Loe raamatut: «Lobbyarbeit», lehekülg 2

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2. KAPITEL

Ist Lobbyarbeit erlaubt?

Selbstverständlich. Gesellschaftliche Gruppen sollen ihre Interessen sogar ausdrücklich artikulieren. Aber natürlich gibt es auch Begrenzungen bei der Einflussnahme.

Lobbyarbeit hat einen schlechten Ruf. Viele Menschen denken sogar, sie sei unredlich oder gar verboten. Doch das stimmt nicht. Im Gegenteil. Lobbyarbeit ist höchst offiziell erlaubt und in vielerlei Hinsicht sogar vom deutschen Staat und der Europäischen Union erwünscht. Dies gilt vor allem für das Herzstück der Lobbyarbeit, für die Interessenvertretung: Bürger und Verbände dürfen, ja sollen sich gegenüber dem Staat und seinen Organen zu allen möglichen Themen äußern, Informationen einbringen und auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss nehmen.

Dieses Prinzip findet in der Gesellschaft Akzeptanz und wird in vielen Fällen für gut befunden, solange es um Sportverbände, Gewerkschaften oder Verbraucherzentralen geht. Deren Einmischung in den öffentlichen Dialog leistet schließlich einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Demokratie. Gleichwohl handelt es sich hier genauso um Lobbyarbeit, als wenn sich die Rüstungs- oder Finanzbranche zu Wort melden.

Gesetzgeber und Rechtsprechung stehen der Lobbyarbeit zunächst positiv gegenüber. Das liegt an der realistischen Einschätzung, dass Politiker und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung in einer komplexen Welt auf das Fachwissen und die Zuarbeit von sehr unterschiedlichen Interessengruppen angewiesen sind, um stets umfassend über Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft informiert zu sein. Dabei holen Politiker idealerweise zeitgleich die Ansichten mehrerer Interessenverbände ein, um sich ein umfassendes Bild der unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen zu verschaffen. In diesem Sinne leistet Lobbyarbeit also einen geradezu notwendigen Wissenstransfer zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern des Staates. Gerade weil die Menschen und ihre Anliegen Gehör finden und sie Einfluss nehmen können, unterstützt Lobbyarbeit demokratische Prozesse. Gesellschaftstheoretiker nennen das partizipative Demokratie.

Lobbyarbeit ist also nicht nur rechtlich erlaubt und geschützt, sondern sogar geboten. Selbstverständlich müssen die Interessenverbände das geltende Recht kennen und berücksichtigen. Andererseits sollen auch die Gesprächspartner aus Politik und Verwaltung mit den zur Verfügung gestellten Informationen gewissenhaft umgehen. Deshalb werden die Spielregeln für Lobbyarbeit sowohl durch Gesetze als auch durch die Geschäftsordnungen des Bundestages und die der Bundesministerien definiert. Das Recht zur Teilhabe der Bürger an politischen Entscheidungen über Interessenverbände stützt sich verfassungsrechtlich auf das Demokratieprinzip, das bei uns im Grundgesetz wie folgt beschrieben ist:

Art. 20 Abs. 2 GG

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Gleichzeitig schützt das Demokratieprinzip auch den Staat und seine Institutionen, indem es fordert, dass die direkte Einflussnahme auf Politiker und staatliche Bedienstete zu unterbleiben habe oder zumindest transparent und nachvollziehbar sein muss.

Das macht ein ständiges Abwägen zwischen der Freiheit der Lobbyisten und den Anliegen einzelner Bevölkerungsgruppen einerseits und der Unabhängigkeit der durch Wahlen legitimierten Vertreter des Staates andererseits notwendig. Grundsätzlich gilt für die Bürger: Sie dürfen jederzeit eine Interessenvereinigung gründen und betreiben. Auch dieses Recht wird vom Grundgesetz geschützt, es sichert dem Volk damit das Recht zur Gründung von Interessenverbänden ebenso zu wie das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Möglichkeit, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Und nichts anderes macht Lobbyarbeit.

Art. 9 Abs. 1, Abs. 3 GG

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

[…]

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.

Auf dem Feld der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gilt noch ein spezieller Schutz, der dem Staat sogar jede Maßnahme untersagt, die eine Verbandsgründung oder -betätigung ohne konkrete Rechtfertigung einschränken würde. Die „freie Darstellung organisierter Gruppeninteressen“ fällt unter genau diesen Schutz. Daraus ergibt sich das Recht, Abgeordnete und Regierungsmitglieder und -mitarbeiter zu treffen sowie Informationen aus dem Gesetzgebungsverfahren zu erhalten.

Auf EU-Ebene werden die Regelungen zur Lobbyarbeit im Vertrag von Lissabon legitimiert. Auch hier geht es um die Stärkung der Bürgerbeteiligung, um die Stärkung der partizipativen Demokratie; es lässt sich sogar deutlich der Auftrag der EU-Organe herauslesen, den Austausch mit Interessenverbänden und Unternehmen aktiv zu suchen, zu ermöglichen und zu pflegen.

Art. 11 EU-Vertrag (EUV)

1) Die Organe geben den Bürgerinnen und Bürgern und den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten in allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen.

2) Die Organe pflegen einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft.

3) Um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten, führt die Europäische Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch.

4) Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.

Die Verfahren und Bedingungen, die für eine solche Bürgerinitiative gelten, werden nach Artikel 24 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt.

Welche Bedeutung Lobbyarbeit auf EU-Ebene hat, zeigt sich am Beispiel des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA). Dieser hat eine beratende Funktion und ist als Nebenorgan der Europäischen Union in EU-Gesetzgebungsverfahren teilweise verpflichtend anzuhören. Mitglieder dieses Ausschusses sind neben Arbeitgebervertretern und Gewerkschaftsmitgliedern auch Landwirte und Verbraucher. Vertritt ein Europäischer Interessenverband mindestens eine Million Unionsbürger, kann er sogar ein Bürgerbeteiligungsverfahren anstoßen, um die EU-Kommission zu bestimmten Handlungen und dem Erlass von Regelungen zu bewegen. Das deutsche Recht kennt – zumindest auf Landes- und Kommunalebene – ähnliche Instrumente in Form des Bürger- bzw. Volksbegehrens.

Sogar die konkrete Einflussnahme auf die parlamentarische Arbeit ist erlaubt. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor einer halben Ewigkeit im Jahr 1956 bestätigt.

BVerfGE 5, 85, 232

Es lässt sich nicht bezweifeln, dass außerparlamentarische Aktionen vielfältiger Art denkbar sind, die einer legitimen Einwirkung auf das Parlament dienen können, vor allem soweit sie dazu bestimmt sind, die Abgeordneten über die bei den Wählern zu bestimmten politischen Fragen vorhandenen Meinungen zu unterrichten. An sich ist es daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass ,Interessentengruppen‘ auf die Mitglieder des Parlaments einzuwirken suchen.

Schon seit geraumer Zeit wird das Thema Lobbyregister diskutiert. Gemeint ist die verpflichtende Bekanntgabe über eigene Tätigkeiten als Lobbyist plus der Darstellung der Politik über Kontakte mit Lobbyarbeitern. Noch gibt es in Deutschland keinerlei Registrierungspflicht. Neben einer freiwilligen Verbändeliste des Bundestages haben bisher auch die Landtage in Rheinland-Pfalz (2011) und Brandenburg (2013) Lobbying-Regelungen auf Landesebene eingeführt, die sich jedoch – vergleichbar mit der Bundesregelung – auf eine freiwillige Verbändeliste beschränken.

Auf EU-Ebene existiert seit 2011 ein „gemeinsames Register der Interessenvertreter beim Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission“. Umgangssprachlich nennt es sich „Transparenzregister“. Doch auch hier ist tatsächlich niemand verpflichtet, sich als Lobbyist einzutragen. Organisationen, Firmen und Selbstständige, die Tätigkeiten mit dem Ziel direkter oder indirekter Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse der EU-Institutionen ausüben, werden lediglich dazu aufgerufen, sich zu registrieren. Wer sich hier beteiligt, muss zwei Informationen offen legen: Den Jahresumsatz aus der Lobbyarbeit, zumindest eine klassifizierte Angabe, z. B. „zwischen 100.000 EUR und 150.000 EUR“, und die Namen der Auftraggeber. Diese Angaben sind vollständig und wahrheitsgemäß zu machen. Das fordert ein Verhaltenskodex, der für alle Registrierten gilt.

Trotz langjähriger Diskussionen gibt es in Deutschland kein verpflichtendes Lobbyregister. Dennoch taucht der Begriff „Lobbyregister“ auf Bundesebene immer wieder auf. Gemeint ist ein freiwilliger Eintrag in eine öffentliche Liste, in der sich derzeit ausschließlich Verbände vermerken lassen können, um sich dadurch den Zugang zu Bundestagsabgeordneten oder Mitgliedern der Bundesregierung oder deren Mitarbeiter zu erleichtern. Denn wer registriert ist, kann einen Hausausweis erhalten – die Eintrittskarte zu den Parlaments- und Regierungsgebäuden. Solche Ausweise können auch an Auftragslobbyisten, Berater, Rechtsanwälte, Unternehmensvertreter und Nichtregierungsorganisationen vergeben werden. Sie sind äußerst beliebt, denn mit dem Hausausweis kann man wortwörtlich auch die Lobby des Deutschen Bundestages betreten und alle Akteure an ihrem Arbeitsplatz aufsuchen. An den freiwilligen Listeneintrag der Verbände sind allerdings weder Rechte noch Pflichten gekoppelt. Die Verbändeliste wird zwar bereits seit 1972 geführt, kann aber nicht als Instrument beschrieben werden, das sämtliche Lobbyaktivitäten in Deutschland erfasst.

Eine solche Registrierungspflicht könnte es allerdings in Zukunft geben. Die Fraktionen „DIE LINKE“ sowie „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“ haben dazu bereits im Jahr 2016 zwei Gesetzesinitiativen vorgelegt. Anfang 2017 legte die SPD-Fraktion nach. Der aktuelle Entwurf sieht die Einrichtung eines Registers vor, in dem alle Vertreter von Verbänden, Initiativen und anderer Lobbygruppen aufgeführt werden. Die Bundesregierung soll außerdem zur Angabe eines „exekutiven Fußabdrucks“ verpflichtet werden. Damit soll sie offenlegen, welche Interessenvertreter und Sachverständige bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs mitgewirkt haben. Ein Beauftragter des Bundestags soll zusätzlich über die Einhaltung dieser Vorschriften wachen. Alle diese Vorstöße haben die gleiche Zielrichtung: Der Kontakt zwischen Lobbyarbeitern und Politikern soll nachvollziehbarer werden. Sollte die jüngste Initiative erfolgreich sein, sind Interessenvertreter künftig verpflichtet, sich mit allgemeinen Informationen zu ihrer Organisation zu registrieren. Außerdem müsste jegliche mittelbare und unmittelbare Einflussnahme auf die Unterlagen der Exekutive, die für den Deutschen Bundestag bestimmt sind (z. B. Gesetzesentwürfe, Unterrichtungen, etc.) dokumentiert und öffentlich gemacht werden. Das ist gemeint, wenn vom sogenannten „Footprint-Prinzip“ die Rede ist. In der Praxis würde das heißen, dass jedem Gesetzestext ein Vermerk angehängt würde, der festhält, welcher Abgeordnete wann mit wem gesprochen hat, welche Gruppe also zu welchem Zeitpunkt genau welchen Einfluss genommen hat. Gegen diese Offenlegung sämtlicher Kontakte zwischen Lobbyisten und Vertretern der Regierung bestehen allerdings erhebliche Bedenken. So wurden die bisherigen Gesetzesinitiativen von Seiten der Bundesregierung zurückgewiesen. Es dürfe nicht zu einer Diskriminierung und Stigmatisierung von Interessenvertretern kommen, hieß es in der Begründung.

Lobbyarbeiter und Interessenverbände müssen selbstverständlich schon heute gewisse Regeln beachten. Und auch für Politiker gelten gewisse Vorschriften. Die Bestimmungen dazu finden sich im Abgeordnetengesetz (§§ 44a, 44b AbgG) und den Geschäftsordnungen des Deutschen Bundestages (§ 70 GOBT) bzw. der Bundesministerien (§ 44 Abs. 5 GGO II), siehe Seite 32 ff.

Für beide Seiten gilt: Vieles ist erlaubt – vieles verboten.

Beginnen wir mit der Beschaffung von interessanten Informationen. Recherchen auf legalem Weg sind natürlich zulässig. So dürfen sich Lobbyarbeiter ohne Weiteres direkt an Abgeordnete wenden, um Informationen aus erster Hand zu erhalten oder um sie mit eigenen Informationen zu versorgen. Zu diesem Zweck kann man mit ihnen Abendessen gehen, sie auf Veranstaltungen ansprechen und persönliche Kontakte oder Netzwerke in sozialen Medien pflegen. Man darf auch selber Veranstaltungen oder Fortbildungen für Abgeordnete oder deren Mitarbeiter anbieten. So etwas kann zum einen ebenfalls der vertraulichen Kontaktpflege dienen. Die Termine lassen sich zum anderen auch dafür nutzen, um eigene Argumente vorzustellen und für das eigene Anliegen zu werben. Es existiert keine besondere gesetzliche Vorschrift, die den Abgeordneten des Bundestages und ihren Mitarbeitern die Teilnahme an derartigen Veranstaltungen verböte. Es gibt auch keinen Verhaltenskodex, der die Annahme von Reisen oder gar Präsenten regelt. Beide Personengruppen gehören weder dem öffentlichen Dienst an noch Wirtschaftsunternehmen, in denen besondere Complianceregelungen gelten. Deshalb dürfen sie tatsächlich sogar Geschenke und Zuwendungen annehmen. Allerdings mit einer Einschränkung: Die Gabe darf niemals direkt darauf abzielen, ein bestimmtes Abstimmverhalten des Abgeordneten im Bundes- oder Landtag erwirken zu wollen. Anderes geht aber durchaus. So ist es unbedenklich, Abgeordneten, die zu einer Informationsveranstaltung eingeladen sind, auch die Unterkunft und Bewirtung zu erstatten. Man kann auch in einem „sozialadäquaten“ Rahmen ein Gastgeschenk zu einer Feier mitbringen oder eine Spende an den Abgeordneten oder dessen Partei leisten. Das alles ist völlig unproblematisch, solange nicht der Eindruck entsteht, dass Sie das freie Mandat des Abgeordneten beeinflussen wollen. Denn hier kann schnell der Verdacht der Abgeordnetenbestechung vorliegen. Und die wiederum ist ausdrücklich verboten. Schon allein der Verdacht eines solchen Versuches reicht aus, um Ihren Ruf in der Öffentlichkeit schwer zu beschädigen.

Die Grenzen aller Zuwendungen liegen deshalb dort, wo für die Zuwendung eine konkrete Gegenleistung verlangt wird. Schenkt z. B. ein Interessenverband der Automobilindustrie einem Abgeordneten eine Reise in die USA, damit er im Bundestag schärfere Abgasgesetze verhindert oder sich bei einer Abstimmung enthält, handelt es sich um eine Straftat. Ebenfalls verboten sind Zahlungen von Gehältern oder anderen geldwerten Leistungen, wenn es keine angemessene Gegenleistung dafür gibt. Also dürfen Sie einem Mitglied des Bundestages zwar ein Honorar für eine Rede auf Ihrem Kongress bezahlen, aber ein sogenanntes „arbeitsloses Einkommen“ ist aus den gleichen Gründen wie bei den Einladungen und Geschenken untersagt: Schnell wird vermutet, dass auf das freie Mandat in unzulässiger Weise Einfluss genommen werden soll. Unzulässig ist dabei der Schlüsselbegriff. Unzulässig wäre es z. B., wenn ein Mitarbeiter eines Interessenverbandes sich als Abgeordneter wählen lässt und ihm der Verband nach der Annahme des Mandates das Gehalt weiter zahlt. Und das, obwohl gegenüber dem Verband längst keine Dienstverpflichtung mehr besteht. Dieses Verbot gilt übrigens nicht nur auf Bundes-, sondern ebenfalls auf Landes- und Kommunalebene. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg musste den Fall zweier Landtagsabgeordnete verhandeln, die zuvor für die Volkswagen AG tätig gewesen waren und sich ihr bisheriges Gehalt ohne ersichtliche Gegenleistung weiter bezahlen ließen. Dies verstieß eindeutig gegen das niedersächsische Abgeordnetengesetz. Deshalb mussten die beiden Herren ihre VW-Gehälter später an die Staatskasse abführen.

Auch im Bereich Sponsoring, Spenden und Schenkungen gegenüber Beamten und Angestellten im Öffentlichen Dienst ist besondere Vorsicht geboten. Grundsätzlich sind alle drei Arten der Zuwendungen erlaubt, jedoch gelten noch wesentlich engere Grenzen im Vergleich zu Abgeordneten und deren Mitarbeitern. Hier gilt auf Bundesebene z. B. die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Tätigkeiten Privater“. Es darf nicht einmal der Anschein einer Einflussnahme durch Dritte auf die Öffentliche Verwaltung entstehen, damit Integrität und Neutralität des Staates gewahrt bleiben. Allgemeines Sponsoring ist jedoch grundsätzlich erlaubt: So dürfte z. B. die Firma Adidas den deutschen Spitzensport fördern, indem sie über das Bundesministerium des Inneren Sportschuhe verteilt und mit diesem Engagement für das eigene Unternehmen wirbt. Allerdings gibt es auch hier strenge Regeln zu beachten. Öffentliche Aufgaben müssen ausschließlich mit Haushaltsmitteln finanziert werden. Sponsoring darf nur ergänzend in Betracht gezogen werden. Deshalb dürfte Adidas keine neue Straße finanzieren, die zu einer Sportarena führt. Außerdem muss die Einwerbung und die Annahme von Sponsoringgeldern offiziell gemeldet und dann von Seiten der Behörde explizit genehmigt werden.

Gewisse staatliche Bereiche schließen Sponsoringleistungen von vornherein aus. Dies betrifft etwa Polizeikräfte, Gerichtsvollzieher, Justiz- und Zollbeamte oder Steuerfahnder. Unzulässig wäre es etwa, wenn beispielsweise ein Deutscher Schusswaffenverband Bundespolizisten die Dienstwaffen sponsern würde. Hingegen ist Sponsoring in den Bereichen Kultur, Sport, Gesundheit, Umweltschutz, Bildung und Wissenschaft, der Außenwirtschaftsförderung sowie bei der politischen Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland und bei repräsentativen Veranstaltungen der Bundesregierung grundsätzlich zulässig. Allerdings ist wieder zu beachten, dass jeglicher Versuch der Beeinflussung ausgeschlossen werden muss. Ein Interessenverband darf also z. B. eine Vernissage oder ein klassisches Konzert im Auswärtigen Amt sponsern und kann dieses auch nutzen, um auf der Veranstaltung für sich zu werben. Ebenso ist es einem Verband erlaubt, eine repräsentative Veranstaltung zur Darstellung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland zu fördern, um für das deutsche Handwerk zu werben. Und ein Sportinteressenverband darf eine Veranstaltung des Bundes zur Bewerbung der Olympischen Spiele sponsern. Ob und welche konkreten Sponsoringleistungen angenommen werden, darüber entscheidet stets die oberste Dienstbehörde. Vor allem wenn es darum geht, allein den Anschein von Einflussnahme auszuschließen, bewegen sich Lobbyarbeiter und Politik und Verwaltung gleichermaßen auf sehr dünnem Eis. Doch wenn es allein um den „Anschein“ geht, wird es naturgemäß schwierig mit eindeutigen Kriterien. Dennoch gibt es auch hier konkrete rechtliche Vorgaben. Es darf weder eine „Belohnung“ noch das „Erkaufen“ bestimmter politischer, behördlicher, gerichtlicher oder wirtschaftlicher Entscheidungen geben. Denn das ist Korruption und damit eindeutig verboten.

Der Oberbegriff Korruption umfasst Bestechung, Schmiergeldzahlungen, Geschenke und Gefälligkeiten an Beamte. Dies gilt übrigens grundsätzlich auch gegenüber Mitarbeitern eines Wirtschaftsunternehmens. Bestechlichkeit bedeutet, dass jemand gegen die Gewährung bestimmter Vorteile bestimmte Leistungen erbringt oder bestimmte Maßnahmen unterlässt. Der Staatsanwalt, der gegen Zahlung eines Geldbetrages keine strafrechtlichen Ermittlungen einleitet, wird wegen Bestechung belangt. Neben diesen direkten Zahlungen ist die Vergabe zinsgünstiger Darlehen genauso verboten wie die Weitergabe von Sachwerten wie beispielsweise Gutscheinen oder Einladungen mit Bewirtung.

Alle diese Arten der Vorteilsgewährung sind strafbar. Dafür können Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft verhängt werden. Auch im Nachgang einer günstigen Entscheidung darf nichts angenommen werden. Wenn Ihnen also zum Beispiel eine Behörde eine im Grundsatz rechtmäßige Baugenehmigung erteilt hat, dürfen Sie dem entscheidenden Beamten nicht aus „Dankbarkeit“ ein Konzertticket schenken.

Ganz schwierig wird es, wenn zusätzlich zur Bestechung auch noch Dienstpflichten verletzt werden. Das wäre der Fall, wenn Sie einem Beamten im Innenministerium ein Wochenende auf Mallorca schenkten, damit er unter Verletzung seiner Dienstpflicht geheime Unterlagen aus dem Ministerium kopiert und an Sie weiterleitet. Bundesbeamte müssen sich an die Regelungen des Bundesbeamtengesetzes halten. Dabei gilt das Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken sogar noch über die Beendigung ihrer Tätigkeit hinaus. Eine ganz ähnliche Regelung existiert für Beamte der Länder. Davon können Ausnahmen gemacht werden. Allerdings müssen solche Fälle stets durch die oberste Dienstbehörde genehmigt werden. Selbst wenn sich der Schenkende nicht selbst unmittelbar strafbar macht, sollten Interessenvertreter ihren eigenen Ruf schützen und im beruflichen Umfeld besser auf jegliche Art von Präsenten verzichten.

Die Abgeordnetenbestechung ist ein weiterer Sonderfall, der besondere Beachtung verdient. Wie bereits oben ausgeführt, sind „Aufmerksamkeiten“ gegenüber Abgeordneten oder deren Mitarbeiter in weiterem Umfang zulässig, als dies etwa bei Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes der Fall ist. Strafbar als „Abgeordnetenbestechung“ ist allerdings der Stimmenkauf für eine Wahl oder Abstimmung – sei es im Europäischen Parlament, im Bundestag, in einem Landesparlament oder auf Kommunalebene. Dies wäre der Fall, wenn eine Zahlung oder sonstige Zuwendung im direkten Zusammenhang mit der Stimmabgabe steht. Wenn Sie zum Beispiel einem Abgeordneten des Bundestages einen Geldbetrag dafür zahlen möchten, dass er Gesetze zur Verschärfung der Abgasemissionsgrenzwerte von Fabriken ablehnt, liegt unmittelbar eine strafbare Abgeordnetenbestechung vor. Ebenso machen Sie sich strafbar, wenn Sie einem Gemeinderatsmitglied einen Wochenendtrip versprechen, damit er für den von Ihnen favorisierten Bürgermeisterkandidaten stimmt.

Kurzum: Sowohl gegenüber Beamten und anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes wie auch gegenüber Unternehmen sind Geschenke äußerst bedenklich, wenn hiermit Einfluss oder gar eine pflichtwidrige Handlung bewirkt werden soll. Beim Abgeordneten ist die Grenze der Strafbarkeit jedenfalls dann erreicht, wenn eine „Stimme gekauft“ wird.

Etwas schwammiger sieht es bei anlasslosen Geschenken aus, etwa zu Weihnachten. Es gibt nicht einmal eine klare Wertbegrenzung. Die aus dem Steuerrecht bekannten 35 Euro sind kein allgemeingültiger Maßstab. Geringwertige Geschenke wie ein kleiner Tischkalender, eine Flasche Wein oder eine CD im Wert von wenigen Euro dürften grundsätzlich unproblematisch sein. Eine Musical-Eintrittskarte im Wert von 100 Euro oder die VIP-Karte zum Bundesligaspiel sind definitiv unzulässig. Meist haben Schenkende oder Beschenkte selbst ein recht gutes Gefühl dafür, was man als unangemessen oder gar versuchte Einflussnahme empfinden könnte. Das „Ködern“ von Mitarbeitern ist deshalb ebenso zu vermeiden wie jeglicher Anschein, dass das Geschenk als „Belohnung“ für eine bestimmte Tätigkeit gedacht ist.

Wenn Sie als Lobbyarbeiter auch mit Unternehmen zu tun haben, um beispielsweise Allianzen zu bilden, können Sie sich im Bereich der Gefälligkeiten weitestgehend an den beschriebenen Regelungen orientieren. Darüber hinaus haben etliche größere Firmen eigene interne Vorgaben zum Umgang mit Geschenken. Dies können Compliancerichtlinien, Betriebsvereinbarungen oder andere Absprachen sein, in denen der Umgang mit Zuwendungen definiert ist. Häufig gibt es sogar Meldepflichten gegenüber den Vorgesetzten. Sie sollten sich daher im Vorfeld über die jeweiligen im Betrieb geltenden Regelungen zum Umgang mit „Gefälligkeiten“ informieren. Am sichersten ist es, mit solcherlei Gaben auf beiden Seiten offen umzugehen und im Zweifelsfall zu klären, ob sich Schenkende oder Beschenkte damit ins Unrecht setzen könnten.

Im nächsten Abschnitt schauen wir noch einmal etwas genauer auf den Arbeitsalltag von Ministerien und Behörden. Denn hier findet relativ häufig eine Lobbyaktivität statt, die von der Öffentlichkeit nur in Ausnahmefällen wahrgenommen wird. Es geht um das Entsenden von Mitarbeitern aus Wirtschaftsunternehmen oder Verbänden in die öffentliche Verwaltung. Für einen begrenzten Zeitraum steht dann der Schreibtisch eines Experten beispielsweise in einem Bundesministerium. Dort arbeitet er als beratender Fachmann, hat aber immer noch einen gültigen Vertrag mit dem eigentlichen Arbeitgeber. Auch dies ist erlaubt. Schon früh wurde erkannt, dass dieser Wissenstransfer aus der Praxis in Verwaltung und Politik notwendig ist, um die Aufgaben unserer komplexen Welt bewältigen zu können. Natürlich gibt es auch für solche Leistungen einen rechtlichen Rahmen. Der Einsatz von sogenannten „externen Personen“ in der Bundesverwaltung wird ausdrücklich durch die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Einsatz von außerhalb des öffentlichen Dienstes Beschäftigten“ geregelt. Dieses Ausleihen von Beschäftigten ist allerdings nur möglich, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind:

 Der Personalaustausch muss transparent sein.

 Die Verwaltung muss nachweisen, dass ihr das Fachwissen zur Erfüllung der spezifischen Aufgabe fehlt.

 Der Haushaltsplan muss ausdrücklich Mittel zu diesem Zweck bereitstellen.

 Der Arbeitseinsatz soll nicht länger als sechs Monate dauern.

 Leitende Tätigkeiten, Vergabeentscheidungen oder Beteiligung an der Gesetzgebung werden ausgeschlossen.

Hinsichtlich der Frage nach Erlaubnis und Verboten ist schließlich auch noch der Aspekt der Meinungsfreiheit interessant. Lobbyarbeiter oder Vertreter eines Interessenverbandes dürfen in der Öffentlichkeit frei zu wirtschaftlichen und politischen Themen Stellung beziehen. Die Meinungsfreiheit wird durch unser Grundgesetz geschützt und das gilt schließlich auch für Interessenvertreter. Wer sich darüber hinaus redaktionell in einem Blog oder einem Magazin äußert, kann sich zusätzlich auf die Pressefreiheit berufen.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden insbesondere dort erreicht, wo unwahre Tatsachen behauptet werden. Tatsachen sind Behauptungen, die bewiesen werden können. Wer schreibt „der Spitzensteuersatz in Deutschland liegt bei 65 %“ publiziert eine unwahre Tatsachenbehauptung. Solche Behauptungen sind unzulässig und können verboten werden, insbesondere wenn sie abträglich für andere Personen sind.

Viel unverfänglicher hingegen sind reine Meinungsäußerungen. Das sind Aussagen, denen eine subjektive Wertung zugrunde liegt. Sie können deshalb auch gar nicht als „wahr“ oder „falsch“ bewiesen werden. Äußert z. B. ein Verbandsgeschäftsführer, dass er die Politik von Präsident Erdoǧan als fatal für die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei erachtet, ist dies eine wertende Äußerung, damit eine Meinung und als solche erlaubt. Meinungen sind grundsätzlich zulässig, selbst wenn sie von Betroffenen als unrichtig, geschmacklos oder verletzend empfunden werden mögen. Je stärker ein Thema die Öffentlichkeit bewegt und je kontroverser die Auffassungen sind, desto pointierter darf eine Meinung ausfallen. So muss sich der türkische Präsident wegen seiner radikalen Politik und der heftigen eigenen Wortwahl auch entsprechende Kritik gefallen lassen.

In vielen Fällen kommt es auch auf das konkrete Umfeld der Äußerung an: In einer Bundestagsdebatte, in einer politischen Diskussion oder in einer gerichtlichen Auseinandersetzung sind grundsätzlich härtere Worte zulässig als im täglichen Gespräch zwischen zwei Bürgern in der Fußgängerzone. Dennoch hat auch die Meinungsfreiheit ihre Grenzen. Äußerungen, bei denen nicht die sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund steht, sondern die persönliche Erniedrigung des Betroffenen, sind verboten. Dabei ist auch hier der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Interessenvertreter dürfen nämlich nicht einfach so zu allem und jedem Thema öffentlich Stellung beziehen.

Die Äußerungsfreiheit beschränkt sich auf den Aufgabenkreis des jeweiligen Verbands. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Öffentlichkeit, sondern in vielen Fällen auch auf die eigenen Mitglieder. Überschreitet zum Beispiel der Vorsitzende einer Handelskammer seine Kompetenzen, können die Pflichtmitglieder die Unterlassung solcher Äußerungen verlangen oder ihre Mitgliedschaft außerordentlich kündigen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat z. B. im März 2016 entschieden, dass sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Dachverband der 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland, mit allgemeinen politischen Äußerungen zurückhalten müsse, wenn sie in keinem Zusammenhang zu den Aufgaben der Kammern stehen. Hierzu zählen etwa kritische Kommentare zur „Rente mit 63“, zum Hochwasserschutz oder zur politischen Lage in Südafrika.

Alles in allem existieren also eine ganze Reihe Vorschriften, Regelungen und Gesetze, die das, was im Bereich der Lobbyarbeit möglich und erlaubt ist, eingrenzen. Wer künftig Maßnahmen plant, die in irgendeiner Weise einen der hier aufgeführten Aspekte berühren, tut gut daran, sich mit den entsprechenden Bestimmungen vertraut zu machen und sich daran zu orientieren. Denn nur das strikte Einhalten der Vorschriften schützt vor Strafverfolgung. Außerdem hängen auch Ihr Ruf sowie Ihre Reputation von der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ab. Wer sich nicht daran hält, spielt den Lobbykritikern in die Hände und trägt zum schlechten Image der Branche bei.

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