Loe raamatut: «Handbuch Deutsche Kreditmarkt-Standards», lehekülg 3

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Kapitel 2 Neue EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung

I. Überblick über die bestehenden EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung

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Zur Herleitung und fachlichen Einordnung der neuen EBA-Leitlinie für die Kreditvergabe und -überwachung („EBA Guideline on Loan Origination & Monitoring“, nachfolgend auch „EBA GL LOM“, „EBA Leitlinie“) sei einleitend noch einmal darauf hingewiesen, dass eines der Hauptziele der europäischen Bankenaufsicht die Sicherstellung der Finanzstabilität in Europa darstellt.1 Dies geht einher mit einer Vereinheitlichung und Harmonisierung der regulatorischen Anforderungen, da mit der neuen EBA-Leitlinie, die in diesem Abschnitt behandelt wird, auch direkt zwei weitere Guidelines als wesentlich zu betrachten sind, welche zusammen das Gesamtpaket abbilden:

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Das sind einerseits die Leitlinien zur internen Governance aus 2017 (EBA/GL/2017/11), die parallel dazu gültig bleiben und im Wesentlichen eine wirksame und umsichtige Unternehmensführung fördern sollen bzw. Vorgaben dazu machen. Daneben sind dies die Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen (EBA/GL/2018/06), die Risikomanagementpraktiken für Kreditinstitute für das Management von notleidenden Risikopositionen


(NPEs), gestundeten Risikopositionen (FBEs) und Rettungserwerben festlegen. Die neue EBA GL LOM (EBA/GL/2020/06) schließt mit Regelungen zu den internen Richtlinien und Vorgaben für die Gewährung und Überwachung von Krediten während ihres gesamten Lebenszyklus nun sozusagen eine Lücke im Kreditbereich im Lichte der Maxime der Harmonisierung der regulatorischen Vorgaben.

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Mit der Veröffentlichung der neuen Leitlinie wird die EBA-Leitlinie zur Kreditwürdigkeitsprüfung aus 2015 (EBA/GL/2015/11) abgelöst.

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Im Jahr 2019 wurde ein Konsultationspapier zur EBA-Leitlinie veröffentlicht, deren Regelungsinhalt sich im Rahmen der Konsultation bis zur am 30.6.2020 final veröffentlichten Leitlinie noch wesentlich änderte.

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Schon das Konsultationspapier zeigte, dass tiefgehende Einschnitte in den Kernbereich einer jeden Bank mit der neuen Regulierung verbunden sein würden. Der sich daraus abzeichnende erhebliche Umsetzungsaufwand wurde als Alarmzeichen erkannt und die Umsetzung in der Praxis auf Bankenseite entsprechend rege und intensiv diskutiert. Im Ergebnis wurden einige Vorgaben der Aufsicht grundsätzlich angepasst.

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Wesentliche Kernänderungen gegenüber der Konsultationsfassung werden nachfolgend erläutert:

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Zum einen wurde das Inkrafttreten aufgrund der verspäteten Publikation der finalen Leitlinienfassung auf den 30.6.2021 verschoben und durch die aktuell besonderen Herausforderungen durch COVID-19 im operativen Geschäft wurde den Instituten zudem eine dreistufige Umsetzungskaskade eingeräumt bis zum 30.6.2024, auf die an späterer Stelle noch einmal detailliert eingegangen wird.

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Mit der Einführung einer neuen Klasse „Mikro-/Kleinunternehmen“ wird in der finalen Fassung im Rahmen der Kreditvergabe zudem eine Unterscheidung hergestellt zwischen „Mikro- und Kleinunternehmen“ sowie „mittleren und großen Unternehmen“ mit wesentlichen Erleichterungen für Kleinunternehmen, insbesondere in Bezug auf die Kreditvergabe und regelmäßige Überwachung.

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Eine wesentliche Rolle spielt das Proportionalitätsprinzip – in Bezug auf die angemessene Auslegung der Vorgaben nach Art, Größe und Inhalt des Risikos in den jeweiligen Instituten. Das Proportionalitätsprinzip wird in der finalen Fassung je Sektion der Leitlinie unterschiedlich stark aufgegriffen. Beispielsweise differenziert die EBA in der finalen Fassung im Bereich Governance- und Risikomanagement zwischen Anforderungen an kleine sowie mittlere und große Unternehmen, während die Bereiche Bonitätsbeurteilung, Sicherheitenbewertung und Kreditrisikoüberwachung nach Art, Umfang und Komplexität der Kreditfazilität (also des Geschäfts) differenziert werden. Somit wurden in der finalen Fassung unterschiedliche Kategorien geschaffen, um das Prinzip an der jeweiligen Stelle zu präzisieren.

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Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Konsultationsfassung und finalen Leitlinien ist der Wegfall der zwingenden quantitativen Überleitbarkeit zwischen Kreditvergabekriterien und Risikoappetit/-strategie. Es wurde somit klargestellt, dass die im Anhang genannten „Kreditvergabekriterien“, „Informationen und Daten für die Kreditwürdigkeitsprüfung“ und „Parameter für die Kreditvergabe und Überwachung“ keine zwingenden Mindestanforderungen sind, sondern – „where relevant and more appropriate“– auch andere Kriterien verwendet werden können. Hier wurde also die zwingende Pflicht auf eine reine Empfehlung reduziert.

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Insgesamt bietet die finale Fassung im Vergleich zum Konsultationspapier also eine höhere Flexibilität. Von den 298 Textziffern der finalen Leitlinien sind 157 unverändert bzw. handelt es sich lediglich um Klarstellungen; für 97 Textziffern gibt es Erleichterungen (51 davon deutliche Erleichterungen), und 44 Textziffern stellen Verschärfungen dar.

1. Beispiele für Erleichterungen gegenüber der Konsultationsfassung

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Im Feld der Kreditentscheidung bzw. -kompetenzen bestehen mehr Freiheiten bei Krediten an verbundene Unternehmen. Beispielsweise muss ein Kredit innerhalb einer Banken- Gruppe nicht marktgerecht oder fair sein.2

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Des Weiteren besteht eine teilweise flexiblere Gestaltung Kreditentscheidung, da bspw. Mitarbeiter mit Performancevergütung nicht mehr von der Kreditentscheidung komplett auszuschließen sind oder Entscheidungen großer Kredite nicht mehr zwingend in jedem Fall an das Kreditkomitee übertragen werden müssen.3

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Auch die zwingende Erfüllung des Three Lines of Defence-Modells fällt in der finalen Fassung weg, d.h. Organisations-Strukturen müssen nicht mehr dem Three-Lines-of-Defence Modell folgen.4

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Zudem ist die Anwendung von Kreditrisikotechnologien gegenüber der Konsultationsfassung vereinfacht worden, da das Erfordernis zumindest begrenzt wurde, dass man Ergebnisse, die auf Basis der neuen Technologien entstanden sind, mit Ergebnissen auf Basis herkömmlicher Methoden miteinander vergleichen muss.5

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Ferner wurde die Überprüfung der Informationen für die Kreditwürdigkeitsprüfung dahingehend erleichtert, dass diese nur noch bei Zweifeln an der Plausibilität durchgeführt werden muss; Überprüfungen von finanziellen Verpflichtungen des Kunden müssen nicht laufend im Bestandsgeschäft aktualisiert werden6 (insbesondere relevant bei kleinen Unternehmen).

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In Bezug auf die aufwendigen Sensitivitätsanalysen in der Kreditwürdigkeitsprüfung darf man sich nunmehr auf kreditrelevante Negativereignisse beschränken, z.B. geringeres Einkommen in der Zukunft. FX-Risiken sind nur noch zu prüfen, wenn dies tatsächlich relevant wird. Und weitere kleinere Erleichterungen gegenüber der Konsultationsfassung sind dem finalen Text zu entnehmen.7

2. Beispiele für Verschärfungen gegenüber der Konsultationsfassung

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Im Zuge der derzeit rasant ansteigenden regulatorischen Anforderungen zum Themenkreis der Environment Social Governance („ESG“) wurde auch in der EBA-Leitlinie eine Detaillierung der ESG-Anforderungen bezogen auf die Geschäftsstrategie vorgenommen. Hier wurden die ESG-Faktoren in das Risikoappetiteframework aufgenommen8; und es werden zusätzliche Analysen für mittlere und große Unternehmen, wie bspw. die Analyse des Geschäftsmodells auf ESG-Exposure, verlangt.9

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Zudem sieht die finale Fassung Sonderanforderungen bei Leveraged Transactions vor: z.B. Umfassende Analysen zum Abbau hoher Verschuldung und zur Rückzahlungsfähigkeit.10

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Und auch beim Thema Pricing ist nun eine belegbare Kopplung der Preissetzung an vorherrschende Marktbedingungen notwendig, d.h. Wettbewerb und vorherrschende Marktbedingungen sollen sichtbar in die Preissetzung einfließen.11

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Für eine Annäherung an die inhaltlichen Themengebiete der neuen EBA-Leitlinie lohnt sich zunächst der Blick auf die damit verbundene Zielsetzung. Es soll ein einheitlicher aufsichtlicher Rahmen auf europäischer Ebene zur Risikoübernahme geschaffen werden. Dadurch soll eine hohe Qualität der Kreditvergabe sichergestellt werden und im weiteren Verlauf des Kreditlebenszyklus das Management, die Verwaltung und Überwachung der Kredite gesichert und verbessert werden. Die EBA hat dazu einige wesentliche Prinzipien etabliert. Neben dem Grundsatz der umsichtigen Kreditvergabe kommen Aspekte des Verbraucherschutzes, das Thema Finanzstabilität und auch das bereits eingangs erwähnte Proportionalitätsprinzip zum Ausdruck.

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Die inhaltlichen Schwerpunkte setzt die Aufsicht insbesondere bei den ESG-Faktoren, zusammen mit dem Aspekt der „technologischen Innovationen“ im Kreditentscheidungs-prozess, worauf erstmalig Bezug genommen wird. Ein anderes, wichtiges Schwerpunktthema bildet die IT & Daten-Infrastruktur, auf die explizit verwiesen wird sowie die im Zusammenhang mit der NPL Leitlinie12 zu sehenden Frühwarnindikatoren. Dazu kommen noch umfangreiche Anforderungen im Anhang der EBA-Leitlinie, wenn es darum geht, die Kreditwürdigkeit zu prüfen, und dezidierte Vorgaben zur Bewertung von Unternehmen aufzusetzen. Sie gelten für den gesamten Kreditlebenszyklus. Anforderungen dieser Art sind mit Blick auf bereits bestehende, kreditbezogene Leitlinien nicht unbedingt neu, haben aber im Umfang deutlich zugenommen.

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Hinsichtlich des Inkrafttretens der Leitlinie am 30. Juni 2021 gilt, dass die Leitlinie, bezogen auf die Banken mit Sitz in Deutschland, verbindlich erst einmal nur für die 21 großen SSM-Banken (Single Supervisory Mechanism), die die Europäische Zentralbank beaufsichtigt, gilt.13 Diese direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigten Institute des SSM müssen die Anforderungen der Guideline ab dem 30. Juni 2021 stufenweise umsetzen. Die vollständige Umsetzung der Guideline ist für sie bis 30. Juni 2024 verpflichtend.

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Die neuen Leitlinien werden somit aufgrund der pandemiebedingten Erleichterungen in den Umsetzungsfristen im Rahmen der bereits eingangs erwähnten dreistufigen Umsetzungskaskade eingeführt. Während die Vorgaben ab Juni 2021 für alle Neugeschäfte im Kreditbereich anzuwenden sind, bestehen Ausnahmen für Bestandsengagements. Für bestehende Kreditverträge, die inhaltliche Anpassungen erfordern (also Waiver, Restrukturierungen etc.), gelten die EBA-Leitlinien ab Juni 2022. Erst in drei Jahren, d.h. ab Juni 2024 werden sie dann für alle Kreditfazilitäten wirksam, d.h. auch für das restliche Bestandsgeschäft. Den Instituten bleibt somit mehr Zeit, die Erfüllung der umfangreichen Informations- und vor allem Datenanforderungen der EBA vorzubereiten, als in der Konsultationsfassung ursprünglich vorgesehen.

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Für von der BaFin beaufsichtigte Kreditinstitute (in Deutschland derzeit insgesamt 1.740 Banken und 674 Finanzdienstleistungsinstitute14) zeichnet sich die Umsetzung in die nationale Regulatorik mit der Konsultation 14/2020 zur 7. MaRisk Novelle klar ab.15 Eine Befassung im MaRisk Fachgremium zur 7. MaRiskNovelle soll ab Mitte 2021 erfolgen, um eine zügige Umsetzung in deutsches Aufsichtsrecht zu gewährleisten.16

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Die neue EBA-Leitlinie ist in sieben Hauptthemengebieten eingeteilt, wobei die drei Themen Governance, ESG und Daten hierbei die Eckpfeiler der Leitlinie bilden:


 1. Die Governance als Überbau für das Kreditgeschäft gibt die Rahmenbedingungen für die Risikokultur, Strategie und Prozessabläufe vor – unter Beachtung des Proportionalitätsprinzips. In diesem Zusammenhang wird auch der Bereich der Geldwäscheprävention oder CTF (Counter-Terrorism Financing), und somit die Verhinderung von Terrorfinanzierung, explizit in der neuen Leitlinie mitberücksichtigt.

 2. Einen sehr großen Raum nehmen zudem die Vorgaben zur Kreditvergabe, insbesondere die ESG-Faktoren ein. Diese bilden, wie hier beschrieben, die stützenden Pfeiler in der Zukunft.

 3. Wenn man die Governance als den Überbau und die ESG-Faktoren als Stützpfeiler der Leitlinie sieht, dann bilden die Daten das Fundament für das Kreditgeschäft. Grund dafür ist eine neue Dimension an Datenanforderungen aus den fachlichen Bereichen, die eine detaillierte und granulare Dateninfrastruktur erfordert. Diese Anforderungen gelten explizit über den gesamten Kredit-Lebenszyklus. Sie umfassen sowohl die Berücksichtigung qualitativer Faktoren sowie Frühwarnindikatoren, mit einer hohen Anforderung an die Integrität und Transparenz der Daten, als auch das interne und externe Reporting. Ebenfalls umfasst ist die Ermittlung einer zukunftsgerichteten Kapitaldienstfähigkeit, die wiederum Daten für regelmäßige Sensitivitäts- und Negativ-Szenario-Analysen erfordert.

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Weitere Kategorien der EBA GL sind die Kreditvergabe, Sicherheiten, Monitoring und Pricing:

 4. Hinsichtlich Kreditvergabeverfahren und Kreditwürdigkeitsprüfung bestehen die bereits erwähnten, erweiterten Anforderungen an die Informations- und Datenerhebungen gegenüber Kreditnehmern. Aber auch Anforderungen (i.S. der Dokumentation) an eine technologieunterstützte Kreditvergabe sind einzuhalten.Ein wichtiger Punkt dabei ist das Thema technologische Innovation. Die Aufsicht befindet sich hier in einer Konfliktsituation, was beispielsweise anhand der Diskussionen im Bereich Machine Learning bzw. Artificial Intelligence („AI“) zu sehen ist, da die Aufsicht noch nicht in jedem Bereich Antworten auf dringende Fragen gefunden hat. Auf der einen Seite sind Anforderungen im quantitativen oder analytischen Bereich im Grunde nicht mehr zu bearbeiten ohne, dass man auf entsprechende technologische Innovationen zurückgreift, wie AI oder Big Data. D.h. Nutzung und Bereitstellung nicht nur von internen Daten für die Überwachung, sondern auch unter Einbeziehung von externen Daten und Datenquellen. Die entscheidende Frage ist, wie die in Algorithmen hinterlegten Informations- und Datentransfers zu überwachen sind. Genau dies ist auch eine der neuen Herausforderungen, mit denen sich auch die Aufsicht konfrontiert sieht. Auf der einen Seite bedeutet die neue Leitlinie ein Push in Richtung der neuen Technologien, auf der anderen Seite bedingt dieser Vorstoß auch die Notwendigkeit, einen (aufsichts-)rechtlichen Rahmen dafür zu schaffen, um die Datennutzung kontrollieren und entsprechend validieren zu können.

 5. Neben den genannten Hauptthemengebieten nimmt der Bereich Sicherheitenbewertung einen großen Raum in dieser Guideline ein. Hier ist insbesondere die Limitierung der Verwendung statistischer Modelle (d.h. Assetbewertung soll in erster Linie von einem Bewerter durchgeführt werden und nicht von einer Modellrechnung)17 hervorzuheben.

 6. Auch das eingangs erwähnte Kapitel Monitoring, d.h. die Überwachung während des Kreditlebenszyklus, ist kein grundsätzlich neuer, aber ein sehr dominierender Bereich. Darunter zu fassen sind insbesondere die Themen Frühwarnsystem, Integration und Stresstest bzw. Sensitivitätsanalysen.

 7. Abschließend sei noch das Thema Pricing (aufsichtsrechtliche Erwartungen an eine risikobasierte Preisgestaltung) erwähnt, welches jedoch nur einen vergleichsweisen kurzen Abschnitt in der EBA-Leitlinie einnimmt, sowie, nicht zu vergessen, die umfangreichen Anhänge.

1 EZB, 03.2018 – SSM-Aufsichtshandbuch, Europäische Bankenaufsicht: Funktionsweise des SSM und aufsichtlicher Ansatz, S. 4 (ISBN 978-92-899-3720-7). 2 EBA/CP/2019/04, Tz. 67, 69. 3 EBA/CP/2019/04, Tz. 63; EBA/GL/2020/06, Tz. 70. 4 EBA/CP/2019/04, Tz. 74, 75. 5 EBA/CP/2019/04, Tz. 47; EBA/GL/2020/06, Tz. 53. 6 EBA/CP/2019/04, Tz. 85, 88; EBA/GL/2020/06, Tz. 89. 7 EBA/CP/2019/04, Tz. 121, 145; EBA/GL/2020/06, Tz. 117, 158. 8 EBA/CP/2019/04, Tz. 48; EBA/GL/2020/06, Tz. 56. 9 EBA/GL/2020/06, Tz. 149. 10 EBA/GL/2020/06, Tz. 182, 183. 11 EBA/CP/2019/04, Tz. 186; EBA/GL/2020/06, Tz. 199, 200. 12 EBA/GL/2018/06, TZ 83, 96, 241. 13 https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/EUBankenaufsicht/SSM/ssm_node.html. 14 https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/bankenfinanzdienstleister_node.html. 15 https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2020/kon_14_20_Konsultation_MaRisk.html. 16 https://www2.deloitte.com/de/de/pages/audit/articles/marisk-ueberblick.html. 17 EBA/GL/2020/06, Tz. 210.

II. Auswirkungen der finalen EBA-Leitlinie zur Kreditvergabe und -überwachung

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Wir führen in regelmäßigen Abständen Umfragen auf eigenen Themennachmittagen mit den eingeladenen Banken durch und haben anlässlich einer dieser Reihen im November 2019 eine Umfrage zu den Anforderungen aus der neuen EBA-GL durchgeführt, damals allerdings noch auf Basis des Konsultationspapiers. Die Ergebnisse werden nachfolgend beschrieben:

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Von den Teilnehmern wollten wir wissen, wie sie die EBA-Leitlinie für ihr jeweiliges Institut einordnen und bewerten. Hierfür haben wir den fünf wesentlichen Bereichen der Leitlinie zusätzlich die Kategorien 1) Fachlichkeit/Methodik, 2) Prozesse sowie 3) Daten & Systeme zugeordnet und die Teilnehmer gebeten, die Auswirkung bzw. Komplexität zu bewerten. Anschließend wurde eine Abstimmung zu den folgenden Fragen durchgeführt:

 1. Sind die EBA-Kreditleitlinien in Ihrem Haus bereits thematisiert worden?

 2. Wie schätzen Sie die Komplexität der neuen Kreditleitlinien insgesamt ein?

 3. Wie bewerten Sie den Umsetzungsaufwand im Zusammenhang mit den neuen Governance-Anforderungen?

 4. Die Leitlinien enthalten ausführliche Vorgaben zur Kreditvergabe. Wie beurteilen Sie den Umfang notwendiger Anpassungen?

 5. Wie schätzen Sie die Komplexität der neuen Anforderungen an die risikobasierte Preisgestaltung ein?

 6. Die Leitlinien enthalten detaillierte Anforderungen an die Überwachung und Neubewertung von Sicherheiten. Wie bewerten Sie den Umsetzungsaufwand?

 7. Wie bewerten Sie die Komplexität des Monitoring-Rahmenwerks?

 8. Eine geeignete Dateninfrastruktur soll sämtliche der zuvor genannten Bereiche unterstützen. Wie schätzen Sie die notwendigen Anpassungen ein?

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In den Ergebnissen stach deutlich der antizipierte Aufwand zur Umsetzung der neuen Leitlinien hervor, zum einen in Bezug auf die detaillierten Anforderungen zur Dokumentation bei der Kreditvergabe und -überwachung, und zum anderen in dem Bewusstsein, dass die Verwendung von Kennzahlen mit Daten verbunden ist, die in den Systemen bereitzustellen sind. Dieser datenbezogene Aufwand wird daher als hoch eingeschätzt. In Bezug auf die Dateninfrastruktur sogar als sehr hoch. Die Hypothesen, die man aus dieser Umfrage ableiten kann, sind:

 – Einige Finanzdienstleister hatten sich dem Thema noch gar nicht angenommen.

 – Einige Finanzdienstleister hatten Vorstudien begonnen; Umsetzungsprojekte waren die Ausnahme.

 – Einige Themen waren bereits durch bestehende Regularien abgedeckt, in Deutschland insbesondere durch die MaRisk.

 – Es gab eine Vielzahl neuer Themen und detailliertere Anforderungen (>50 %), die zum Teil aufwendige Konzeptionsarbeiten mit sich bringen.

 – Es ist ein sehr ambivalenter Vorstoß zur Anwendung von Innovationen im Bereich Kreditvergabe und -überwachung (z.B. AI) wahrzunehmen.

III. Besondere Herausforderungen in der Umsetzung

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Nachfolgend werden einige der wesentlichen Herausforderungen der neuen EBA-Leitlinie ausführlicher vorgestellt. Insbesondere müssen zur Bewertung des Umsetzungsaufwands und der damit verbundenen Herausforderungen durch die Einführung der neuen EBA-Leitlinie, aber auch die bereits bestehenden, externen Herausforderungen und der Druck, dem die Banken im aktuellen Marktumfeld letztendlich ausgesetzt sind, verdeutlicht werden.

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Angefangen bei den bereits bestehenden regulatorischen Anforderungen, neuen Marktteilnehmern (Stichwort Fintechs), einem erhöhten Wettbewerbsdruck, sinkenden Margen aufgrund der Niedrigzinspolitik auf der einen Seite und hohem Kostendruck auf der anderen durch Themen der Digitalisierung und Automatisierung, sind die Banken ohnehin bereits einem enormen Transformationsdruck ausgesetzt. Sie müssen sich verändern; sie müssen sich in erster Linie verschlanken und gleichzeitig mit einer effizienteren und höheren Granularität der Datenbasis auf die neuen regulatorischen Anforderungen antworten können.

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Zu diesen externen Herausforderungen kommen nun die Herausforderungen der neuen Leitlinie selbst, die wir nachfolgend näher beleuchten wollen, da es für fast alle Institute in Abhängigkeit vom spezifischen Geschäftsmodell trotz der umfangreichen Überarbeitung im Vergleich zur Konsultationsfassung wesentliche inhaltliche und zeitliche Herausforderungen in der Umsetzung gegeben hat und noch geben wird:

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Technologische Innovationen beispielsweise erhalten durch die EBA-Leitlinien einen regulatorischen Rahmen, obwohl der Begriff zunächst einmal sehr breit gefasst ist. Die EBA verweist zwar lediglich auf die FinTech-Definition des Financial Stability Board (FSB). Gemeint sind in jedem Fall aber auch technologiebasierte Modelle im Rahmen der Kreditvergabe und -überwachung. Die Leitlinie sagt dazu Folgendes: die Ergebnisse solcher Modelle müssen grundsätzlich erklärbar sein. Als erklärbar gelten Modelle dann, wenn es möglich ist, ein Verständnis dafür zu schaffen, wie ein Ergebnis erzielt wird. Hinter dem Ergebnis stehende Strukturen sollten einen geringen Komplexitätsgrad aufweisen und leicht nachzuvollziehen/interpretierbar sein. Alternativ ist es möglich, darzulegen, aus welchen Gründen das Ergebnis erreicht wurde, d.h., anhand expliziter Erläuterungen bspw. hinsichtlich der Bedeutung verwendeter Variablen lässt sich das Resultat rechtfertigen. Banken, die den Einsatz technologischer Innovationen innerhalb ihrer Kreditprozesse forcieren, werden demnach angehalten, notwendiges Wissen zu deren Nutzung und zur Erkennung ihres Einflusses im Kreditgeschäft vorzuhalten. Die Herausforderung liegt darin, das notwendige Know-how in der Organisation (inkl. Topmanagement) vorzuhalten sowie entsprechende Dokumentations- und Impactstandards aufzubauen, um diese Vorgabe überhaupt erfüllen zu können (was mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist).

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Eng verbunden mit dem Thema technologische Innovationen ist der Bereich Daten und IT-Infrastruktur:

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Gem. EBA sind sowohl zum Zeitpunkt der Kreditvergabe als auch fortlaufend über den gesamten Kreditlebenszyklus stets korrekte und aktuelle Informationen zum Kreditengagement vorzuhalten. Die EBA macht dazu konkrete Vorgaben zur Auskunftstiefe der Daten und fordert, bei begründetem Anlass eine entsprechende Plausibilitätsprüfung durchzuführen sowie Informationen unter Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzanforderungen somit zu verifizieren.18 Insbesondere bei der Finanzierung von kleinen Unternehmen und Start-ups/FinTechs kann dies zum Aufwandstreiber werden.

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Auch die Anforderungen an die technische Datenerhebung erfordern pragmatische Lösungen der Institute, denn neben der umfangreichen und granularen Datenerhebung an der Kundenschnittstelle sind damit auch die Integration der Daten über Systeme und Entitäten hinweg notwendig. Trotz der eingangs beschriebenen dreistufigen Umsetzungskaskade wird es sich für Institute als herausfordernd herausstellen, alle benötigten Daten stets aktuell, korrekt und jederzeit verfügbar vorzuhalten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass IT-Bereiche derzeit bereits durch die zunehmende digitale Transformation und weitere regulatorische Projekte stark ausgelastet oder sogar überlastet sind.

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Im dritten großen Schwerpunktthema, den ESG-Faktoren, verankert die EBA zum ersten Mal Anforderungen zur Berücksichtigung von ESG-Faktoren im Kreditgeschäft und greift damit natürlich künftig anstehenden, themenspezifischen Leitlinien und Regularien vor. Die Institute sollten dies als Anlass nutzen, eine eigene Definition von ESG – auch vor dem Hintergrund bereits bestehender nationaler Initiativen – zu entwickeln und eine Berücksichtigung im Kreditrisikomanagement sicherzustellen.

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Exkurs: ESG-Faktoren und -Risiken

Dazu eine kleine Erläuterung: „Die aus dem Klimawandel herrührenden Risiken für die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kreditnehmer treten vorwiegend in Form physischer Risiken auf, z.B. aufgrund der physischen Folgen des Klimawandels; hierzu zählen auch Haftungsrisiken in Bezug auf die Verursachung des Klimawandels oder Umstellungsrisiken [transitorische Risiken], z.B. Risiken, die dem Kreditnehmer aus der Umstellung auf eine CO2-emissionsarme und klimaresistente Wirtschaft entstehen können. Darüber hinaus können sich weitere Risiken realisieren, z.B. Veränderungen der Markt- oder Verbraucherpräferenzen und rechtliche Risiken, die sich auf die Werthaltigkeit der zugrunde liegenden Vermögenswerte auswirken können.“19

Was sind die möglichen Herausforderungen der Berücksichtigung von ESG-Faktoren im Kreditgeschäft?

 – Überarbeitung (Kredit-)Risikostrategie

 – Integration der ESG-Faktoren und der damit verbundenen Risiken in die Kreditrisikokultur, die Strategien (u.a. „Risikoappetit“), das Verfahren

 – Evtl. Einrichtung ökologisch nachhaltiger Kreditfazilitäten

 – Definition von Ausschlusskriterien/Limiten (Divestment), Positivlisten, etc.

 – Überprüfung der gesamten Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsrisiken und „Übersetzung“ in bestehende Risikokategorien (einschl. Messung und Bewertung)

 – Analyse des Portfolios auf Nachhaltigkeitsrisiken (Anteile der Unternehmen im Portfolio, die ihre CO2-Emissionen offenlegen, Summe oder Anteil CO2-exponierter Vermögenswerte, „Carbon Footprint“ des Portfolios, Sensitivitäts- und Szenarioanalysen, (Climate) VaR etc.)

 – Implementierung angemessener Überwachung und Frühwarnindikatoren

 – Definition von KPI bzw. Kriterien im Zusammenhang mit der Kreditvergabe zur Begrenzung von Nachhaltigkeitsrisiken (auf Portfolioebene)

 – Erhebung angemessener Informationen (insbes. Anbindung an externe Datenquellen)

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Aus der jederzeit erweiterbaren Liste von Herausforderungen wird ersichtlich, dass eine Vielzahl von Maßnahmen im Zusammenhang mit ESG erforderlich ist.

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Beim Thema Sicherheitenbewertung sollte nicht unerwähnt bleiben, dass für die Hereinnahme von Sicherheiten, die eigenkapitalmindernd angesetzt werden können, und solchen, die rein der Stärkung der Verhandlungsposition des Instituts im Falle eines Ausfalls dienen, die gleichen Anforderungen in Bezug auf die Prüfung der Werthaltigkeit zu erfüllen sind. Darüber hinaus ist ein geeignetes Rahmenwerk für die Rotation der Bewerter aufzustellen.20

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Dies kann, insbesondere bei kleineren Instituten, vor dem Hintergrund der ebenfalls geforderten spezifischen Qualifizierung der Bewerter zu Ressourcenengpässen führen.

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Eine weitere große Herausforderung stellen die Sensitivitätsanalysen dar. Die Leitlinie gibt vor, dass für die besicherten und unbesicherten Kreditvergaben an Konsumenten sowie mittlere und größere Unternehmen Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden sollen (wie bereits bekannt aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie). Die Analysen müssen den Einfluss potenzieller negativer Einflüsse auf die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers aufzeigen.21 Bei Hereinnahme von Sicherheiten sind auch die Sicherheitenwerte in die Sensitivitätsanalyse miteinzubeziehen. Um die aufsichtlichen Vorgaben zu erfüllen, erscheinen schon Sensitivitätsanalysen basierend auf (einfachen) „Bilanz-/GuV-/Cashflow-/Haushaltsrechnungs-Simulationen“ ohne Verwendung sophistizierter, mathematischer Modelle als Ausgangspunkt ausreichend. Davon ausgehend muss in einem zweiten Schritt angepasst bzw. differenziert werden, bspw. nach Art und Umfang des Exposures, Branche, Kundengröße oder geografischer Lage.

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Herausforderungen hält schließlich auch das Pricing bereit. Die EBA-Leitlinien schreiben keine konkrete Preisstrategie vor, formulieren jedoch wesentlich konkretere Leitplanken zur Entwicklung eines risikobasierenden Preisrahmens als die bekannten Vorgaben in MaRisk.22 Die Institute sollen auch ihren Ansatz für die Preisgestaltung nach Kreditnehmertyp und Kreditqualität definieren und sich (im Falle einer individuellen Preisgestaltung) an der Risikobereitschaft des Kreditnehmers orientieren.

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Die Einführung von differenzierten Pricing-Frameworks für verschiedene Kreditprodukte, Kundengruppen und Kreditqualitäten kann insbesondere für kleinere Institute eine fundamentale Überarbeitung der Methoden zur Kapital- und Kostenallokation bedeuten. Auch die Sicherstellung von Transparenz über die Querverbindungen zwischen Krediten, Kreditnehmern und Geschäftseinheiten kann sich als komplex erweisen.

18 EBA/GL/2020/06, Tz. 249. 19 EBA/GL/2020/06, Tz. 57. 20 EBA/GL/2020/06, Kap. 7.3, Tz. 231ff. 21 EBA/GL/2020/06, Tz. 107. 22 MaRisk BTO 1.2 Tz. 7.

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