Seewölfe - Piraten der Weltmeere 552

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 552
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-959-8

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Roy Palmer

Wilde Wasser

Hasard und seine Mannen werden hart auf die Probe gestellt – knapp am drohenden Tod vorbei

Grollender Donner rollte über die Berge, Blitze zerrissen das Dunkel der Nacht. Unter dem Schieferdach des einsamen Gehöfts krochen Alvira Viran und ihre vier Kinder ängstlich und schutzsuchend zusammen.

Wraz Viran, der Schafbauer, spähte mit zusammengekniffenen Augen aus dem winzigen Fenster und sagte: „Es ist nur das übliche Gewitter. Nichts Schlimmes.“

Das Krachen eines neuen Donners ließ seine Worte untergehen. Die Kinder schrien auf, Alvira wimmerte. Wraz Viran wollte seine Familie barsch zurechtweisen, weil er nicht duldete, daß sie Furcht zeigten. Doch nun richtete sich seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes. In der eintretenden Stille zwischen zwei Donnerschlägen war ein Blöken zu vernehmen. Der Todesschrei eines Schafes.

„Bei Allah“, murmelte Wraz Viran. „Er ist wieder da. Der Scheitan. Das Ungeheuer.“ Mit einem Fluch griff er nach seiner Muskete und stürmte in den einsetzenden Regen hinaus, ehe seine Frau ihn daran hindern konnte …

Die Hauptpersonen des Romans:

Wraz Viran – Der Besitzer einer Schafherde glaubt, ein wolfsähnliches Wesen wüte unter seinen Schafen, und er entschließt sich, es zu jagen.

Old O’Flynn – Auch er spinnt von Werwölfen und findet sogar einen, aber der entpuppt sich als ganz normaler Mensch.

Shuk-Urut – Der Mann aus dem oberen Kurdistan wurde von seinen Leuten ausgestoßen, weil sie abergläubisch waren.

Eb Nezar – Ein Banditenhäuptling, der sich in den Kopf gesetzt hat, die Arwenacks auszuplündern.

Philip Hasard Killigrew – Der Weg nordwärts ist voller Überraschungen, die er meistern muß – einschließlich diverser Gefechte.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Geduckt lief Wraz Viran über den Platz, der das Bauernhaus von den Stallungen trennte. Das Steinschloß der Muskete deckte er gegen den prasselnden Regen ab, indem er es gegen seinen Bauch drückte und sich darüberbeugte. Wurde das Schloß naß, war die Waffe nicht mehr zu gebrauchen.

Wraz’ Miene war verzerrt, in seinen Augen loderten Haß und Wut. In den letzten Wochen war es immer wieder passiert, daß Schafe oder Lämmer gerissen worden waren. Von einem Wolf, einem wilden Tier? Unter den Bauern der Siirt-Landschaft ging das Gerücht um, es handle sich um eine Kreatur der Hölle, ein Monstrum. Richtig gesehen hatte es bisher aber noch keiner.

Doch Wraz Viran hatte schon fünf Tiere eingebüßt. Ein schwerer Verlust. Der mordende Wolf erschien nur bei Nacht, und jedesmal schleppte er sein Opfer fort.

Wraz fand die Spuren des Kampfes, der stattgefunden hatte, aber es gab keine Fährte, die ihn zu dem Schlupfwinkel des Räubers führte. Schon mehrfach hatte der Bauer in den Wäldern nach der Bestie gesucht, auch zusammen mit Freunden – vergebens.

Das Stallgebäude war flach und langgestreckt, aus Natursteinen errichtet wie alle Bauten in dieser Gegend. Nachts bot es den Tieren Schutz und Wärme. Tagsüber führte Wraz die Schafe auf die Weiden, sofern das Wetter es erlaubte.

Jetzt Anfang Juli, war das Gras noch grün und nahrhaft. Später, im August und September, wurde es schwierig, ausreichend Futter für die Tiere zu finden.

Das herabstürzende Wasser verwandelte das feste Erdreich fast im Handumdrehen in eine Schlammlandschaft. Es handelte sich um eine lehmhaltige Erde, die bei anhaltender Trockenheit so hart wie Stein wurde. Regnete es aber, so wurde sie weich und schlüpfrig.

Um ein Haar rutschte Wraz auf dem Untergrund aus, als er um die Ecke des Stallhauses bog und auf den Eingang zusteuerte. Dann zog er den Kopf ein. Der Einlaß war niedrig, er mußte aufpassen, daß er sich nicht die Stirn stieß.

Die aus groben Bohlen zusammengenagelte Tür stand offen. Wärme schlug Wraz Viran entgegen. Er spürte die Ausdünstungen seiner Tiere und glaubte ihre Angst zu riechen. Dumpfe Laute ertönten. Kein Zweifel, das Ungeheuer hatte wieder zugeschlagen. Aber – befand es sich noch im Inneren?

Mit einem Satz drang der Bauer ein. Die Finsternis war total, er konnte nichts erkennen. Nur die Bewegungen der Tiere nahm er schemenhaft wahr. Sie liefen auf und ab, prallten zusammen, stöhnten und blökten.

„Wer da?“ stieß Wraz Viran aus. Er hob die Muskete.

Doch er erhielt keine Antwort. Tief atmete der Mann durch, dann spannte er langsam den Hahn seiner Waffe. Das Knacken, das dabei entstand, nahm sich überlaut aus, trotz des Grollens der Donner und des Rauschens des Regens.

Wraz Viran hielt die Muskete mit der rechten Hand fest. Mit der linken tastete er nach einer Öllampe, die an einem Eisenhaken an der Wand hing. Es mußte ihm gelingen, die Lampe zu entfachen. Erst dann konnte er sehen, was geschehen war und ob sich der Täter noch am Ort befand.

Doch der Bauer erstarrte in der Bewegung. Ein schriller Schrei gellte durch die Nacht – dieses Mal ausgestoßen von einem Menschen. Allah steh mir bei, dachte Wraz entsetzt. Dann hastete er wieder ins Freie.

„Alvira!“ brüllte er. „Weib!“

Zögernd hatte Alvira Viran sich erhoben, als ihr Mann nach draußen gestürmt war. Sie wußte selbst nicht, was sie tun sollte. Sollte sie ihren Mann zurückrufen? Oder sollte sie einfach nur die Tür schließen, die er offengelassen hatte?

Die Kinder jammerten und wimmerten hinter ihrem Rücken. Der Frau war alles andere als wohl in ihrer Haut. Die vielen grusligen Geschichten, die seit einiger Zeit unter den Schafbauern erzählt wurden, fielen ihr mit einem Schlag ein. War Wraz in Gefahr?

Plötzlich stand eine Gestalt vor Alvira.

„Wraz?“ fragte sie.

Aber es war nicht Wraz Viran, der sich da in der Öffnung der Tür vor ihr aufgebaut hatte. Es war ein zottiges Wesen, über und über behaart. Es stand auf den hinteren Läufen, hatte sich hoch aufgerichtet und riß das Maul weit auf. Ein Knurren ertönte, und die Kinder schrien auf, als wolle man sie am Spieß rösten.

Ja, und nun glaubte Alvira es deutlich zu sehen. Das Wesen hatte rote, glühende Augen! Und Feuer drang aus seinem Rachen! Es war das Feuer der Hölle.

Alvira schrie so laut, wie sie noch nie in ihrem Leben geschrien hatte. Mit einemmal war er wieder da, ihr alter Mut. Sie griff nach einem Knüppel und hieb damit wie von Sinnen auf das Ungeheuer ein. Dann rammte sie die Tür mit voller Wucht zu. Draußen erklang wieder dieses gräßliche Knurren, dann entfernten sich stapfende Schritte.

„Alvira!“ Wraz Viran erschien und riß die Tür auf. „Was in aller Welt geht hier vor?“

„Er war hier“, entgegnete die Frau, die sich inzwischen gefaßt hatte. Ihr Herz klopfte wie verrückt, aber sie war wieder Herr ihrer Reaktionen.

„Er? Es? Wo ist es jetzt?“ stieß der Bauer hervor.

„Weggelaufen“, erwiderte Alvira. „In die Richtung.“ Sie wies nach links. „Aber komm lieber herein, du kannst es nicht mehr einholen.“

Wraz Viran war bereits verschwunden. Er rannte, so schnell er konnte. Er hetzte durch Wasser und Schlamm und ließ das Haus hinter sich. Und da, ganz plötzlich, sah er die Schreckensgestalt im Aufleuchten eines Blitzes deutlich vor sich!

„Beim Barte des Propheten“, stöhnte Wraz.

Grausig war das Monstrum anzusehen. Erst schien es auf allen vieren zu laufen, dann richtete es sich auf und jagte auf zwei Beinen dahin. Ob sich aber ein Schaf in den Krallen dieser Bestie befand, konnte Wraz so schnell nicht erkennen. Das weißliche Licht des Blitzes erlosch wieder.

Wraz lief weiter. Er ging einen flachen Hang hinauf. Vor sich glaubte er ein Grunzen zu hören, dann einen blubbernden Seufzer. Du Biest, dachte er, hoffentlich gleitest du irgendwo aus und brichst dir was.

Es donnerte – eine dröhnende Lawine schien ins Tal zu rollen. Prasselnd ergoß sich der Regen auf das Land. Und wieder zuckte ein Blitz in weiten Verästelungen hinunter. Wraz Viran erkannte die Unheilsgestalt erneut vor sich. Diesmal zögerte er nicht. Er blieb stehen, legte mit der Muskete an und drückte ab.

Aber es gab nur ein Krachen. Das Pulver war naß geworden. Die Ladung zündete nicht. Wraz fluchte und warf die Waffe in den Schlamm. Er lief weiter und zückte sein Schwert.

Es war ein kurzes, krummes Schwert. Er trug es immer bei sich. Man konnte nie wissen, was geschah, wenn man mit der Herde auf der Weide war. Räuber konnten auftauchen, Wegelagerer und Gurgelschneider. Ein Mann mußte stets bewaffnet sein, damit er sich verteidigen konnte.

 

Einmal hatte Wraz Viran einen Kerl in die Flucht geschlagen, der ihm einen dicken Schafskäse hatte stehlen wollen. Seitdem schien es sich herumgesprochen zu haben, daß mit einem Mann wie Wraz nicht gut Feigen essen war.

Einige Jahre war es sehr ruhig gewesen um das Gehöft der Virans herum. Und jetzt das! Der Scheitan hatte einen seiner Zerberusse ausgesandt, anders konnte es nicht sein.

Unglück war über die Familie hereingebrochen. Doch Wraz wollte dem Unheil ein Ende bereiten. Jetzt, da er das Wesen endlich vor sich hatte, wollte er nicht so einfach aufgeben. Koste es, was es wolle.

Er hatte lernen müssen, sich mit den Zähnen durchzubeißen. Deswegen ließ er sich das, was er in jahrelanger Arbeit so mühsam und voller Entbehrungen aufgebaut hatte, nicht so einfach wieder wegnehmen.

Wieder ein Blitz. Wraz Viran sah zu seiner grimmigen Genugtuung, daß das Monstrum doch nicht so schnell lief, wie er anfangs angenommen hatte. Der Abstand zwischen ihnen schrumpfte merklich zusammen.

Die Hatz führte in ein Gehölz. Wieder blitzte es, und schwerer Donner wälzte sich von den Bergen zu Tal. Wraz Viran erkannte jetzt, daß das Wesen nichts mit sich schleppte. Kein Schaf. Möglich aber war, daß der Unheimliche das Tier in seinem Blutrausch nur gerissen und dann liegengelassen hatte.

Warte, dachte Wraz zornig, jetzt krieg’ ich dich!

Das zottige Geschöpf stolperte über irgend etwas – vielleicht die Wurzel eines Baumes – und stürzte zu Boden. Wraz überbrückte den letzten Rest Abstand mit wenigen langen Sätzen, dann warf er sich fluchend auf seinen Gegner.

„Stirb!“ brüllte er.

„Potzdonner“, sagte Edwin Carberry. Angelegentlich rieb er sich die Nase. „Auf See wäre das ein mittelschwerer Sturm. Aber mir wäre lieber, ein handfestes Wetter abzureiten als in dieser Scheißgegend rumzukriechen.“

„Wir kriechen ja nicht mehr“, entgegnete Big Old Shane. „Wir sitzen.“ Das Wasser perlte von seinem grauen Bartgestrüpp ab.

Don Juan de Alcazar lachte leise. „Das nenne ich Logik.“

„Und Humor habt ihr beide“, sagte der alte O’Flynn zu Shane und dem Profos. „Das muß man euch lassen. He, Dan, gib mir mal einen Belegnagel, damit ich mich unterm Arm kratzen kann. Sonst kann ich nicht lachen.“

„Na bitte“, sagte Ben Brighton. „Es herrscht mal wieder die beste Stimmung. Die Moral der Crew ist auf dem Höhepunkt.“

„Kein Wunder“, sagte Blacky brummig. „Wenn das so weitergeht mit unserem Flußauftörn, legen wir in einer Woche zehn Meilen zurück.“

„Immer zwei Schritte vorwärts und einen zurück“, sagte Pete Ballie, der sonst ein sehr schweigsamer Mann war. „Na, das lobe ich mir.“

„Das Schlimmste ist, daß die Strömung immer stärker wird“, murmelte Smoky. „Wir werden mehr zu Fuß unterwegs sein als auf dem Wasser. Hölle, was sind wir eigentlich? Landwölfe?“

„So wollen wir uns nennen“, erwiderte Ferris Tucker. „Wir haben ja auch allen Grund dazu.“

Mit grimmigen Mienen hockten die Mannen in einem Dickicht am Ufer des Tigris. Wegen des Gewitters hatten sie ihre Fahrt unterbrechen müssen. Sie hatten die Guffas und Keleks an Land gezogen und mit Sack und Pack Unterschlupf vor dem Regen gesucht. Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, und Batuti, der Gambiamann, unternahmen gerade einen Rundgang, um nach besseren Schutz- und Lagermöglichkeiten zu suchen.

Daß die Stimmung der Arwenacks mies war, wunderte nicht. Die jüngsten Ereignisse hatten nicht dazu beigetragen. Sie hatten ihr Schiff verloren, die Dreimastgaleone „Santa Barbara“. Eine Mannschaft ohne Planken unter den Füßen – das war das Übelste, was ihnen hatte zustoßen können.

Sie hatten ernstlich die Rückkehr erwogen, am Golf ein neues Schiff besorgen und durch den Indischen Ozean zum Stützpunkt zurücksegeln wollen. Doch diejenigen unter ihnen, die die Nase „gestrichen“ voll hatten, waren in der Minderzahl gewesen.

Hasard wollte es jetzt genau wissen. In einer Kneipe von Ninive hatten sie von Kaufleuten erfahren, daß sich irgendwo im Norden ein riesiges Meer befände. Dieses Meer trug den Namen „Kara Deniz“, wurde aber auch „Chernoye More“ genannt. Die Auskunft der Kaufleute schien sich mit dem zu decken, was aus den Karten ersichtlich war.

So hatten die Mannen beschlossen, nach alter Landessitte auf dem Fluß zu bleiben. In Ninive hatten sie Guffas und Keleks übernommen. Sie hatten zur Weiterreise gerüstet. Auch ein paar Kamele waren dabei, die als Lasttiere dienten.

Bei den Guffas handelte es sich um mesopotamische Gerüstrundboote. Bug und Heck waren nicht zu unterscheiden. Die Guffas wurden mit Fellen oder Häuten überspannt, der Boden mit Stroh ausgelegt. Oft wurden diese Fahrzeuge auch mit Naturbitumen abgedichtet.

Die Guffas dienten als Lasten- und Personentransportmittel auf Flüssen und in der Nähe der Meeresküsten. Auch Flußräuber und Schnapphähne benutzten sie. Die Guffas hatten einen großen Vorteil: Sie waren bei Stromschnellen sehr sicher gegen ein Kentern.

Keleks waren assyrische Tierbalgflöße. Sie bestanden aus einer Anzahl aufgeblasener und zusammengenähter Häute und einem verbindenden, gerüstartigen Flechtwerk. Sie wurden auch „Burdjuks“ genannt. Beide Bootstypen konnten zusammengelegt und auf dem Rücken von Kamelen, Pferden oder Maultieren weiterbefördert werden.

Carberry war zwar immer noch wenig erbaut von diesen „Sautrögen“ und „Nachttöpfen“, wie er sie nannte. Aber es gab keine besseren Transportmittel.

So ging der Törn weiter – in Richtung Norden. Der Tigris war zum reißenden Fluß geworden. Sie hatten Mühe, überhaupt vorwärtszugelangen. Aber sie mußten sich durchbeißen, koste es, was es wolle. Sie hatten keine andere Wahl.

Hasard und Batuti kehrten zu ihren Kameraden zurück. Sie waren klatschnaß, ihre Füße mit Schlamm überzogen.

„Keine Viertelmeile entfernt befindet sich ein verlassenes Gehöft“, berichtete der Seewolf. „Da schlagen wir unser Lager auf.“

„Ist das Dach intakt?“ fragte Ferris Tucker.

„Es müssen nur ein paar Stellen abgedichtet werden“, entgegnete Hasard.

„Dann auf zu frischen Taten“, sagte der rothaarige Schiffszimmermann.

Im rauschenden Regen verließen die Männer ihren Unterschlupf am Ufer des Flusses. Sie hievten sich das Handgepäck auf die Schultern. Die Guffas und Keleks wurden auf die Kamele verfrachtet und festgezurrt.

Hasard und Batuti übernahmen die Führung. Der Zug setzte sich in Bewegung. Die Mannen marschierten über die Kuppe eines flachen, buschbestandenen Hügels. Das Wasser bildete Pfützen und kleine Bäche. Der Untergrund war aufgeweicht. Als eins der Kamele ins Wanken geriet und zu straucheln drohte, mußten Jack Finnegan, Paddy Rogers, Al Conroy und Sam Roskill es stützen.

Schließlich aber war das Ziel erreicht – drei Hütten in einer Senke. Auf den ersten Blick erweckten sie einen mehr als desolaten Eindruck. Aber das konnte die Arwenacks nicht entmutigen. Sie bezogen in den Bauten Quartier.

Als erstes versorgten sie die Kamele und befreiten die Tiere von ihren Lasten. Dann dichteten sie in den drei Bauten die Schieferdächer ab. Fackeln und Öllampen wurden im Inneren entfacht. Ferris Tucker und fünf Helfer verrammelten die Fenster und die Türen, so gut das bei den herrschenden Bedingungen möglich war.

In dem Haupthaus befand sich eine offene Feuerstelle. Die Zwillinge, Hasards Söhne, schichteten Reisig und dünne Hölzer auf, die sie im Gepäck mitführten. Philip junior zündete das Häufchen mit einer Fackel an. Bald loderte ein munteres Feuer.

Die Männer versammelten sich auf dem Steinboden und trockneten ihre Kleider. Der Kutscher und Mac Pellew teilten Fladenbrot und Dörrfleisch aus. Eine Flasche Raki – ein Überbleibsel des Abenteuers in Assur – ging reihum.

„So, jetzt gefällt mir die Welt schon wieder besser“, sagte der Seewolf. „Wir übernachten in dieser Herberge. Wenn es morgen immer noch regnet, gönnen wir uns einen Tag Ruhepause. Wenn die Sonne scheint, geht es weiter.“

Ben Brigthon trank einen Schluck Raki, setzte die Flasche ab und reichte sie an Shane weiter.

„Ich frage mich, wie viele Meilen wir auf dem Fluß noch vorankommen“, sagte er.

„Irgendwann geht es nur noch zu Fuß weiter“, erwiderte Hasard. „Darauf müßt ihr euch einstellen.“

„Hölle, womit haben wir das verdient?“ brummte der Profos.

„Geduld muß der Mensch haben“, sagte Hasard. „Und das Leben besteht auch aus Kompromissen, Ed. Ich bin inzwischen ganz sicher, daß wir das Meer im Norden erreichen. Und von dort aus geht es weiter ins Mittelmeer, verlaßt euch drauf. Wäre ich von unserer Sache nicht so überzeugt, hätte ich mich nicht auf dieses Risiko eingelassen.“

„Das glauben wir dir“, sagte Shane. „Und wir stehen auch weiterhin hinter dir.“

„Von Meuterei kann keine Rede sein“, sagte Dan grinsend.

„Witzbold“, sagte der Profos, dann spuckte er ins Feuer.

Old O’Flynn starrte in die Flammen. Er war sehr schweigsam geworden. Das fiel den Mannen auf.

„Was ist mit dir los, Donegal?“ fragte Ferris Tucker. „Fühlst du dich nicht wohl?“

„Red doch keinen Quatsch!“ zischte der Alte. „Ich habe da bloß so eine Ahnung …“

„Auweh!“ sagte Roger Brighton. „Es geht wieder mal los.“

Der Alte warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Was denn? He? Was hast du zu meckern, Mister Brighton?“

„Gar nichts“, entgegnete Roger. „Aber ich wette einen goldenen Piaster gegen meine alten Stiefel, daß du wieder mal eins deiner Gesichter hast.“

„So ist es“, versetzte der Alte mit düsterem Gesichtsausdruck. „Es ist was faul. Es stinkt geradezu. In dieser Gegend treiben sich Geister und Dämonen herum, sage ich.“

„Sturmgeister?“ wollte Shane wissen.

Old O’Flynn schien ihn mit seinem Blick durchbohren zu wollen. „Du kannst nicht ausnahmsweise mal das Maul halten, was?“

„Ich kann’s versuchen.“

„Waldgeister“, murmelte der Alte. „Ein übles Gezücht.“

Plymmie, die Wolfshündin, hatte sich von ihrem Lager erhoben und war zur Tür geschlichen. Sie schnupperte an der Tür und knurrte kaum wahrnehmbar. Dann setzte sie sich auf die Hinterläufe, hob den Kopf und stimmte ein dünnes, furchterregendes Heulen an.

„Da!“ sagte Old O’Flynn dumpf. „Da habt ihr’s! Das ist das Zeichen. Es geht ein böser Wolf um!“

„Ein was?“ Carberry fluchte. „Mann, erzähl doch keine Märchen. Wer glaubt die schon?“

„Ein Werwolf“, sagte der Alte unbeirrt. „Ein Menschenwesen, das sich zeitweilig, besonders bei Vollmond, in einen reißenden Wolf verwandelt. Ich spüre, daß er da ist. Nicht weit entfernt.“

Die Männer blickten sich untereinander an. So mancher konnte sich jetzt eines leichten Schauderns nicht erwehren. Sicher, es gab keine Gespenster. Was aber, wenn der Alte mit seiner Vision von dem Werwolf doch recht hatte?

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