Auf der Straße, die durch die Berge der Eifel nach Düren führte, überholte ein Trupp Mansfeldischer Reiter einige Landleute, die eine Hochzeit zu vollziehen sich in das nächste Kirchdorf begaben. Es waren das Brautpaar, dessen Eltern und die Verwandtschaft mit ihren Kindern, alle sauber gekleidet, die Braut mit Bändern und einer turmartigen Krone geschmückt, unter der ihr junger Kopf sich ernst und schamhaft beugte. Beim Anblick der Reiter erschraken die Leute, beruhigten sich aber, als einer derselben, ihren Dialekt komisch nachahmend, sie freundlich ansprach, nach dem Wege fragte und versicherte, dass sie nichts Feindliches im Sinne hätten, vielmehr selbst der Hilfe bedürftig wären. Die vom Schreck befreiten Bauern gaben Bescheid, worauf die Reiter sich ihnen anschlossen und unter dem mühselig geführten Gespräch zur Hochzeit einluden, da sie noch nichts im Leibe hätten, auch Genügsamkeit gelobten, als die Leute auf das geringe Maß der im Dorfe vorhandenen Vorräte hinwiesen. Es war Anfang Januar, und nach langen Regentagen setzte scharfe Kälte ein; ein beißender Nordwind pfiff durch das leere Ginstergestrüpp, das hie und da die Hügel bewuchs, und die erst durchweichten, nun gefrorenen Wege waren für die barfuß laufenden Kinder schwer zu begehen. Eine Viertelstunde von dem Dorfe kamen den Hochzeitern Befreundete entgegen, denen Spielleute vorangingen, und wiederum zerstreute die gute Laune der Reiter die Besorgnis, die ihr unerwartetes Erscheinen einflößte. Da sich zeigte, dass sie gute Katholiken waren, die Knie beugten und beteten wie die anderen, war die Einwohnerschaft vollends zu gastlicher Aufnahme willig, und das Hochzeitsmahl wurde durch herzugetragenes Brot, Fleisch und Dünnbier, so gut es gehen wollte, erweitert. Beim Tanze, der sich an das Essen anschloss, entspann sich ein Streit, indem ein betrunkener Reiter die Braut um die silbernen Beschläge ansprach, die ihr Mieder zierten und die seine Habgier reizten. Der Bräutigam lief zu ihrem Schutze herbei, der Reiter wurde hitzig, zog die Braut an sich und stach ihr, als sie sich ihm schreiend entwinden wollte, ein kurzes Schwert, das ihm an der Seite hing, ins Herz. Daraus entwickelte sich ein allgemeines wildes Kämpfen, das durch die plötzliche Ankunft Mansfelds, des Regimentsobersten, unterbrochen wurde. Er sprang sofort vom Pferde, trat unter die Wütenden und hieß einen der Seinigen sprechen, der die Schuld des Geschehenen auf die Bauern zu schieben suchte, als hätten sie einen listigen Überfall vorbereitet, dessen sie, die Soldaten, sich gewaltsam hätten erwehren müssen. Mansfeld stellte sich an, als ob er ihm Glauben schenkte, befahl seinen Leuten, alles herauszugeben, was sie sich etwa den Bauern Gehöriges angeeignet hätten, ließ sie aufsitzen und sprengte mit der ganzen, nun vereinigten Truppe so schnell wie möglich davon, ohne dass die Bauern der bewaffneten Übermacht gegenüber Widerstand zu leisten hätten wagen können.
Schon lag das frühe Dunkel auf den Hügeln, über die die Reiter hinjagten. Mansfeld war verstimmt und sagte ungehalten zu dem Leutnant, der die Schuldigen angeführt hatte, er durchschaue den wahren Sachverhalt wohl und würde eine blutige Strafe verhängt haben, wenn er nicht hoffen könne, dass die Tat in diesem verlassenen Winkel begraben bleibe. Als der Leutnant sich damit entschuldigen wollte, dass nach langem Fasten ihnen Essen und Trinken zu Kopfe gestiegen sei, hieß ihn Mansfeld schweigen; er müsse für ihre Zügellosigkeit büßen, ihm hängten sie den Namen eines Mordbrenners an, der die Katholiken so wenig verschone wie die Evangelischen. An einer Wegscheide ließ er Halt machen, sprach sein Missfallen und die Hoffnung aus, die Übeltäter würden sich beeifern, ihr Schelmenstück durch eine soldatenmäßige Heldentat wieder gutzumachen. Einige Meilen entfernt liege das Städtchen Schleyden, das in Feindeshand, aber ungenügend besetzt sei und leicht überrumpelt werden könne. Dort wolle er sich festsetzen, um mit sicherem Rückhalt Streifzüge zu wagen und weiter um sich zu greifen. Dieser Überfall gelang; aber schon am folgenden Tage erschien eine starke Abteilung brandenburgischer Soldaten unter dem Grafen Friedrich Solms, denen gegenüber Mansfeld den schwach befestigten Ort nicht halten konnte. Nach tapferer Gegenwehr musste er sich mit den überlebenden Soldaten gefangen geben, wurde nach Düren gebracht und wartete dort ungeduldig auf das Lösegeld, das sein Kriegsherr, Erzherzog Leopold, für ihn zu erlegen aufgefordert wurde.
Während der erzwungenen Untätigkeit, die ihn von Tag zu Tag unleidlicher drückte, lief an Mansfelds Geiste sein vergangenes Leben, aus Kampf, Enttäuschung und Bitterkeit bestehend, vorüber. In seinem zehnten Lebensjahre hatte es sich begeben, dass er in die Bücher, die ihm gehörten, ein paar französische Andachtsbreviere, eine Befestigungslehre und einen lateinischen Plutarch, neben seinen Namen Peter Ernst Mansfeld den Wahlspruch seines Vaters geschrieben hatte, der ihm überaus wohlgefiel: Force m’est trop. Dies hatte der Hofmeister der Pagen, mit denen er erzogen wurde, gesehen und ihn auf Befehl seines Vaters mit Schlägen so gezüchtigt, dass Blut geflossen war. Es wurde ihm dabei gesagt, dass er der Gewalt sich zu fügen lernen müsse, dass das störrische, unbändige Wesen ihm ausgetrieben werden solle, und als er sich zornig beklagte, ein Fürstensohn dürfe nicht wie ein Knecht behandelt werden, wurde ihm entgegnet, er sei ein Bastard, solle nach dem Willen seines Vaters nicht anders behandelt werden als die Pagen, die im Schlosse dienten, und habe kein Recht, seines Wappens und Wahlspruchs sich zu bedienen. Wenn ihn seitdem ein Gegner mit dem Namen Bastard gehöhnt hatte, überlief ihn jedes Mal dasselbe Gefühl von Scham und ohnmächtiger Wut, das damals seine kindliche Brust fast erdrückt hatte. Hass und unersättliche Rache gegen den Vater durchdrangen ihn, dessen gesundes Alter kalt, zufrieden und würdevoll in seinen Schlössern thronte und der seinen Sohn namenlos, ohne Heimat, Erbe und Ehre zurückließ. Oft sehnte er sich danach, den hochmütigen Greis, dem man sich nur voll Ehrfurcht und unter Bücklingen genähert hatte, aus der Erde herauszuwühlen und öffentlich verletzter Vaterpflicht und unnatürlicher Grausamkeit anzuklagen. Fluch über ihn, der seinen Sohn wie Ismael in die Wüste gestoßen hatte. Noch jetzt musste er oft rühmen hören, wie treu sein Vater als Gouverneur von Luxemburg dem Hause Habsburg gedient und ihnen sogar alle seine Güter hinterlassen habe; ihm schien es nicht rühmenswert, dass er den übermütigen Herren seinen Überfluss vermachte und seinen Sohn ihrer Gnade zu empfehlen sich begnügte. Er hatte es nicht anders gewusst, als dass er im Dienste des Hauses Österreich das Schwert führen müsse, und hatte es getan, so gut er es verstand, tapfer und ohne sein Leben zu schonen; sie dagegen hatten ihn wegen eines fehlgeschlagenen Kriegsunternehmens, woran er sich unschuldig glaubte, kassiert. Zurücksetzungen und Kränkungen aller Art waren ihm zuteil geworden, sodass er sich endlich klargemacht hatte, er als berechtigter Erbansprecher der väterlichen Hinterlassenschaft sei ihnen im Wege. Warum ließ er sich treten von denen, die ihn ausgeplündert hatten? Er konnte leicht anderswo sein Glück finden, ja es waren ihm schon Anträge von evangelischer Seite gemacht worden; dann konnte er vielleicht den Gegnern mit Gewalt nehmen, was sie dem geduldigen Diener vorenthielten. Immer, wenn er die Möglichkeit erwog, zur Union überzugehen, störte ihn die Vorstellung, dass er sich gleichsam als ein Flüchtling und Verschmähter denen anschloss, auf die er als auf Ketzer und Rebellen herabzusehen gewohnt war; dagegen sagte er sich, dass er der Mann sei, ihnen seinen Wert zu erweisen. Das Ergebnis langer Kämpfe war, dass er den Grafen Solms bat, ihn gegen Ehrenwort zu entlassen, damit er den Erzherzog Leopold persönlich auffordern könne, ihn auszulösen, widrigenfalls er zur Union übergehen wolle; weigere sich Leopold, so sei er entschlossen, die Drohung auszuführen. Graf Solms zögerte mit der Antwort; denn er hatte die Meinung, dass das Ehrenwort eines Bastards nicht gelte, und war nahe daran, ihm dies zu verstehen zu geben. Indem er aber Mansfeld in das kluge, reizbare Gesicht sah, das sich rötete und argwöhnisch leidend verzog, weil er des Unschlüssigen Zweifel richtig deutete, besann er sich plötzlich eines anderen, reichte dem Bittenden die Hand und sagte: »Ich habe Euch kämpfen sehen wie einen Edelmann, und als einem solchen gebe ich Euch die Freiheit«, worauf Mansfeld dankte und davonritt.
Von Erzherzog Leopold, der sein erträumtes Reich von Jülich aus zerfließen sah, ohne Geld, weil er selbst keins habe, und mit den spöttischen Worten entlassen, er solle unter Freunden und Verwandten für sich sammeln lassen, kehrte er grollenden Herzens nach Düren zurück. Nicht nur redeten ihm Ansbach, Anhalt und Solms zu, sich nunmehr der Union anzuschließen, sondern Solms schenkte ihm auch die Freiheit, großmütig auf das Lösegeld verzichtend; allein das bestärkte Mansfeld in dem Vorsatz, nur an der Spitze eines Regiments, nicht als Bettler zu den bisherigen Feinden zu kommen. Einige Monate vergingen, die er im Belgischen und Luxemburgischen, werbend und streifend im Dienste des Erzherzogs, zubrachte, immer noch ein Zeichen erwartend, das ihm Anlass gäbe, bei der alten Fahne zu bleiben. Anstatt dessen geriet er in einen Wortwechsel mit Leopold, weil dieser sich weigerte, den Söldnern, die Mansfeld für ihn geworben hatte, den Sold auszuzahlen. Im Vertrauen auf seine, des Erzherzogs, Ehre habe er den Söldnern sein Wort verpfändet, warf ihm Mansfeld vor, worauf der Erzherzog spottete, er sei ja dem Grafen Solms das Lösegeld schuldig geblieben, und derselbe habe das Recht, Mansfelds Namen auf den Schandpfahl zu schlagen. Des Lösegelds solle er ewig eingedenk sein, antwortete Mansfeld kurz, drehte sich um und verließ Leopold, entschlossen, nun ein Ende zu machen. Unter dem Vorwande, einen Futtertransport eskortieren zu müssen, verließ er mit seinem Regiment das Elsaß, wohin er sich zurückgezogen hatte, und führte es dem einstigen Feinde zu. Auf einem freien Felde hielt er eine Ansprache, in der er die Gründe, die ihn bewegten, auseinandersetzte. Er sprach von dem Geiz und der Undankbarkeit des Hauses Habsburg und wie lange er die Tyrannei desselben ertragen habe in der Meinung, es müsse so sein, dass einige Hunger und Durst, Frost und Hitze, Entbehrung und Mangel litten, während andere in Überfluss, Gütern und Titeln schwelgten. Es sei nicht so; das Evangelium der Freiheit sei längst ausgegangen in die Welt, man hätte es ihnen aber vorenthalten. Zur evangelischen Freiheit wolle er von nun an sich halten. Er sei als Fürst geboren und aufgewachsen so gut wie ein Erzherzog, das Haus Habsburg habe ihn seines Landes und seiner Rechte, so wie sie ihres Soldes, beraubt. Er sei jetzt, obwohl ein Fürst, arm, habe aber ein Schwert, mit dem er sich die Welt erkämpfen könne. Dem Schwert und der Freiheit wolle er vertrauen; wie er sie nicht verließe, sollten sie ihm treu bleiben.
Diese und ähnliche Worte sprach er vom Pferde herunter, den Hut in der Hand, zu den Soldaten, die ihm als einem verwegenen und großmütigen, wenn auch mitunter maßlos heftigen Führer im ganzen zugetan waren. Die meisten jubelten ihm zu, umso mehr, als sie größtenteils Protestanten waren; andere gingen einstweilen mit, um sich gelegentlich zu verlieren, wenn ihnen der Wechsel nicht zusagen sollte; nur wenige kehrten aus Anhänglichkeit an die einmal ergriffene Sache oder aus Misstrauen gegen die neue zurück.
Während im Nordwesten des Reiches die Waffen klirrten, reisten die Kurfürsten von Köln, Mainz und Sachsen nach Prag zu einem Konvent, den der Kaiser zur Beratung der schwebenden Fragen ausgeschrieben hatte, nämlich der Jülicher Sukzession, des Streites um Donauwörth, seines Handels mit Matthias und der Nachfolge im Reich. Wegen der Aussöhnung des Kaiser mit Matthias hatte sich Ernst von Köln während des Winters längere Zeit in Prag aufgehalten, aber keine Audienz beim Kaiser erhalten können, sodass er über die Einladung, die er gleich nach seiner Rückkehr erhielt, füglich erstaunt war; da jedoch die mildere Jahreszeit heranrückte und die Kriegsfrage für ihn als Nachbar von Jülich von hohem Belang war, machte er sich geduldig wieder auf den Weg. Im ganzen sahen die Herren einer fröhlichen Zeit entgegen, da sie in Prag Gäste des Kaisers sein sollten, der zu großer Verlegenheit des Finanzrates die Fürsten üppig zu bewirten liebte.
Nach feierlicher Eröffnung durch den Kaiser leitete der Konvent seine Tätigkeit dadurch ein, dass er von mehreren Universitäten Gutachten über die verwickelte Jülicher Erbfolge einzuholen beschloss, welcher denn von den verschiedenen Erbansprechern, zu denen auch der Kurfürst von Sachsen gehörte, das beste Recht hätte. Sie waren noch in Erwartung der Antworten, als die Nachricht von der Ermordung Heinrichs IV. von Frankreich eintraf, wodurch die Kriegsgefahr sich erheblich verringerte. Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, der wegen seines Streites mit der Stadt Braunschweig sich schon vor mehreren Jahren persönlich mit dem Kaiser in Verbindung gesetzt und ihn ganz auf seine Seite gebracht hatte und der auch jetzt wieder in Prag anwesend und von dem ihm besonders vertrauten Kaiser zum Konvente zugezogen war, gab bei dieser Gelegenheit ein Gastmahl, dessen vornehmste Tafelzierde ein die Judith mit dem Haupte des Holofernes darstellendes Schaustück bildete. Es bestand aus Mandeln, Honig und Mehlteig und war dadurch merkwürdig, dass der Zuckerbäcker auf Anweisung des Herzogs von Braunschweig dem von der Judith am Schopfe gehaltenen Haupte die Züge Heinrichs IV. zu geben versucht hatte. Er sei selbst in der Werkstatt des Meisters gewesen und habe nicht ungeschickt mit zugegriffen, erzählte der Herzog seinen Gästen, die denn auch die Arbeit wohlgelungen und des Königs Nase und Bart wohlgetroffen fanden. Der rüstigen Mörderin, erklärte der Herzog, habe er nur das Gesicht eines beliebigen schönen, gesunden Weibsbildes geben lassen, denn er wisse nicht, wie der Mann beschaffen sei, der den König erstochen habe, auch sei das Ganze mehr als ein Symbolum aufzufassen. Wer er auch sei und ob man auch die Mordtat nicht billigen könne, sagte der Erzbischof von Köln, so sei sie, wenn nicht auf Anstiftung, doch unter Zulassung Gottes geschehen, der das fromme Kaiserhaus augenscheinlich beschütze. Der kecke und unruhige Geist des Königs hätte ein hübsches Kriegsfeuer am Rheine anzünden können, daran sie lange zu löschen gehabt hätten. Ja, sagte Kurfürst Christian von Sachsen, mit Frommsein und Zuwarten übe man meist die feinste Politik aus, indem Gott die Entscheidung in allen Dingen zustehe und er alles zum Besten der Frommen einrichte.
Um nun die Jülicher Frage vollends zum Ende zu bringen, erklärte sich der Kaiser einverstanden, den Kurfürsten von Sachsen mit dem erledigten Herzogtum zu belehnen, welche Handlung gleich während des Konventes feierlich vollzogen werden sollte. Hatte Rudolf es auch bereits seinem Neffen Leopold versprochen, so konnte doch inzwischen der sächsische Kurfürst damit zufriedengestellt werden, den als den mächtigsten evangelischen Fürsten von Zeit zu Zeit durch eine unvorgreifliche Vergünstigung zu verpflichten ein Hauptstück der kaiserlichen Regierungskunst im Reiche war. Mit Eifer nahm sich dieser Sache der Herzog von Wolfenbüttel an, indem er für die richtige Ausführung des Belehnungsaktes nach den Vorschriften der Goldenen Bulle, die er auswendig wusste, Sorge trug. Die Fürsten, welche seine Gelehrsamkeit bewunderten, fügten sich seinen Anordnungen und kamen in dem Gasthof, den er bewohnte, zusammen, um dem Kurfürsten von Sachsen seine Rolle einzustudieren. Christian nämlich war von großer, breiter, muskelstarker Gestalt, hatte sich als Jüngling bei Turnieren ausgezeichnet und pflegte sich von den Bildhauern als Herkules darstellen zu lassen; aber das übermäßige Trinken hatte ihn aufgeschwemmt und zu einer trägen, unförmigen Masse gemacht, sodass es nicht leicht war, ihn seinem alten Ruhme gemäß eindrucksvoll zu verwenden. Vornehmlich schwer wurde ihm das Niederknien vor dem Kaiser, das den wichtigsten Punkt der Darstellung bildete, da er in der engen und schweren Rüstung, die dazu gehörte, noch unbeweglicher als sonst war. Die Erzbischöfe musterten etwas besorgt das rotgedunsene Gesicht mit den schlaff hängenden Backen unter dem Kurhute, an dem der Schweiß hinunterzulaufen begann, während der Herzog ihn unnachsichtig den Kniefall wiederholen ließ, bis es ohne Anstoß gelungen wäre. Es habe nichts auf sich, sagte der Herzog, wenn der Kurfürst sich etwas langsam und unanstellig gebärde, nur dürfe er weder lachen noch greinen oder das Maul hängen lassen, ebensowenig taumeln oder stolpern oder schnaufen, was alles der fürstlichen Majestät Abbruch tue, vor allen Dingen aber beim Niederknien nicht wie ein voller Sack zu Boden plumpsen, sondern sich gelinde und gleichsam aus freien Stücken niederlassen und wieder aufstehen. Schließlich kamen die Fürsten überein, dass es besser wäre, dem Kurfürsten zwei Knappen beizugeben, die ihm beim Niederknien und Wiederaufstehen unter die Arme griffen, da man sonst doch sich eines Unfalls besorgen müsse.
Der Kurfürst, den das häufige Proben etwas verdrossen hatte, gewann bei dem sich daranschließenden Gelage seine gute Laune wieder, übernahm sich aber im Trinken so sehr, dass er am folgenden Morgen, als die Belehnung vorgenommen werden sollte, gänzlich unfähig und seiner nicht mächtig war und dadurch die Fürsten in nicht geringen Schrecken versetzte. Sie sollten ihm einen Humpen voll zu trinken geben, sagte Christian übellaunig zu ihnen, die ihn vorwurfsvoll umstanden, dann werde er alles ordentlich ausrichten, erst müsste er allemal den Schlaf, der ihm wie Blei in den Gliedern liege, mit einem Frühtrunk fortspülen. Dem widersetzte sich anfangs der Herzog von Braunschweig, da es erstens der Güldenen Bulle nicht gemäß sei und zweitens auch gefährlich, indem der Kurfürst sich wieder übernehmen und dadurch alles zum Scheitern bringen könne; allein auf Zureden der anderen, dass Christian in einer mäßigen Trunkenheit besser figurieren könne als nüchtern, ließ ihm der Herzog einen Krug Bier verabreichen, worauf er sich erholte und die Zeremonie unter großem Gepränge und Zulauf vorgenommen wurde und auch leidlich abging. Das Gesicht des Kaisers blickte fahl und traurig aus dem starrenden Ornat, mit dem er behangen war; er hatte sich in der letzten Zeit von den gemeinsamen Zusammenkünften zurückgezogen, da die Fürsten allmählich abreisen und vorher dasjenige Geschäft erledigen wollten, das ihm widerwärtig war, nämlich die Aussöhnung mit Matthias.
Auch dieser wollte anfangs nichts davon hören, aber der Herzog von Braunschweig, der unverdrossen nach Wien reiste, um ihn zu bearbeiten, brachte ihn dahin, dass er die Waffen niederzulegen versprach, wenn der Kaiser das Kriegsvolk entließe, das er im Bistum Passau geworben hatte und das gegen ihn bestimmt sei. Darauf wollte Rudolf jedoch nicht eingehen: das Passauer Kriegsvolk, sagte er, gehöre seinem Neffen Leopold und solle in der Jülicher Fehde verwendet werden; er habe nichts damit gegen Matthias im Sinne, aber er und seine übrigen Brüder und Neffen, mit Ausnahme Leopolds, wären ein vatermörderisches Geschlecht und wollten ihn wehrlos machen, um ihn desto besser ausplündern zu können. Die Fürsten waren über Rudolfs seltsame Geisteskonstellation etwas betreten, ließen aber nicht nach, auf ihn einzureden, bis er einwilligte, die Passauer zu entlassen und die Abbitte der schuldigen Verwandten entgegenzunehmen, nur Matthias wolle er nicht sehen. Es wurde also ausgemacht, dass anstatt seiner die Erzherzöge Maximilian und Ferdinand vor ihm erscheinen sollten; aber eine neue Schwierigkeit entstand dadurch, dass der Kaiser die Bedingung stellte, sie müssten die Abbitte kniend vortragen, wozu sich wohl Ferdinand, aber nicht Maximilian verstehen wollte. Als dem Kaiser endlich mitgeteilt werden konnte, dass sein Bruder in Hinsicht auf den Kniefall nachgegeben habe, fing er an zu weinen und sagte, er wolle nun und nimmermehr einen Habsburger auf den Knien sehen, sondern werde Maximilian aufheben, sobald er die Knie zu beugen begonnen haben werde. Dies führte er auch aus, reichte beiden Erzherzögen die Hand und sprach sie freundlich an, indem er sich nach Ferdinands Frau und Kindern erkundigte.
Nachdem diese Angelegenheit erledigt war, besprach sich der Kaiser mit den Fürsten noch über die Nachfolge im Reich, die er keineswegs Matthias, sondern seinem Neffen Leopold zuwenden wollte. Die Kurfürsten widersprachen ihm nicht, sondern erklärten sich bereit, Leopold die Stimme zu geben; Trier und Köln wollten Matthias wegen seiner Anzettelungen mit den Protestanten nicht wohl und waren es deswegen zufrieden, ihn zu übergehen. Um die Stimmen der protestantischen Kurfürsten zu gewinnen, knüpfte Rudolf eingehende Verhandlungen mit Pfalz an, wobei er sich auf den Majestätsbrief berief und auch im Reiche den Forderungen der Evangelischen Rechnung zu tragen verhieß. Indessen wurde diese Übereinkunft durch den Tod des Pfalzgrafen, der im September desselben Jahres 1610 erfolgte, abgerissen.
Nachdem die Festung Jülich von den Unierten erobert war, kehrte Leopold ruhmlos nach Prag zurück, doppelt auf große Unternehmungen erpicht, durch die er seine Niederlage wettmachen wollte. Er flößte seinem Oheim Mut ein, mit den in Passau geworbenen Truppen Matthias Ungarn und Österreich wieder abzunehmen, was denn auch in geheimer Übereinkunft beschlossen wurde. Als nun Matthias, der inzwischen sein Heer, dem gegebenen Versprechen gemäß, entlassen hatte, auf die Entlassung der Passauer drang und der Herzog von Braunschweig deswegen beim Kaiser vorstellig wurde, entschuldigte sich dieser, er habe kein Geld, den Passauern ihren Sold, nämlich 400.000 Gulden, auszuzahlen, ohne welchen sie nicht auseinandergehen wollten. Der Sold müsse aufgebracht werden, sagte der Herzog eifrig, er mache sich dazu anheischig, wenn es nicht anders sei. Die Sache wurde nämlich dadurch dringender und gefährlicher, dass die Passauer erklärten, das Bistum sei jetzt gänzlich erschöpft und ernähre sie nicht mehr, sie müssten wohl oder übel nach Böhmen ziehen und sich dort erholen. Die Angst vor diesem Heuschreckenschwarm bewog die böhmischen Stände, dem Herzoge, der sie darum anging, 300.000 Gulden zu versprechen, worauf er einige vermögende Prager Bürger überredete, das übrige dazuzusteuern. Froh über das Erreichte, erbot sich der Herzog selbst, nach Passau zu eilen und die Entlohnung des Heeres zu betreiben, das mit dem Einfall in Böhmen drohte; das Geld versprach der Kaiser, sowie es flüssig gemacht wäre, nebst einer Vollmacht dem Herzog durch einen Zahlmeister nachzuschicken.
Es war ein kalter Nachmittag im Dezember, als der Wagen des Herzogs, sich der Bischofsstadt nähernd, plötzlich angehalten wurde. Als der Herzog, um zu sehen, was es gäbe, sich aus dem Kutschenfenster beugte, erblickte er einen Haufen zerlumpter Männer, die Almosen heischten, und er erkannte nun wohl, dass er mitten in das Lager der Passauer geraten war. Viele von den Leuten glichen mehr Bettlern als Soldaten, hatten Weiberröcke und Tücher umgebunden, um sich vor der Kälte zu schützen, und die bloßen Füße, auf denen sie mühsam forthinkten, in alte Flicken gewickelt. Verdutzt und erschreckt über diesen erbärmlichen Anblick, verteilte der Herzog, was er an Münze bei sich hatte, und fragte, ob kein Leutnant oder Hauptmann da sei; denn diesem dachte er zu eröffnen, wer er sei, und ihn mit der baldigen Ankunft des Soldes zu vertrösten. Der Leutnant liege besoffen in seinem Zelte, wurde ihm mitgeteilt, er habe mit drei oder vier Soldaten einen Auszug in die nächsten Dörfer unternommen und ein Fäßlein Wein heimgebracht, jetzt müsse er den Rausch ausschlafen.
Hie und da brannte ein Holzfeuer, von dem feiner, bläulicher Rauch steil in die graue Schneeluft hinaufkletterte. Über einen großen, von Weiden und Erlen umstandenen Sumpf hatte sich eine Frosthaut gezogen, unter der es leise gluckste und polterte. Nachdem er sich aufmerksam umgesehen hatte, gab der Herzog dem Kutscher ein Zeichen, schnell weiterzufahren und sich durchaus nicht von den Heischenden oder Drohenden aufhalten zu lassen. In der bischöflichen Residenz fand er den Erzherzog Leopold mit den anderen hohen Offizieren, nämlich den Grafen Sulz und Althan, den Herren Trauttmansdorff und Ramée, die ihn höflich aufnahmen und bewirteten. Er hätte nicht gedacht, sagte der Herzog, dass es so böse im Lager aussehe; er könne den elenden Anblick nicht aus den Gedanken schlagen und sei froh, dass er das nahe Ende dieses kläglichen Zustandes ankündigen könne. Der Zahlmeister des Kaisers kam jedoch weder am nächsten noch an den folgenden Tagen, worauf der Erzherzog mit Sulz, Althan und Trauttmansdorff nach Prag abreiste, um, wie er sagte, sich nach dem Verbleib des Geldes zu erkundigen. Also blieb Heinrich Julius mit Ramée allein zurück, der ein wortkarger Gesellschafter und dem Herzoge schon durch sein Äußeres unheimlich war. Es ging nämlich durch sein eines Auge eine Narbe und verursachte, dass es von unten her aus einem Hinterhalt zu lauern schien, unabhängig von der Blickrichtung des anderen; infolgedessen war es unmöglich, aus seiner Miene etwas abzulesen, abgesehen davon, dass er auch absichtlich seine Gedanken verbergen zu wollen schien. Um sich das Zusammensein mit ihm zu verkürzen, schlug der Herzog ein Kartenspiel vor, worauf Ramée auch einging und wobei er fortwährend gewann. Er spielte schweigsam, rasch und sicher, strich schweigend das Geld ein und verteilte die Karten unaufhaltsam, wobei er den Herzog mit seinem heilen Auge unverwandt ansah. Obwohl diesen der andauernde Verlust wurmte, hielt er doch an sich und sagte nur einmal wie im Scherze, Ramée verstehe wohl die Kunst, die Karten mit den Fingern zu sehen. Nein, sagte Ramée, während ein diabolisches Lächeln um seinen Mund lauerte, er habe nur die Gewohnheit, vor dem Spiel dreimal auf die Karten zu klopfen und dabei für sich zu sprechen: ›Im Namen der heiligen Jungfrau‹; das helfe zum Gewinnen, der Herzog könne es auch versuchen. Der Herzog spielte und verlor daraufhin weiter, ohne etwas zu sagen, und sehnte den Tag herbei, wo der Zahlmeister aus Prag einträfe.
Endlich sagte Ramée, er müsse die Truppen nun in ein anderes Quartier führen, wenn sie nicht alle Hungers sterben sollten. Der Herzog habe ja nicht einmal eine Vollmacht, man könne nicht wissen, ob er wirklich einen Auftrag vom Kaiser empfangen habe. Wie er es wagen könne, seine fürstliche Ehre anzutasten, schrie der Herzog zornig; wer er sei, sich solcher Sprache gegen einen Reichsfürsten zu unterstehen! Der Herzog solle sich nicht aufregen, sagte Ramée, wenn das Geld komme, sei er bereit, ihn um Verzeihung zu bitten. Unterdessen möge er die Truppen beschwichtigen, die sich zusammengerottet hätten und ihren Sold verlangten. Dazu erklärte sich der Herzog bereit, rüstete sich, stieg zu Pferde und ließ sich von Ramée auf einen Platz führen, wo die Meuterer in einem Haufen zusammenstanden. Bei seinem Anblick erhob sich ein lautes Murren, Pfeifen und Aneinanderschlagen der Waffen, auch an drohenden Gebärden und Zurufen fehlte es nicht. Wütend sprang der Herzog vom Pferde, riss einem eine Trommel aus der Hand, schlug mit dem Griff seines Schwertes darauf und verschaffte sich endlich Gehör, worauf er sagte, die Truppen hätten zwar ein Recht auf ihren Sold, aber ihn auf diese meuterische1 Art zu verlangen, stehe rechtschaffenen Soldaten nicht zu. In zwei Tagen werde das Geld eintreffen, er stehe mit seinem fürstlichen Wort dafür, so lange sollten sie sich gedulden.