Loe raamatut: «1946 - 2016 70 Jahre Katholische Theologie in Mainz an Universität und Priesterseminar», lehekülg 2

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Grußwort von Sophie Laszlo Generalkonsulin von Frankreich

Sehr geehrter Herr Kardinal Lehmann,

sehr geehrter Herr Weihbischof Dr. Bentz

sehr geehrter Herr Dekan Prof. Dr. Pulte,

sehr geehrter Herr Prof. Kißener,

sehr geehrte Damen und Herren,

chers amis, liebe Freunde,

es ist mir als Vertreterin der französischen Republik eine besondere Ehre und Freude, Ihnen meine Glückwünsche zum 70-jährigen Jubiläum der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Mainz zu übermitteln.

Als ein Krieg endet, eine Universität zu gründen, finde ich völlig richtig. Diese Universität ist ein Beispiel der historischen – und manchmal turbulenten – Beziehungen, die Frankreich und Rheinland-Pfalz verbinden. Hierbei denke ich beispielsweise an die kurzlebige Mainzer Republik, die am Ende des 18. Jahrhunderts von Mainzer Intellektuellen, die sich für die französischen revolutionären Ansichten begeisterten, gegründet wurde; aber auch an den Aufenthalt der napoleonischen Truppen oder an die französische Verwaltung der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg.

Am Anfang dieser Besatzungszeit wurde 1946 die Universität Mainz neu begründet. Die französische Besatzungsregierung wollte damit zum Wiederaufbau Deutschlands beitragen und das Land Rheinland-Pfalz, das einige Monate später gegründet wurde, mit einem Wissens-, Ausbildungs- und Vermittlungszentrum ausstatten. 1946 zählte die Universität 2.000 Studenten, 70 Jahre später sind es 33.000, und wir freuen uns darüber.

Die große Originalität der Neubegründung der Johannes Gutenberg-Universität liegt in der Integration einer theologischen Fakultät innerhalb der staatlichen Universität selbst. Es handelt sich hier um eine echte Revolution für uns Franzosen, da der Laizismus seit der Trennung von Kirche und Staat im Jahre 1905 eine der Grundlagen unserer Republik ist.

Heute handelt es sich also für mich um eine einzigartige Feier, wenn ich beim Jubiläum einer von meinem Land gegründeten Fakultät Frankreich vertrete. Ich freue mich darauf und bedanke mich für Ihre Einladung.

An Bischof Albert Stohrs Seite war damals Raymond Schmittlein, Leiter der Kultur- und Erziehungsabteilung der französischen Militärregierung, der maßgebliche Betreiber dieser Wiederbegründung. Dieser Germanist hat dazu beigetragen, mehrere wichtige Hochschulen in Rheinland-Pfalz zu gründen, wie die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, der Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft (FTSK) der Universität Mainz in Germersheim oder das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Seitdem haben sich die akademischen Kontakte zwischen Mainz und Frankreich ständig verstärkt. Ich denke dabei insbesondere an die dynamische Zusammenarbeit mit der Université de Bourgogne in Dijon.

Jetzt möchte ich über die politische Partnerschaft sprechen. Wie Sie wissen, unterhalten Rheinland-Pfalz und Burgund seit 60 Jahren sehr enge kulturelle, politische, akademische und wirtschaftliche Beziehungen. Auch im Bereich Wein gibt es eine sehr schöne Beziehung. 10 Jahre nach der Gründung der Johannes Gutenberg-Universität hatte der damalige Ministerpräsident Peter Altmeier mit dem Chanoine Député Maire von Dijon Felix Kir eine mutige und entschlossene Freundschaft zwischen den beiden Regionen besiegelt. Der Chanoine Kir war eine außergewöhnliche Persönlichkeit – der nicht nur seinen Namen an den berühmten Aperitif Kir gegeben hat – sondern auch ein Visionär, der sich sehr schnell nach dem Zweiten Weltkrieg für ein Werk der Versöhnung und Freundschaft engagiert hatte.

Ein anderer Franzose hat einen religiösen Ort ihrer schönen Stadt Mainz geprägt: Marc Chagall. Der Künstler hat für die Sankt Stephan-Kirche wunderschöne Fenster in verschiedenen leuchtenden Blautönen gestaltet, wahrhaftige Einladung zur inneren Friedensfindung und Kontemplation.

Liebe Freunde, erlauben Sie mir an diesem Festtag, dem Kardinal Lehmann eine sehr freundliche Nachricht im Namen Frankreichs und in meinem Namen zu vermitteln. Eminenz, Monseigneur, wir haben uns zweimal getroffen und diese zwei Gespräche haben mich dank Ihrer wohlwollenden Aufnahme tief bewegt. Dafür danke ich Ihnen und meine Gedanken werden Sie in einigen Tagen begleiten.

Ich möchte die heutige Gelegenheit auch dazu nutzen, Ihr persönliches Engagement zu begrüßen, jenes der katholischen Kirche und im weiteren Sinn aller religiösen Gemeinschaften sowie der deutschen Zivilbevölkerung für die Aufnahme von vielen Flüchtlingen, die hier ein neues und sichereres Zuhause gefunden haben.

Grußwort von Univ.-Prof. Dr. Matthias Pulte Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät

Eminenz, Magnifizenz, Exzellenz, Spektabilitäten,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Studierende,

sehr verehrte Damen und Herren,

wenn wir heute hier im Bischöflichen Priesterseminar St. Bonifatius, an historischem und zugleich gegenwärtigem Ort von theologischer Lehre und Forschung feiern, so tun wir das mit Bedacht. Einerseits danken wir für 70 interessante, ertragreiche und bisweilen auch herausfordernde Jahre. Der heutige Festvortrag wird unseren Blick noch einmal auf diese Zeit lenken. Zugleich wenden wir uns aber auch der Zukunft der Theologie an der Universität und im Bistum zu. Nicht nur die Priesterausbildung, sondern auch die Lehrerausbildung hat seit der Gründung der Johannes Gutenberg-Universität 1946 hier ihren Ort. Mit den Ergebnissen des 2. Vatikanischen Konzils kamen weitere kirchliche Berufe als Studienziele für unsere Studierenden in den Blick. Berufe in der weltlichen Gesellschaft auf der Grundlage eines theologischen Studiums erwiesen sich für manchen unserer Absolventen als Sprungbrett in einen gelungenen Berufs- und Lebensweg.

An diesem Ziel vielfältiger akademischer Ausbildung, sei es in grundständigen Studiengängen von Magister Theologiae, Master of Education, dem Bachelor-Beifach Theologie oder in postgraduierten Promotionen zum Lizentiat in Theologie, der kanonischen Promotion zum Dr. theol. oder der nichtkanonischen Promotion zum PhD in Advanced Religious Studies oder in einer in Deutschland einzigartigen internationalen Kooperation mit der Katholischen Universität Leuven zum Lizentiat im kanonischen Recht, orientieren wir uns auch heute in der Gewissheit, mit der Vielfalt der Studienziele jungen Menschen Wege für eine gelungene Ausbildung in der Theologie in einer immer pluraler werdenden Gesellschaft anzubieten. Die gute Resonanz auf die vielfältigen Angebote zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Freilich dürfen wir auch weiter dafür werben.

Das gilt nicht nur für die neuen Studiengänge, sondern auch und insbesondere für die klassischen Abschlüsse zum Mag. Theol., dem Lic. theol. oder dem kirchlichen Examen für die Priesteramtskandidaten. Hier liegt wirklich nicht alles in unserer Hand. Wir wissen uns aber mit dem Bistum Mainz in besonderer Weise vereint, die Chancen und Möglichkeiten für die Berufungen zu einem kirchlichen Dienst weiter zu verbessern.

Aus staatskirchenrechtlicher Sicht ist es durchaus beruhigend, dass der Vertrag von 1946 – anders als andernorts – kein Junktim über die Priesterausbildung als Garant für den Fakultätsstatus enthält. Ein in diese Richtung weisender Satz findet sich nur in § 1 der Statuten der Fakultät von 1946, die allerdings durch die neuen Ordnungen abgelöst sind. Aber selbst dort wird der Zweck der Fakultät auf diplomatisch mainzerische Art nicht auf die Priesterausbildung reduziert, sondern schon 1946 auf alle übrigen Theologiestudierenden erweitert. Welch´ eine weise und entwicklungsfähige Formulierung angesichts der Einbrüche im Süden und im Westen! Zugleich ist die Priesterausbildung in Mainz derzeit in mehrfacher Hinsicht gesichert, durch das Bistum Mainz und seine Kooperationspartner, die Orden mit ihren Ausbildungskommunitäten und nicht zu vergessen die Freisemesterstudierenden anderer Seminare, die immer wieder gern für ein Jahr nach Mainz kommen. Überdies sind wir der Überzeugung, dass eine qualifizierte Lehramtsausbildung, insbesondere für die Sekundarstufe II, deutlich besser an einer Fakultät geleistet werden kann, als an kleinen Institutionen.

Heute ist unsere Fakultät, wie auch der gesamte Fachbereich 01, eingebunden in die Wissenschaftslandschaft einer der zehn größten Volluniversitäten Deutschlands. Das verpflichtet uns zu interdisziplinärer Zusammenarbeit. Schon die Gründungsväter der Mainzer Universität und der Fakultät hatten sich das zur Aufgabe gestellt. Heute ist es lebendige Praxis in siebzigjähriger Tradition in ganz unterschiedlichen und vielfältigen Netzwerken mit den Gesellschafts-, Geistes- und Naturwissenschaften. Theologie ist nicht nur sichtbar an der Johannes Gutenberg-Universität, weil die beiden Fakultäten seit 1946 im Universitätshauptgebäude untergebracht sind, sondern weil ein lebendiger Dialog und eine fruchtbare, teils auch institutionalisierte Kooperation mit anderen Fächern und Disziplinen stattfinden. Beispiele sind das Institut für Europäische Geschichte mit seinem interdisziplinären Graduiertenkolleg, das Gesangbucharchiv, das Zentrum für Interdisziplinäre Studien zum Religions- und Religionsverfassungsrecht und die vielfältigen interdisziplinären Arbeitskreise an unserer Alma Mater. Manchmal ist das vielleicht für die Öffentlichkeit nicht so spektakulär, wie wir es uns bisweilen wünschen. Das mindert aber nicht die Notwendigkeit und auch die Wirksamkeit von Theologie an einer Universität, die sich zu Recht als Volluniversität bezeichnet.

Schließlich erlauben Sie mir ein kurzes Wort des Dankes an unsere Kolleginnen und Kollegen der evangelischen Theologie. Auch diese Zusammenarbeit hat sich über die wechselvollen Zeitläufe seit 1946 bewährt. Wir sind froh und dankbar für alle Kooperation im Bereich dessen, was uns die kirchlichen Rahmenrichtlinien ermöglichen. Und dort wo nichts geregelt ist, tut es auch gut, noch etwas mehr zusammen zu unternehmen. Als Theologien haben wir zusammen christliche Antworten auf die Fragen in einer pluralen Wertegemeinschaft zu suchen und zu finden. Und das tun wir alljährlich auch öffentlich sichtbar mit unseren TheMa-Tag (Theologie in Mainz), der auch von der interessierten Öffentlichkeit sehr wertgeschätzt wird.

Wir freuen uns über die Verbundenheit mit unserem Bischof, Karl Kardinal Lehmann, der im Herzen doch immer ein Mitglied unserer Fakultät geblieben ist. Unser besonderer Dank für all die unermüdliche Hilfe, Unterstützung, Mitsorge und die Freiheit in Lehre und Forschung gilt zum Jubiläum ihm persönlich, den ich als Dekan stellvertretend für alle an der Fakultät arbeitenden und studierenden Menschen übermittle. Aufgrund dieses guten Miteinanders in der Sorge um eine Theologie der Gegenwart war, ist und bleibt Mainz ein Ort engagierter und profilierter Theologie im deutschen Sprachraum, deren Ziel es ist, mit allen beteiligten Einrichtungen der theologischen Bildung die Frage nach Gott im 21. Jahrhundert erforschbar, diskutierbar, erfahrbar und lebbar werden zu lassen.

Glückwünsche der Fachschaft Katholische Theologie

Verena Zahler

Liebe Fakultät,

heute sind viele Menschen zusammengekommen, um deinen 70. Geburtstag zu feiern – und wie bei Jubiläen dieser Größenordnung üblich, ist die Mehrheit der Gratulanten jünger als du. Mit siebzig ist man normalerweise bereits im Ruhestand; du jedoch, liebe Fakultät, denkst mit siebzig hoffentlich nicht an ein Ende.

Mit meinen neun Semestern fühle ich mich fast noch als Ersti, wenn ich mir überlege, was du in den letzten 140 Semestern erlebt hast: In deiner Anfangszeit haben alle Studenten ihre Mitschriften noch auf Papier angefertigt; heute halten Notebooks und Tablets Einzug in den Hörsälen; die Tafel wurde zunächst immer öfter vom Overheadprojektor und schließlich vom Beamer abgelöst; statt über Teilnehmerlisten an schwarzen Brettern läuft heute alles über Jogustine, Skripte können mittlerweile aus ILIAS oder dem Reader heruntergeladen werden.

Es hat sich viel getan bei dir in den letzten Jahren, und doch kann man dich nicht mit anderen Fachbereichen und Instituten an der Uni vergleichen. Jeder, der auch mal abseits des Forums studiert oder gelehrt hat, schätzt vermutlich die kleineren und größeren Extras, die du, liebe Fakultät zu bieten hast:

- Man muss nicht mehrere Semester auf einen Seminarplatz warten;

- In den Hörsälen muss man nie auf der Treppe sitzen; manchmal finden die Vorlesungen sogar in idealen Kleingruppen wie auf Elite- Unis statt;

- die Dozenten sind sehr engagiert und versuchen, sich die Namen ihrer Studierenden zu merken, und man wird von ihnen auf dem Campus häufig namentlich und mit einem Lächeln gegrüßt;

- die Toiletten sind zwar schon etwas in die Jahre gekommen, dafür sind aber die Wände nicht beschmiert und es ist in der Regel genügend Seife für alle da;

- du verfügst über eine umfangreiche Bibliothek mit freundlichem Personal und Arbeitsplätzen, die sogar von Juristen und Medizinern sehr geschätzt werden.

Und es gibt noch viel mehr Gründe, weshalb ich und einige hundert Studierende bei dir, unserer Fakultät, gerne studieren, wie es schon zahlreiche Studenten vor uns getan haben.

Im Namen des Fachschaftsrats darf ich dir, liebe Fakultät, alles Gute zu deinem 70-jährigen Jubiläum wünschen, und ich hoffe, dass du auch in Zukunft noch viele junge Menschen für Theologie begeistern kannst. Bitte bleib im besten Sinne des Wortes so einzigartig – denn du bist zurecht die Nummer eins im Haus der Wissenschaft.

II. DIE ANFÄNGE DER KATHOLISCHTHEOLOGISCHEN FAKULTÄT AN DER JOHANNES GUTENBERG-UNIVERSITÄT MAINZ

THOMAS BERGER

Die Anfänge der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Der Übergang von der Seminarfakultät zur Universitätsfakultät

Einführung

Nach den geistigen und materiellen Verwüstungen von bis dahin nicht gekanntem Ausmaß, die das nationalsozialistische Regime mit dem sog. Dritten Reich und durch den von ihm ausgelösten Zweiten Weltkrieg hinterlassen hat, sollte die von der französischen Verwaltung des besiegten und besetzten Landes betriebene Universitätseröffnung ein wichtiger Schritt für einen völligen Neuanfang sein. Ziel war nach den Vorstellungen von General Raymond Schmittlein1, dem Chef der Direction de l’Education Publique, eine „Réforme intellectuelle et morale“ und die demokratischen Erziehung wurde als eine der wesentlichen Aufgaben der Johannes Gutenberg-Universität bezeichnet. So entschied er bereits im Februar 1946, in Mainz eine Universität gegenüber den in preußischer Tradition stehenden Universitäten in Frankfurt, Bonn und Köln und als Ausgleich zu den im südlichen Teil der Besatzungszone befindlichen Universitäten Freiburg und Tübingen zu errichten2. Für das Projekt gewann er trotz widrigster Umstände in der zerstörten Stadt rasch die Unterstützung städtischer Amtsträger und des Mainzer Bischofs Albert Stohr3, sahen sie darin doch eine neue und einmalige Chance für die Stadt Mainz4.

Noch vor der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde von Prof. Dr. August Reatz in der ersten Sitzung der Professoren des Bischöflichen Priesterseminars Mainz im Sommersemester am 19. April der Gedanke einer Wiedereröffnung der alten Mainzer Universität vorgetragen. Schon in einer auf den 17. April 1945 datierten Denkschrift hatte Reatz ein Konzept für die Reorganisation der Hochschule des Priesterseminars mit Rektoratsverfassung erarbeitet, die Erweiterung des Lehrkörpers sowie des Lehrangebots und die Öffnung dieser Hochschule für Außenstehende vorsah; damit verbunden war die formale Trennung der Fakultät vom Priesterseminar5. Nach der Beratung dieses Entwurfs am 19. April und in einer weiteren Sitzung am 17. Mai wurde der Trennung von Hochschule (wissenschaftliche Ausbildung) und Priesterseminar (spirituelle Ausbildung) zugestimmt. Nun stand dem Lehrkörper ein jährlich zu wählender Rektor und dem Priesterseminar der Regens vor, die beide zusammen in etwa die Funktion ausübten, die an anderen Hochschulen der Senat wahrnahm. Mit Wirkung zum 1. April 1945 wurden der Assistent am Priesterseminar Dr. Nikolaus Adler und der Subregens Dr. Ludwig Link am 22. Mai zu Professoren ernannt. Da gegen die Trennung von wissenschaftlicher und geistlicher Ausbildung bei einigen Professoren Vorbehalte blieben, wartete Bischof Albert Stohr, der von 1926 bis 1935 selbst dem Professorium angehört hatte, mit der Bestätig der formalen Trennung bis zum 17. Dezember 1945. Prof. Reatz wurde am 28. Dezember 1945 zum Dekan der philosophisch-theologischen Fakultät des Bischöflichen Priesterseminars für das akademische Jahr 1945/1946 gewählt und am 30. Dezember durch Bischof Stohr bestätigt6. Das Wintersemester begann am 31. Dezember.

In einem ausführlichen Memorandum, das seine Wirkung nicht verfehlte, hatte sich August Reatz im Herbst 1945 dann nachdrücklich für die Gründung einer Universität in Mainz ausgesprochen und darin unter anderem die philosophisch-theologische Lehranstalt am Bischöflichen Priesterseminar als Element der Verbindung zwischen einer neuen und der alten Mainzer Universität beschrieben7. Dies war zwar durch die Nationalsozialisten aus der Reihe der deutschen Hochschulen gestrichen worden, doch hatten deren Professoren aufgrund der gesetzlichen Vorgaben immer eine wissenschaftliche Befähigung nachzuweisen, wie es auch an Staats-Universitäten üblich war.

Das Interesse seitens des Bischofs Albert Stohr an einer Überführung der Seminarfakultät an die neue Universität dürfte mehrere Gründe in sich vereinen:

1. Herstellung eines gleichwertigen Studienortes durch die Eingliederung der Seminarfakultät in die Universität, wie dies in anderen Diözesen geben war, so etwa in Freiburg/Brsg. und Münster/W., wohin bisher etliche Mainzer Priester zu ihrer akademischen Weiterqualifizierung ausweichen mussten. So wurden etwa in Freiburg: Romano Guardini, Ludwig Lenhart, August Reatz, Heinrich Schneider, Andreas Ludwig Veit sowie Stohr selbst promoviert, in Münster Nikolaus Adler, Ludwig Link, Othmar Schilling, Karl Schmitt, Ernst Thomin, Peter Tischleder und Hermann Volk.

2. Mit der Fakultätsgründung an der neuen Mainzer Universität war die Schwierigkeit der Trennung von wissenschaftlicher und geistlicher Ausbildung der Priesteramtskandidaten, wie dies bei der Katholisch-Theologischen Fakultät an der großherzoglich-hessischen Landesuniversität in Gießen in den Jahren 1830-1859 der Fall war, nicht mehr gegeben. Die Priesteramtskandidaten lebten unter Aufsicht ihrer geistlichen Leitung im Priesterseminar und studierten an der ortsansässigen Fakultät.

3. War der theologischen Fakultät des Mainzer Priesterseminars durch die Nationalsozialisten der Status einer wissenschaftlichen Hochschule aberkannt worden, so hatte sie nun mit ihrer Integration in die Reihe der Fakultäten der neuen Universität einen relativ sicheren Status.

4. Mit der Einrichtung von zwei so genannten Konkordatslehrstühlen (Philosophie, Geschichte) sicherte sich der Bischof das Mitspracherecht bei deren Besetzung. Diese Lehrstühle wurden zusätzlich zu dem eigentlich vorgesehenen Bestand an Lehrstühlen der Philosophischen Fakultät errichtet. Die Fakultät hatte also einen Zugewinn für ihren Lehrbetrieb. Durch das Mitspracherecht des Bischofs bei der Auswahl der Wissenschaftler für diese Lehrstühle sollte zugleich dafür Sorge getragen werden, dass künftig an der philosophischen Fakultät wenigstens zwei Lehrstühle mit Dozenten besetzt werden, die nicht eine weltanschaulich und politisch extrem einseitige Richtung vertreten. Insofern war auch das eine mittelbare Maßnahme zur „Entpreußung“ und zur Gestaltung des Neuanfangs der Universität, die ein zentrales Anliegen der französischen Militärverwaltung war.

Im Sommersemester 1946, dem ersten Semester der neuen Universität, waren für das Fach Katholische Theologie insgesamt 73 Studenten eingeschrieben. Im Wintersemester 1946/1947 war die Zahl bereits auf 129 Hörer angestiegen8.

Im vorliegenden Beitrag werden wichtige Dokumente aus dieser Zeit als Bausteine für das Fundament des Neuanfangs zusammengetragen. Viele davon haben ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren, andere gelten in modifizierter Weise fort. Einige sind durch die Entwicklung, die das Hochschulwesen in den vergangenen Jahrzehnten genommen hat, längst überholt, zeugen aber davon, mit welch geringem Regelungsaufwand man anfangs auskam.

Am 22. Januar 1946 fand eine Konferenz zur Universitätsfrage in der Wohnung von Bischof Stohr statt, zu der Prof. Reatz als Rektor der philosophisch-theologischen Fakultät am Mainzer Priesterseminar am 13. Januar eingeladen hatte. Hierzu sind die handschriftlichen Notizen des Protokollanten Prof. Lenhart und dessen Reinschrift (vgl. Protokollbuch der Fakultät, unten S. 25) erhalten.

In dem im Jahre 1947 angelegten Protokollbuch der Katholisch-Theologischen Fakultät werden den Protokollen zu den Sitzung des Fakultätsrats, beginnend mit dem 3. März 1947, Abschriften der für die Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät grundlegenden Dokumente vorangestellt. An die Wiedergabe der Verfügung der französischen Militärregierung vom 27. Februar 1945 zur Gründung einer Universität in Mainz (Arrêté No 46) schließ sich eine Abschrift der Staatskirchenrechtlichen Vereinbarung vom 15. April 1946 – getroffen zwischen dem Oberregierungspräsidenten für Hessen-Pfalz, Dr. Otto Eichenlaub9 und dem Bischof von Mainz – über die Errichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz an, in der die Einrichtung von zehn Lehrstühlen (Altes Testament, Neues Testament, Kirchengeschichte und Patrologie, Christliche Archäologie und Kunstgeschichte – der allerdings nie besetzt wurde –, Apologetik und Religionswissenschaft, Moraltheologie, Christliche Anthropologie und Sozialethik, Dogmatik und Dogmengeschichte, Kirchenrecht, Praktische Theologie) festgelegt wird, sowie die Besetzung von zwei Lehrstühlen (Scholastische Philosophie und Geschichte) an der Philosophischen Fakultät mit Persönlichkeiten, die nach dem Urteil des Bischofs eine einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden gewährleisten. Die Besetzung der Lehrstühle und der Studienplan der Fakultät bedürfen der Zustimmung des Bischofs.

Die in Rom durch das Staatssekretariat des hl. Stuhls am 5. Dezember 1946 ausgefertigte Approbation der Fakultät erreichte den Mainzer Bischof aufgrund der enormen Verzögerungen auf dem Postweg (es wurden drei Wege gleichzeitig gewählt: über Kronberg/Taunus, Eichstätt und Paris, wo sich jeweils Mittelspersonen befanden) erst mit mehrmonatiger Verspätung, als die Fakultät bereits ihren Betrieb aufgenommen hatte. Das Promotionsrecht wurde der Fakultät mit Datum vom 22. Februar 1947 zuerkannt.

Die Erklärung des „nihil obstat“, mit dem seitens der römischen Congregatio de studiorum et universitatibus festgestellt wurde, dass gegen die Professoren, mit denen die Lehrstühle besetzt worden sind, keine Einwände erhoben werden, datierte vom 10. Juli 1947 und wurde der Fakultät durch Bischof Stohr am 7. August 1947 zugestellt.

Die Fakultätsstatuten regeln auf drei maschinenschriftlichen Seiten in für gegenwärtige Verhältnisse geradezu atemberaubender Knappheit den Aufbau, die Organisation und die Aufgaben der Fakultät, ihre akademische Selbstverwaltung und Selbstergänzung sowie Prüfungen und akademische Graduierungsverfahren. Damit war der Anfang gemacht.

Die äußeren Bedingungen des Neuanfangs


Am 27. Februar 1945 war das „alte Mainz“ im Bombenhagel untergegangen. Die katastrophalen Umstände, unter denen sich der Neuanfang vollzog, lassen sich kaum noch vorstellen. Exemplarisch steht dafür die Fotografie des zerstörten Kreuzgangs des Bischöflichen Priesterseminars aus dem Jahre 1945 (rechts im Hintergrund ist das Augustinergässchen zu sehen). Und doch hat sich Prof. August Reatz bereits im April 1945 mit der Neuorganisation nach Kriegsende befasst.

Auszug [Transkription] aus dem

P R O T O K O L L B U C H

der katholisch-theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität

MAINZ


-1-10

Gründungsdekret der Universität Mainz

Am 8. März 1946 erschien im „Journal Officiel“ das Gründungsdekret für die Universität Mainz. Es hat folgenden Wortlaut:

„Verfügung Nr. 44 des Administrateur Général betreffend Wiedereröffnung der Universität Mainz.

Der Administrateur Général Adjoint pour le Gouvernement Militaire de la Zone Française d´Occupation erläßt auf Vorschlag des Directeur Général des Affaires Administratives unter Bezugnahme auf das Dekret vom 15. Juni 1945 über die Errichtung eines Cómmandement en Chef Français en Allemagne, abgeändert durch Dekret vom 18. Oktober 1945, folgende Verfügung:


Artikel 1.Die Universität Mainz wird ermächtigt, ihre Tätigkeit vom 1. März 1946 ab wieder aufzunehmen.
Artikel 2.Der Directeur Général des Affaires Administratives wird mit der Durchführung dieser Verfügung beauftragt, die im Amtsblatt des französischen Oberkommandos in Deutschland zu veröffentlichen ist.

Baden-Baden, den 27. Februar 1946.

Der Administrateur Général: E. Laffon.“

-3-

Die Eröffnung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Mainz

Oberregierungspräsidium Neustadt, a[n]. d[er]. H[aardt]., den 15. April 1946.

Hessen - Pfalz

Der Oberregierungspräsident.

Se. Exzellenz

Herrn Bischof Dr. Albert Stohr

in Mainz.

Auf Grund der vorangegangenen Besprechungen ist folgende Vereinbarung zwischen Sr. Exzellenz dem Herrn Bischof von Mainz einerseits, dem Oberregierungspräsidenten von Hessen-Pfalz, Herrn Dr. Eichenlaub, und dem Rektor der Johannes Gutenberg-Universität, Herrn Professor Dr. Schmid, andererseits getroffen worden:

1. An Stelle der bischöflichen Philosophisch-Theologischen Lehranstalt zur Ausbildung des katholischen Klerus (Priesterseminar zum heiligen Bonifatius) in Mainz, die auf Grund des hessischen Gesetzes vom 5.7.1887, Artikel 5, Nr. 3 (siehe Beilage) bestätigt ist und im Einklang mit dem Reichskonkordat (Artikel 20, Abs. 1) besteht, wird an der wiedereröffneten Universität Mainz die ehemalige katholisch-theologische Fakultät unter Zustimmung des Bischofs von Mainz wieder eröffnet.

2. Die Professoren der zur Zeit an der bischöflichen Lehranstalt fest besetzten Lehrstühle werden zu ordentlichen öffentlichen (o. ö.) Professoren an die theologische Fakultät der Universität berufen, nämlich:

Professor Dr. Reatz für Dogmatik und Dogmengeschichte,

Professor Dr. Kraus für Moraltheologie,

-4-

Professor Dr. Lenhart für Kirchengeschichte und Patrologie,

Professor Dr. Adler für Neues Testament und

Professor Dr. Link für Kirchenrecht.

Der zur Zeit an der bischöflichen Fakultät amtierende Dekan (Professor Dr. Reatz) wird im Sinne des Universitätsstatuts für 2 Jahre neu bestätigt (15. April 1946 bis 15. April 1948).

Als weitere Lehrstühle werden errichtet: je ein ordentlicher Lehrstuhl für:

Apologetik und Religionswissenschaft,

für christliche Anthropologie und Sozialethik,

für Altes Testament,

für praktische Theologie,

für christliche Archäologie und Kunstgeschichte.

3. Die Neubesetzung der theologischen Lehrstühle erfolgt gemäß dem allgemeinen Universitätsstatut. Die von der theologischen Fakultät einzureichende Vorschlagsliste bedarf jedoch der Genehmigung des Bischofs von Mainz. Sollte eine Berufung ausnahmsweise ohne Berücksichtigung der Vorschlagsliste erfolgen, so geschieht dies im Einvernehmen mit dem Bischof von Mainz bzw. dem Bistumsverweser.

4. Die zur wissenschaftlichen Ausbildung der katholischen Theologie-Studierenden notwendigen beiden Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät (je ein Lehrstuhl für scholastische Philosophie und für Geschichte) sind mit Persönlichkeiten zu besetzen, die nach dem Urteil des Bischofs (bzw. Bistumsverwesers) für eine einwandfreie Ausbildung der Theologie-Studierenden geeignet sind.

5. Sämtliche an der theologischen Fakultät tätigen Dozenten bedürfen gemäß den allgemeinen kirchlichen Bestimmungen und dem an den katholisch-theologischen Staatsfakultäten bestehenden Brauch der Missio canonica.

6. Sollte ein Dozent der Theologie durch seine Lehre oder Haltung für die Kirche oder den Staat untragbar werden, so trifft die Regierung im Einvernehmen mit dem Bischof geeignete Abhilfe.

7. Der theologische Studienplan bedarf der Genehmigung des Bischofs von Mainz. Er wird durch die kirchlichen Bestimmungen

-5-

geregelt und entspricht dem an den deutschen Hochschulen üblichen theologischen Bildungsgang.

Die Semestral-Examina werden von den Professoren der theologischen Fakultät abgenommen. Die Abschlußprüfung erfolgt nach dem 10. Semester vor einer bischöflichen Kommission, in die auch Professoren der katholisch-theologischen Fakultät berufen werden sollen.

8. Das Priesterseminar besteht als bischöfliche Anstalt für die aszetische und praktische Ausbildung sowie als Konvikt der Theologie-Studierenden weiter in dem Rang und in der Art, wie dies in anderen deutschen Bistümern üblich ist (Reichskonkordat, Art. 20, Abs. 2).

9. Sollte die Universität oder die Theologische Fakultät an der Universität Mainz aus irgendeinem Grunde geschlossen werden, so tritt der alte Rechtszustand wieder in Kraft.

Es wird um Einverständniserklärung gebeten.

(gez.): Dr. Eichenlaub


Der Bischof von MainzMainz, den 17. April 1946.

Dem Herrn Oberregierungspräsidenten

Dr. Eichenlaub

Neustadt / Haardt

Zu der Vereinbarung über die theologische Fakultät an der wiedereröffneten Universität Mainz, die Sie mir im Wortlaut unterm 15. April mitteilten, erkläre ich hiermit ausdrücklich mein Einverständnis.

(gez.): Dr. Stohr, Bischof von Mainz.


Der Bischof von MainzMainz, den 17. April 1946.

-7-

Die Approbation der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz durch den Apostolischen Stuhl (5. Dezember 1946)

Tasuta katkend on lõppenud.