Puls des Lebens

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Puls des Lebens
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Robert C. Fulford

Puls des Lebens

Touch of Life

Aus dem Amerikanischen

übersetzt von

Ilka Rosenberg


Dr. Fulford’s Touch of Life

Pocket Books, New York, 1996

1230 Avenue of the Americas, New York, NY 10020

©1996, Robert C. Fulford, D. O.

ISBN 0-671-55600-2

Puls des Lebens

von Dr. Robert Fulford

© 2008, JOLANDOS

Am Gasteig 6 – 82396 Pähl

978-3-936679-48-9 (Buch)

978-3-941523-23-4 (mobi)

978-3-941523-45-6 (epub)

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Schwarzburger Chaussee 74 – 07407 Rudolstadt

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Robert C. Fulford (1905 – 1997)

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Autors

1 – Die Grundlagen der Osteopathie

2 – Eine kurze Darstellung des Universums

3 – Gesundheit in der heutigen Zeit

4 – Bessere Gesundheit in modernen Zeiten

5 – Pass’ gut auf Dich auf!

6 – Der Pfad des Lebens

7 – Die menschliche Seele

8 – Übungen

9 – Anmerkungen zum weiterführenden Nachdenken und Lesen

Fußnoten

Vorwort des Herausgebers

„Die Kunst des Liebens ist die Fähigkeit in jeder Person das innere Wesen zu erkennen und zu respektieren.“

Robert Fulford

Robert Fulford, D. O. (1905 – 1997) galt als eine der wichtigsten und rätselhaftesten Figuren in der Osteopathie des späten 20. Jahrhunderts. Er glaubte zutiefst an die osteopathische Philosophie, so wie sie A. T. Still (1828 – 1917) 1874 der Welt vorgestellt hatte und in deren Mitte der triune man stand – der Mensch in seiner dreifach differenzierten Einheit: Körper, Verstand und Seele.

Nachdem er von den medizinischen Ausbildungsstätten abgewiesen wurde, entschloss er sich, das Studium der Osteopathie am Kansas City College of Osteopathy aufzunehmen. Nach erfolgreicher Graduierung im Jahr 1941 kam es zur schicksalhaften Begegnung mit W. G. Sutherland (1873 – 1954), dem Begründer der Kraniosakralen Therapie. Fulford beschreibt dieses Zusammentreffen als glücklichste Fügung in seinem gesamten beruflichen Leben. Er genoss nicht nur das Privileg, als einer der ersten Osteopathen überhaupt Sutherlands geradezu revolutionäre Erweiterung der traditionellen Osteopathie Stills in dessen eigenen Vorträgen zu erlernen. Durch Sutherland sollte er auch den Zugang zur faszinierenden Gedankenwelt des amerikanischen Universalgenies Walter Russell (1871 – 1963) bekommen. In ihr begegnete er den universellen Gesetzen der Polarisierung, des Ausgleichs und der geistigen Entwicklung, welche später das Zentrum seines gesamten therapeutischen Denkens und Handelns werden sollten.

Es folgten Jahrzehnte ausgedehnter und vorurteilsfreier Forschungsarbeit in natur- und geisteswissenschaftlichen Gebieten der westlichen und östlichen Welt. Aryuvedische Medizin, Buddhismus, Psychoanalyse, Bioluminiszenz, Quantenphysik, elektromagnetische Lebensfelder, Humanismus etc., alles wurde begierig aufgesogen und moduliert in seine Behandlungen integriert. Auf diese Weise erweiterte Fulford das organische und humanistische Konzept seiner Vorgänger Still und Sutherland insbesondere im spirituellen Bereich und begründete damit seinen Ruf als einer der ersten und bedeutendsten Vertreter der so genannten Biodynamischen Medizin.

Gerade aufgrund seines immens umfassenden therapeutischen Wissens und Könnens erscheint es umso erstaunlicher, dass Fulford bis kurz vor seinem Tod nicht ein einziges Buch geschrieben hatte. Es ist daher als absoluter Glücksfall für die Osteopathie zu werten, dass er sich schließlich in seinen 90ern doch noch entschloss, die Quintessenz seines beruflichen Lebens in diesem kleinen Buch zu veröffentlichen.

Lassen Sie sich vom Umfang und der einfachen Sprache nicht täuschen – das Buch hat es wirklich in sich. In wenigen Worten gelingt es Fulford, die wesentlichsten Aspekte des Gesundheitswesens, der Arzt-Patienten-Interaktion, des Menschseins und des Lebens humorvoll und verständlich darzulegen. Außerdem finden Sie eine Menge bestechend einfacher und nützlicher Tipps, wie Sie Ihre Gesundheit erneuern und erhalten können.

Als Arzt und Physiotherapeut hat mich besonders sein offenes und selbstbewusstes, aber niemals aufdringliches Bekenntnis zu Liebe, Spiritualität, Respekt und Fürsorge gegenüber allen Menschen und sein Konzept des Gebens und Zurückgebens bewegt. Hier steht er ganz in der Tradition Albert Schweitzers (1875 – 1965), und wie dieser besticht auch Fulford in seinen Erzählungen durch eine geradezu fesselnde Glaubwürdigkeit. Sie zu erlangen gelingt nur jenen Menschen, die ihrem Gewissen und ihren Idealen gegen alle Widerstände treu bleiben und ihre Überzeugungen, anstatt sie laut in die Welt zu posaunen, still und hingebungsvoll leben.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Christian Hartmann Pähl, August 2005

Vorwort des Autors

Kürzlich erhielt ich einen Anruf von einem 45-jährigen Mann, der dringend Hilfe benötigte. Er hatte seit einigen Monaten unter den Symptomen eines Herzinfarktes gelitten, seine Ärzte konnten ihm jedoch nicht helfen. Das Problem bestand darin, dass alle an ihm durchgeführten medizinischen Tests und Elektrokardiogramme keinerlei Befunde am Herzen aufwiesen. Die meisten Ärzte verlassen sich bei ihrer Diagnostik gänzlich auf Tests und Apparate und stehen vor einem Rätsel, sobald die Testergebnisse besagen, dass das Herz scheinbar normal arbeitet.

Die Bitte des Mannes, jemand möge seinen gesamten Körper nach der Ursache der Beschwerden untersuchen, wurde jedoch abgelehnt. Gäbe es ein Problem mit dem Herzen, müsse sich die Erklärung dafür auch im Herzen befinden, und das war das Ende vom Lied.

Das passiert meinen Patienten sehr oft: Sobald kein anderer irgendeine Lösung finden konnte, werden sie an mich überwiesen.

Bei der Untersuchung des jungen Mannes entdeckte ich, dass er sich vor einigen Jahren den rechten Oberschenkel gebrochen hatte. Nachdem die Chirurgen sein Bein wieder hergestellt hatten, bildete sich eine ganze Menge Bindegewebe und beeinträchtigte bestimmte Muskeln, die hinauf zum Nacken führen. Diese Nackenmuskeln haben sich möglicherweise zusammengezogen oder sie sind derart locker und elastisch geworden, dass sie die umliegenden Knochen nicht mehr richtig abstützen konnten. Wie auch immer, bei dem Mann herrschte eine Disbalance, die zu einer Verdrehung der Halswirbelsäule am Ursprung der Nervenversorgung des Herzens nahe der Schädelbasis führte. So konnte das Herz nicht richtig arbeiten; nicht aufgrund einer Erkrankung, sondern weil das Bein viele Jahre zuvor verletzt worden war.

Nach vier Sitzungen mit osteopathischen Techniken hatte der Mann seine ausgezeichnete Gesundheit wiedererlangt. Jetzt, Monate später, drängen ihn die Ärzte zu weiteren Untersuchungen. Sie weigerten sich zu glauben, dass mit dem Herzen alles in Ordnung sei. Sie weigerten sich ebenso zu glauben, dass irgendetwas anderes als die ihnen vertraute Kategorie der Medizin ihm helfen konnte.

Hier noch eine andere Geschichte über einen kleinen Jungen, den ich erst vor ein paar Monaten kennen gelernt habe.

 

Seine Mutter hatte massive körperliche Beschwerden während der Schwangerschaft ausgehalten, und das Kind konnte kaum atmen als es geboren wurde – was, wie Du bald erfahren wirst, gleichbedeutend mit einer Gesundheitskrise unmittelbar von Beginn an ist.

Kurz nach der Entbindung wurde der Junge krank, und in den nächsten Jahren lag er ständig mit Lungenentzündung und anderen Erkrankungen danieder. War er nicht krank, raste er im Haus wild umher, stieß gegen Wände und Vasen, grabschte Aschenbecher von den Tischen und warf sie auf den Boden. Zu alledem kam noch, dass er kaum sprechen konnte, und seine Eltern befürchteten er sei geistig behindert.

Weder ihr Kinderarzt noch ein Kinderpsychologe konnten dem Jungen in irgendeiner Form helfen. Die Eltern waren verzweifelt.

Kurz nach seinem vierten Geburtstag brachten sie den Jungen zu mir. Just in dem Moment als ich die Tür meines Hauses im ländlichen Ohio öffnete, in dem ich noch immer praktiziere, rannte der Junge wortlos rein. Er preschte hinüber zum Telefon, begann am Kabel zu ziehen und versuchte es auf den Boden zu zerren.

Es war nicht einfach den Jungen dazu zu bringen, ruhig auf meinem Behandlungstisch zu liegen, aber schließlich ließ er sich nieder und wir hatten eine gute Sitzung. Meine erste Aufgabe bestand darin, sein Steißbein mit meinen Händen zu lösen, und so konnte ich den vorderen recto-respiratorischen Reflex befreien. Dieser erstreckt sich in jenem Bereich vom Becken bis zum oberen Brustkorb, der als lymphatisches Abflussgebiet für die Ohren dient. Wenn sich dieser Reflex nicht im Einklang mit dem übrigen Körper befindet, stagniert der Lymphfluss. Obwohl der Junge einer meiner schwierigsten Fälle war, zeigt er deutliche Zeichen der Besserung. Er beginnt nun richtig zu atmen und während er das tut, wird er zusehends ruhiger. Seine Eltern sind für beide Ergebnisse sehr dankbar. Besonders interessant aber ist, dass das Sprachniveau des Jungen fast das altersentsprechende Niveau erreicht hat. Welche Befürchtungen seine Eltern bezüglich einer möglichen Geisteskrankheit auch hatten, sie sind zerstreut.

Eine der Lektionen, die ich während meiner Arbeit gelernt habe, besteht darin, dass das körperliche mit dem seelischen System verbunden ist. Wenn Patienten meine Praxis nach einer erfolgreichen Behandlung verlassen, fühlen sie sich nicht nur körperlich besser, sondern auch psychisch. Körper und Geist bilden mit Sicherheit eine Einheit, und die Hilfe für einen Teil verschafft üblicherweise auch dem anderen Erleichterung.

Ein anderer aktueller Fall, auf den ich später detaillierter eingehen möchte: Es handelt sich um die Geschichte eines Arztes und seiner Frau, die sich schon viele Jahre auf ihren fünfzigsten Geburtstag gefreut hatten. Und was für Pläne geschmiedet worden waren! – zu Reisen, zum Entspannen, ihr Leben zu genießen, nachdem sie so viele Jahre ums Überleben kämpfen mussten. Aber kurz bevor sie so weit waren, zeigten sich bei der Frau die ersten Anzeichen der Alzheimer-Krankheit. Der Arzt, obwohl versiert und fähig, konnte doch nur hilflos zusehen, wie sie in den vegetativen Zustand hinüber dämmerte. Schließlich war er gezwungen sie in einem Pflegeheim unterzubringen.

Da er sich ständig um seine Frau gekümmert hatte, erschütterte die ganze Angelegenheit den Arzt sowohl seelisch als auch körperlich zutiefst. Zu jenem Zeitpunkt, als sie in das Heim zog, war er gänzlich entkräftet, sein Gemüt teilnahmslos und sein Geist geschwächt.

Mutter Natur brauchte nicht lange um den Job zu beenden. Der Arzt entwickelte bald eine kongestive Herzinsuffizienz und wäre in seinem Sessel tot zusammengebrochen, hätte sein Sohn ihn nicht gerade noch rechtzeitig besucht und ihn im Eiltempo in ein Krankenhaus gebracht.

Heute hat sich der Mann gut erholt und sein Arzt sagt, er könne noch viele weitere Jahre erleben. Aber ich weiß, was den Mann fast umgebracht hätte – nicht sein schwaches Herz, sondern die Depression, die er über den Gesundheitszustand seiner Frau empfand. Sie schwächte seine Psyche derart, dass sein Körper und Geist angreifbar für jene Attacke wurden. Er erholte sich erst ab jenem Moment, als er den Entschluss fasste, sich mit dem Problem, das sein Herzversagen ausgelöst hatte, auseinanderzusetzen: Er hatte begonnen, sich für das Befinden seiner Frau verantwortlich zu fühlen. Natürlich machte ihn das traurig. Aber sobald er erkannt hatte, alles in seiner Macht stehende für sie getan zu haben, und dass sie von ihm gewollt hätte, so gesund wie möglich zu sein, gelang es seiner Seele und seinem Herzen wieder zu gesunden.

Der menschliche Körper ist viel komplizierter, als eine Anatomievorlesung Dich glauben ließe. Neben den jedermann bekannten Systemen und Prozessen besteht der Körper auch aus einem komplexen System ineinander fließender Energien. Werden diese Energiebahnen blockiert oder eingeengt, büßen wir das physische, emotionale und geistige Fließvermögen ein, welches uns potentiell zur Verfügung steht. Besteht die Blockade lange genug oder ist sie groß genug, wird das Ergebnis Schmerz, Unwohlsein, Krankheit und Leid sein.

Meine Aufgabe als Arzt ist es, meinen Patienten zu helfen, diese Energieblockaden zu lösen. Denn sobald die Energien ungehindert fließen können, ist der Körper in der Lage, seinen eigenen Heilungsprozess in die Wege zu leiten. Der hyperaktive vierjährige Junge zum Beispiel reagierte zwar gut auf meine Behandlung, aber es waren seine eigenen Selbstheilungskräfte, die es, einmal aktiviert, seinem Körper ermöglichten sich selbst zu normalisieren.

Diese Freigabe der Energien kann dem Körper, dem Geist und auch der Seele helfen.

Unglücklicherweise glauben das die meisten Ärzte nicht. Als Ergebnis findet sich die heutige Medizin in einer Krise wieder. Sie beharrt darauf, den Menschen lediglich als ein wissenschaftliches Objekt zu betrachten. Dies aber stellt eine einseitige symptombezogene Annäherung bei der Behandlung dar. Symptome müssen auf jeden Fall verstanden und nicht nur bekämpft werden.

Der medizinische Berufstand basiert auf wissenschaftlicher Forschung, und obwohl die wissenschaftliche Forschung per se wertvoll ist, ist es wichtiger zu heilen als die Testergebnisse der modernen Studien zu rezipieren. Es gibt einfach Aspekte der Menschlichkeit, welche die Wissenschaft niemals erklären können wird, und diese umfassen Moral, Liebe, Geist und die Seele. Es ist die Aufgabe unseres Zeitalters die Menschheit in ihrer Ganzheitlichkeit wieder zu erkennen – jeder einzelne von uns als ein Wesen aus Seele, Geist und Körper –, ohne das Wissen, das wir durch die Wissenschaft erlangt haben über Bord zu werfen. Indem wir die Wechselwirkungen jener drei Bereiche detailliert untersuchen, wird es uns möglich sein zu erkennen, dass die individuelle Materie den physikalischen Träger für die geistige und spirituelle Substanz darstellt.

Falls uns das gelingt, wird man in den Patienten nicht mehr nur Krankheitsprozesse sehen, die zum Stillstand gebracht werden müssen. Man wird sie nicht als Problemfälle betrachten, die gelöst werden müssen, sondern vielmehr als Menschen, die Unterstützung brauchen um ihre physischen, mentalen und seelischen Anteile zu harmonisieren. Ohne Zweifel sollte dies der neue Weg der modernen Medizin sein, und er ist längst überfällig.

– 1 –
Die Grundlagen der Osteopathie

Das letzte halbe Jahrhundert hindurch habe ich als Osteopath gearbeitet. Dieser Beruf erfüllte mich sehr, und ich habe mit großem Erfolg Tausende Patienten behandelt.

Dennoch bin ich immer wieder über das geringe Ansehen der Osteopathie erstaunt.

Die Wenigsten wissen weder, worum es dabei geht, noch sind ihnen die fantastischen Dinge, zu denen sie in der Lage ist, bewusst.

Die Osteopathie und die osteopathische Manipulation wurden von Andrew Taylor Still (1828 – 1917) entwickelt, einem Amerikaner in der vierten Generation, mit schottischer Abstammung. Er war ein früher Befürworter des Wahlrechts für Frauen und ein Gegner der Sklaverei. Er kämpfte im Sezessionskrieg für die Nordstaaten und diente ihnen sowohl als Soldat wie auch als Feldchirurg.

Als er jedoch nach Kriegsende zu seiner konventionellen Medizinpraxis zurückgekehrt war, wurde Dr. Still unzufrieden mit der zeitgenössischen Medizin. Diese bestand zu jener Zeit grundlegend aus drei Lehrmeinungen: Homöopathie, Allopathie und der eklektischen Medizin.

Die Homöopathie, durch Dr. Samuel Hahnemann (1755 – 1843) begründet, basiert auf der Vorstellung, dass Krankheiten durch Verabreichung kleinster Dosen von Medikamenten, die bei den Patienten die gleichen Symptome hervorrufen wie die Krankheiten selbst, geheilt werden können.

Allopathie bleibt die bis heute am häufigsten angewandte Form der Medizin. Zu Dr. Stills Zeit waren Allopathen bezüglich des Kurierens von Krankheiten für ihr elementares Vertrauen in die Arzneimittel bekannt.

Die eklektische Lehre wurde, wie ihr Name schon sagt, aus vielen anderen Lehren zusammengesetzt, locker gehandhabt und unregelmäßig praktiziert.

Dr. Still war mit allen diesen Ansätzen unzufrieden, und er stand insbesondere der Begeisterung des neunzehnten Jahrhunderts für Arzneimittel skeptisch gegenüber. Stattdessen erforschte er die Möglichkeit einer Behandlungsmethode, die auf körpereigenen und natürlichen Selbstheilungskräften beruht. Dr. Still beobachtete, dass wenn er eine Krankheit bei einem Patienten entdeckte, er auch Störungen an dessen Bewegungsapparat vorfand. Er vermutete die Ursache in einer Dysbalance im Kreislauf- und Nervensystem. Sein Lösungskonzept bestand folglich in einer manuellen Manipulation des Körpers, um einen einwandfreien Kreislauf wieder herzustellen. Dr. Still war überzeugt davon, ein wertvolles Instrument als Hilfe für die Menschheit entdeckt zu haben, und er nannte es Osteopathie, nach den griechischen Wortstämmen osteon (Knochen) und pathos (Leiden).

Als noch wenige Leute seine Theorien akzeptierten, wurde Dr. Still sein eigener Missionar. Er reiste in den 1870ern und 1880ern quer durch Amerika, um seine neuen Techniken zu demonstrieren. Schließlich hatte er genügend Fürsprecher gewonnen, um die American School of Osteopathy in Kirksville, Missouri, zu gründen. Dieses College gewährte den akademischen Grad des Doktors der Osteopathie (DO), im Gegensatz zu dem allopathischen Doktor der Medizin (MD). Das war 1892. Hauptsächlich durch Mundpropaganda begann die Osteopathie von diesem Zeitpunkt an zu florieren.

Während der ersten zwei Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts begann man, die bis dahin in Amerika im Grunde genommen unbeaufsichtigte medizinische Ausbildung einer genauen Überprüfung zu unterziehen.

Und nachdem die allopathischen Ärzte zur politisch mächtigsten Fraktion gewachsen waren und sich in der einflussreichen American Medical Association (AMA) vereint hatten, drängten ihre Lehren bald alle anderen in den Hintergrund.

Insbesondere kämpfte die AMA gegen ihren führenden Rivalen, die Osteopathie, welche die allopathischen Ärzte als Quacksalberei bezeichneten. Schließlich gelang es ihnen die Osteopathie fast gänzlich zu unterdrücken.

Zu einer ihrer Taktiken gehörte zu verkünden, wenn es Osteopathen gestattet sei, während des ersten Weltkrieges für das Militär zu praktizieren, würden die allopathischen Ärzte sämtliche Dienste ablehnen.

Eine ähnliche Strategie wurde ebenso während des zweiten Weltkrieges angewandt, wenngleich sich diese Haltung ironischerweise als günstig für die Osteopathie erwies.

Denn die Praxen der Zurückgebliebenen florierten.

Viele Amerikaner, die sonst möglicherweise niemals mit der Osteopathie in Berührung gekommen wären, probierten sie in der Abwesenheit der Ärzte aus und wurden erfolgreich behandelt.

Dennoch kämpfte die Osteopathie noch immer gegen zahlreiche staatliche Gesetze an, die entweder ihre Anwendung einschränkte oder sie gar verbot.

Die zweite Hälfte des Jahrhunderts war der Osteopathie wohlgesonnener. Trotz andauernden Widerspruches seitens der AMA begannen die Staaten nach und nach die Osteopathie zuzulassen; inzwischen sind alle 50 Staaten diesbezüglich einig, und es wurden zahlreiche osteopathische Hochschulen gegründet, die unter der Gerichtsbarkeit der staatlichen Ausschüsse stehen. Im Jahre 1969 – 70 eröffnete Michigan das erste staatliche College für Osteopathie; 1972 gründete der Staat Oklahoma das College of Osteopathic Medicine and Surgery, und bald darauf wurden etliche weitere Schulen unter der Schirmherrschaft der staatlichen Regierungen eingerichtet. Gegenwärtig praktizieren ca. 30.000 Osteopathen in Amerika, mehr als doppelt so viel wie noch vor 25 Jahren. Die Studenten können eine von fünfzehn Schulen für Osteopathie besuchen, deren Lehrplan jenem ihrer allopathischen Kollegen ähnelt, mit dem Unterschied, dass die meisten Studenten darüber hinaus manuelle Techniken erlernen.

 

Heute haben die allopathischen und die osteopathischen Kräfte Frieden miteinander geschlossen, und man kann in vielen Krankenhäusern beide Arten von Ärzten Seite an Seite miteinander arbeiten sehen.

Und tatsächlich ist mir aufgefallen, dass fast alle meiner Patienten von Ärzten und weniger von anderen Osteopathen überwiesen werden.

Heute glauben zu viele Ärzte daran, dass der Körper aus Tausenden zusammenhanglosen Systemen besteht. Sie agieren wie auf einer Baustelle, wo sich der Zimmermann beim Einbau eines Dachsparrens weigert, die Lage von Kabeln zu verändern, um sie nicht falsch zu verlegen. Er muss einen Elektriker rufen.

Mit der allopathischen Medizin verhält es sich gleichermaßen. Kränkelt das Herz, überweist einen der Internist zum Kardiologen. Liegt das Problem im Magen, geht man zu einem Gastroenterologen. Aber diese Ärzte schauen nicht auf den gesamten Körper, und deswegen übersehen sie häufig die wahre Ursache des Problems.

Osteopathen bevorzugen eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Wir glauben, dass jeder menschliche Körper aus vielen „Körpern“ zusammengesetzt ist, so wie der Körper der Blutgefäße, der Körper des Nervensystems, der Körper der Muskulatur, der Körper des Knochengerüstes und so weiter und so fort. Alle diese Körper sind grundsätzlich miteinander verbunden und man kann nicht in einem von ihnen gesund sein, ohne es in allen anderen auch zu sein. Das Herzstück der Osteopathie ist der Glaube, dass das Wohlergehen vom Erhalt des einwandfreien Verhältnisses zwischen den verschiedenen Körpersystemen abhängig ist.

Daher konnte ich jenem besagten Mann helfen, der zu mir kam, damit ich mir sein krankes Herz ansehen sollte. Es war aber nicht sein Herz, das die Beschwerden verursachte.

Und „helfen“ ist ein Schlüsselbegriff. Ein Osteopath glaubt, dass der Körper die Fähigkeit hat, sich selbst zu heilen. Wir erledigen alle diese Arbeit nicht selbst. Wenn wir fertig mit unserer Arbeit sind, übernimmt der Körper das Kommando.

Auch wenn Osteopathen und Mediziner1 viele vergleichbare Behandlungsmethoden wie beispielsweise Arzneimittel, Röntgenstrahlen und Chirurgie anwenden, behandeln wir Osteopathen den menschlichen Körper darüber hinaus mit unseren Händen in einer Weise, die Dr. Still Manipulation2 genannt hat.

Jenen Teil des Körpers, den wir behandeln, bezeichne ich als Knochengerüst (obwohl dieser Tage viele Menschen ihn Bewegungsapparat nennen). Er besteht aus Knochen, Muskeln, Sehnen, Gelenken und Geweben. Dieses System bildet den Stützapparat für den übrigen Körper. Wenn man ein Haus baut, müssen die Dachsparren fertig gestellt und stabil sein, bevor das Dach gedeckt werden kann. Ebenso kann man sich ohne ein gut abgestimmtes, kräftiges Knochengerüst keiner guten Gesundheit erfreuen, denn Defekte in dieser Struktur haben Auswirkungen auf die natürlichen Funktionen des Körpers.

Wie reagiert der Körper aber nun auf osteopathische Manipulationen? Die manuellen Techniken stimulieren den Fluss der zerebrospinalen Flüssigkeit, welche die Oberfläche des Gehirns und des Rückenmarks umspült. Sie steigern auch die Körperatmung, wobei mehr Sauerstoff in den Blutstrom gelangt, und regen die Verdauung an, wodurch die Energie viel effizienter in den Körper gelangt. Osteopathische Techniken stellen somit die Balance zwischen Verdauung, Atmung, Kreislauf und Gehirnfunktionen wieder her.

Wahrscheinlich war der Hauptgrund dafür, dass ich Osteopath wurde, den allopathischen Ärzten zu beweisen, dass sie einen Fehler begangen hatten, als sie mir die Zulassung auf ihrer medizinischen Schule verweigerten. Die Fakultät der University of Louisville, gegenüber von jenem Flussufer des Ohios, an dem ich aufwuchs, hatte versprochen mich aufzunehmen, falls ich einen Kurs in organischer Chemie belegen würde. Und so tat ich dies. An meinem letzten Kurstag schickte mich mein Professor jedoch zum Dekan der medizinischen Ausbildungseinrichtung. Ich kam in sein Büro, er bat mich Platz zu nehmen, redete ein bisschen um den heißen Brei herum und teilte mir schließlich mit, dass er glaubte, ich würde einen viel besseren Zahnarzt abgeben als einen Arzt.

Bis heute habe ich nicht herausgefunden, wie er zu diesem Schluss gekommen war, aber ich wusste, dass damit gemeint war, ich wäre nicht mehr länger an dieser Schule willkommen.

Diese Ablehnung war schmerzlich, aber ein paar Jahre später erzählte mir ein Freund, der zuvor die Kansas City School of Osteopathic Medicine besucht hatte, von Dr. Stills Fachgebiet und seiner Philosophie. Kurz entschlossen packte ich meine Sachen und erschien zwei Wochen nach Kursbeginn in Kansas City.

Das Lehrerkollegium schaute in meine Akte und alles, was sie dazu sagten, war, dass ich den Kurs in organischer Chemie nicht zu belegen bräuchte.

Zu dieser Zeit legte das Kansas City College besonderes Gewicht auf die Entwicklung der sensiblen Palpation, welche die Studenten benötigen um die osteopathischen Techniken geschickt auszuüben.

Um uns dabei zu helfen, nahmen unsere Professoren menschliche Knochen, wickelten sie in Decken ein und übergaben uns das Bündel.

Wir wurden aufgefordert zu beschreiben, was wir erfühlten, ohne dabei hineinzusehen. So entwickelten wir die Fähigkeit, mit unseren Händen dasjenige im Körper zu erspüren, was die Osteopathen als Läsionen oder Störungen bezeichnen.

Diese Art von Training bestimmte einen erheblichen Teil unserer Ausbildung. Zum Zeitpunkt meiner Ausbildung absolvierten die medizinischen Ärzte 3.800 Stunden und die Osteopathen 4.200 Stunden. Diese zusätzlichen Stunden wurden der Vermittlung osteopathischer Techniken gewidmet.

Meine Klassenkameraden und ich haben oft miteinander geübt. Ich war ziemlich robust, aber wir lernten sehr schnell vorsichtig zu sein, sobald wir eine derart mächtige Technik anwandten. Eines Tages probierte ein Klassenkamerad eine bestimmte Technik an meiner linken Schulter aus und löste damit bei mir eine schreckliche Grippe aus. Es stellte sich heraus, dass er fälschlicher Weise die Lymphbahnen zu meinem linken Lungenflügel blockiert hatte.

Bei einer anderen Unterrichtsübung nahmen wir ein menschliches Haar, legten es auf ein leeres Blatt Papier und legten ein weiteres Blatt darüber. Es durften sich weder Schrift noch Linien, die uns führen konnten, auf dem Blatt befinden. Dann wanderten wir mit allen Fingern über das Papier, bis wir jene kleine Erhöhung, die das Haar verursacht hatte, ertasten konnten. Und sobald wir dazu mit allen zehn Fingern in der Lage waren, legten unsere Professoren ein weiteres Blatt Papier auf das andere und wir übten weiter und weiter, bis es nicht mehr weiter ging.

Mein Ruf, jemand zu sein, der die geringste Unebenheit durch Papier hindurch erspüren konnte, wuchs, bis ich eines Tages eine Vorlesung im Krankenhaus von Tucson, Arizona, hielt. Ein Arzt unter den Zuhörern zupfte der Dame, die neben ihm saß, ein Haar aus ihrem Kopf – ich konnte sehen, wie sie zusammenzuckte, als er das tat – und kam dann hoch zum Podium. Er legte das Haar unter achtzehn Blatt Papier und forderte mich vor dem Publikum auf, es zu erfühlen.

Nun, natürlich gelang es mir, aber ich konnte Zeit meines Lebens nicht herausfinden, warum er sich nicht ein Haar von seinem eigenen Kopf gerupft hatte.

Ich habe niemals damit aufgehört diesen Tastsinn weiter zu entwickeln. Heute sind meine Hände sensibel genug um festzustellen, wo ein Knochen vor Dutzenden von Jahren gebrochen sein könnte. Ich lasse nur meine Hand an der Extremität herunterwandern, bis ich einen kleinen rauen Vorsprung fühle, einen Widerstand in der Muskulatur und das aufgelagerte Kalzium, das sich bei der Heilung des Knochens geformt hatte.

Nach meiner Promotion in Kansas City kam ich zum Praktizieren nach Ohio. Mit den Jahren sah ich Tausende von Patienten im Alter von drei Tagen bis zu fünfundachtzig Jahren. Jetzt, wo ich meine zehnte Dekade beginne, bevorzuge ich es ausschließlich mit jungen Leuten zu arbeiten. Das liegt nicht daran, dass ich sie lieber mag, obwohl ich das Strahlen eines Kindes doch sehr genieße. Stärker wiegt, dass ich einfach nicht mehr das körperliche Stehvermögen habe, um Tag für Tag mit Erwachsenen zu arbeiten. Erwachsene strahlen weniger Energie aus als Kinder; während man ihnen alles gibt, geben sie nur wenig zurück, was verursacht, dass ich mich erschöpft fühle. Kinder, die mehr ausstrahlen, absorbieren meine Energie nicht so sehr.

Als ich meine Praxis eröffnete, konnte ich die osteopathischen Techniken noch nicht so oft ausüben, wie ich gerne wollte. Da die meisten allopathischen Ärzte im Zweiten Weltkrieg in Übersee dienten, musste ich zwischen achtzehn oder zwanzig Stunden am Tag arbeiten, in denen ich alles Mögliche tat um jedem zu helfen, der mich brauchte. Zu alledem hatten wir nicht genügend Ärzte um den Bedarf der Patienten zu decken. So mussten wir behandeln, wenn uns ein Patient rief, egal zu welcher Tageszeit.

Als die anderen Ärzte nach dem Krieg zurückgekehrt waren, ließ ich mich als Osteopath in Cincinnati nieder. In den ersten drei Monaten schaute überhaupt niemand bei mir vorbei. Ich saß einfach nur da, wartete und las Dutzende von Büchern. Dann besuchte ein Prediger aus der Nachbarschaft den Herrensalon gegenüber und fragte den Barbier, was er über mich wüsste. Dieser erwiderte, dass er überhaupt nichts über mich wisse.