Loe raamatut: «Jahrbuch der Baumpflege 2019», lehekülg 9

Font:

Wurzelschutz an Straßenbäumen – Beispiele für eine konsequente Umsetzung bei Tiefbaumaßnahmen
Tree root protection in streets – Examples for a consequent implementation at construction sites

von Markus Streckenbach und Jan Dreß

Zusammenfassung

Der Schutz von Bäumen bei Tiefbaumaßnahmen wird trotz der eindeutigen Hinweise aus bestehenden Standards regelmäßig missachtet. Zugleich kommt dem pfleglichen Umgang mit Stadtbäumen eine immer größere Bedeutung zu, da die Erwartungen an das Stadtgrün stetig zunehmen. Dabei wird offenbar, dass Bäume diese ohne funktionsfähige Wurzeln nicht erfüllen können und dass der Schutz dessen Wurzelbereichs in der Praxis sehr individuell und meist zum Nachteil des Baumes gehandhabt wird. Beschädigungen und Verluste von Wurzeln wirken sich ganz konkret auf den betreffenden Baum aus. Sie können in sehr geringem Umfang vernachlässigbar sein, unter Umständen jedoch die Standsicherheit eines Baumes gefährden. Der Beitrag zeigt am Beispiel der Hansestadt Hamburg, dass man dort die Notwendigkeit der konsequenten Umsetzung von Schutzmaßnahmen seit langem erkannt hat und diese mit großem Erfolg bei Tiefbaumaßnahmen an Straßen umsetzt.

Summary

Regardless of clear recommendations given by existing standards, the protection of trees during excavation is mostly overseen. At the same time, the expectations for urban green functions are increasing, leading to an ever increasing role for tree care. It is obvious that trees cannot meet any prospect without properly functioning roots and that in practice, the protection of the rooting area of trees is handled very individually – in most cases to the disadvantage of the tree. Injuries and the loss of roots leave their mark on the tree in question. They can be of minor significance but also endanger the tree stability. Using the example of the City of Hamburg this article illustrates, how the necessity for a consistent implementation of protection measures has not only been realized but has also turned into a practical daily routine with great success.

1 Einleitung

Baumkontrolleure, Baumpfleger, Baumsachverständige und Baumeigentümer stehen in Zusammenhang mit den Wurzelsystemen von Bäumen regelmäßig vor einer schier unlösbaren Aufgabe: Sie sollen die Standsicherheit eines Baumes bewerten, risikofrei in die höchsten Wipfel klettern, den Umfang von Wurzelverlusten beurteilen und ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommen – ohne Einblicke in den Wurzelraum von Bäumen zu haben. Vergleichbares wäre bei den oberirdischen Teilen von Bäumen undenkbar, wenn man diese nicht in Augenschein nehmen könnte, und doch wird der unterirdische Baumschutz bei Tiefbaumaßnahmen regelmäßig zulasten eben dieser Anforderungen auf das Gröbste missachtet. Der Ausführende geht womöglich zunächst von der Vermutung aus, dass im Wurzelraum eines betreffenden Baumes bislang keine Verluste zu verzeichnen waren. Er vertraut darauf, dass sogar die fachgerechte Entnahme von ein oder zwei stärkeren Wurzeln den Baum weder hinsichtlich seiner Standsicherheit noch seiner Vitalität beeinflussen wird. Dies alles jedoch ohne zu wissen, wie viele Wurzeln ein Baum tatsächlich noch besitzt oder wo sich diese befinden (Abbildung 1).

Abbildung 1: Wie so oft stand auch bei dieser Baumaßnahme der Schutz des Baumes nicht im Vordergrund. Seine Standsicherheit darf mit Blick auf die Wurzelverluste angezweifelt werden.

Daher kommt es in zahlreichen Fällen, insbesondere bei Straßenbäumen ab ihrer Reifephase, zu mitunter folgenschweren Fehleinschätzungen. Die Unschuldsvermutung, dass ein gegebener Baum im städtischen Umfeld noch sämtliche Wurzeln besitzt und sich im Gehwegbereich ein weitläufiges Areal erschlossen hat, ist nach allen Erfahrungen kaum zutreffend (Abbildung 2). Es muss im Gegenteil, und gerade bei straßenbegleitenden Baumpflanzungen in unseren Städten, sehr viel eher davon ausgegangen werden, dass ein Baum schon in einem Alter von nur 25 bis 30 Jahren im Laufe der Zeit an seinem Standort bereits umfängliche und nicht kompensierte Wurzelverluste erlitten hat.

Dementsprechend kommt dem Schutz der an einem Straßenbaum (noch) vorhandenen Wurzeln eine überragende Bedeutung zu. Der steigende Bedarf an baumfachlichen Begleitungen von Tiefbaumaßnahmen zeigt, dass die beharrlich geführte Diskussion um die Wertschätzung des Wurzelraumes von Bäumen mittlerweile Früchte trägt. Es erscheint auch fachübergreifend akzeptiert, dass der Schutz der Wurzeln einen wichtigen Pfeiler des Baumschutzes darstellt, und es herrscht Konsens darüber, dass dieser ein integrativer Bestandteil eines jeden Baumschutzkonzeptes sein muss (PAGANELLI 2014; AMTAGE 2019).

Abbildung 2: Durch Abgrabungen kommt es bei den meisten Straßenbäumen im Laufe der Zeit zu umfangreichen Wurzelverlusten, die nicht ohne Auswirkungen bleiben.

Die hier vorgestellten Beispiele einer konsequenten Umsetzung des Wurzelschutzes sollen dabei helfen, bestehende Unsicherheiten auszuräumen, den Aufwand für diese Leistungen korrekt abzuschätzen und damit den Wurzelschutz zu einer kalkulierbaren Größe zu machen.

2 Baumbiologische Grundlagen

Eingriffe in das Wurzelsystem eines Baumes sind in mehrfacher Hinsicht bedeutsam, insbesondere mit Blick auf

 die Standsicherheit,

 die Vitalität,

 die Energiereserven und

 den Phytohormon-Haushalt.

Die Standsicherheit wird im Wesentlichen durch eine ausreichende Verankerung des Baumes mit seinen Wurzeln im Erdreich gewährleistet. Dies setzt zum einen intakte und funktionsfähige Wurzeln voraus, die in der Lage sind, den Baum gegen ein Umstürzen zu sichern (COUTTS 1983; SMILEY 2008). Zum anderen ist die Verteilung der Wurzeln bzw. der Wurzelmasse von Belang, da beispielsweise stark asymmetrisch aufgebaute Wurzelsysteme den Lastabtrag nicht in jeder Windrichtung gleichermaßen erlauben (MICKOVSKI & ENNOS 2003).

Die Vitalität eines Baumes ist Ausdruck seines Gesundheitszustandes und erlaubt beispielsweise Rückschlüsse auf das zu erwartende Regenerationsverhalten, d. h. die Fähigkeit, sich von vorübergehenden Mangelsituationen zu erholen (ROLOFF 2018). Dabei spielen die Wurzeln eine maßgebliche Rolle, da Bäume über sie das lebenswichtige Wasser und die darin gelösten Nährstoffe aufnehmen. Jeder Wurzelverlust beeinträchtigt, zumindest temporär, diese Kapazitäten und schwächt damit den Baum (BENSON et al. 2018).

In der klassischen Baumpflege verbieten sich unbegründete Entnahmen von Starkästen nicht nur aufgrund der damit einhergehenden Entstehung von großen Wunden, deren nachfolgende Überwallung fraglich ist (DUJESIEFKEN & LIESE 2008). Durch die in den Ästen eingelagerten Stärkevorräte wird der Baum zudem eines Teils seiner Energiereserven beraubt. Gleiches gilt für Wurzeln, die in besonderer Weise als Speicherstätte für Kohlenhydrate fungieren (TROMP 1983) und daher in ihrer Gesamtheit zu Recht als Nahrungskammer der Bäume bezeichnet werden.

Zu jeder Zeit werden auch Phytohormone in Bäumen gebildet, umverteilt und verbraucht. Diese Verbindungen entstehen vor allem in teilungsaktiven Geweben wie Knospen und Wurzelspitzen. Dabei entstehen in den Wurzeln insbesondere Cytokinine, die unter anderem Alterungsprozesse verzögern (WERNER et al. 2001). Wurzelverluste führen somit stets auch zu einem Ungleichgewicht im Phytohormon-Haushalt, was insgesamt betrachtet die (vorzeitige) Vergreisung eines Baumes beschleunigt, sofern sich nicht wieder ein Gleichgewicht einstellt.

2.1 Die Funktionen von Wurzeln und die Gestalt von Wurzelsystemen

Wurzeln dienen einem Baum nicht nur zu seiner festen Verankerung im Boden. Über die Wurzeln gelangt das im Boden verfügbare Wasser mit den darin gelösten Nährstoffen in den Baum. In den Wurzeln entstehen Phytohormone, und photosynthetisch hergestellte Reservestoffe werden in großen Mengen in ihnen gespeichert. Da Wurzeln verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen, treten sie in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf, und auch die Wurzelsysteme von Bäumen sehen bereits nach wenigen Standjahren nicht mehr so aus wie zum Zeitpunkt der Pflanzung.

2.2 Die Aufgabenteilung innerhalb eines Wurzelsystems

Die Wurzelspitze/Wurzelhaube(Kalyptra)

Jede Wurzel besitzt an ihrer Spitze ein teilungsaktives Zentrum. Die hier ständig neu gebildeten Zellen bilden in Richtung des Wurzelursprungs den eigentlichen Wurzelkörper und in Richtung der Wurzelspitze eine Haube. Nur im Bereich der Spitze entscheidet sich, welche Richtung eine Wurzel einschlägt, wobei der Wurzelhaube eine besondere Bedeutung zukommt (IIJIMA et al. 2008). Die neu gebildeten Zellen strecken sich ebenfalls nur in der Nähe der Spitze, und nur hier wächst eine Wurzel dadurch in die Länge. Das Abtrennen einer Wurzelspitze wird zumeist innerhalb kurzer Zeit durch die Ausbildung von Seitenwurzeln hinter der Schnittstelle kompensiert (STRECKENBACH & SCHRÖDER 2012).

Die Wurzelhaare/Mykorrhizen

Hinter der Streckungszone stülpen sich einige der äußersten Zellen der jungen Abschlussgewebe schlauchartig aus und bilden hierdurch die sogenannten Wurzelhaare. Ihre Zellwände sind durchlässig für Wasser und die darin gelösten Nährstoffe. Wurzelhaare stehen in sehr engem Kontakt zu den feinsten Bodenteilchen, was zur Verankerung der Pflanze und zur Aufnahme von Nährstoffen an der Oberfläche der Bodenpartikel beiträgt. Zur Entwicklung von Wurzelhaaren bedarf es einer hohen Feuchtigkeit der Bodenluft, weswegen sie bei Wurzeln von Bäumen im Straßenraum nur selten in Erscheinung treten (BIBIKOVA & GILROY 2002). An mykorrhizierten Wurzelspitzen werden die Wurzelhaare funktionell durch die Hyphen der hilfreichen Pilze ersetzt und sind daher entbehrlich.

Feinst- und Feinwurzeln

Hinter der Spitze wachsen Wurzeln allmählich in die Dicke, und die für den Wassertransport genutzten Gewebe im Inneren verholzen zunehmend. Die Abschlussgewebe verkorken durch Einlagerungen, so dass sich eine erste feine Borke bildet. Sie bietet mechanischen Schutz, dient jedoch vor allem der Eindämmung von Wasserverlusten. Hiermit einhergehend verringert sich auch die Flexibilität der jungen Wurzeln. Sie werden zunehmend starr und übernehmen damit in immer größerem Maße statische Funktionen (PUHE 2003). Wenngleich jede Baumwurzel die bisher aufgezeigten Stadien durchläuft, so erstarken nicht alle jemals gebildeten Wurzeln, und nur vergleichsweise wenige erreichen auch stärkere Durchmesser.

Schwachwurzeln

Die Verankerung eines Baumes mit jungen Wurzeln wird im Laufe der Zeit durch die Entwicklung von stärkeren Wurzeln gefestigt. Über sie werden vorrangig die auf den Baum wirkenden (Wind-)Lasten in den Boden abgetragen. Dabei arbeiten diese im Verbund mit den jüngsten Verästelungen an den Enden der Wurzelstränge. Bei einem Windstoß geht durch die auf Zugbelastungen optimierten Wurzeln ein Ruck, der dazu führt, dass die feinsten Verästelungen „zuschnappen“ und den zwischen den Wurzeln liegenden Boden ruckartig umschließen (MATTHECK et al. 2014). Der Verlust einer Schwachwurzel muss daher stets im Kontext mit dem damit einhergehenden Verlust des anhängigen Wurzelstranges betrachtet werden.

Grob- und Starkwurzeln

Viele Schwachwurzeln werden in ihrer weiteren Entwicklung zu Grob- und Starkwurzeln. Neben dem Lastabtrag und der statischen Funktion, d. h. der Verankerung im Boden, dienen sie insbesondere der Speicherung von Reservestoffen, vorrangig von Stärke. Dabei handelt es sich um die Einlagerungsform der photosynthetisch gebildeten Kohlenhydrate; sie stellen die Treibstoffvorräte eines Baumes dar (RAMIREZ et al. 2018). Sämtliche Wachstumsvorgänge, die mit Ausnahme der Winterruhe fortlaufend stattfinden, verbrauchen Energie (Kohlenhydrate) und zehren daher von den Vorräten. Übersteigt die Nachfrage das vorhandene Angebot längerfristig, führt dies unweigerlich zum Niedergang eines Baumes.

2.3 Die Wurzeltrachten von Bäumen am Naturstandort

Die Gestalt der Wurzelsysteme von Bäumen ist wie die Gestalt ihrer Kronen genetisch vorgegeben. Bei den allermeisten Arten ist die zuerst gebildete Polwurzel stark vortriebig und differenziert sich zu einer Pfahlwurzel aus. Bei einigen Baumarten bleibt diese Wurzel bestimmend, und es bildet sich ein Pfahlwurzelsystem aus (z. B. bei der Stiel-Eiche). Wenn die Pfahlwurzel nicht dominiert und neben dieser noch weitere der neu gebildeten Wurzeln gleichberechtigt hinzukommen, formen sich zumeist Herzwurzelsysteme aus (z. B. beim Berg-Ahorn). Konzentriert sich das Tiefenstreben jedoch auf vereinzelte Wurzelstränge, entstehen in aller Regel Senkerwurzelsysteme (z. B. bei der Gewöhnlichen Esche).

Die Formen der Wurzeltrachten werden maßgeblich durch die Eigenschaften des Bodens am Standort beeinflusst, so dass sich das für eine Art charakteristische Wurzelsystem oftmals nur undeutlich herausbildet. Unabhängig davon gilt jedoch, dass eine einmal durchtrennte Pfahlwurzel (z. B. durch Verbiss oder das Unterschneiden in der Baumschule) nicht wieder ersetzt wird. Einmal abgetrennt bedeutet in diesem Fall für immer abhanden.

2.4 Der Einfluss des Bodens auf Baumwurzeln am Stadtstandort

Die Gestalt von Wurzelsystemen weicht am Stadtstandort meist überaus deutlich von der genetisch vorgegebenen und am Naturstandort realisierbaren Gestalt ab. Dies liegt an den besonderen Umgebungsbedingungen im Straßenraum, die das Wachstum von Wurzeln und damit die Entstehung von Wurzelsystemen nachhaltig beeinflussen (STRECKENBACH & STÜTZEL 2010). Wurzeln reagieren auf die sie umgebenden Reize und folgen ihnen, wenn sie ihren Ansprüchen entgegenkommen bzw. wenden sich von ihnen ab, wenn sie ihren Ansprüchen entgegenstehen. Die Bodenluft, das Bodenwasser und die Bodendichte stellen dabei die wichtigsten Einflussgrößen dar.

Die Durchlüftung des Bodens (Bodenluft)

Die Versiegelung des Baumumfeldes bringt es mit sich, dass die Lebensgrundlage eines Baumes, der Boden, von der Atmosphäre abgeschnitten wird. Hierdurch kann der Gasaustausch nicht mehr ungehindert stattfinden und so die Bodenluft knapp werden. Wachsende Wurzeln sind jedoch auf die Zufuhr von Sauerstoff angewiesen („Wurzelatmung“), da ihr Stoffwechsel sonst zum Erliegen kommt und sie absterben. Gleichzeitig produzieren Wurzeln Kohlenstoffdioxid, das sich in einem versiegelten Boden anreichert und das Wachstum ebenfalls zum Erliegen bringen kann, da es nicht mit durchfließendem Regenwasser abgeführt wird. Wurzeln wachsen bevorzugt in gut durchlüfteten Bereichen, die sie im Straßenraum vor allem in oberflächennahen Bodenschichten vorfinden (STRECKENBACH et al. 2009).

Der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens (Bodenwasser)

Die Versiegelung des Bodens beeinflusst auch dessen Feuchtigkeitsgehalt, da das Versickern von Regenwasser hierdurch verhindert oder zumindest erschwert wird. Je weniger Wasser in einem Boden vorhanden ist, desto weniger Wasser steht dem hier wachsenden Baum zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen und zum Wachstum zur Verfügung. Dass Wurzeln zunächst einmal nach unten wachsen, hilft ihnen dabei, Anschluss an Grundwasser führende Bodenschichten zu bekommen. Dieser Wachstumsreiz wird von Wasser im Boden maßgeblich erhöht, da Wurzeln diesem regelrecht hinterherwachsen (STRECKENBACH et al. 2010). Unterbleibt der Eintrag von Regenwasser und ist der Feuchtigkeitsgehalt eines Bodens durch Versiegelung erniedrigt, entwickeln sich Wurzeln vor allem nahe der Oberfläche, wo sie eine noch ausreichende Bodenfeuchtigkeit vorfinden.

Der Eindringwiderstand des Bodens (Bodendichte)

In bebauten Umgebungen ist das Baumumfeld in aller Regel hoch verdichtet, da der hier vorhandene Boden vor allem Last aufnehmen muss. Solche Verdichtungen entstehen zumeist durch den unbekümmerten Einsatz von Maschinen oder sie werden als straßen- bzw. tiefbautechnische Anforderung umgesetzt. Verdichtungen betreffen durch die Entstehung von sog. Druckzwiebeln auch tief unter der Oberfläche liegende Bodenschichten und führen zu einer für Bäume höchst nachteiligen Veränderung der Bodenstruktur. Insbesondere die luft- und wasserführenden Poren werden zumeist unwiderruflich zerstört, was nicht ohne Einfluss auf Wurzeln bleibt, da sie in derartige Bereiche nicht oder in einem nur sehr geringen Umfang einwachsen können (STRECKENBACH 2011). Auch die Verdichtung eines Bodens führt somit zur Entwicklung von oberflächennah ausgebildeten Wurzeln.

2.5 Beschreibung des Wurzelbereichs eines Baumes

Als eine Folge der zuvor beschriebenen Einflüsse konzentrieren sich das Wachstum von Wurzeln und die Entwicklung von Wurzelsystemen am Stadtstandort noch stärker auf oberflächennahe Bodenbereiche als es am Naturstandort bereits der Fall ist, so dass sich meist der Großteil aller Wurzeln eines Baumes in den oberen Bodenhorizonten befindet (RANDRUP et al. 2001). Dennoch können einzelne Wurzelstränge auch Wuchstiefen von 1,5 m oder mehr erreichen, wenn es die Bodenverhältnisse zulassen.

Die häufig zitierte Daumenregel, dass die Ausdehnung der Kronentraufe der horizontalen Wurzelausbreitung entspricht, hat bereits am Naturstandort nur selten und am Stadtstandort nie einen Bezug zur realen Situation. Aufgrund der hier vor allem oberflächennah ausgebildeten Wurzeln kann die Entfernung sämtlicher außerhalb der Kronentraufe liegenden Wurzeln mitunter den Verlust des halben Wurzelsystems eines Baumes bedeuten. Daher ist der von Störungen freizuhaltende Wurzelbereich eines Baumes als die unter dem Schirm der Krone liegende Fläche zuzüglich 1,5 m zu allen Seiten festgelegt. Bei schmalkronigen Arten oder Sorten sind es sogar 5 m zu allen Seiten (FGSV 1999; DIN 2014). Der Wurzelbereich ist Teil des Wurzelraumes, zu dem der Boden als untrennbare Komponente gehört. Wie zuvor dargelegt, bedeutet eine Einflussnahme auf den Boden stets auch die Einflussnahme auf die hier vorkommenden Wurzeln und damit auf einen hier wachsenden Baum (Abbildung 3).

3 Die Auswirkungen von Eingriffen im Wurzelraum

Neben der Beeinflussung des Wurzelraumes durch Veränderungen des Bodens werden Wurzeln im Zuge von Tiefbaumaßnahmen regelmäßig auch direkt geschädigt. Hierzu zählen kontrollierte Eingriffe, wie sie z. B. zur Herstellung von Wurzelvorhängen im Vorfeld von Bautätigkeiten notwendig sind. Sorge bereiten vor allem unkontrollierte Eingriffe, da diese den betroffenen Baum unmittelbar oder mittelbar negativ beeinflussen (POMMNITZ 2016). Wenngleich solche Beschädigungen im Laufe der Zeit und unter entsprechend guten Bedingungen kompensiert werden können, bleiben sie niemals ohne Auswirkungen auf einen Baum.

Abbildung 3: Die Zufahrt zu dieser Baustelle liegt im unmittelbaren Schutzbereich dieser Baumgruppe. Die dort ersichtlichen Pfützenbildungen bilden die durch den Verkehr verursachte, die Bäume schädigende Verdichtung des Wurzelbereichs an der Oberfläche ab.

3.1 Wundreaktionen von Wurzeln

Da das CODIT-Prinzip1 für alle verholzenden Baumteile gilt, gleichen die Wundreaktionen von Wurzeln im Wesentlichen den Wundreaktionen, die an Zweigen, Ästen und Stämmen zu beobachten sind. Im Unterschied zu den oberirdischen Baumteilen besitzen Wurzeln jedoch zumeist einen höheren Anteil an parenchymatischen, d. h. lebenden und damit aktiv reaktionsfähigen Zellen. Hierdurch können Wundreaktionen effizienter ablaufen, wenn die Umgebungsbedingungen es erlauben (vgl. Abbildung 4). Daher kommt nicht nur dem vorsorgenden, sondern auch dem nachsorgenden Wurzelschutz große Bedeutung zu.

Abbildung 4: Glatt durchtrennt und versiegelt können Wurzeln in Abhängigkeit von den umgebenden Bodenbedingungen ausgesprochen gut regenerieren. Dabei sind jüngere Wurzeln effektiver als ältere Wurzeln.

33,80 €