Seewölfe - Piraten der Weltmeere 42

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 42
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2014 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-299-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

1.

Trotzig stemmte sich die „Isabella V.“ gegen die See. Sie überquerte Wogenkämme, stieß durch Wellentäler, pflügte die Fluten des Atlantiks vor der Küste von Portugal. Es lag etwas Majestätisches in dem Gesamtbild ihrer Erscheinung, nichts konnte ihrem mächtigen, vorwärtsdrängenden Rumpf Einhalt gebieten. Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, hatte ja immer gewußt, was für ein zuverlässiges Schiff sie war und welche Qualitäten in ihr steckten. Nicht umsonst hatte er alles darangesetzt, sie dem fetten Generalkapitän Don Francisco Rodriguez unter den O-Beinen wegzuziehen.

Gischt sprühte vom Bug hoch, prallte gegen Galion und Bugspriet, stieg darüber hinaus und trieb über das Vorkastelle und den vorderen Bereich der Kuhl. Gischt schäumte auch von der Backbordseite über das Schanzkleid, wenn der Westwind seine Brecher gegen den Rumpf drückte. Wo keine Gischt war, da durchnäßten Regenböen die Kleidung der Männer auf Deck. Die Sicht war miserabel. Die Kälte ließ die Crew die Zähne zusammenbeißen. Milchiggrün und häßlich tanzten die Fluten, und es war, als wollte die See sagen: Haut ab, verschwindet, ich will euch nicht!

Man schrieb den 26. Januar 1580. Die „Isabella V.“ stand an diesem Vormittag einige Meilen querab von Cap da Rocca. Der Wind blies beständig aus westlicher Richtung, und die Galeone segelte mit Kurs Nordnordost über Steuerbordbug. Der Seewolf hatte die Segel so dicht wie möglich holen lassen. Aber dennoch mußte er regelrecht jonglieren. Seine „Isabella“ war eine behäbige Galeone, als Rahsegler mehr für raume Winde gebaut, also kein so guter Am-Wind-Segler wie beispielsweise die Zweimast-Karavelle, die sie seinerzeit als „Isabella IV.“ durch die Karibik gesteuert und dann in der Mona-Passage beim Kampf gegen Caligu in Brand geschossen hatten.

Das bedeutete also: Mal mußte Rudergänger Pete Ballie abfallen, um den Wind mehr ausnutzen zu können und fast mit ihm mitzulaufen, mal wurde wieder angeluvt, weil der auflandige Wind sie zu sehr nach Legerwall zu drücken drohte.

Ed Carberrys Stimme dröhnte über Deck. Doch weder seine barschen Befehle, die die Männer immer wieder an Brassen und Schoten purrten, noch das scheußliche Wetter konnten die allgemeine Stimmung an Bord dämpfen. Alle außer dem Friedensrichter Baldwin Keymis waren vergnügt. Die gute Laune grenzte schon fast an Euphorie.

Gewiß, die Karibik mit ihrem tropisch warmen, einladenden Klima lag weit im Westen und damit in unerreichbare Ferne gerückt. Mancher Mann aus der Crew sehnte sich nach dorthin zurück und träumte von den Abenteuern, der Schönheit der Inseln und dem exotischen Zauber, der sie trotz aller Strapazen und Entbehrungen gefangengenommen hatte.

Aber da war andererseits die Aussicht, nun endlich England zu erreichen! Die Engländer an Bord verspürten Heimweh. Je näher die Muttererde rückte, desto mehr wuchs auch das Verlangen, wieder den Fuß daraufzusetzen. Die anderen aus der Mannschaft, die beiden Holländer und die beiden Dänen beispielsweise, der Franzose Jean Ribault, Karl von Hutten oder Batuti, der riesige Gambia-Neger – auch ihre Empfindungen lagen gewissermaßen auf der gleichen Linie. Erstens waren sie Weltenbürger geworden, ihre Herzen schlugen nicht mehr im Takt der großen Vaterlandsgefühle. Warum nicht auch endlich England, das Zuhause ihres verehrten Seewolfes, schätzen lernen? Zweitens: Sie brannten darauf, zu erleben, wie Hasard drei Viertel des immensen Schatzes aus dem Schiffsbauch der „Isabella“ an Elisabeth I. ablieferte. Die königliche Lissy würde hocherfreut sein, zumal England nicht reich war und es bitter nötig hatte. Spanien hatte ein Weltreich errichtet, Spanien triumphierte, die Bedrohung durch die eitlen, überheblichen Dons wuchs ständig!

Drei Viertel für die Lissy, so hatte Hasard es bestimmt. Und das verbleibende Viertel der großen Beute? Nun, das würde er gerecht unter seinen Männern aufteilen.

Valdez, dieser tapfere alte Haudegen, hatte bereits seinen Anteil erhalten. Hasard hatte ihn selbst an Land gerudert. Valdez, der sich für ihre Sache geschlagen hatte, war in seine spanische Heimat zurückgekehrt. Hasard hatte ihn für seine Taten mit einem großen Lederbeutel voll Perlen belohnt. Und dann, beim Abschied, waren dem alten Kämpfer tatsächlich die Tränen gekommen.

Während der Atlantiküberquerung hatte Hasard seine Liebe zu Gwendolyn Bernice O’Flynn durch eine zünftige Trauung besiegelt. Robert Rowe, der Stadtschreiber von Falmouth, hatte das Zeremoniell vollzogen. Und jetzt, nach Cadiz und dem Abschied von Valdez, hatte Gwen ihrem Seewolf etwas offenbart.

Ein Kind war unterwegs. Es würde im September 1580 geboren werden. Ein kleiner Seewolf! Wenn das kein Grund zur Freude war! Es hatte auf Hasards Anordnung hin ein feierliches Besäufnis gegeben. Der Jubel der Männer hatte die ehrwürdige „Isabella V.“ bis in die Spanten erbeben lassen.

„He“, sagte Matt Davies, als er gemeinsam mit Karl von Hutten ein Fall klarierte. „Was ist nun, wenn’s kein kleiner Seewolf, sondern eine Wölfin wird?“

„Gar nichts. Sag bloß, du denkst, Hasard würde sich über ein Mädchen nicht genauso freuen.“

„Ich denke nichts, ich meine nur ...“

„Er denkt nie“, sagte der pfiffige Sam Roskill. Er hatte zufällig mitgehört, was die beiden sprachen. „Das überläßt er Maultieren, wie wir sie bei unserem Landgang in Südamerika benutzt haben. Die haben nämlich die größere Rübe.“

Karl lachte, Matt fuchtelte mit seiner Eisenhakenprothese und rief: „Komm mir bloß nicht zu nahe, du Himmelhund. Du willst wohl, daß ich dir dein Spundloch verdüble, was? Sticht dich der Hafer?“

Carberry blieb neben Karl von Hutten stehen und kratzte sich verwundert am Kinn. Ein Brecher schlug gegen die Bordwand. Carberry hielt sich mit einer Hand an der Nagelbank fest. „Hölle und Teufel, was ist bloß in Matt gefahren, daß er sich plötzlich so geziert ausdrückt? Spundloch, Hafer – ist ihm nicht gut?“

Karl wies nach achtern. Gwendolyn Bernice O’Flynn war auf dem Quarterdeck erschienen. Trotz einer Warnung Ferris Tuckers stieg sie den Niedergang zum Achterdeck hoch. Hasard, der bisher an der Schmuckbalustrade gestanden hatte, erblickte sie, eilte auf sie zu – und verhinderte im letzten Augenblick, daß sie aus der Balance geriet und hinschlug.

Karl sagte: „Matt hat Angst, daß Gwen ihn fluchen hört. Er würde sich schämen, wenn sie ’rauskriegt, was für eine schlechte Kinderstube er hat.“

„Fängst du auch noch an zu stänkern?“ Matt wandte sich um und blickte ihn drohend an. Eine Regenbö fegte über die Kuhl. Sie duckten sich und prusteten, dann rief Matt Davies: „Legt euch bloß nicht mit mir an! Und was Hasards und Gwens Kind betrifft, habe ich die Lösung gefunden. Wenn es eine Seewölfin wird, machen sie eben noch eins und noch eins und noch eins – bis auch ein Junge dabei ’rausspringt.“

„Recht hat er“, erwiderte Carberry zu Karl von Hutten. „Die Sippe muß unbedingt einen Stammhalter finden.“

„Ihr beiden braucht jetzt nur noch Hasard und Gwen zu fragen, ob sie mit eurer Planung einverstanden sind“, sagte Karl grinsend.

Unterdessen hatte der Seewolf seine Frau besorgt auf das Quarterdeck zurückgebracht. Schützend legte er ihr den Arm um die Schultern. „Du darfst dich nicht überanstrengen oder aufregen, Gwen. Denk daran, daß du jetzt nicht mehr allein bist.“

„Aber natürlich. Ich wollte nur an deiner Seite sein, weil ich es unter Deck einfach nicht mehr ausgehalten habe.“ Ihre grünen Augen richteten sich auf sein Gesicht. „Kannst du das nicht verstehen? Außerdem, ich bin doch nicht aus Zucker.“

Hasard lächelte. „Der Kutscher sagt, schwangere Frauen werden leicht eigensinnig und wunderlich, und er muß es ja wissen. Geh bitte wieder in deine Kammer, bevor dich eine Bö oder ein Brecher von Deck fegt. Lieber zanke ich mich mit dir, als daß ich riskiere, dich aus der See fischen zu müssen.“

Gwen schmollte ein bißchen. Aber den ersten Ehekrach wollte sie auch nicht vom Zaun brechen. Sie zog sich zum Steuerbordschott des Achterkastells zurück. Sie hatte den Niedergang erreicht, als ein grollender Laut auf die „Isabella V.“ zuwehte. Gleich darauf erfolgte ein zweites, ähnliches Geräusch, unterschwellig, drohend, unheimlich.

Gwen verharrte und drehte sich um. Sie sah Hasard, wie er am Großmast stehenblieb und etwas zu Dan hinaufschrie. Gwens jüngerer Bruder hockte auf seinem schwankenden Posten und hielt die Augen offen, aber er konnte nur zurückrufen: „Nichts zu sehen, Sir! Zu starke Regenböen!“

„Aus welcher Richtung kommen die Geräusche?“ wollte der Seewolf wissen.

„Nordosten!“

Hasard wandte sich an Ben Brighton und Ferris Tucker. „Das ist eindeutig Kanonendonner. Da, jetzt hat es wieder gekracht! Wir haben zwei Möglichkeiten.“

 

„Wir können auf Westkurs gehen, gegen den Wind kreuzen und uns verholen, ohne, uns den Teufel um das Gefecht zu kümmern“, entgegnete Ferris. „Was schert uns die Sache eigentlich?“

Hasard musterte ihn, und es tanzten wieder einmal tausend Teufel in seinen eisblauen Augen. „Vielleicht mehr, als du ahnst. Die Welt ist voller Überraschungen. Wer sagt uns, daß wir nicht doch noch so ganz nebenbei bei den Spaniern abstauben können? Ben, wir nehmen Kurs nach Nordost und laufen direkt auf den Kampflärm zu.“

„Aye, aye, Sir.“

Philip Hasard Killigrew konnte nicht wissen, wie unglückselig die Folgen ausfallen würden, die sich aus diesem Befehl ergaben. Hätte er auch nur ansatzweise etwas von dem Verhängnis gewittert, hätte er sich – bei allem Draufgängertum – doch lieber heimlich und leise verzogen.

Eine halbe Stunde später war es soweit. Die „Isabella“ rauschte unter Vollzeug nach Nordosten. Hasard holte jetzt aus ihr heraus, was in ihr steckte. Dan O’Flynns adlerscharfe Augen ließen ihn auch diesmal nicht im Stich.

Bevor die Männer auf Deck durch den Sprühnebel etwas erkennen konnten, beugte sich der Junge über die Segeltuchverkleidung des Hauptmarses und rief: „Deck! Sechs Schiffe voraus! Es sind zwei Karavellen und drei Galeeren im Gefecht mit einer Galeone!“

„Profos!“ Hasards Stimme donnerte über Deck.

„Sir?“

„Schiff klar zum Gefecht!“

„Aye, aye, Sir.“ Carberry brüllte los, und die Männer zeigten, was in ihnen steckte. Der ewige Drill, die unerbittliche Disziplin und das oft geübte Rollenexerzieren trugen wieder einmal ihre Früchte. Jeder wußte auch so, was er zu tun hatte. Sogar die „Neuen“, die sie aus dem Kerker von Santo Domingo befreit hatten, hatten sich in unverzüglicher Weise in die Mannschaft integriert und leisteten ihr Teil.

Während ein Drittel der Crew weiterhin mit den Segelmanövern beschäftigt war, raste das Gros auf die Gefechtsstationen und besetzte sie. Füße trommelten ihren Rhythmus auf den Decksplanken. Jemand fluchte, jemand rutschte aus und fiel hin. Die Stückpforten wurden geöffnet. Das einsetzende Rumpeln der Kanonen, die, nachdem die Laschungen gelöst worden waren, auf ihren Hartholzrädern ausgefahren wurden, war Musik in den Ohren der Männer.

Der Kutscher hatte die Holzkohlefeuer in der Kombüse mit Wasser gelöscht. Jetzt flitzte auch er über Deck, das heißt, es war mehr ein Schlittern, denn die „Isabella“ rollte und stampfte in der aufgewühlten See. Das erschwerte sämtliche Vorbereitungen, selbst das Ausstreuen von Sand auf den Decks und das Hochholen von Seewasser in Holzkübeln. Als der Kutscher die Kübel endlich gefüllt hatte und zum Befeuchten der Wischer bereitstellte, kippten sie wieder um.

„Hol’s der Henker“, schimpfte er.

„Hört euch das an!“ rief Al Conroy. „Der Kutscher flucht.“

„Ich kann auch noch ganz anders“, sagte der Kutscher.

Al Conroy war für einen Augenblick unachtsam gewesen. Das hatte jetzt seine Folgen. Seal Kildare, einer der Männer aus Falmouth, assistierte Al an einem der 17-Pfünder der Backbordseite. Dieser Seal war Handwerker von Beruf und ganz gewiß ein zuverlässiger Mann. Er drückte sich nicht, wo es zuzupacken galt, pfiff auf die mannigfachen Gefahren, die das Leben an Bord eines Schiffes mit sich brachte, und im übrigen wuchsen ihm allmählich „Seebeine“. Aber es gehörte mehr Erfahrung dazu, einen bockigen 17-Pfünder im Zaum zu halten.

Die Zugtalje hielt die Kanone noch bis zum Ende des Ladevorganges. Aber jetzt holte die „Isabella“ nach Steuerbord über. Seal Kildare hatte die Taljen, mit denen das Geschütz in Feuerstellung gebracht wurde, noch nicht befestigt. Das Rohr zuckte aus dem Lukensüll zurück – die Kanone rollte auf Seal zu!

„Verdammt“, brüllte Gary Andrews am Nachbargeschütz.

Al Conroy fuhr herum. Und dann hatte er alle Hände voll zu tun, die Kanone zusammen mit Seal im Zaum zu halten. Sie wollte sich selbständig machen, um jeden Preis. Al und Seal stemmten sich dagegen. Sie keuchten und schwitzten, boten ihre gesamte Kraft auf und schafften es tatsächlich, das schwere Ding aufzuhalten.

Die Kanone wäre sonst wie ein Geschoß quer über die Kuhl gerast. Sie hätte zweifellos die Zugtalje aus der Halterung gefetzt, wäre dann nach Steuerbord gerumpelt und durch das Schanzkleid gebrochen. Al, Gary, der Kutscher und all die anderen, die von Anfang an mit dem Seewolf gefahren waren, hatten ähnliche Szenen schon auf anderen Schiffen beobachtet: Kanonen hatten Männer überrollt und zermalmt und heilloses Durcheinander an Deck gestiftet. Mit Kanonen war nicht zu spaßen. Man hatte auch schon erlebt, daß sie an den Schildzapfen aus ihren Lafetten brachen. Al dachte an all das, und die Angst stand plötzlich in seinem Gesicht.

Gary, der Kutscher und Buck Buchanan sprangen heran und unterstützten die beiden in Bedrängnis geratenen Männer. Noch bevor die „Isabella“ wieder zur anderen Seite krängte, schoben sie den 17-Pfünder soweit in die Luke zurück, daß die vorderen Taljen ebenfalls befestigt werden konnten.

Das Schiff holte nach Backbord über. Gemächlich rumpelte die Kanone wieder nach vorn und steckte ihr Rohr durch die Stückpforte nach draußen.

„Verfluchtes Aas“, wetterte Al Conroy. „Und das muß ausgerechnet mir passieren!“

Der Profos stand breitbeinig hinter ihm. Er gleich geschickt die schlingernden Schiffsbewegungen aus und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Ja, dir als Waffenexperten hätte so was wirklich nicht unterlaufen dürfen. Himmel, Arsch, bist du denn von allen guten Geistern verlassen, was, wie? Du Rübenschwein, muß ich dir so kurz vor England noch die Haut vom Hintern ziehen?“

Al ließ das Donnerwetter ohne Widerworte über sich ergehen. Seal Kildare wollte einen Einwand erheben, weil er doch eigentlich die Schuld an dem Ganzen trug. Aber Al winkte ab. Er sah ja ein, daß er besser aufpassen hätte müssen. Außerdem, wer Ed Carberry kannte, der ließ ihn toben.

Vierundzwanzig Culverinen, also 17-Pfünder, hatte die „Isabella V.“ zwölf auf der Backbord-, zwölf auf der Steuerbordseite der Kuhl. Dazu kamen vier Drehbassen auf der Back und sechs, Drehbassen auf dem Achterkastell, insgesamt also vierunddreißig Stück.

Während die Ladearbeiten an allen Geschützen abgeschlossen wurden, glitt die „Isabella“ auf die sechs fremden Schiffe zu. Immer lauter drang das Dröhnen der Kanonen herüber. Bald war der Pulverrauch wahrzunehmen. Er lag über den Decks der Schiffe, dehnte sich nach allen Seiten aus und schwebte dicht über dem Wasser auf die Galeone des Seewolfes zu.

Baldwin erhielt eine Ladung davon in die Nase. Der Rauch war beißend. Er ließ seine Augen tränen und reizte seine Atemwege derart, daß er zu husten begann.

Keymis, der Friedensrichter von Falmouth, stand neben Smoky auf der Back und richtete eine der Drehbassen.

„Siehst du“, sagte Smoky ungerührt. „Jetzt hast du einen Vorgeschmack auf das, was noch kommt, du Hund. Los, los, keine Müdigkeit vorschützen. Ich hab dir gezeigt, wie man fachgerecht das Geschoß in seine Lage bringt. Jetzt lernst du, wie man das Zündloch mit Pulver füllt. Willig, Mann, oder soll ich dir in den Hintern treten?“

„Deck!“ Mit diesem Ruf meldete sich Dan O’Flynn wieder aus dem Hauptmars. „Im Großtopp der Galeone flattert die Flagge mit dem Georgskreuz!“

„Ein Engländer“, sagte der Seewolf. „Da habt ihr’s, Männer. Wir helfen also einem Landsmann.“ Er verließ das Achterdeck, lief nach vorn und erklomm die Back. Wenig später konnte auch er durch das Spektiv die Flagge der Galeone erkennen. Und er sah noch mehr.

„Sie ist schwer angeschlagen“, sagte er zu Smoky und den anderen Männern auf der Back. „Ihr Fockmast ist außenbords gegangen. Die zwei Karavellen und drei Galeeren haben sie umzingelt. Lange steht sie das nicht mehr durch. Profos!“

„Schiff klar zum Gefecht, Sir!“

„Klar bei Kartuschen, wir greifen den am nächsten liegenden Gegner mit einer Backbordbreitseite an.“

„Aye, aye, Sir!“

Hasard eilte aufs Achterkastell zurück und gab Pete Pallie seine Anweisungen. Dann wandte er sich an Ben Brighton und Ferris Tucker. „Die fünf Gegnerschiffe haben Holzkreuze unter den Galions baumeln. Dreimal dürft ihr raten, welches ihre Herkunft ist.“

„Spanien“, sagte Ben. „Wer anders als die Dons führt ein so typisches Erkennungszeichen?“

Die „Isabella“ segelte auf die am weitesten südlich plazierte der drei Galeeren zu. Hasard ließ sein Schiff abfallen und auf Ostkurs gehen. Es lief nun voll vor dem Wind und hielt auf die portugiesische Küste zu. Dabei präsentierte es den Dons die Backbordbreitseite, wie der Seewolf es befohlen hatte.

2.

Die Spanier drehten sich voll Überraschung zu der imposanten Dreimast-Galeone um, die da wie eine Geistererscheinung aus dem Regendunst heransegelte. Allmählich wurden ihre Konturen für die Besatzungen der Galeeren scharf und konkret, aber zu spät begriffen die Spanier, daß sie es mit einem Gegner zu tun hatten. Sie glaubten wohl auch nicht daran, daß ein Feind die Dreistigkeit besitzen würde, sich bei dem Stand der Dinge an eine solche Übermacht heranzuwagen. Und genau das war ihr Fehler.

Die 17-Pfünder der „Isabella“ wummerten los. Über dem Backbordschanzkleid puffte weißer Qualm hoch. Die Kanonen spuckten ihre Ladungen gegen den Feind aus, rollten vom Rückstoß getrieben zurück und wurden durch die Taljen gestoppt. Al Conroy, Gary Andrews, Matt Davies sowie alle anderen Geschützführer der Backbordseite und ihre Helfer lugten gespannt über das Schanzkleid.

Ein Heulen war zu vernehmen, dann riß eine der Kugeln der nächstliegenden Galeere das Heck auf. Gleichzeitig fegten mehrere Geschosse dicht über ihr Mittelheck. Ein Beiboot wirbelte plötzlich in Trümmern durch die Luft. Das Schreien von Männern war zu hören. Die 17-Pfünder-Kugeln räumten unter der spanischen Mannschaft auf. Panik brach aus.

„Hurra!“ rief Matt Davies. „Das hätten sie nicht erwartet, diese Bastarde. Dabei haben wir erst unseren Einstand gegeben. Na wartet!“

Die Reaktion des Gegners erfolgte viel zu spät. Er wollte manövrieren, seine Geschütze auf die „Isabella“ richten und das Feuer erwidern, aber sie war bereits vorbei.

Hasard bediente eine der Drehbassen auf dem Achterkastell. Er hatte sie sorgfältig justiert, wartete jetzt seinen Moment ab und zündete die Ladung, als die „Isabella“ sich aus den Fluten hob und die Galeere gerade einen Wogenhang hinüberglitt. Die „Isabella“ sackte wieder etwas tiefer, die Galeere stieß aus dem Wellental hoch – die Drehbasse brüllte auf und entließ fauchend ihre Ladung.

Die Eisenkugel rasierte der Galeere an der Steuerbordseite glatt die Hälfte ihrer Riemen ab.

„Holla!“ rief Ferris Tucker. „Das war ein sauberer Schuß; Hasard! Jetzt ist er vollends flügellahm, der Don!“

„Anluven“, ordnete der Seewolf an. „Jetzt geben wir dem nächsten Zunder.“

Die „Isabella“ ging auf Nordkurs und segelte mit halbem Wind. Der zweite Gegner, ebenfalls eine Galeere, befand sich in Lee des getroffenen Spaniers. Seine Mannschaft stand bereits klar zum Entern der in Bedrängnis geratenen englischen Galeone. Aber jetzt brüllte der Kapitän wütende Befehle, und die Männer stürzten an die Geschütze. Hastig wurden die Segel gesetzt, damit das Schiff mehr Fahrt erhielt und manövrierfähiger wurde.

Die „Isabella“ glitt so nahe an die Galeere heran, daß Hasard und seine Crew die Rufe der Sklavenaufseher auf dem Unterdeck vernehmen konnten. Die trieben die armen Teufel an, die dort festgekettet saßen. An Steuerbord wurde angerudert, an Backbord gestrichen, die Galeere drehte sich, um der „Isabella“ die Steuerbordbreitseite zu präsentieren. Hasard blickte durch das Spektiv und sah den Kapitän, der wie der Leibhaftige auf dem Achterdeck tobte.

„Heilloser Aufruhr“, sagte er grimmig. „Aber das führt zu nichts. Je mehr Zustand herrscht, desto besser stehen die Dinge für uns. Der Capitan hat Vollzeug setzen lassen, aber damit schneidet er sich ins eigene Fleisch. He, Shane und Batuti, Feuer!“

Der Gambia-Neger hockte bei Dan O’Flynn im Großmars. Big Old Shane, der Schmied und Waffenmeister von Arwenack, war in den Fockmars aufgeentert. Schon einmal hatte er bewiesen, was er als Bogenschütze wert war. Das war beim Kampf in der Mona-Passage gewesen, als sie Caligu, dem Piraten, das Fürchten beigebracht hatten. Batuti hatte sich herausgefordert gefühlt. Und so war es auch jetzt. Die beiden Riesen veranstalteten ein Wettzielschießen auf die zweite Galeere.

Zuerst fing das Großsegel der Galeere Feuer, dann die Fock, und schließlich loderte es aus der gesamten Takelage himmelan, daß die Männer der „Isabella“ vor Begeisterung johlten.

 

Der Seewolf ließ die Spanier auf dem Oberdeck der Galeere nicht aus den Augen. Als einige von ihnen trotz des allgemeinen Durcheinanders noch die Steuerbordgeschütze zu zünden versuchten, gab er seinen Männern auf dem Achterkastell einen Wink und rief wieder: „Feuer!“

Die restlichen fünf Drehbassen krachten. Ferris Tucker verzeichnete einen Volltreffer im Schanzkleid der Galeere. Splitter wirbelten, Spanier sackten getroffen zusammen. Zwei kippten samt ihrer Kanone durch eine Lücke im Schanzkleid außenbords. Ben Brighton hatte dem Gegner eine Kugel unter die Wasserlinie gesetzt. Die Galeere lief völlig aus dem Ruder. Dann, als die „Isabella“ vorüber war, schlug sie quer. Auch die erste Galeere sank.

Der Jubel von Hasards Männern kannte kaum noch Grenzen. Zwei Schiffe hatten sie abserviert, ohne daß der Gegner Zeit für Gegenmaßnahmen gefunden hatte.

„Jetzt verputzen wir den nächsten!“ rief Carberry. „Und diesmal setzen wir unsere Steuerbordbreitseite ein!“

Während auf der Backbordseite der Kuhl und auf dem Achterkastell in fliegender Eile die Geschütze nachgeladen wurden, segelte Hasard an der englischen Galeone und den beiden Karavellen vorbei. Die Galeone war wirklich übel dran. Außer dem verlorengegangenen Fockmast hatte sie offenbar noch mehr Treffer zu verzeichnen. Kaum noch manövrierfähig, krängte sie immer mehr nach Backbord, nahm Wasser über und drohte vollends querzuschlagen.

Hasard hob den Kieker ans Auge. Aber noch konnte er den Kapitän nicht erkennen. Durch den Regendunst waren nur die Gestalten der Mannschaft zu sehen. Wie Schemenwesen huschten sie über Deck.

Unterdessen schickte sich die dritte Galeere an, das Entervorhaben zu vollenden. Sie rückte von Westen auf die englische Galeone zu. Die beiden Karavellen verhielten nördlich. Beide richteten ihre Steuerbordbreitseiten auf die Galeone. Die weiter östlich stehende hätte beidrehen und eine Salve auf die „Isabella“ abgeben können. Aber ihr Kapitän war augenscheinlich ein besonnener Mann. Er wartete auf eine bessere Gelegenheit und schien davon überzeugt zu sein, daß sich ihm diese Chance bieten würde. Dieser Spanier war also nicht zu unterschätzen.

Hasard hatte ein waches Auge auf ihn und auf die andere Karavelle. Unterdessen steuerte die „Isabella“ in einer weiten Schleife nach Westen und geriet damit in den Wind, so daß die Segel zu killen begannen. Sie knatterten so heftig, daß die Männer die Köpfe einzogen. Baldwin Keymis sank auf der Back zu Boden. Er rang die Hände und wimmerte.

„Waschlappen“, sagte Smoky verächtlich. „Und so was schleppen wir nun mit. Wir hätten dich auf Hispaniola lassen sollen.“

Die „Isabella“ ging über Stag und vollendete ihre 180-Grad-Schleife. Sie segelte nun bei Westwind über Backbordbug und hielt mit südlichem Kurs direkt auf die englische Galeone zu. Jetzt wurde es ernsthaft gefährlich für den Seewolf und seine Männer. Die Spanier, die den ersten Angriff unversehrt überstanden hatten, hatten ihren Schreck überwunden und genügend Zeit gehabt, sich auf die nächste Attacke vorzubereiten.

Hasard beobachtete durch das Spektiv. Die beiden Karavellen luvten nun auch an und zeigten ihm ihre Hecks. Sie waren bereit, ihn in die Zange zu nehmen. Wenn er nicht den Kurs änderte, würde er zwischen beiden Gegnern hindurchsegeln – durch eine Art Korridor. Nur einer konnte so verrückt sein, die Herausforderung zu akzeptieren und sich freiwillig zum Spießrutenlaufen zu begeben: er, Philip Hasard Killigrew.

„Ben“, sagte er. „Natürlich irritieren wir diese Burschen. Erst fallen wir ab und tun so, als wollten wir wieder auf die Küste zuhalten. Sie werden entsprechend manövrieren. Danach luven wir wieder an und segeln zwischen ihnen hindurch.“

Es wurde kein leichtes Unterfangen. Hasard verlangte seinen Männern alles ab, was an seemännischem Können in ihnen steckte. Schließlich war die „Isabella“ kein sehr wendiges Schiff. Es kostete allerhand, die Kapitäne von zwei Karavellen an der Nase herumzuführen und dann doch zwischen ihnen hindurchzulavieren. Aber Hasard schaffte es.

Er sprang zum Quarterdeck hinunter und wollte von dort aus durch die Kuhl zum Vorkastell. Aber vorher vergewisserte er sich, daß Gwen auch wirklich nicht mehr die Nase aus dem Achterkastell steckte. Für eine Frau zeigte sie geradezu eine unerhörte Portion Mut, doch er hätte es sich nie verziehen, wenn sie im Gefecht auf Deck verletzt worden wäre. Dort unten, in der Kammer des Achterkastells, befand sich seine ganze Zuversicht: Gwen, seine große Liebe, seine Ehefrau – und das Kind, das aus ihrer Leidenschaft erwuchs. Sicher, ein Kritiker hätte ihm vorwerfen können, daß es verantwortungslos war, mit Gwendolyn an Bord zusätzlich eine Seeschlacht zu entfesseln. Was war denn jetzt vorrangig, sein Triumph über die Spanier oder die Sicherheit des größten Schatzes, den er auf Erden besaß?

Natürlich war Gwen wichtiger. Aber Hasard konnte andererseits auch nicht seine Prinzipien ablegen. Er hatte der englischen Krone Treue und den Dons Tod und Verderben geschworen. Davon ging er nicht ab. Es wäre ein Verrat an sich selbst gewesen.

Hasard lief auf die Back und sagte zu Smoky: „Als erste seid ihr mit euren vier Drehbassen an der Reihe. Das Feuer wird die Dons in Atem halten. Gleich darauf werden Shane und Batuti ihre Brandpfeile auf die Reise schicken. Dies ist der Auftakt zu dem Höllenkonzert, das ihnen unsere beiden Breitseiten bieten werden.“

Kurz darauf dröhnten die Drehbassen auf dem Vorkastell los. Eisenkugeln und gehacktes Blei rasten gut verteilt zu den Karavellen hinüber, zwei Ladungen zu der östlich, zwei zu der westlich postierten. Es war ein eher lächerlicher Auftakt. Was konnten vier Drehbassen schon groß ausrichten? Aber den Spaniern verging das Lachen. Die Eisenkugeln und das gehackte Blei rissen Treffer in die Bordwände und Schanzkleider der Karavellen und verletzten Männer.

Smoky, Stenmark, Sam Roskill und Jean Ribault, die vier Geschützführer, lachten und rieben sich die Hände.

„Nein, das haben sie nicht erwartet!“ rief der Franzose. „Daß wir auf diese Entfernung und bei der See treffsicher zielen!“

Brandpfeile verließen die Bogensehnen von Batuti und Big Old Shane. Zischend stießen sie durch die Luft. Regen drohte sie auszulöschen, doch die Glut ließ sich nicht erstikken, bis sie auf die Takelage der Gegner traf. Hoch züngelten die Flammen von den Segeln der Karavellen auf.

Die Spanier verfügten über keine Bogenschützen. Sie waren auf Distanz blessiert worden und konnten sich vorerst nicht zur Wehr setzen. Zwar stoben über ihren Bordwänden Rauchwolken hoch – sie setzten Drehbassen und Serpentinen ein – doch so gutes Zielwasser wie Hasards Männer hatten sie nicht getrunken. Die Geschosse rissen entweder vor der „Isabella“ Wasserfontänen hoch oder strichen über das Schiff weg, weil sie viel zu hoch gezielt waren.

Dann erfolgte die direkte Konfrontation.

Die „Isabella“ segelte zwischen den Karavellen hindurch. Hasard schrie „Feuer“, und der Geschützdonner beider Breitseiten ließ das Schiff bis in die Verspannungen erbeben. Auch die Spanier zündeten ihre Kanonen. Die Luft war von Orgeln, Heulen und Brausen erfüllt. Hasard und seine Männer warfen sich flach neben den Geschützen auf die Planken. Das Inferno hatte eingesetzt und raste über sie weg. Es dauerte ein paar Sekunden, dann waren sie der Hölle entwichen. Sie durften sich im beißenden Pulverqualm aufsetzen und nach achtern blicken.

Der Qualm lichtete sich. Hasard sah die Karavellen. Die in Westen liegende hatte einen Knick im Großmast davongetragen, die andere hatte es schwer mittschiffs erwischt. Auf der Kuhl herrschte unglaublicher Aufstand. Für einen Augenblick versetzte sich der Seewolf in die Lage der Kapitäne, die dort drüben wieder Ordnung herzustellen hatten. Er mochte nicht in ihrer Haut stecken.

Hasard stand ganz auf. Er hielt Bilanz. Sie fiel nicht schlecht aus. Auf der „Isabella“ hatte es kaum Beschädigungen gegeben. Die Dons waren wirklich miserable Schützen. Bob Grey und Henry Flood, einer der fünf Fischer von Falmouth, hatten leichte Verwundungen erlitten. Der Kutscher hockte schon bei ihnen und legte ihnen Verbände an.

„Deck!“ brüllte Big Old Shane plötzlich aus dem Vormars. „Die dritte Galeere will es mit uns aufnehmen!“

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