Seewölfe - Piraten der Weltmeere 267

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 267
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-663-4

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

1.

Ferris Tucker hob das Spektiv vors Auge, warf einen ausgiebigen Blick durchs Okular, ließ es dann wieder sinken und wandte sich Edwin Carberry zu, der neben ihm auf dem Hauptdeck der „Mercure“ stand.

„Ja, das scheint genau die richtige Insel für unser Vorhaben zu sein“, sagte er. „Ich finde, Delamottes Wahl hätte besser nicht ausfallen können.“

„So, so.“ Der Profos ließ sich das Fernrohr aushändigen und spähte selbst hindurch. „Und wie heißt der kahle Felsen da vorn, wenn man fragen darf?“

„Marittimo.“

„Nie gehört.“

Ferris lachte. „Dieses gastliche Eiland zählt zu den Ägadischen Inseln, Ed, falls dich einmal jemand danach fragt.“

„Interessant“, brummte Carberry. „Aber den Namen kann ich mir beim besten Willen nicht merken. Hat das was mit der Ägäis zu tun? Hölle, auf welchem Kurs segeln wir denn eigentlich?“

„Genau auf dem richtigen, Mister Carberry, Sir“, meldete sich nun der Kutscher zu Wort, der zu ihnen getreten war. „Die Ägäis und die Ägadischen Inseln sind nämlich zweierlei Dinge. Sag doch einfach ‚Ziegen-Inseln‘, das ist genauso korrekt.“

„Ja?“ Carberry stieß einen saftigen Fluch aus und blickte zu Ferris. „Das hättest du mir aber auch gleich sagen können, du verdammter Klamphauer. Aber ihr Schlauberger bildet euch ja immer ein, ihr könntet den alten Carberry verschaukeln, was? Ihr könnt mich mal.“ Mit diesen Worten kehrte er ihnen seinen mächtigen Rücken zu und ging fort. Sir John, der karmesinrote Aracanga, flatterte ihm sogleich nach und wiederholte das, was man den Profos mal könne, in seinem vollständigen Zusammenhang.

Ferris und der Kutscher grinsten sich zu.

„Ich kann ihn verstehen“, meinte Ferris. „Seine Laune wird erst wieder besser, wenn de Faleiro und die beiden anderen Hundesöhne von Bord sind. Von denen haben wir ja nun auch wirklich die Nase voll. Am besten hätten wir sie wohl gleich in den Teich geworfen, verdient hätten sie’s jedenfalls.“

„Aber es wäre unmenschlich“, erwiderte der Kutscher. „In erster Linie wegen der Haie, von denen es in dieser Ecke wimmelt. Das fehlte noch, daß wir Methoden anwenden, derer sich Galgenstricke wie die drei gewöhnlich bedienen.“

„Ja, natürlich hat du recht. Glaubst du, daß die Insel bewohnt ist?“

„Gib mal her“, sagte der Kutscher und ließ sich von dem rothaarigen Riesen das Spektiv reichen, das Carberry diesem im Vorbeigehen wieder zurückgegeben hatte.

Auch der Kutscher betrachtete die Insel Marittimo eine Zeitlang und erklärte dann: „Ich schätze, außer Vögeln treffen wir da wohl keine Lebewesen an. Höchstens noch ein paar Thunfische in den Buchten des Eilands.“

„Thunfische?“ wiederholte Blacky und gesellte sich zu ihnen. „Pfui Teufel, die stinken mir. Überhaupt, das ganze Mittelmeer hängt mir zum Hals raus. Wißt ihr auch, warum?“

„Na klar“, erwiderte Ferris. „Es wird Zeit, daß wir den Atlantik erreichen, sonst vergammeln wir in diesen Gefilden noch. Aber ein bißchen mußt du dich wohl noch gedulden.“

„Wir haben hier schon genug Ärger gehabt“, sagte Blacky mit verdrossener Miene. „Mir reicht’s.“

Stenmark, der Schwede, der inzwischen ebenfalls zu ihnen ans Schanzkleid getreten war, sagte: „Mit anderen Worten, dir stinkt es so sehr, daß du es kaum erwarten kannst, endlich nach England zurückzukehren?“

„Dir geht’s doch nicht anders, gib es ruhig zu“, brummte Blacky.

Stenmark setzte ein schiefes Lächeln auf. „Mir ist vielleicht eher daran gelegen, in Stockholm oder in Malmö an Land zu gehen. Na, wie findest du das?“

„Beschissen“, antwortete Blacky in aller Öffentlichkeit. „Du fühlst dich nämlich in Cornwall viel mehr zu Hause als in deinem kalten Nordland da oben an der Ostsee.“

„Aber vielleicht hofft er, in Schweden den Wikinger zu treffen“, sagte der Kutscher. „Das wäre doch auch was wert, nicht wahr?“

Die anderen lachten. An der Kuhlgräting fuhren Luke Morgan, Bill und Jeff Bowie zu ihnen herum, und auch Jack Finnegan und Paddy Rogers, die an diesem Nachmittag auf der Back ihren Dienst versahen, reckten die Hälse, weil sie sich nicht vorstellen konnten, was es zu lachen gab. Die Franzosen reagierten eher gleichgültig, nur Breton kratzte sich nachdenklich an seinem strohblonden Kopf. Dieses Lachen – klang es nicht etwas gekünstelt, aufgesetzt?

Natürlich war es so, aber Luke Morgan ging trotzdem darauf ein und rief: „He, der Wikinger hält sich nie und nimmer da oben auf! Es wäre ja blöd, wenn er es täte! Ich sage euch, er liegt auf der Schlangeninsel und hält seinen Bauch in die Sonne!“

Wieder lachten die Männer, und diesmal klang es schon überzeugter. Schließlich hatte die Erinnerung an den Wikinger Thorfin Njal schon immer Heiterkeit in ihnen hervorgerufen, und die Vorstellung, was die komplette Mannschaft des schwarzen Seglers wohl eigentlich trieb, gab stets Anlaß zu den ausgefallensten Witzen.

„Er läßt nicht nur seinen Pelz bestrahlen, sondern auch seinen Helm“, sagte Jeff Bowie breit grinsend. „Damit nämlich die verdammten Läuse ausdörren, die er darunter sitzen hat. Anders wird er ja doch nicht mit ihnen fertig.“

So ging das nun weiter. Die Männer hatten eins ihrer Lieblingsthemen gefunden und verbreiteten sich angelegentlich darüber, wie gut es Thorfin Njal und seinen Kerlen drüben in der Karibik ging und was sie dort so treiben mochten. Auch Siri-Tong und Jean Ribault wurden erwähnt, und Bill ließ schließlich mit recht sehnsüchtiger Miene ein paar Bemerkungen über Arkana und Araua fallen, die von den anderen mit entsprechenden Kommentaren quittiert wurden.

Aber in einem Punkt irrten sie sich: Thorfin Njal befand sich schon längst nicht mehr auf der Schlangeninsel. Er hatte es auch keineswegs so gut, wie man zweifellos annehmen mochte, wenn man daran dachte, daß er am Strand der Bucht ihres gemeinsamen Verstecks und Treffpunkts lag und träge zu den vor dem Höllenriff ankernden Schiffen blickte.

Nein, er hielt es dort schon lange nicht mehr aus, und so flog „Eiliger Drache“, das schwarze Schiff, inzwischen bereits wieder über die Wasser – nach Osten, in Richtung auf die Alte Welt, auf einem Kurs jedoch, den der Wikinger nicht so strikt sollte einhalten können, wie er sich vorgenommen hatte.

Am späten Nachmittag dieses 16. Juni 1592 nun erreichte die „Mercure“ unter dem Kommando des Kapitäns Pierre Delamotte Marittimo, welche die am weitesten westlich liegende Insel der „Isole Egadi“ bei Sizilien war, und hier wollte Delamotte endlich den spanischen Galeerencapitan Juan de Faleiro loswerden und an Land setzen. Ebenso wollte er mit den „beiden anderen Hundesöhnen“, wie Ferris Tucker sie genannt hatte, verfahren, denn anders hatten es Marchais und Louis, die Verräter und Meuterer, nicht verdient. Sie konnten sogar noch von Glück reden, daß sie nicht an der Rah baumelten.

In den Morgenstunden dieses Tages war das Unternehmen der drei Kerle, die „Mercure“ unter ihre Fuchtel zu zwingen, fehlgeschlagen. De Faleiro hatte zwar große Pläne gehabt, doch er hatte ein paar Kleinigkeiten, die seine Berechnungen über den Haufen werfen sollten, nicht mit ins Kalkül einbezogen – und so war er gescheitert.

Seine Absicht war gewesen, die Seewölfe unter Ferris Tuckers Befehl als Gefangene in Barcelona der spanischen Justiz zu übergeben, denn er hatte sich wegen der Vorfälle von damals – 1577 an Bord der Galeere „Tortuga“ – rächen wollen. Fünfzehn Jahre lang hatte er seinen Haß gegen die Engländer genährt, und jetzt endlich hatte er wenigstens einige von ihnen wiedergetroffen und verfolgt. Aber aus seiner großen Vergeltungsaktion, von der er sich auch eine Rehabilitation seitens der spanischen Marine erhofft hatte, war nun doch nichts geworden.

Ein Angriff sizilianischer Schnapphähne zur See, die es auf die Galeone „Mercure“ abgesehen hatten, war das auslösende Moment gewesen, daß sich die von de Faleiro überrumpelten und gefangengesetzten Seewölfe einschließlich Jack Finnegans und Paddy Rogers’ – die ja nun auch mit zu der Gruppe gehörten – hatten befreien können.

Die Seewölfe hatten zusammen mit der französischen Crew den Angriff der Sizilianer abschlagen können und sich anschließend de Faleiro, Marchais und Louis vorgenommen.

Kapitän Delamotte, ein kleiner, ungemein drahtiger und vitaler Mann, der durch sein ledriges Gesicht, die grauen Haare und die wasserhellen Augen auffiel, war wieder Herr seines Schiffes. Doch er hatte es gründlich satt, den Giftpilz de Faleiro weiterhin an Bord der „Mercure“ zu dulden. Das galt auch für Marchais und Louis, die selbst die Schuld an ihrem Schicksal trugen, denn sie hatten sich ja auf das Komplott mit de Faleiro eingelassen.

 

Der Spanier hatte sie bestochen, und sie hatten keinerlei Einwand gegen diesen Versuch erhoben, wie es ihrem Naturell entsprach. Marchais war ein kleiner, dunkelhaariger Kerl von nur fünf Fuß Größe, dessen hervorstechendstes Merkmal seine Neugier war. Außerdem war er hinterhältig und stets schnell mit dem Messer zur Hand.

Louis hatte sich an Bord der Galeone einen Namen als Faulenzer und Querulant geschaffen. Er war ein unangenehmer Zeitgenosse mit spitzem Gesicht, unruhigen Augen und magerer Statur.

Auch diese beiden Männer, die sich mit ihrem Verrat gegen ihren Kapitän und gegen die eigene Crew gestellt hatten, sollten das Schiff verlassen und mit auf Marittimo ausgesetzt werden. Dies war eine oft geübte und gängige Methode, sich mißliebiger Mannschaftsmitglieder zu entledigen, immerhin aber noch die humanste Art, sich von ihnen zu trennen.

Delamotte hatte das Achterdeck betreten.

„Wir loten uns an die Insel heran!“ rief er. „Jack Finnegan geht als Lotgast auf die Galion!“

„Wie war das?“ fragte Finnegan zurück, der zwar seinen Namen deutlich genug vernommen, von dem Rest aber nichts verstanden hatte. Rogers und er konnten nur ein paar Brocken Französisch und waren damit Ferris Tucker und den sieben anderen Männern der ehemaligen „Isabella“-Crew klar unterlegen, die seinerzeit durch Jean Ribault genügend Vokabeln dieser Sprache erlernt hatten, um wenigstens die wichtigsten Manöver zu kennen. Von der französischen Mannschaft war eigentlich nur Breton des Englischen mächtig, Delamotte hingegen bediente sich ausschließlich seiner Muttersprache.

Ferris übersetzte Finnegan rasch, was Delamotte gesagt hatte, und so enterte der hagere Mann mit dem schmal geschnittenen Gesicht von der Back auf die Galionsplattform ab und begann, nachdem Rogers ihm rasch die Leine mit dem Senkblei nachgeworfen hatte, mit dem Ausloten und Aussingen der Wassertiefe.

Delamotte ließ die Marssegel aufgeien, und so schob sich die „Mercure“ langsamer werdend an die Insel heran. Der Wind wehte schwach aus Norden. Das Schiff lief bald nur noch wenig Fahrt, und Finnegan bewährte sich als Lotgast so gut, daß die Gefahr, auf eine Untiefe zu laufen, nicht bestand.

Etwa hundertfünfzig Yards vor einer Bucht im Südwesten, an der Leeseite von Marittimo also, ließ Delamotte schließlich alle Segel aufgeien und gab den Befehl, ein Beiboot auszusetzen.

Noch während die Jolle abgefiert wurde, sagte er hart: „Holt jetzt die drei Gefangenen!“

Sechs Mann der französischen Besatzung stiegen in das Vorschiff hinunter, öffneten das vor Ferris Tucker reparierte Schott der Vorpiek und forderten de Faleiro, Marchais und Louis auf, sich an Deck zu begeben. Sie wurden von ihren Ketten befreit und dann Pierre Delamotte vorgeführt, der inzwischen vom Achterdeck auf das Hauptdeck hinuntergestiegen war. Marchais hatte einen Blick über das Schanzkleid geworfen und die Insel bereits erblickt, und auch Louis und der Spanier konnten aus den Vorbereitungen, die an Bord der Galeone getroffen wurden, klar erkennen, was ihnen bevorstand. Sie schwiegen aber alle drei mit verkniffenen Mienen.

Delamotte trat dicht vor sie hin und erklärte: „Eure Reise ist hier zu Ende. Wir bringen euch an Land und lassen euch auf der Insel Marittimo zurück.“

Jetzt hob de Faleiro den Blick und funkelte den Franzosen zornig an. „Was? Du wagst es, mir diese Schmach anzutun, Delamotte? Das wirst du noch bereuen, ich schwöre es dir! Ich werde mich an dir rächen! Komm nur wieder zurück ins Mittelmeer – eines Tages erwarte ich dich mit einer Flotte und bringe deinen verfluchten Elendskahn auf! Dann landest du in einem spanischen Kerker und bist die längste Zeit zur See gefahren!“ Er steigerte sich immer mehr in seine Wut hinein und begann zu toben. „Narr!“ schrie er. „Lumpenhund! Verbrecher! Geh zum Teufel!“ Seine Stimme schraubte sich in immer höhere Tonlagen hinauf, er lief rot im Gesicht an und schüttelte die Fäuste.

Delamotte hörte sich dies alles gelassen an, überlegte aber, ob er mit de Faleiro nicht doch anders verfahren solle. Hatte dieser Gift und Galle spukkende Kerl überhaupt soviel Rücksichtnahme und Gnade verdient? Er konnte noch froh sein, daß Delamotte ihn nicht wegen Anstiftung zur Meuterei und kurzweiliger Beschlagnahme der „Mercure“ an die Rah hängen ließ.

Keiner hatte so recht auf Carberry geachtet, der jetzt mit einemmal wieder auf dem Hauptdeck war und mit wenigen langen Schritten auf Juan de Faleiro zuhielt. Er packte dessen Schulter, als dieser gerade vor lauter Wut japsend nach Atemluft schnappte, riß ihn zu sich herum und sagte: „So, Dampf ablassen mußt du also, du Ratte? Na, dann mal los. Hau zu! Auf was wartest du?“

Er sagte das nicht sonderlich laut, obwohl er sonst bei den geringsten Anlässen entsetzlich zu brüllen pflegte. Ferris, Stenmark, der Kutscher und die vier anderen Männer der „Isabella“ begriffen, was dies zu bedeuten hatte. Sie stießen sich untereinander an und tauschten Blicke, die alle das gleiche ausdrückten: Keiner von ihnen hätte jetzt in de Faleiros Haut stecken mögen.

De Faleiro aber kriegte nicht richtig mit, daß bei dem Profos die Zeichen nicht auf Sturm, sondern auf Orkan standen – er schrie weiter herum und überhäufte jetzt Carberry mit den übelsten Verwünschungen. Dann rammte er ihm auch noch die Faust gegen die Schulter – und da war es um Carberrys letzte Beherrschung geschehen.

Er wischte de Faleiros Faust zur Seite, dann gab er ihm was aufs Maul, und zwar so blitzschnell und hart, daß der Spanier im Handumdrehen auf den Planken landete. Er gab nur noch ein schwaches Stöhnen von sich, dann war er bewußtlos. Drei Hiebe hatten genügt, um ihn ins Reich der Träume zu schikken.

Jetzt aber begehrten auch Marchais und Louis auf.

„Kapitän!“ rief Marchais. „Das dürfen Sie nicht zulassen! Dieser Bastard von einem Engländer will uns alle drei umbringen! Das ist Mord!“

„Schafft diesen häßlichen Hurensohn weg!“ schrie Louis seinen Kameraden von der „Mercure“ zu. Die aber stellten sich taub.

Carberrys Französischkenntnisse waren auch nicht gerade die besten, aber sie reichten doch aus, daß er zumindest den „Bastard“ und den „häßlichen Hurensohn“ verstand. Mit einem dumpfen Laut fuhr er zu Marchais und Louis herum, packte sie, ehe sie ihm entweichen konnten, und schlug dann wieder so unerwartet schnell und wirkungsvoll zu, daß Delamotte unwillkürlich die Lippen spitzte und einen leisen Pfiff vernehmen ließ.

„Phantastisch“, sagte er entzückt, „wunderbar. Wirklich, ganz vorzüglich haben Sie das geregelt, Monsieur Carberry.“ Er beugte sich interessiert zu Marchais und Louis hinunter, die jetzt zu seinen Füßen lagen und sich nicht mehr rührten. Auch sie hatten die Besinnung verloren und konnten vorläufig nicht mehr für Aufruhr sorgen.

Der Profos strich sich mit den Händen übers Hemd, als müsse er lästigen Staub loswerden, dann hob er den Kopf und sagte: „Sir John, du alte Nebelkrähe, du kannst wieder bei mir vor Anker gehen.“

Der Papagei, der sich kurz zuvor vorsichtshalber in die Hauptwanten zurückgezogen hatte – er hatte mit de Faleiro recht unangenehme Erfahrungen gesammelt, als dieser mit einer Muskete auf ihn gefeuert hatte –, segelte daraufhin mit weit ausgebreiteten Schwingen heran und ließ sich auf der Profosschulter nieder.

Delamotte verfolgte auch dies mit hochgezogenen Augenbrauen, dann sagte er: „Monsieur Carberry, vielleicht ist es Ihnen und Ihren Kameraden ein besonderes Vergnügen, diese drei Delinquenten mit der Jolle an Land zu bringen.“

„Wie?“ Carberry mußte sich erst einmal überlegen, ob er auch richtig verstanden hatte. Dann aber nickte er und entgegnete mit grollender Stimme: „Wir übernehmen das. Ich nehme Ferris, Stenmark, Blacky, Jeff und Luke mit. Einverstanden?“

„Gut“, sagte Delamotte und lächelte. „Gut, einverstanden. Wir können die drei Halunken gleich in die Jolle laden.“

„Endlich sind wir sie los“, sagte Marteau, der dunkelhaarige Decksälteste der „Mercure“. Mit ihm atmeten auch die anderen auf.

Unter den gleichmäßigen Riemenschlägen der Seewölfe glitt die Jolle in die Inselbucht. De Faleiro kehrte in die Wirklichkeit zurück, noch ehe sich der Bug über den hellen Sand des Ufers schob, und sofort richtete sich sein haßerfüllter Blick auf den Profos, der auf der Heckducht saß und die Ruderpinne bediente.

„Ich weiß schon, was du sagen willst“, brummte Carberry in seinem schlechten Spanisch. „Aber ich rate dir davon ab, Don Großmaul. Zeige lieber Reue. Das ist für einen Mann in deiner Lage bedeutend besser, glaub es mir.“

Juan de Faleiro wollte aber weder demütig sein Haupt beugen noch vernünftig sein. Er fing sofort wieder an, dem Profos und den fünf anderen Männern an den Riemen die wüstesten Schimpfwörter an den Kopf zu werfen.

Luke Morgan wandte sich kurz zu dem Spanier um und sagte: „Hör auf. Willst du dir noch ein paar Ohrfeigen einhandeln?“

De Faleiro achtete überhaupt nicht auf ihn, sondern tobte weiter. Luke schüttelte den Kopf, drehte sich wieder um und pullte fleißig weiter.

„Das hat ja doch keinen Zweck“, brummelte er.

„Achtung“, sagte Ferris. „Die beiden anderen sind auch wieder wach, eben haben sie sich bewegt. Sie tun aber so, als wären sie noch ohnmächtig. Mit denen kriegen wir auch gleich noch Ärger, wetten?“

Keiner zweifelte daran. Carberry wartete, bis das Boot auf dem schmalen Stück Strand der Bucht auflief, dann sprang er über das Dollbord, landete im flachen Wasser, watete an Land, hob de Faleiro aus der Jolle und setzte ihn aufs Ufer.

In diesem Moment sprang Marchais unversehens auf und wollte sich auf den Profos stürzen, doch Ferris war genauso schnell hoch und versetzte ihm einen Hieb, daß er quer über die Duchten flog. Es war Marchais’ Pech, daß er nicht verstanden hatte, was die Männer auf englisch gesprochen hatten, sonst wäre er nämlich gewarnt gewesen.

Louis wollte hinter seinen beiden Spießgesellen nicht zurückstehen, also griff er Blacky an und versuchte, ihm die Pistole aus dem Gurt zu reißen. Er hatte aber nicht mit Stenmark gerechnet. Der räumte ihn mit einem einzigen Faustschlag aus dem Boot und sprang ihm dann nach, damit Louis keinen weiteren Versuch dieser Art unternehmen konnte.

Marchais wurde von Ferris an Land befördert, und zwar nicht gerade auf die sanfte Art. Carberry stellte de Faleiro wieder auf die Beine und setzte seine „Belehrung“ dadurch fort, daß er ihn mit harten Fäusten und kräftigen Tritten in den Allerwertesten über den Strand trieb. Ferris, Stenmark, Blacky, Jeff Bowie und Luke Morgan jagten Marchais und Louis hinterher, und von der „Mercure“ aus, wo alle aufatmeten, daß die drei Kerle von Bord waren, wurde ihre Aktion mit spontanem Beifall bedacht. Die Franzosen pfiffen und johlten und warfen ihre Mützen in die Luft. Der Kutscher, Bill, Finnegan und Rogers klatschten lachend in die Hände.

Carberry blieb stehen. De Faleiro lag wieder am Boden, atmete schwer und wagte nicht, weiteren Widerstand zu leisten. Links und rechts neben ihm landeten auch Marchais und Louis im Sand. Die fünf Seewölfe traten zu ihrem Profos.

Carberrys Empfehlung an die drei Kerle, Reue zu zeigen und zu üben, fiel allerdings auch jetzt auf keinen fruchtbaren Boden. Der Spanier und seine beiden Kumpane fuhren fort, auf die lästerlichste Weise zu fluchen.

„Ich geb’s auf“, sagte Carberry. „Die kapieren ja nicht mal, wenn man ihnen mit Belegnägeln die Rüben weichklopft.“

„Richtig, Ed“, pflichtete Ferris ihm bei. „Auf was warten wir also noch? Hauen wir ab. Je eher wir weitersegeln, desto besser für uns.“

Sie kehrten zum Boot zurück, schoben es wieder ins Wasser zurück, stiegen ein und wendeten. Dann pullten sie zur „Mercure“, gingen längsseits und enterten an der Jakobsleiter auf. Die Jolle wurde von flinken Händen wieder hochgehievt und binnenbords geholt. Wenig später ging die Galeone erneut unter Segel und steuerte westwärts.

De Faleiro, Marchais und Louis unternahmen keinen Versuch mehr, ihr Schicksal zu beeinflussen. Sie setzten sich nur auf, blickten der „Mercure“ nach und verwünschten deren Besatzung in die tiefsten Höllenschlünde.

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