Die Karriere-Schmiede

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Die Karriere-Schmiede
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Michael T. Wurster · Stefan Hagen (Hrsg.)

Die Karriereschmiede

Karrieren sind kein Zufall – sie werden gemacht

Wissenschaftlicher Beirat:

Prof. Dr. Werner Ziegler

Prof. Dr. Hanns Hub

Prof. Dr. Jörg Knoblauch

Prof. Dr. Cyrus Achouri

Prof. Dr. Michael Hohlstein

Prof. Jörg Mildenberger


Illustrationen von Werner »Tiki« Küstenmacher mit freundlicher Genehmigung von www.simplify.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in

der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Informationen sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Christiane Martin, Köln | www.wortfuchs.de Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

©2015 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2013 erschienenen Buchtitel „Die Karriere-Schmiede“ von Michael T. Wurster und Stefan Hagen, ©2013 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-480-3

ISBN epub: 978-3-86200-975-6

Copyright © 2013 by GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.die-karriereschmiede.de designed by Carina Hein, Eschau

www.gabal-verlag.de www.facebook.com/Gabalbuecher www.twitter.com/gabalbuecher

Inhalt

VORWORT
»Karrieren sind kein Zufall – sie werden gemacht«

Wie bekomme ich meinen Traumjob?

Wie entsteht Erfolg?

Welche Fähigkeiten benötige ich?

Und wie schmiede ich meine Karriere?

Vermutlich jeder setzt sich mit Fragen wie diesen auseinander. Aber haben Sie dabei schon einmal an die Möglichkeit gedacht, einfach die erfolgreichsten Unternehmer, Manager und Consultants um Ratschläge zu bitten? Haben Sie schon einmal führende Experten befragt und mit ihnen darüber gesprochen, welche Faktoren den Erfolg wirklich bestimmen? Nun, wir haben genau das getan.

Das Ergebnis unserer zahlreichen Gespräche und Kooperationen halten Sie jetzt in den Händen. Dieses Buch ersetzt ein ganzes Regal voller Bücher. Es begleitet Sie von nun an über Ihre gesamte Karrierelaufbahn hinweg. Es ist mehr als nur ein Sammelband, es ist ein Buch für Generationen: Egal ob Sie Abiturient, Student, Trainee, Manager, Berater oder bereits erfahrener Unternehmer sind. Dieses Buch ist Ihr neues Standardwerk. Es beinhaltet alles. Alles was Sie schon immer über Karriere wissen wollten.

Die Faktoren, die den beruflichen Erfolg ermöglichen, sind dabei zahlreich. Manche Faktoren sind in der Tat unverzichtbar, andere wiederum sind variabel und können von Karriere zu Karriere unterschiedlich sein. Für dieses Buch haben wir gemeinsam mit unserem wissenschaftlichen Beirat die 23 aus unserer Sicht wichtigsten Erfolgsfaktoren ausgewählt. Jedem Erfolgsfaktor ist ein eigenständiges Kapitel gewidmet. Dabei geht es um Themen wie zum Beispiel das Studium, die eigene Persönlichkeit, Networking, Mut, Führung und zahlreiche weitere Aspekte, die Ihren Erfolg maßgeblich beeinflussen. Die 23 vorliegenden Kapitel werden das Rüstzeug für Ihren Erfolg bilden. Dabei sind diese nicht willkürlich angeordnet. Sie folgen einer inneren Logik und erzählen eine Geschichte. Eine Geschichte, in der Sie sich vielleicht selbst wiederfinden werden. Ergänzt wird diese Geschichte immer wieder gezielt durch »Blaupausen«, die von unserer Redaktion verfasst wurden. Absolut kompakt auf den Punkt gebracht liefern unsere Redakteure Ihnen hier Insidertipps, Checklisten, Tools, tiefer gehende Literaturempfehlungen und jede Menge wertvolle Ratschläge.


Die Herausgeber Stefan Hagen und Michael T. Wurster (Foto: Bianca Hahn)

Eine weitere Besonderheit, mit der wir zugleich ein ganz neues Buchgenre begründen, ist die Vernetzung der Autoren, wie es sie bislang noch nie in Sammelbänden dieses Ausmaßes gab. Die Kapitel greifen wie Zahnräder ineinander und tragen so zu einem besseren Gesamtverständnis bei. Sie werden begreifen, warum Ihre eigene Persönlichkeit Ihren Führungsstil beeinflusst. Sie werden verstehen, inwiefern Sie mit Mut Ihr Netzwerk um ein Vielfaches ausdehnen können, und Sie werden noch viele, viele weitere Verbindungen erkennen. Verbindungen, von denen Sie vielleicht noch nie etwas geahnt haben. Verbindungen, von denen Sie in 40 Jahren fest behaupten werden: Das war der Grundstein meines Erfolges.

Ergänzend dazu haben wir eine ganze Reihe an Kamingesprächen mit inspirierenden Menschen aus Wirtschaft und Politik geführt. Diese Gespräche haben unsere Arbeit an diesem Buch immer wieder aufs Neue geprägt, weshalb wir uns dafür entschieden haben, einen Großteil dieser Kamingespräche in diesem Buch mit zu veröffentlichen.

Nehmen Sie Ihre Zukunft jetzt in die Hand! Ihre Karrierelaufbahn hat soeben begonnen. Wir werden Sie ab sofort begleiten und sind immer für Sie da.

Michael T. Wurster und Stefan Hagen

Zum Aufbau dieses Buches

Kapitel

Die einzelnen Kapitel sind das Herz des Buches. Führende Experten haben hier die Essenz ihres Wissens gebündelt. Sie werden schnell merken, dass jeder Autor dabei seinen ganz eigenen Stil hat. Von stark wissenschaftlich geprägt bis hin zu absolut plakativ. Falls ein Stil Ihnen mal nicht so recht zusagen sollte, blättern Sie einfach auf die letzte Seite des Kapitels. In der »Blackbox« haben wir Herausgeber die Hauptaussagen des Kapitels für Sie noch einmal auf den Punkt gebracht.

Blaupausen

Zur Ergänzung der Kapitel hat unsere Redaktion redaktionelle Beiträge verfasst. Diese beinhalten Ratschläge, Checklisten oder sogar Tools, welche direkt Ihrem aktuellen Level angepasst sind. Hier geht es dann um Themen wie Stipendien, Bewerbungen, Kennzahlen, Apps oder einfach Tipps für das Projektmanagement.

Kamingespräche

Wollten Sie schon immer einmal mit Persönlichkeiten wie zum Beispiel Wolfgang Clement, Prof. Dr. Claus Hipp oder Wolfgang Grupp sprechen? Wollten Sie herausfinden, welche Weisheiten diese Menschen erfolgreich gemacht haben und wie diese Menschen über Erfolg denken? Dieses Buch gibt Ihnen die Chance, von prägenden Persönlichkeiten zu lernen …

Downloads

An zahlreichen Stellen erhalten Sie Hinweise zu wertvollem Bonusmaterial, das direkt auf der Homepage zum Buch (www.die-karriereschmiede.de/ks/downloads) oder den entsprechenden Internetseiten der Autoren kostenlos für Sie zum Download bereitsteht.

TEIL 1
DER EINSTIEG

Sie stehen am Anfang Ihrer Karrierelaufbahn? Sie überlegen sich, welche Universität oder Hochschule zu Ihnen passt? Oder vielleicht haben Sie bereits einen Traumarbeitgeber im Kopf und benötigen Ratschläge, wie Ihnen der direkte Einstieg gelingt?

Hier sind Sie genau richtig! Ihre persönlichen Karriereberater haben da mal was für Sie vorbereitet. Willkommen in der Karriereschmiede!

1. KAPITEL
»Chancen-Intelligenz«
VON HERMANN SCHERER1

Wie viele Chancen werden uns vom Leben zugeteilt? Bekommt jeder gleich viele? Gibt es Pechvögel und Glückskinder? Oder ist es vielmehr so, dass man bereit sein muss, sich bietende Chancen auch zu sehen? Wie weit Sie es in Ihrem Leben bringen werden, wird immer davon abhängig sein, ob Sie es lernen, Chancen zu erkennen und zu nutzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie den richtigen Studienplatz suchen, im Management arbeiten oder als Unternehmer durchstarten. Der Anfang Ihres Erfolges ist der Chancen-Blick – um den wird es in diesem Kapitel gehen.


150 Athleten wippen in ihren Laufschuhen, lockern die Nackenmuskulatur und die Oberschenkel, atmen durch, konzentrieren sich. Kameras surren, Fotoapparate klicken. Gleich geht es los! Gleich startet einer der härtesten Wettkämpfe weltweit. Wir sind in Sydney, das Ziel ist Melbourne. Dazwischen liegen 544 Meilen, 875 Kilometer, das Rennen heißt Ultramarathon 1983. Getrunken und gegessen wird unterwegs. Pausen gibt’s nur für ein paar Stunden Schlaf und zur Massage der steinharten Muskeln.

 

Doch wer ist das, wer stört hier das Bild? Wer hat sich denn da zu den Sportlern verirrt? Will dieser ältere Herr etwa mitlaufen? Der sieht aus wie ein Bauer! Overall und Arbeitsstiefel.

Was für ein Witzbold! Kann man einen fünftägigen Laufwettbewerb in Gummistiefeln laufen? Natürlich nicht. Kann man mit 61 Jahren innerhalb einer Woche 875 Kilometer lang laufen? Das kann kaum ein 20-Jähriger, also ganz klar: nein. Kann ein Landwirt ernsthaft gegen trainierte Top-Athleten antreten? No way.

Also muss es sich um einen Scherz handeln. So ist das. Wer nicht innerhalb der Norm funktioniert, wird belächelt, keiner nimmt ihn ernst. Aber Cliff Young ist das egal. Ohne zu zögern und offenbar ohne sich der Skurrilität seines Auftritts bewusst zu sein, geht er selbstsicher zur Organisatorenriege und holt sich seine Startnummer. Denn er ist nicht hierhergekommen, um zuzusehen. Cliff will in seinem Alter, in seinem Aufzug tatsächlich mitlaufen.

»Sie sind verrückt. Sie werden bei diesem Rennen niemals bis zum Ende durchhalten!« »Aber sicher doch werde ich das.« Cliff lächelt freundlich – und den Reportern, den Veranstaltern, den Zuschauern bleibt vor Entsetzen der Mund offen stehen.

Startschuss. Die 20- und 30-Jährigen preschen los. Cliff bleibt von Anfang an scheinbar hoffnungslos zurück. »Das ist aber auch kein Wunder! Habt ihr gesehen, was der Kerl für einen ulkigen Schritt draufhat?« »Yeah, das sieht ja aus, als würden ihm ständig seine Gummi-Beine davonrutschen!«

Die belustigten Zaungäste des Superrennens haben gerade einer Weltpremiere beigewohnt. Jene merkwürdige Art sich fortzubewegen, die so viel Heiterkeit auslöst, ist der Cliff-Young-Shuffle. Er wird über Jahrzehnte hinweg die Läufer-Szene beschäftigen, er wird zahllose Nachahmer finden, er wird – wie Cliff Young selbst – zur Legende werden. Denn Cliff läuft mit diesem Schritt wie ein Uhrwerk. »Wir haben 2000 Schafe zuhause, auf 2000 Morgen Land«, erzählt er den Reportern. »Um die Tiere zusammenzutreiben, brauche ich manchmal zwei oder drei Tage.«

Cliff meint das wörtlich. Wann immer ein Sturm aufkommt, setzt er sich in Bewegung. Ohne Unterlass, Tag und Nacht. Dass so etwas nicht geht, hat ihm einfach keiner gesagt. Genauso wenig scheint sich Cliff bewusst zu sein, dass die Läufer des Sydney-Melbourne-Ultramarathons sich dringend nachts von ihren Strapazen erholen müssen. 18 Stunden Schritt für Schritt auf hartem Asphalt, in Staubluft oder Regen – da müssen mindestens sechs Stunden Schlaf einfach sein.

Nicht für Cliff. Er hat draußen auf dem Land keinen Schlaf gebraucht, wenn es um seine geliebten Schafe ging. Warum soll er sich jetzt beim Rennen ausruhen? Donnerhall, Blitzkanonade und tosender Nachtsturm – er stellt sich einfach bildlich vor, dass er beim Rennen nicht gegen Läufer läuft, sondern seine im Unwetter verirrten, verängstigten Schafe zusammentreibt. Und er kann auf seine Technik vertrauen: Der Cliff-Young-Shuffle, so stellt sich später heraus, ist eine enorm schonende Art voranzukommen. Cliff kann es sich leisten zurückzufallen, schließlich holt er immer wieder auf, während die andern pausieren. Bis er an der Spitze steht.

Melbourne, fünf Tage, 15 Stunden, vier Minuten nach dem Startschuss: Cliff Young gewinnt. Dass er 10 000 Dollar Siegesprämie erhält, ist unbedeutend angesichts der Tatsache, dass er weit über den Sport hinaus zu einer Ikone wird. Cliff Young – das ist der Mann, der das Unmögliche geschafft hat.

Der Chancen-Blick

Um als Läufer erfolgreich zu sein, können Sie einfach auch mehr trainieren und Ihre Laufleistung Jahr für Jahr um 5 Prozent steigern. Auch das kann Sie im Laufe der Jahre enorm erfolgreich machen. Schafe jagen und Gummistiefel anziehen ist bestimmt kein Erfolgsrezept. Und ich empfehle Ihnen nicht, Ihre Firma besser zu führen, indem Sie in Hausschuhen zum Meeting gehen und dort Trillerpfeifen blasen. Auch wenn solche magischen Momente wie der in Melbourne 1983 so faszinierend wie unerklärlich für alle Außenstehenden sind: Es geht nicht darum, einfach nur verrücktzuspielen, einfach nur anders zu sein als alle anderen.

Wer versucht anders zu sein als alle anderen, orientiert sich doch genauso wie all die Mitläufer am Mainstream – nur eben andersherum. Anders zu sein kann eine Alleinstellung verleihen, Aufmerksamkeit generieren, und wenn man es geschickt anstellt, die Grundlage für reichlich Erfolg sein. Keine Frage.

Aber mir geht es hier um etwas anderes: nicht um Erfolg durch lineare Steigerung und nicht um Erfolg durch eine Anti-Gewöhnlichkeits-Strategie. Beides ist gut und richtig, und zu beidem wurden schon genug Bücher geschrieben, auch von mir selbst. Ich meine hier eine andere Spezies: Glückskinder. Wie Cliff Young. Die machen nicht mehr vom Gleichen und die machen nicht alles anders. Denen ist es nämlich völlig egal, wie man das so macht, was Usus ist, wie es geht, wie es gelehrt wird, wie es zu funktionieren hat.

Wer sich wie ich fragt, wie es sein kann, dass manchen Menschen ein Durchbruch gelingt, wo alle anderen nur eine unüberwindbare Mauer sehen, muss näher hinschauen, in die Leute hineinschauen, um zu verstehen, WARUM sie tun, was noch keiner vor ihnen getan hat.


Wieso schert es sie keinen Deut, was die anderen denken? Wie die anderen sie belächeln und vielleicht sogar auslachen, nur weil sie sich nicht an die unausgesprochenen Regeln halten? Solche Menschen sind offensichtlich vor allem eines: fokussiert. Sie leben in diesen magischen Momenten radikal aus dem Inneren heraus. Handeln vollkommen klar nach ihrer inneren Überzeugung und sind völlig frei von äußeren sozialen Zwängen und inneren Bremsen.

Und sie machen sich frei von ihrer eigenen Geschichte, von der Geschichte aller. Hab ich noch nie gemacht? Kein Problem. Hat noch nie irgendjemand gemacht? Okay, na und?

Durch diesen unbeirrbaren Fokus haben diese besonderen Menschen einen naiven kindlich-einfachen Blick für die Lücke in der Mauer, anstatt auf die pure Masse der Steine zu starren. Tests belegen, dass bei einer schier unausweichlichen Kollision diejenigen Autofahrer die höchsten Überlebenschancen haben, die sich gerade nicht auf ein plötzlich entgegenkommendes Fahrzeug konzentrieren, sondern auf die rettende Lücke.

Glückskinder haben diese Fähigkeit entweder in die Wiege gelegt bekommen oder erlernt, auf jeden Fall aber perfektioniert: Sie sind durch und durch lösungsorientiert, weit über die Grenzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung hinaus, weil sie sich nur für die Lösung und für sonst gar nichts interessieren.

»Never change a running system« – wenn sich wirklich alle an diese Binsenweisheit der IT-Welt gehalten hätten, dann wäre der PC gar nicht erst erfunden worden. Der Marktgigant IBM glaubte nämlich lange Jahre nur an den Computer als aufwendige Firmenlösung. Ein preiswerter Heimrechner für den Massengebrauch – so etwas war doch allenfalls die lächerliche Idee einiger Spinner. Apple, ein verschrobenes Start-up mit einem bunten angebissenen Apfel als Markenzeichen, erntete zwar ab 1977 erste kommerzielle Erfolge mit solch einem seltsamen Produkt. Doch davon ließ sich die Chefetage des marktbeherrschenden Giganten noch lange nicht irritieren. Es brauchte schon eine kleine Verschwörung, um 1980 im IBM-Forschungslabor in Boca Raton an der legendären Bürokratie des IT-Riesen vorbei den Personal Computer zu entwickeln. 1981 wurde der IBM 5150 PC vorgestellt. Gerade mal auf 250 000 Exemplare bezifferten die Vertriebsfachleute den möglichen Absatz. Es wurde ein Siegeszug – wider alle Prognosen.

Die Zukunft ist eben niemals die lineare Fortsetzung von Vergangenheit und Gegenwart. Trotzdem: Wir alle lieben doch die Linearität! Ich ja auch. Sie funktioniert einfach. Nicht umsonst sorgen wir dafür, dass unser Lebenslauf glatt und perfekt aussieht beim Bewerbungsgespräch, alle Veränderungen im Leben sollen im Nachhinein so aussehen, als wenn sie ursprünglich geplant gewesen wären. Das Leben läuft zwar nicht so – und jeder weiß es –, aber der Hang zur Linearität ist in uns so mächtig, dass wir sie lieber konstruieren als auf sie zu verzichten. Die Chancen im Leben kommen aber nicht aus dem Linearen! Mehr vom Gleichen ergibt einfach nur mehr vom Gleichen.


Natürlich brauchen wir die Gewohnheit, die stillschweigenden Verabredungen, die Zwänge und Bindungen unserer Geschichte und unserer Gemeinschaft. Keine Frage. Denn wenn es nur noch Durchbrüche gäbe, nur noch nichtlineare Sprünge, dann hätten wir nichts als Chaos. Aber bisweilen müssen wir die Linearität zerstören. Wir sind so. Ein paar Mal im Leben genügt, aber ab und zu brauchen wir einen Durchbruch, sonst schmeckt das Leben fad.

Der Moment des Durchbruchs, der totalen Verwirrung, des dekonstruierten Musters, ist der Moment der totalen Freiheit. Das sind vielleicht die einzigen Momente, die wirklich lebenswert sind. Das soll nicht heißen, dass Sie alles auf den Kopf stellen sollen um des Aufden-Kopf-Stellens wegen! Aber ab und zu ein kleines Chaos, um neue Kraft zu schöpfen, um alle Akkus wieder aufzuladen, um noch mal etwas von vorne zu beginnen … Ist es nicht unsere Pflicht, die lineare Lebenskette vielleicht zehnmal im Leben zu durchbrechen?

Drei-Wege-Katalysatoren

Mitte der 1990er-Jahre arbeitete ich mit und für die Management Design Group in Kalifornien. Die Gruppe veranstaltete Seminare für Manager mit durchschnittlich 20 Teilnehmern, die sich insgesamt für zehn Tage trafen, verteilt auf vier Termine, beispielsweise in Frankreich, England, Schweden oder den USA. Der Seminarpreis lag damals bei über 80 000 Dollar pro Person. Zuzüglich Reisekosten.

Ich fragte neugierig, welches Ziel mit den Seminaren verfolgt werden sollte. Die Antwort darauf war kurz und knapp: Wir wollen den Verwirrungsgrad unserer Teilnehmer erhöhen.

Ich entgegnete, dass ich das schon für 79 000 Dollar schaffen würde, war aber voller Anerkennung für dieses Ziel. Denn eines ist goldrichtig: Verwirrung fördert Durchbrüche. Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, lohnt es sich, nacheinander drei Wege in Gedanken zu bereisen.


Der erste Weg ist der Weg der Mittelmäßigen. Der geht so: Eine mittelmäßige Schokolade kommt eines Tages an das Ende Ihres Produktlebenszyklus. Das heißt nichts anderes, als dass die Absatzzahlen nicht mehr so toll sind und der wirtschaftliche Exitus droht. Darum beginnt der Hersteller gerade noch rechtzeitig, das Produkt zu verbessern. In der Fachsprache nennt man das dann Relaunch. Die Schokolade wird noch zarter. Die Verpackung wird auf modern getrimmt. Die Bruchstellen lassen sich noch leichter brechen. Die Nussstückchen sind einen Tick gröber, weil die Marktforschung das nahegelegt hat. Die geliftete, mit Botox unterspritzte und neu eingekleidete Schokolade ist nach ihrem Anti-Aging-Programm dann wieder genau da, wo sie vorher war: im Mittelmaß.

Aber immerhin: Sie hält sich. Auch Menschen agieren so, im Beruf nennt man das Karriereplanung. In der Karriere strebt man nach Verbesserung, auch wenn man selbst keine bringt. Bei Unternehmen verändert man das Portfolio, bei Fußballmannschaften trainiert man fleißig und kauft im Rahmen der Möglichkeiten im Sommer einen neuen Spieler. Man unterzieht alles einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess und bleibt am Ball.

Wenn Sie sich einen Menschen, eine Marke, ein Unternehmen von oben betrachtet vorstellen, sehen Sie einen Zeitstrahl, die Jahre des Lebens, die vergangenen und vielleicht auch die hoffentlich noch vor einem liegenden. Und Sie sehen: den Fortschritt, die jährliche Verbesserung, die Veränderung, den »Zuwachs«.

Nun, wenn wir in den letzten Jahren immer schön kontinuierlich jedes Jahr fünf Prozent Wachstum hatten, dann liegt es nahe, auch für das kommende Jahr die fünf Prozent zu planen, oder? Nein, noch besser: Sie lesen gerade eine gutes Buch, sind motiviert eine Steigerung von sechs, sieben oder gar acht Prozent einzuplanen. Gratuliere!

Ganz egal ob es dabei um Ihre Umsätze, Marktanteile oder persönlichen Fähigkeiten oder Ihr Lebensgefühl geht. Das ist eine ganz typische Entwicklung. Jedes Jahr geht es wieder einen Schritt voran. Mensch, Marke oder Unternehmen wächst und gedeiht. Es ist ein gutes Businessmodell, positiv und seriös. Business as usual. Daran ist nichts Schlechtes – im Gegenteil – viele wären froh, wenn die persönliche oder unternehmerische Entwicklung so wäre. Es ist nur – langweilig!

 

Der zweite Weg ist der ambitionierte Weg. Dabei geht es darum, mit der Verbesserung des Produkts, der Performance, des Lebens schon zu beginnen, bevor es bereits wieder bergab geht. Am liebsten möchte man schon am Höhepunkt der Entwicklung eingreifen und alles so verbessern, dass ein Kurvenabfall ausgeschlossen ist.

Statt die Schokolade zarter zu machen, wird sie mit einer Zartcreme gefüllt, statt Botox gibt’s Sport oder das Skalpell und für die Karriere besucht man frühzeitig eine dieser zahlreichen Managerlounges und Netzwerktreffen, in denen man sich (un)gezwungen, (un)beschwert, (un)gestört unterhalten und anbiedern kann. Unternehmer machen das, was in der Fachsprache Benchmarking heißt.

Angenommen, Sie würden sich in einem Wettrennen so perfekt am Führenden orientieren, dass Sie es ihm gleichtun könnten und alle anderen im Feld überholten. Auf welchem Platz wären Sie dann, wenn Sie schließlich den Zweitplatzierten überholt hätten? Eben: Zweiter. Und dann? Können Sie auf diese Weise Erster werden?

Man kupfert also heute ab, was die erfolgreichsten vorgestern als »Best Practice« initiiert haben, um gestern an der Spitze zu stehen. Damit schafft man es dann morgen vielleicht an die zweite, dritte oder vierte Position, denn der Marktführer ist ja mittlerweile schon wieder Lichtjahre weiter. Aber immerhin! Zweiter, Dritter oder Vierter ist so lange nicht Letzter, solange es Fünfte, Sechste und Siebte gibt, die es nicht einmal schaffen, die gestrigen Erfolgsstrategien zu kopieren, nicht das Schlechteste. Das Problem ist: Gekauft wird trotzdem beim Ersten.

Das ist nicht nur das Prinzip im Business, sondern auch beim Wettkampf der Spermien um die Eizelle, bei der Eheschließung oder beim Präsidentschaftswahlkampf. Wem der ambitionierte Weg zu aufregend ist, der wählt gar statt »Best Practice« die allgemein anerkannte »Good Practice« – nur um ja keine Verwirrung zu stiften! Mit anderen Worten: Der macht, was man halt macht. Und bekommt, was man halt bekommt: durchschnittliche Erlöse, durchschnittliche Anerkennung, durchschnittliche Aufmerksamkeit. Ein Glückskind wird man so allerdings nicht.

Der dritte Weg ist der unglaubliche Weg – der Weg des Durchbruchs. Er erfordert unwahrscheinlichen Mut. Und totale Verwirrung. Denn diesen Weg zu beschreiten, bedeutet, völlig irrational eine radikale Veränderung zu versuchen, während der Gipfel des Erfolgs aus den Entscheidungen der Vergangenheit noch gar nicht erreicht wurde. Mitten auf dem Erfolgspfad schlägt sich ein solcher Durchbrecher in die Büsche und versucht das Unmögliche. Dazu braucht es mehr als rationale Entscheidungskraft. Dazu braucht es den Mut, mit der eigenen Geschichte zu brechen.


In meiner Arbeit mit der Management Design Group trafen wir Helena. Sie war eine junge, engagierte Trainerin aus Schweden, die den Kurs »Kommunikation und Menschenführung« und den »HIP High Impact Presentation Workshop« anbot. Wie bei vielen Trainern scheiterte es bei Helena weniger an der Dienstleistungsqualität als am Verkauf der Dienstleistung. Der auf 16 Teilnehmer limitierte, dreitägige Wochenendkurs wurde von ihr – wie von den meisten Trainern – zweimal jährlich angeboten. Zwei durchgeführte Veranstaltungen mit je 16 Teilnehmern brachten bei gut 2000 Euro Kursgebühr über 64 000 Euro in Helenas Kasse. Damit befand sich Helena zusammen mit ihren anderen Aktivitäten schon im engagierten Segment der jährlich zelebrierten Umsatz-Ranking-Liste der über 4000 Trainer.

Und Helena war ambitioniert. Sie hatte den Wunsch, ihre Umsätze mit dem HIP-Programm zu steigern. Also fragten wir sie, welche Ziele sie denn mit der Beratung erreichen möchte. Helena wünschte sich statt bisher zwei gleich vier, am liebsten fünf der HIP-Kurse anzubieten! Immerhin eine Umsatzsteigerung von 100 bis 150 Prozent. Ein ehrgeiziges Ziel! Ein ehrgeiziges Ziel?

Mit fünf angebotenen Kursen pro Jahr wäre sie im Feld der Anbieter in der Spitzengruppe gelandet. Zumindest in diesem Segment hätte sie sich damit einen guten Platz in der jährlichen Umsatzstatistik gesichert. Ein guter Plan. Völlig klar und rational, realistisch – und doch ehrgeizig. Ehrgeizig?

Wir schürten die Verwirrung. Wir provozierten Helena: »Das ist doch kein Ziel!« Eine Umsatzsteigerung von 150 Prozent ist kein Ziel – was dann? Helena war verwirrt. Nach einer Reihe von Provokationen kam unsere entscheidende Frage an Helena: »Wie viele Kurse hätten Sie denn am liebsten pro Jahr laufen?«

Helena erwiderte trotzig: »Nun, es ist ein Wochenendkurs, jeweils von Donnerstag bis Samstag, es gibt 52 Wochenenden im Jahr. Wenn wir Weihnachten und Ostern abziehen, dann bleiben 50 Wochenenden frei, das wären 50 Kurse an 50 Wochenenden. Ist das ein Ziel?«

»Ja, das hat noch keiner geschafft. Das ist ein Ziel.«


Ein Jahr später führte Helena tatsächlich 50 ausverkaufte HIP-Kurse pro Jahr in Schweden durch und katapultierte sich mit großem Vorsprung auf Platz 1 der weltweiten Umsatzstatistik mit einem neuen Umsatzweltrekord.