kennenlernte, in einer eher depressiven Phase und da kam mir sie mit ihrer ständigen Hypomanie natürlich sehr gelegen." Nun hätte es den alten Kriminalisten beinahe vom Stuhl gehauen. "Moment, noch mal ganz langsam für Leute, die nicht mehr die Schnellsten sind: Sie behaupten also ernsthaft, Ihre Ex hätte eine psychische Krankheit und würde trotzdem therapieren?" Daraufhin erhob sich der Psychologe aus seinem Drehstuhl und lief im Zimmer auf und ab, während er dazu Folgendes verkündete: "Aber selbstverständlich. Gesa hört den Leuten überhaupt nicht richtig zu, sie redet die ganze Zeit, hält sich für den wichtigsten Menschen auf der ganzen Erde und gibt vielen Klienten völlig hirnrissige Tips, auf die außer ihr wohl niemand sonst kommen würde. Die gute Frau ist vermutlich schon seit ihrer Geburt hypomanisch und da sie sich weigert, selbst in Therapie zu gehen, wird sich daran ganz sicher auch nichts ändern." Nun war der Ermittler völlig von den Socken. "Das ist ja ein echt starkes Stück. Eine psychisch Kranke therapiert lauter andere psychisch Kranke! Kein Wunder, daß die alle ganz begeistert von ihr sind, denn sie ist ja eine von ihnen und das merken die natürlich sofort", kombinierte Reiner und der junge Nervendoktor nickte zustimmend. Nun verstand Herr Zufall die Welt doch schon wieder etwas besser. "Wissen Sie, diese Frau war für mich so etwas wie meine Nemesis. Sie hat mich oft heftig provoziert und an meine Grenzen gebracht. Wenn ich sie bat, etwas für sich zu behalten, dann hat sie es hundertprozentig ausgeplaudert und sich später darüber aufgeregt, wenn ich mich darüber beschwert hatte. Sie hat mich vor allen unseren gemeinsamen Freunden bloßgestellt und lächerlich gemacht, sie ist so vielen Leuten auf den Schlips getreten, hat fast immer sofort das Wort ergriffen, es heftig gewürgt und nicht mehr losgelassen, sie wollte immer nur im Mittelpunkt stehen und angehimmelt werden, aber wenn ich damals schon gewußt hätte, daß sie einfach nur psychisch krank ist, dann hätte ich mich bestimmt anders verhalten und sie vielleicht sogar in Behandlung geschickt. Aber das hätte halt leider auch nicht funktioniert, weil diese Hypomanischen ganz genauso wie alle richtig Manischen selbstverständlich behaupten und felsenfest davon überzeugt sind, daß es ihnen gut geht, was ja aus ihrer Sicht auch völlig stimmt, aber sie merken es halt nicht, daß sie ihren Mitmenschen total auf den Sack gehen. Das Einzige, was ihnen auffällt ist, wenn andere Leute Angst vor ihnen haben. Das verstehen sie dann zwar nicht, aber wenigstens nehmen sie es wahr. Diese Frau stand und steht ständig unter Strom. Die ist immer in Bewegung und wollte abends natürlich auch immer raus unter die Leute; kein Wunder, wenn man so voller Energie ist und die dann halt auch rauslassen und sich abreagieren muß. Ich hätte gerne mal einen schönen, ruhigen Abend daheim zu zweit mit ihr verbracht, aber das war für sie völlig reizlos und komplett unmöglich. Von meinen Freunden habe ich später erfahren, daß sie, wenn ich nicht mit ihr unterwegs war, hemmungslos mit anderen Männern geflirtet hat und man das Gefühl hätte haben können, sie wäre Single, solo und dringend auf Männersuche. Es gefiel ihr, mich vor Anderen zu demütigen, das genoß sie wie nichts Anderes im Leben. Daheim nannte sie mich gerne Philip-Flop und dachte, sie wäre wegen der Verballhornung von Flip Flop ungemein kreativ. Sie laberte alle Leute voll und wenn die ihr was erzählen wollten, dann hörte sie entweder nicht richtig zu, unterbrach sie sofort, oder verstand alles komplett falsch. Gesa bezog so gut wie alles auf sich und nahm alles persönlich, sie ist unheimlich sensibel und verletzlich, kann aber ganz schön austeilen. Da nimmt sie dann kein Blatt vor den Mund und keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten. Andererseits verfügt sie halt leider auch über eine völlig gestörte Wahrnehmung. Ein Beispiel gefällig? Wir waren mal bei so einem Musikkonzert und da die Stühle natürlich schon alle besetzt waren, weil man mit Gesa eigentlich immer überallhin zu spät kommt, da Unpünktlichkeit ihre allergrößte Stärke zu sein scheint, begaben wir uns zu den anderen Zuhörern, die auf dem Boden saßen und dem Musiker lauschten. Der war halt ein wenig aufgeregt und nervös, was man ja durchaus verstehen konnte und wippte deshalb ständig mit seinem Körper leicht hin und her. Gesa machte daraus ein Riesendrama und glaubte sowie behauptete allen Ernstes, der unverschämte Kerl hätte sie mit seiner Männlichkeit bedroht. Dabei war dem überhaupt nicht so gewesen, nur sie hatte höchstwahrscheinlich die ganze Zeit über auf seine Hose geschaut gehabt, anstatt seinen wirklich tiefsinnigen Liedern zu lauschen. Das dazu, damit Sie sich auch mal vorstellen können, was sie für ein Mensch ist. Wir Psychologen sind natürlich in gewisser Weise genauso verrückt wie unsere Patienten, aber wir stehen halt auf der anderen Seite. Genauso wie Sie und die Kriminellen; in gewisser Weise gehört Ihr zusammen, weil Euch alle das Verbrechen fasziniert; die Einen verüben es, die Anderen versuchen es aufzuklären und die Schuldigen dann zur Verantwortung zu ziehen. Bei uns drehen die einen Verrückten oft komplett durch und die anderen Verrückten versuchen alles, um jene in die Wirklichkeit zurückzuholen. Sie hörte sich so gerne reden, daß sie eigentlich außer sich selbst niemanden gebraucht hätte, aber damit noch lange nicht genug. In Straubing war sie als Psychologin eine große Nummer, ich dagegen arbeitete und lebte hier in Passau. Als gemeinsamen Wohnort wählten wir dann Deggendorf, denn Landshut war uns Beiden viel zu überlaufen. Aber nachdem ich mich eines Tages endlich von ihr getrennt hatte, wollte sie sich unbedingt an mir rächen und ist deshalb auch nach Passau gezogen, um mir hier die Kundschaft auszuspannen und meinen äußerst guten Ruf zu ruinieren. Leider muß ich zugeben, daß ihr das bislang extrem gut gelungen ist. Sie war für mich eine echt große Herausforderung, aber letzten Endes bin ich an und mit ihr leider grandios gescheitert", beendete der Psychologe seine Reminiszenz und Reiner Zufall verließ danach mit vielen neuen Erkenntnissen die Praxis des armen Mannes, der einst Frau Doktor Gesa Stuckenrieder geehelicht gehabt hatte. "Gibt es nicht wenigstens eine Sache, die Ihnen von ihr positiv in Erinnerung geblieben ist?" begehrte der Kripo-Mann zum Schluß noch zu wissen. "Oh doch, da gibt es tatsächlich etwas. Immerhin war sie so selbstreflektierend und realistisch, daß sie auf gar keinen Fall ein Kind in die Welt setzen wollte." "Na, das ist ja wenigstens etwas, denn dabei handelt es sich ja um die Sache, die fast alle Frauen in ihrem Leben irgendwann mal anstreben, von daher ist das durchaus lobens- und bemerkenswert", atmete Kommissar Zufall erleichtert auf und ging danach in die Stadt. Da waren viele Dinge, über die er nachzudenken hatte.

 
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