Seewölfe - Piraten der Weltmeere 484

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 484
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-892-8

Internet:

www.vpm.de

 und E-Mail:

info@vpm.de









Roy Palmer











Ein einäugiger Hundesohn







Er kam aus Cornwall – und wollte in der Karibik fischen







Sie hatten es geschafft – die Arwenacks, die „Caribian Queens“ und die „Le Griffons“. Mit Wachsamkeit, Geduld und ohne einen scharfen Schuß waren sie in den Besitz einer riesigen Beute gelangt, an die Schätze des Don Antonio de Quintanilla in den Höhlen westlich von Batabanó. Jetzt wurden die Kisten, Truhen und Fässer mit den Reichtümern an Bord der drei Schiffe transportiert und verstaut. Allerdings ahnte keiner der Männer, daß sie von vier Augenpaaren beobachtet wurden, es waren gierige Augen, die zu vier Kerlen gehörten. Luiz, Pablo, Felipe und Marco hießen sie – das letzte „Aufgebot“ der „Trinidad“, denn sie meinten immer noch, sich von den Schätzen etwas unter den Nagel reißen zu können. Wer das verhinderte, war der grimmige Carberry …









Die Hauptpersonen des Romans:





One-Eye-Doolin

 – der Kapitän der „Scorpion“ zieht sich ein paar Stiefel an, die ihm zu groß sind.



Don Diego de Campos

 – der Generalkapitän läuft mit drei Kriegsschiffen aus Havanna aus, um den Seewolf zu schnappen.



Diego

 – der Wirt der „Schildkröte“ auf Tortuga hat ein offenes Ohr und weiß zu schweigen.



Philip Hasard Killigrew

 – stattet seinem Vetter Arne in Havanna einen Besuch ab und ist seinen Gegnern einen Schritt voraus.






Inhalt







Kapitel 1







Kapitel 2







Kapitel 3







Kapitel 4







Kapitel 5







Kapitel 6







Kapitel 7









1.





Welch fatale Folgen das Auftauchen des Einäugigen in der „Schildkröte“ haben sollte, konnte selbst Diego, der Wirt, nicht ahnen. Eines aber war Diego sofort klar, als der Kerl zum erstenmal am Abend des 20. Mai 1595 in seiner Kneipe auf Tortuga stand: er war ein ausgesprochener Hundesohn. Ein mieser Kerl mit einer noch mieseren Crew von Galgenstricken und Schlagetots, die weder Moral noch Skrupel kannten.



Der Anführer war ein schwarzbärtiger Kerl, bewaffnet mit Pistole und Säbel. Über dem rechten Auge trug er eine schwarze Augenklappe, rechts im Ohr einen goldenen Ring. Seine Miene war finster, seine Nase fleischig. Diese Details fielen Diego auf den ersten Blick auf.



Auf den zweiten Blick war Diego klar, daß die Animosität bei ihnen beiderseitig war. Auf Anhieb konnten sie sich nicht leiden. Das hinderte Diego aber nicht daran, den Neuling und dessen Crew mit herzlichem Grinsen zu empfangen.



Welcher Herkunft waren sie? Gleich würde sich das herausstellen. Ihr Schiff, eine schwer armierte Dreimastgaleone, ankerte in der Bucht. Diego hatte sie beobachtet, als sie eingelaufen war, hatte aber keine Nationalitätenflagge am Topp gesehen. Die Kerle erwiderten sein Grinsen nicht. Sie nahmen an der Theke Aufstellung und fixierten Diego. Einige von ihnen schauten sich aber auch weiter um und entdeckten die Mädchen, die weiter hinten in der Kneipe saßen. Da grinsten sie doch endlich – verschlagen und tückisch.



„Hier sind wir richtig“, sagte einer von ihnen. „Seht euch mal die Weiber an.“



Englisch, dachte Diego. Er erkannte die Sprache, verstand sie aber nicht ganz. Egal. Er war alarmiert und neugierig zugleich. Was hatten diese Engländer in der Karibik zu suchen?



„Bier“, sagte der Einäugige. Er sagte es auf Spanisch. Gleich darauf sollte sich herausstellen, daß er die Sprache zwar mit starkem Akzent, jedoch ziemlich fließend und nahezu fehlerfrei beherrschte.



„Für alle?“ fragte Diego.



„Klar“, entgegnete der Einäugige. „Für wen denn sonst?“



Diego schenkte das Bier aus. Die Humpen wurden geschwenkt, die Kerle stießen rauh lachend und grölend miteinander an. Die ersten schlenderten jetzt zu den Mädchen hinüber. Der Einäugige und einige der übelsten Halunken blieben jedoch an der Theke stehen. Sie hörten nicht auf, Diego mit ihren Blicken festzunageln.



So leicht ließ sich Diego aber nicht festnageln. Da müssen schon ganz andere kommen, dachte er. Er grinste schon wieder, und zwar breit von einem Ohr bis zum anderen.



„Na“, sagte er leutselig. „Ihr seid wohl ganz neu hier, was? Ich hab’ euch hier noch nie gesehen.“



„Stimmt“, erwiderte der Einäugige. „Wir sind neu.“



„Gerade ’rübergekommen?“



„Ja“, antwortete der Einäugige.



„Aus England, wie?“ fragte Diego.



Die Miene des Einäugigen wurde drohend. „Woher weißt du das?“



„Ich höre es an eurer Sprache, daß ihr Engländer seid“, erwiderte Diego gelassen.



„Hier treiben sich aber sonst nur Spanier herum, was?“ wollte der Anführer wissen.



Diego schüttelte den Kopf. „Irrtum. Spanier, Portugiesen, Franzosen, Holländer, Engländer, Iren und sogar Deutsche. Bei mir kehren sie alle ein.“



Die Kerle lachten, als habe ihnen jemand einen guten Witz erzählt.



„Hier sind wir wirklich richtig!“ rief einer von ihnen, ein brutal aussehender Kerl mit Blumenkohlohren.



„Und die Geschäfte laufen gut, was, Spanier?“ fragte der Einäugige.



„Es geht so“, entgegnete Diego. „Übrigens, ich heiße Diego.“



„Gut, Diego. Ich bin Doolin. One-Eye-Doolin“, sagte der Einäugige.



„Ich werd’s mir merken.“ Diego wußte, daß er den Kerl mit seinem Grinsen reizte, deswegen grinste er. „Und aus welcher Ecke bist du?“



„Aus West Looe.“



„Wo ist das?“ fragte Diego treuherzig. „Ich hab’ den Namen noch nie gehört.“



„Cornwall!“ brüllte ein anderer Kerl.



„Halt du dein Maul!“ fuhr Doolin ihn an. „Hier rede ich, sonst keiner!“



Zuerst sah es so aus, als wolle der andere aufbegehren. Dann aber wanderte auch er zu den Mädchen ab, und es waren nur noch drei Mann, die sich mit Doolin an der Theke aufhielten.



„Cornwall, aha“, sagte Diego.



Doolin musterte ihn argwöhnisch. „Du kennst Cornwall?“



„Nie dagewesen.“



„Aber es kreuzen hier schon mal Leute aus Cornwall auf“, fuhr der Einäugige fort. „Glücksritter und Korsaren, meine ich.“



„Vielleicht“, erwiderte Diego. „Vielleicht auch nicht.“ Er hatte jetzt bereits einen Verdacht, auf was der Einäugige hinauswollte. Aber da konnte er lange fragen. Diego ließ ihn zappeln und verriet ihm nichts.



Doolin hatte seinen Humpen geleert und knallte ihn wieder auf die Theke.



„Nachschenken“, befahl er. „Na los, nimm dir auch einen Humpen, Diego. Ich gebe für dich einen aus.“



„Wird dankend angenommen“, sagte Diego.



Blöder Hund, dachte er, glaubst du etwa, mit einem läppischen Bier kannst du mich kaufen? Er füllte die Humpen, auch die der drei anderen. Die Humpen rutschten über die Theke, die Kerle fingen sie auf. Sie lachten wieder und stürzten das Bier in die Kehlen.



Doolin trank einen tüchtigen Schluck, dann wischte er sich den Schaum mit dem Handrücken aus dem Bart.



„Paß mal auf“, sagte er zu Diego. „Ich will ganz ehrlich zu dir sein. Ich bin auf der Suche nach diesem Killigrew.“



„Killigrew?“



„Na, der Kerl, den sie den Seewolf nennen“, entgegnete Doolin. „Der soll sich hier doch ’rumtreiben.“



Diego schüttelte den Kopf. „Nie gehört, den Namen.“



Doolins Miene wurde wieder sehr finster. „Das kann nicht sein. Der Hundesohn ist hier, irgendwo bei den südlichen Bahamas.“



„Hör mir gut zu, One-Eye“, sagte Diego katzenfreundlich. „Ich bin immer bereit, für ein paar Münzen Auskünfte zu geben. Aber von Killigrew habe ich tatsächlich nie was gehört. Es gibt so viele Piraten, deren Namen man sich nicht alle merken kann.“



„Er verkehrt hier also nicht?“ fragte Doolin lauernd.



„Nein“, erwiderte Diego gelassen. „Das kann ich beschwören.“



Doolin schien wirklich enttäuscht zu sein. Seinen Kumpanen ging es nicht anders. Sie spülten den Ärger mit Bier herunter, ließen nachschenken und tranken wieder. Das half. Sie lachten und rülpsten, ließen unanständige Sprüche los und begaben sich in Diegos „Schildkröte“ nun ebenfalls auf die Suche nach bereitwilligen Ladys, mit denen sie ihre Silberlinge durchbringen konnten.



Doolin stand Diego allein gegenüber.



„Das ist Pech“, sagte er. „Aber ich finde ihn schon noch.“



Diego fragte: „Was hat es denn mit diesem Killigrew auf sich, daß du so versessen auf ihn bist?“



„Das geht dich nichts an.“



„Natürlich nicht“, sagte Diego einlenkend. „Aber vielleicht kann ich mich ja mal umhören und dir eine Nachricht zukommen lassen, sobald ich was erfahre.“



Doolins Miene hellte sich wieder auf. An diese Möglichkeit schien er noch gar nicht gedacht zu haben. „Das ist eine gute Idee.“



„Ich nehme nicht an, daß du diesen Killigrew suchst, um ihm mal guten Tag zu sagen“, sagte Diego grinsend.

 



Doolin kicherte plötzlich. „Ganz bestimmt nicht. Sagen wir lieber, ich will ihn ein bißchen durchbeuteln. Dabei könnte ganz schön was ’rausfallen. Kapiert?“



Diego stellte sich nach wie vor dumm. „Nein. Was soll denn ’rausfallen?“



„Gold, Perlen, Diamanten“, erwiderte der Einäugige. „Über Killigrew habe ich in Plymouth eine Menge gehört. Da ist nämlich im letzten Jahr eine frühere spanische Kriegsgaleone mit einer englischen Crew eingelaufen.“



„Na, so was“, wunderte sich Diego. „Was es nicht alles gibt. Und was haben die Engländer von der Galeone nun mit Killigrew zu tun?“



„Sie sind ihm begegnet“, erklärte der Kerl. „Hier, irgendwo. Ursprünglich sind sie mit mehreren Schiffen unterwegs gewesen, unter anderem mit der ‚Dragon‘ und der ‚Orion‘. Die sind aber abgesoffen. Da hat der Killigrew ihnen geholfen und ihnen die spanische Galeone geschenkt. Einfach so. Na, sie sind damit zurück nach England gesegelt und haben dann in Plymouth die tollsten Sachen erzählt.“



„Ja?“ fragte Diego. „Was denn zum Beispiel?“



„Er soll stinkreich sein.“



„Der Seewolf?“



„Ja, klar“, entgegnete Doolin. „Er hat eine Riesenbande um sich geschart und bringt laufend jede Menge Spanier auf. Er soll schon so viel zusammengeklaut haben, daß er ganz England kaufen könnte.“



„Heilige Mutter Gottes“, sagte Diego andächtig. „So ein Glückspilz. Und unsereins muß hart arbeiten, um sich über Wasser zu halten.“



„Killigrew scheffelt das Gold nur so“, sagte Doolin.



„Ganz sicher?“



„Der Tip, den ich erhalten habe, ist sicher“, erklärte Doolin voll Überlegenheit. „Ein Seemann aus der Crew von Marc Corbett hat ihn mir gegeben. Corbett ist der Kapitän der spanischen Galeone gewesen. Na, und den Seemann habe ich bei einem Kollegen von dir getroffen, bei Plymson in der ‚Bloody Mary‘.“



Fast hätte Diego die Augen verdreht. Wie hätte es anders sein können! Der dicke Nathaniel Plymson war um ein paar Ecken mal wieder mit im Spiel. Wie klein die Welt doch war!



Doolin wurde richtig redselig. Er war jetzt beim dritten Bier angelangt. Der kühle, erfrischende Gerstensaft löste seine Zunge erheblich.



„Dieser Seemann erzählte Wunderdinge von Killigrew“, fuhr er fort. „Von Riesenbergen Gold und so. Und von einem Versteck. Plymson mischte sich auch noch mit ein. Der kennt den Killigrew nämlich von früher. Er hat das alles bestätigt. Killigrew muß der reichste Mann der Welt sein.“



„Toll“, sagte Diego ehrfürchtig. „Ich würde ihm gern mal begegnen.“



„Ich auch“, sagte Doolin grinsend. „Und ich werde ihm etwas von seinem Reichtum abknöpfen, verlaß dich drauf.“



„Viel Erfolg bei der Suche“, sagte Diego.



„Und wenn du was hörst, sagst du mir Bescheid?“ vergewisserte sich Doolin.



„Wenn ich was höre, ja“, erwiderte Diego.



„In Ordnung!“ One-Eye-Doolin knallte zuerst seinen Humpen und dann ein paar Münzen auf die Theke. „Das ist für die ersten Runden! Jetzt geht’s weiter!“



Es ging weiter. Die Kerle der Galeone – sie hieß „Scorpion“, wie Diego im weiteren Verlaufe des Abends erfuhr – ließen sich so richtig nach Herzenslust vollaufen. Das Gelage dauerte bis in die frühen Morgenstunden, dann schliefen die Engländer am Busen ihrer Ladys oder unter den Tischen ein.



Diego tätigte gute Umsätze. Er grinste und strich das Geld ein. Dabei warf er immer wieder Blicke zu One-Eye-Doolin hinüber, der sich mit einer üppigen Rothaarigen in eine Nische verdrückt hatte.



Na warte, dachte Diego, du kriegst schon noch dein Fett, wenn du so versessen darauf bist, „den Killigrew“ zu treffen. Aber an dem Tag wirst du dir wünschen, nie aus Cornwall losgesegelt zu sein!



Diego nahm sich vor, den Seewolf und dessen Kameraden zu informieren, sobald er sie wiedersah. Er konnte nur hoffen, daß sie früher oder später wieder bei ihm einkehrten, wie es ihre Gewohnheit war.



Philip Hasard Killigrew und Roger Lutz trafen um drei Uhr morgens am 27. Mai mit den Perlensäcken, die sie von der Bucht bei Batabanó mitgenommen hatten, in Havanna ein. Roger kannte sich aus – schon einmal war er die Strecke hin und zurück marschiert, als er mit Jean Ribault den sehr ehrenwerten Alonzo de Escobedo verfolgt hatte. Jussuf hatte den beiden Franzosen die Schleichwege gezeigt, die man tunlichst benutzte, um die Patrouillen in der Stadt zu umgehen.



Der Seewolf und sein Begleiter pirschten durch die Gassen. Einmal mußten sie in einer Hofeinfahrt untertauchen, weil sich Schritte näherten. Zwei spanische Soldaten gingen an ihnen vorbei. Sie unterhielten sich leise. Was sie sagten, war jedoch nicht zu verstehen.



Hasard stieß Roger mit dem Ellenbogen an. „Die werden sich auch fragen, wo ihr geliebter Gouverneur abgeblieben ist.“



Roger grinste. „Wenn die wüßten, welche üblen Spielchen der Señor betreibt.“



„Es wird sich noch herumsprechen“, erwiderte der Seewolf leise. „Ich bin wirklich mal gespannt, was passiert, wenn de Mello mit der ‚San Sebastian‘ eintrifft.“



Die Patrouille war fort. Die beiden Männer verließen ihr Versteck und setzten ihren Weg fort. Zwei Schatten, die durch das schlafende Havanna huschten. Keiner bemerkte sie. Unbehelligt erreichten sie schließlich die Faktorei von Manteuffel.



Der Kapitän der spanischen Kriegsgaleone „San Sebastian“, Gaspar de Mello, hatte den ehrenwerten Gouverneur Alonzo de Escobedo unter Arrest gestellt, als dieser versucht hatte, sich die Schätze des Don Antonio de Quintanilla anzueignen.



Angeblich hatte es sich um einen Geheimauftrag des Königs gehandelt, bei dem die Schätze aus den Höhlen bei Batabanó abgeborgen und per Schiff weggeschafft werden sollten. Diego Machado, der korrupte Kapitän der Fracht-Galeone „Trinidad“, war sich in diesem Punkt mit de Escobedo schon handelseinig gewesen.



Doch de Mello hatte nicht mitgespielt. Alles war anders gelaufen, als de Escobedo sich das ausgemalt hatte. Die Mannschaft der „Trinidad“ hatte versucht, die Schätze im Alleingang zu erbeuten. Sie war einer nach dem anderen desertiert. Machado hatte sich schließlich sogar noch mit den Deserteuren verbündet. Doch sie alle hatten mit dem Leben bezahlen müssen – bis auf ein paar Kerle, die inzwischen ebenfalls als Gefangene an Bord der „San Sebastian“ waren.



Die „San Sebastian“ mit den Gefangenen und de Escobedo befand sich jetzt auf der Reise nach Havanna. De Mello war unbestechlich und unbeirrbar. Er würde den Gouverneur den Gerichten übergeben.



Hasard und Roger schauten sich aufmerksam nach allen Seiten um, ehe sie die Hinterhofmauer der Faktorei überkletterten. Hasard schickte Roger vor. Roger landete mit sicherem Sprung auf dem Pflaster des Hofes, ließ die Perlensäcke zu Boden sinken und blickte zu dem Seewolf auf, der bereits oben auf der Mauer kauerte. Dann ließ sich auch Hasard fallen. Federnd setzte er auf und grinste seinem Begleiter zu.



„So, das wäre geschafft“, sagte der Seewolf. „Ein Gläschen Wein hätten wir uns jetzt wohl verdient.“



„Achtung“, sagte Roger. Er deutete zu dem Schuppen, wo er soeben eine Bewegung registriert hatte.



„Jörgen?“ fragte Hasard. „Oder Isabella?“



Jussuf trat grinsend auf sie zu. „Zweimal falsch getippt, Sir. Ich bin’s.“



„Schau mal an“, sagte Hasard. „So eine Überraschung. Du bist also schon wieder im Lande? Wie ist alles gelaufen?“



Jussuf schüttelte den beiden Männern herzlich die Hände, dann erklärte er fröhlich: „Alles bestens. Die Brieftaubenroute ist eingerichtet. Es wird mit der Verständigung wieder alles großartig klappen, ihr braucht euch nicht zu sorgen.“



„Wann bist du zurückgekehrt?“ fragte Roger Lutz.



„Vor zwei Tagen“, entgegnete Jussuf. „An Bord der ‚Persante‘, der ehemaligen ‚Confidence‘, unter dem Kommando von Kapitän Oliver O’Brien und Renke Eggens. Sechs Brieftauben haben wir mit zurückgebracht.“



„Die ‚Persante‘ liegt noch im Hafen?“ fragte Hasard.



„Ja, an der Pier“, erwiderte Jussuf. „Aber warum stehen wir hier draußen herum, wenn wir es drinnen viel gemütlicher haben?“



Sie betraten das Innere der Faktorei. Jussuf weckte Arne von Manteuffel. Arne ging mit seinem Vetter, mit Roger und Jussuf ins Kontor, und hier entkorkte er eine Flasche vom besten Rotwein. Kurz darauf erschienen auch Jörgen Bruhn und Isabella Fuentes.



Nun berichtete Hasard, was sich an der Bucht bei Batabanó zugetragen hatte.



Arne, Jörgen, Jussuf und das Mädchen hörten mit gespannten Mienen zu. Manchmal gaben sie knappe Kommentare ab, sie konnten ihr Erstaunen und ihre Begeisterung nicht zurückhalten. Als Hasard mit seiner Schilderung am Ende angelangt war, sprang Jussuf auf und klatschte in die Hände.



„Beim Barte des Propheten!“ rief er. „Das war das Werk Allahs! Zur Hölle mit den Dons, Scheitan wird sie schmoren lassen! Allah straft die Bösen und belohnt die Guten!“



„Nicht so laut“, sagte Arne grinsend. „Es könnte draußen jemand hören.“



Jussuf ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken. „So ein Beutezug! Ich kann’s noch gar nicht fassen!“



Roger wollte ihm ein Glas Wein anbieten, aber Jussuf lehnte kopfschüttelnd ab.



„Selbst ein solcher Sieg macht mich nicht schwach“, erklärte er stolz. „Ein gläubiger Muselman trinkt keinen Alkohol.“



„Toll“, sagte Roger. „Du bist wirklich überzeugt, was?“



„Allah ist mein Zeuge, daß ich noch nie Wein, Bier oder Rum zu mir genommen habe“, erwiderte Jussuf.



„Schon gut“, sagte Jörgen. „Zurück zu dem Schatz. Er wird also zur Zeit aus den Höhlen abgeborgen?“



„Ja“, entgegnete der Seewolf. „Und die ‚San Sebastian‘ ist hierher unterwegs, wie ich eben schon sagte.“



„Ein gutes Ende“, sagte Arne von Manteuffel. „Ich gratuliere euch zu diesem Erfolg. Der immense Schatz des Don Antonio gehört nun dem Bund. Besser hätte es nicht kommen können. Nur die Gegenseite hat Federn lassen müssen.“



Jussuf rieb sich die Hände. „Das geschieht ihm recht, diesem Schakal von einem Gouverneur! Zerspringen soll er! Ich wünsche es ihm.“



Hasard mußte lachen.



„Ich möchte auf jeden Fall die Rückkehr der ‚San Sebastian‘ abwarten“, sagte er dann.



„Um zu erfahren, was mit dem schurkischen Alonzo de Escobedo geschieht?“ fragte Isabella. „O ja. Das interessiert auch mich. Dieser Lüstling. Ich kann ihn nicht ausstehen.“



„Das Schicksal von de Escobedo ist ein wichtiger Punkt für uns alle“, sagte Arne. „Denn er wird das Gouverneursamt ja nicht mehr ausüben.“



„Aber wer dann?“ fragte Jörgen.



„Das ist noch die große Frage“, sagte Jussuf, der nachdenklich geworden war. „Welcher neue Halunke wird diese Stadt und diese Insel verwalten? Ich mag gar nicht daran denken.“



Arne von Manteuffel war ebenfalls ernst geworden. „Anders ausgedrückt, Havanna und damit Kuba ist ohne Gouverneur im gewissen Sinn führungslos.“



„Eine seltene Situation“, sagte Roger Lutz.



„Könnte sie nicht machtpolitisch irgendwie wahrgenommen werden?“ erkundigte sich Jörgen Bruhn.



„Von wem?“ fragte Arne.



„Nun, von England beispielsweise“, sagte der Seewolf. „So man dort wüßte, daß die Insel zur Zeit ein überreifer Apfel ist, den man nur zu pflücken braucht.“



Arne stieß einen leisen Pfiff aus. „Ja – wenn man das in England wüßte, wäre jetzt vielleicht was fällig. Es wäre überhaupt nicht auszumalen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden.“



„Das würde ich den Spaniern gönnen“, sagte Jussuf. „Sie hätten es verdient, daß ihnen mal jemand eine große Lektion erteilt. Können wir das nicht so einrichten?“



„Wie denn?“ fragte Roger grinsend. „Willst du etwa eine Brieftaube nach England schicken?“



Jussuf musterte den Franzosen kühl. „Meine gefiederten Lieblinge würden auch das schaffen.“



Jörgen lachte. „Aber vielleicht würden sie nach Frankreich oder sonstwohin fliegen, statt nach England.“



Jussuf wollte aufbrausen, aber Arne stoppte die beginnende Diskussion durch eine Handbewegung. „Halt, ihr geht da wohl zu weit. Das ist alles nur Utopie. Hasard denkt seestrategisch und seiner Zeit voraus. Ist es nicht so, Hasard?“



„Ja“, erwiderte sein Vetter. „In England ist man noch nicht soweit. Und keiner würde dort begreifen, was der Besitz von Kuba als Schlüsselposition im karibischen Raum bedeuten könnte.“



Arne nickte. „Vermutlich würde Spaniens Macht in der Neuen Welt aus den Angeln gehoben.“



„Ein lohnendes Ziel“, sagte Roger. „Das würde alles umkrempeln. Ich wage nicht, mir vorzustellen, was das alles nach sich ziehen würde.“



Hasard trank noch einen Schluck Wein, dann fuhr er fort: „Aber wir wissen auch, daß in einem solchen Fall die Glücksritter, die Schurken

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