Von Kräutertee bis Fleischeslust

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Von Kräutertee bis Fleischeslust
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Von Kräutertee bis Fleischeslust

Ein buchstäblicher Blick über den Tellerrand

Anthologie des Arial-10 e.V.


Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

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Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte bei den Autoren

© für die Umschlagfotos der Verein

© für die Zeichnungen Sarah Sandfort

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Die Gemüsewaage

Eva-Maria van Gessel

Hasenbrot und versunkene Bratkartoffeln

Hermann Trox

Die Kohlroulade

Kurt Guske

Die Entsorgerin

Bettina Döblitz

Der Gourmet – Teil 1

J.M.

Der Kuchen

Bettina Döblitz

Glaubenssuppe

Ulrike Geffert

Guten Appetit

Bernhard Hüsken

Pizza

Kurt Guske

Kalter Kaffee – oder der Sinn des Lebens

Ulrike Geffert

Der Gourmet – Teil 2

J.M.

Live Ticker

Werner Höhn

Altes Brot

Eva-Maria van Gessel

Unser Brot

Hans Dau

Carpe Diem

Annette Gwozdz

Katzenfutter

Jan Langer

Der Gourmet – Teil 3

J.M.

French Connection

Ulrike Geffert

Sternenhunger

Hans Dau

Rezepte:

Hasenbrot

Schweinefleisch Süß-Sauer

Pelmeni

Gekörnte Brühe selbstgemacht

Kartoffelsalat

Kräutertee

Dinkelbrötchen

Tabu Diät

Gefüllte Zucchini

Chipirones en su tinta

Liebessterne

Autorenportraits

Endnoten

Liebe Leserinnen und Leser,

es ist angerichtet: Sie halten die zweite Textsammlung der Autorengruppe Arial-10 in Händen. Die Küchencrew Annette, Bernhard, Bettina, Eva, Hans, Hermann, Jan, J.M., Kurt, Ulrike und Werner, bittet zu Tisch und wünscht guten Appetit, vielseitigen Lesegenuss und ab und zu vielleicht ein wohlig ungläubiges Schaudern.

Garniert mit authentischen Rezepten, die die Texte kulinarisch abrunden, servieren die Autorinnen und Autoren Kurzgeschichten und Gedichten zum Thema Essen und Trinken, Fressen und Gefressen werden, mal heiter mal schauerlich.

Wir haben ein buntes Potpourri für Sie arrangiert, dessen Zutaten Sie ganz nach eigenem Gusto zusammenstellen können: Ob Kräutertee oder Pelmeni, ob altes Brot oder junges Gemüse, Null-Diät oder Babytintenfisch, Bouillon oder Katzenfutter …

Sie haben die Wahl.

Die Gemüsewaage

Eva-Maria van Gessel

Nun habe ich diese über hundert Jahre alte Gemüsewaage geerbt. Sie hat viele Gebrauchsspuren und eine kleine Macke an der Seite in den vielen Jahren davongetragen. Ich versuche das alte Stück zu erhalten und pflege gerade die Gewichtssteine, da erinnere ich mich ihrer Geschichte:

Mit dieser Gemüsewaage war 1943 schon viele Jahre zuvor in der Backstube des Bäckermeisters „Max Scheuer“ an der Aegidistraße in Bottrop gearbeitet worden, als mein Vater Wilhelm, damals 14 Jahre alt, dort in der Lehre war.

Wilhelm lernte u. a., wie man die eisernen, geeichten Gewichtsteine mit der gewünschten Grammzahl in die eine Seite der Waagschalen setzte und auf der Gegenseite die jeweiligen Zutaten in die andere Waagschale gab, bis jedes Mal erkennbar, sich beide Seiten im Gleichgewicht befanden. Die gebräuchlichsten Gewichtssteine waren von 2000g abwärts, bis 50g vorrätig.

Einmal musste aus Versehen der kleinste Gewichtsstein in die Backzutaten und so in den Teig geraten und auch gebacken worden sein, denn er wurde einen Tag später von einer Kundin empört wieder zurückgebracht – sie hatte ihn beim Anschneiden im Stuten gefunden.

Der Meister schimpfte dann: „Wilhelm, das geht so nicht, du musst sorgfältiger abwiegen!“

Alle zwei Jahre mussten die Waagen des Betriebes zum Eichamt gebracht werden.

Das Eichamt war in der ehemaligen Leichenhalle des nun alten Marienhospitals untergebracht und von der Scharnhölzstraße erreichbar.

Im Januar, es war in der Nacht viel Schnee gefallen, stand mal wieder ein Eichtermin an. Deshalb wurden Wilhelm und das Hausmädchen Friedel beauftragt, den Transport der Waagen ins Eichamt zu erledigen. Die eine Waage aus dem Verkaufsraum und diese Gemüsewaage aus der Backstube, inklusive aller Gewichtsteine, packten die beiden in eine Kiste und schnallten sie auf dem Holzschlitten fest. Bevor sie mit der Schlittenfracht loszogen, rief der Meister ihnen noch zu: „Bringt mir bloß alles wohlbehalten und mit der neuen Eichmarke zurück!“

 

Sie zogen gemeinsam den Schlitten hinter sich her. Der frisch gefallene Schnee hatte den schmuddeligen Matsch vom Vortag überdeckt. Der feine Russ aus den Schornsteinen, den die Kohleöfen sonst immer hinterließen, war „weggezaubert“.

Wilhelm und Friedel waren in der Winterlandschaft fast alleine unterwegs und die wenigen Geräusche am frühen Morgen wurden dumpf, ’wie in Watte gehüllt’ empfunden. Nun war die Ruhe aber gestört, denn eine Ladung Deputatkohle in „Nuss 3“ rutschte krachend in der Nebenstraße vom Hänger des Kötters auf den Gehweg herab, die er vor der Werkswohnung eines Steigers auszuliefern hatte. Zwei Bergleute kamen inzwischen auch schon angestampft. Der eine von ihnen schob die Schubkarre, in der zwei Schüppen und ein Besen transportiert wurden. Die Beiden waren für diesen ‚Einsatz’ abgestellt worden, um dem Steiger die Kohle in den Keller zu schaufeln.

Abgelenkt von diesem Schauspiel, übersahen Wilhelm und Friedel eine Unebenheit auf dem Gehweg und der Schlitten fiel um. Der gesamte Kisteninhalt lag nun im Schnee. „So ein Mist!“ da waren sich beide einig und sammelten alles wieder ein. Sie fanden auch die Gewichte, die tief in den Schneeverwehungen eingedrungen waren.

Bis auf das kleinste 50g Gewicht, hatten sie alle Gewichtsteine wieder gefunden. Sie suchten und suchten, ihre Finger waren vom Herumwühlen im Schnee eisig durchgefroren und schmerzten.

Wilhelm sagte: „Wenn das der Meister merkt, dass wir einen Stein verloren haben, dann gibt es wieder Ärger!“ Sie überlegten verzweifelt, was sie nun machen sollten.

So kurz vor dem Ziel, wollten sie nicht aufgeben. Wilhelm hatte eine Idee. In seiner Hosentasche waren noch fünf Groschen, und er hoffte, dass die fünfzig Pfennige ausreichen würden, um das fehlende Gewichtstück zu ersetzen und in der Eisenwarenhandlung „Borgmann“ bezahlen zu können, die sich im Nahbereich des Geschehens an der Ecke „Am Altmarkt“ und der „Kirchhellener Straße“ befand.

Friedel zog mit dem Geld los und Wilhelm bewachte die Schlittenfracht. Sie kam so schnell wie möglich und freudestrahlend mit einem neuen 50g Gewicht zurück.

Beide waren erleichtert.

Wilhelm schmerzte der Verlust von einem Drittel seiner wöchentlichen Vergütung schon sehr, aber die nun vermiedene Blöße dem Meister gegenüber, war ihm diese „Anschaffung“ wert.


Von meinen Vater habe ich ja schon berichtet. Nun erzähl ich mal weiter, denn wie kommt nun diese Gemüsewaage seines Lehrbetriebes in meinen Besitz?

Nach dem Krieg wechselte mein Vater in verschiedene Bäckereien, um als Geselle seine handwerklichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu verbessern.

In jedem Betrieb ging es nicht nur anders zu, sondern jeder Bäckermeister hatte auch eigene „Geheimrezepte“. Die Betriebe waren größer und Wilhelm fand in ihnen auch schon modernere Waagen vor, mit denen die Zutaten abgewogen wurden. Schließlich begann er, nach Ostern 1948 in der Bäckerei Korte, die sich zu der Zeit an der Essener Straße, kurz vor der Unterführung befand, zu arbeiten.

Wilhelm war freudig überrascht – in der Backstube stand nun die Gemüsewaage, an der er mal gelernt hatte. Die Macke an der Seite, die sie seit dem Sturz vom Schlitten 1943 vor dem Eichamt davon getragen hatte, erkannte Wilhelm sofort. Und auf Nachfragen erfuhr er, dass ein Teil des Inventars – so auch diese Gemüsewaage – der Bäckermeister Korte von dem Kollegen Max Scheuer zuvor abgekauft hatte, als dieser aus Altersgründen seinen Betrieb aufgab.

Später, nach der bestandenen Meisterprüfung, machte Wilhelm sich dann mit seiner Frau Eva (meiner Mutter) selbständig und sie führten eine gut gehende Bäckerei und Konditorei.

Als meine Eltern 1992 ihren Betrieb ebenfalls aus Altersgründen verkauften, brachte ihr Nachfolger Bäckermeister Breite auch einige Arbeitsgeräte aus seinem Besitz mit in die Backstube.

Dabei war auch jene Gemüsewaage, die mein Vater sofort als „seine Waage“ wieder erkannte. Bäckermeister Breite hatte die Gemüsewaage vom Bäckermeister Grote bekommen, als dieser ebenfalls seinen Betrieb aufgeben musste. Denn der neue Bottroper Bahnhof sollte dort gebaut werden und die Bäckerei stand dem Bauvorhaben im Weg.

Nachdem die beiden ihre Erinnerungen ausgetauscht hatten, erkannten sie, welcher „Schatz“ sich im Laufe der Jahrzehnte „entwickelt“ hatte.

Bäckermeister Breite übergab diese Waage gerne nun meinem Vater und so schloss sich für Wilhelm und der Gemüsewaage ein Kreis – eine Rundreise durch Bottroper Bäckereien.

Hasenbrot und versunkene Bratkartoffeln!

Hermann Trox

„Papa kommt, Papa kommt“, rief ich mit voller Kraft, lief auf der Hofeinfahrt zu ihm, stellte mich auf seine Füße, hielt mich an seiner Jacke fest und wartete darauf, dass mein Vater, mich auf den Füßen balancierend, vorsichtig weiterging.

„Was gibt es denn zum Mittagessen“, fragte er mich; nach acht Stunden Arbeit auf der Zeche knurrte ihm nämlich der Magen. Strahlend schaute ich zu ihm auf, rutschte von seinen Füßen, schwankte ein wenig beim Loslassen seiner Jacke, und stürmte die sieben Steinstufen zu unserer kleinen Wohnung hoch.

Vier oder fünf Jahre alt muss ich gewesen sein, also im Jahre 1949 oder auch schon 1950. Eine arme Zeit, wie ich heute weiß. Als kleiner Dreikäsehoch damals war es mir nicht so bewusst gewesen.

Mutter hatte mein Begrüßungsgeschrei schon gehört, denn die Türen zum Hof standen auf und auch ein Fenster lud zum Hinausschauen ein.

„Es gibt Grießbrei und Bratkartoffeln dazu“, sagte meine Mutter und rührte kräftig in einem größeren Topf herum, vier Mäuler mussten gestopft werden.

Nach dem Begrüßungskuss setzte sich Vater an den Küchentisch und breitete die Zeitung aus, welche er mitbrachte.

„Hast du wieder ein ‚Hasenbrot‘ für mich mitgebracht?“ Ich schaute ihn gebannt an und musste an die Butterbrotdose aus Blech denken, packte doch die Mutter am Morgen immer die Pausenbrote hinein.

„Weiß ich nicht“, sagte Vater, knipste dabei ein Auge zu und schaute Mutter lächelnd an, „schau doch mal nach, die Dose ist wie immer in der Innentasche.“ Er zeigte auf seine Anzugjacke, welche er bei schönem Wetter immer trug und die noch auf dem Sofa lag, denn einen Kleiderstock oder eine Garderobe gab es bei uns damals nicht. Eifrig versuchte ich den Deckel der Dose zu öffnen, die ich wohlweislich vorher aus der Jacke holte. Mit meinen kleinen Händen war es Schwerstarbeit, den Deckel von der Dose zu trennen. Endlich hatte ich sie auf, wobei der Deckel auf den Boden aus Linoleum fiel. Tatsächlich lag ein halber ‚Dubbel‘ (die Hälfte zweier, in der Mitte belegt, Scheiben eines Brotes) in der Dose. Hmmm! Dieser Geruch, der aus der Dose stieg, ein fast undefinierbarer Geruch, den ich heute noch in der Nase habe. Aus der Dose roch es nach einem Gemisch von Schmalz und nach Vater!

‚Hasenbrot‘, ein Ausdruck für das nicht gegessene Pausenbrot damals, vielleicht vom ‚Osterhasen‘ entliehen, um das Brot schmackhafter zu machen.

Die Teller waren schon auf dem Tisch und der Topf dampfte kräftig. Das Brot in der Hand kletterte ich auf das Sofa und kniete mich hin, damit ich auch auf den Tisch schauen konnte.

„Warte und bleib so auf dem Sofa hocken“, sagte mein Vater zu mir und schob den Tisch mit den Tellern und dem Grießbrei ganz nah an das Sofa heran, damit ich nicht im Eifer des Gefechts hinunterrutschte!

Die Bratkartoffeln brutzelten noch, als Mutter schon den Grießbrei auf die Teller löffelte. Ja, löffelte, denn unser Grießbrei war nicht suppig wie bei den Nachbarn. Wenn der Brei erkaltete, musste ein Löffel, senkrecht in den Brei gesteckt, stehen bleiben und durfte nicht umfallen, dann war er richtig gekocht!

Mein größerer Bruder kam, von der Mutter gerufen, vom Spielen mit den Nachbarskindern herein.

Auf einem Suppenteller den noch heißen Grießbrei und auf einem Kuchenteller einige Scheiben Bratkartoffeln, natürlich aus vorher gekochten Pellkartoffeln. Richtige Bratkartoffeln müssen nämlich unbedingt aus Pellkartoffeln gemacht werden, aber dieses nur als Anmerkung!

Mit meinem kleinen Löffel nahm ich vorsichtig eine Scheibe von den goldgelben Bratkartoffeln, legte sie auf den Grießbrei im anderen Teller und schaute gebannt zu wie die Scheibe darin versank und nur ein Fettauge obenauf blieb.

„Ihhh“, rief mein Bruder und zeigte mit dem Finger auf meinen Brei, „er taucht seine Bratkartoffeln in den Grieß, das kann man doch nicht so essen, bäh!“

„Mit Essen spielt man nicht“, sagte Vater, schaute mich an und sagte nur: „Aufessen!“

Gehorsam und auch neugierig fischte ich die Scheibe Bratkartoffel wieder aus dem Grießbrei. Sie war damit bedeckt und ich … ja, ich schob den Löffel mit dem Bratkartoffel-Grießbrei-Gemisch in meinen Mund. Erwartungsvoll schauten mich alle an und mein Bruder sagte noch einmal: „bäh“ dazu, ich aber hatte eine Geschmacksexplosion in meinem Mund!

Nicht nach Grießbrei oder Bratkartoffeln, nein, probiert es selbst aus. Noch heute erbitte ich manchmal von meiner Frau diesen dicken Grießbrei und aus Pellkartoffeln gemachte Bratkartoffeln.

„Lecker“, sage ich nur, „lecker!“


Hasenbrot und versunkene Bratkartoffeln

Für das Hasenbrot nehme man:

Zwei Scheiben Brot, nicht zu dünn und nicht zu frisch Belag, meist Flomen Schmalz (Nachbars Hausschlachtung)

Zubereitung:

Die Brotscheiben mit Flomen Schmalz bestreichen und aufeinander legen. Der Breite nach durchschneiden und in eine Frühstücksdose aus Blech legen. Nach getaner Arbeit wieder mitnehmen und von anderen Personen essen lassen!

Für die Bratkartoffeln für 4 Portionen nehme man:

Einkellerungskartoffeln

2 große Zwiebeln aus dem Garten

Billige Margarine, nicht zu knapp

1 Prise Salz

Zubereitung:

Mittlere Kartoffeln mit der Schale kochen, etwas salzen Fertige Kartoffeln (Pellkartoffeln) abkühlen lassen, die Schale abziehen und in Scheiben schneiden Zwiebeln würfeln (klein) und in die vorgeheizte, gefettete Pfanne geben. Glasig braten lassen. Die in Scheiben geschnittenen Pellkartoffeln dazugeben, goldbraun braten!

Für den Grießbrei für 4 Portionen nehme man:

150 g Weichweizengrieß

1 Liter Vollmilch

Viel Zucker, mindestens 5 Esslöffel

(vorzugsweise braunen Zucker)

Zubereitung:

Weichweizengrieß in der Vollmilch

15 Min. kochen lassen und zuckern.

Konsistenz: Im kalten Zustand

schneidfähig

Grießbrei und Bratkartoffeln heiß servieren.

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