Eurythmie als sichtbare Sprache

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Eurythmie als sichtbare Sprache
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LUNATA

Eurythmie als sichtbare Sprache

Eurythmie als sichtbare Sprache

Laut-Eurythmie-Kurs

© 1924 by Rudolf Steiner

© 2020 Lunata Berlin

Inhalt

Vorwort

Die Eurythmie als sichtbare Sprache

Der Charakter der einzelnen Laute

Die erlebte und die geformte Gebärde

Die einzelnen Laute und ihre Zusammenhänge

Stimmungsgehalt der Seele bei einer Dichtung

Gemütsstimmungen und Charakteristik einzelner Seelenzustände. Die Farbe als Gemütsinhalt

Die plastische Gestaltung des Sprachlichen

Das Wort als Bezeichnung und das Wort in seinen Zusammenhängen

Die gestaltete Rede

Formen, die sich aus der Wesenheit des Menschen ergeben

Das Sich-Hineinleben in Gebärde und Form

Moralisch-seelische Heilwirkungen durch das Ausströmen der Menschenseele in Form und Bewegung und deren Zurückwirken auf den ganzen Menschen

Seelenstimmungen, die aus der Geste des Lautes herauszufinden

Gliederung der Worte – innere Gliederung der Strophen

Der ganze Körper muß in der eurythmischen Ausführung Seele werden

Anhang: Bericht im »Nachrichtenblatt« vom 20. Juli 1924

Über den Autor

Fünfzehn Vorträge Dornach, 24. Juni bis 12. Juli 1924

Hinweis: Es handelt sich um eine handschriftliche Mitschrift der Originalvorträge. Einzelne Textstellen fehlen und sind als solche gekennzeichnet.

Vorwort
zur ersten Auflage 1927

Es war eine besonders schwere Aufgabe, diese Vorträge, die aus dem lebendigen Zusammenwirken von Redner und Darstellern entstanden sind, zu einem Buche zusammenzuschweißen. Sie wurden nicht in der Weise gehalten, daß sie einen enzyklopädischen Überblick über das ganze Gebiet der Eurythmie hätten geben sollen; sie griffen in einem bestimmten Momente der Entwicklung ein, in dem es nötig war, Überschau zu halten über das, was während einer Reihe von Jahren an Arbeit geleistet worden war, und auch schon von verschiedenen Lehrerinnen in die Welt hinausgetragen worden war. Das sollte einer Prüfung und Korrektur unterworfen werden, und »eine Summe von Richtlinien sollte gewonnen werden, die ganz aus dem Wesen der Eurythmie heraus entwickelt waren«. Rudolf Steiner sagt im letzten Vortrage dieses Zyklus, daß es ihm vorzugsweise darauf angekommen ist, ihn so zu gestalten, daß man sehen kann, »wie aus dem Gefühl unserer Seele sich das Eurythmische heraus ergibt, wie sozusagen eurythmische Technik in Liebe zur Eurythmie eigentlich erworben werden soll, wie alles aus der Liebe heraus kommen soll«. Aus der Liebe heraus strömten seine Worte und ergossen sich helfend in die geleistete Arbeit, die nun selbst einer genauen Kontrolle sich unterziehen wollte. Bis zu diesem Augenblicke hatte es noch keine stenographisch festgehaltene Niederschrift der Unterweisungen gegeben, durch welche Rudolf Steiner diese Kunst ins Leben hineingestellt hat. Im Jahre 1912 hatte er neun Stunden einem siebzehnjährigen jungen Mädchen gegeben, das nach dem Tode des Vaters in die Notwendigkeit versetzt worden war, tätig mitzuhelfen bei der Versorgung der jüngeren Geschwister: sie wollte sich gerne einer Bewegungskunst widmen, die nicht aus den materialistischen Impulsen der Zeit herausgeholt war. Diese Lebenstatsache war der Anstoß zu jener Gabe, aus der die Eurythmie geworden ist. Ich wurde aufgefordert, an diesen Stunden teilzunehmen; sie enthielten die ersten Elemente der Lautbildung und einige Übungen, die im Wesentlichen dem pädagogischen Teil der eurythmischen Ausbildung eingereiht worden sind; die Grundlagen für Stehen, Schreiten, Laufen, einige besondere Haltungen und Stellungen, viele Stabübungen, das Taktieren und Rhythmus-Halten. Aus diesen Grundlagen heraus entwickelten dann einige junge Damen, die Schülerinnen der ersten Eurythmistin wurden, den pädagogischen Teil der Eurythmie; sie gingen dann über zur lautlichen Ausarbeitung von Gedichten. Das war die erste Phase der eurythmischen Ausbildung. Hin und wieder, wenn ihm etwas gezeigt wurde, gab Rudolf Steiner Ermahnungen und Korrekturen, antwortete auf Fragen. Eine zweite Phase der eurythmischen Entwicklung begann, als die junge Kunst Fuß faßte in Dornach am Goetheanum. Die erste Gruppe junger Lehrerinnen erbat und erhielt einen weiteren Kursus, in dem hauptsächlich Wortgliederung, Wortzusammenhänge, die Gestaltung der Rede, der Strophen-Aufbau, neue Gruppenformungen und so weiter gegeben wurden. Sie zogen damit hinaus, aber der Krieg legte ihre Tätigkeit bald lahm. Um die junge Kunst zu retten und die Ausübenden der auferlegten Untätigkeit zu entreißen, wurde es nötig, daß ich mich ihrer annahm. Diese Aufgabe trat wie schicksalsgemäß, mit Selbstverständlichkeit an mich heran, denn eine neue Art der Rezitation wurde für die Eurythmie notwendig, zu der ich die Wege finden und die ich ausgestalten mußte. Ich erkannte die hohe Bedeutung der Eurythmie als Wiederbelebungsquell für alle Künste; mich jammerte der Umstand, daß der Eifer der jungen Damen während der Kriegsjahre brachgelegt werden sollte. Den Geschmacksverirrungen der Gegenwart gegenüber gab es kein besseres Heilmittel als diese neue Kunst, die zu den Urkräften, den schöpferischen Kräften der Welt zurückführte. Sie bedeutete eine ungeheure Wohltat für die Menschheit: so arbeitete ich denn das eine Halbjahr in Deutschland mit einer Reihe von jungen Damen, das andere am Goetheanum in Dornach, immer unterstützt und gefördert von Rudolf Steiner, an den wir mit all unsern Fragen herantreten durften. Was wir im Laufe der Zeit von ihm an Unterweisungen erhielten, ist in Buchform nun zusammengefaßt und niedergeschrieben worden durch Annemarie Dubach-Donath, eine unserer hervorragendsten und erfahrensten Eurythmistinnen, die zweite in der Reihe der jungen Damen, die sich dem Studium der Eurythmie gewidmet hatten. Es erscheint demnächst im Philosophisch-Anthroposophischen Verlag unter dem Titel »Die Grundelemente der Eurythmie« und bildet die nötige Voraussetzung, das Fundament für dieses Werk hier, das seiner bedarf, um verstanden zu werden, und ohne diese Grundlage keine Vollständigkeit hätte. Zu diesem Kursus vereinigten wir uns wie zu einer gemeinsamen Feier. Man war mit vielen Fragen an Rudolf Steiner herangetreten, man revidierte, man verständigte sich über Dinge, bei denen verschiedene Auffassungen entstanden waren. So trug das Ganze den Charakter der unmittelbaren frischen Improvisation; Zeichnungen wurden auf die Tafel schnell hingeworfen, Übungen zur Exemplifizierung von den jungen Damen ausgeführt; es stand alles im Zeichen des Gespräches und des Zusammenarbeitens, nicht des Dozierens. So war ja oft der Unterricht, den Rudolf Steiner seinen Schülern angedeihen ließ, aber niemals in so hohem Maße wie bei diesem Kursus über Eurythmie. Er selbst hätte wahrscheinlich verlangt, daß der Inhalt dieser Vorträge, verarbeitet und durcherlebt, nun von einem andern umgegossen und wiedergegeben würde. Jetzt aber, wo er von uns gegangen ist, ist uns sein unmittelbares Wort das höchste. Selbst da, wo es uns nur bruchstückweise und verstümmelt wiedergegeben werden kann wie in diesem durch Gebärden und Betätigungen immer wieder unterbrochenen Kursus, leuchten uns doch Zusammenhänge auf, rührt es an Höhen und Tiefen, die durch das Wort eines anderen verlorengehen müßten. In der Ursprünglichkeit seines geistigen Tonfalls hebt es sich von Untergründen ab, aus denen Weltengeheimnisse durchschimmern. So bringt er uns nun weiterhin, auch nach seinem Tode, das Opfer, das er während seines ganzen Lebens hat bringen müssen: die zerstückelten Bruchteile seines Geistes in der Niederschrift eines anderen den Menschen hinzugeben. Die von seinem Geiste lebten, erzwangen von ihm dieses Opfer. Keiner weiß, was es ihn gekostet hat. Aber das Opfer ist gebracht worden. Es birgt für unsere Zeit die Weisheit, die uns die Zusammenhänge von Welt und Mensch bis ins einzelne erschließt; es gibt unserer gegenwärtigen Menschheit, die ohne festgehaltene Niederschrift das Wort des Geistes nicht mehr gedächtnismäßig würde bewahren können, den Wissensschatz, an dem sie sich immer mehr zur konkreten Realität des Geistes emporranken kann; es enthält den zündenden, lebenweckenden Funken. Die Eurythmie war eines der liebsten Geisteskinder Rudolf Steiners. Aus kleinen Anfängen heraus entwickelte sie sich ganz organisch, Trieb an Trieb ansetzend, zu einem kräftigen Stamm, dank der ihr eigenen gesunden Lebensfülle und dem Arbeitseifer ihrer Vertreter. Sie veredelte denjenigen, der sich ihr hingab, sie zwang ihn, immer mehr das Persönliche abzulegen; zur Willkür war in ihr kein Raum. Die ihr innewohnende Gesetzmäßigkeit entsprang geistigen Notwendigkeiten; man erkannte diese willig an, denn in ihnen erlebte man Notwendigkeit, erlebte man Gott. Dadurch konnte sie die Begeisterung so stark entfachen; dadurch verbanden sich selbstlos mit ihr so viele hingebende Arbeitshilfskräfte, sodaß ihr Wirkungsfeld sich immer mehr ausdehnen konnte. Neben der Rezitation griff sie befruchtend ein in die Musik und eröffnete ihr neue Wege und Ausdrucksmöglichkeiten; eine neue Beleuchtungskunst entstand, eurythmischen Stilgesetzen folgend, eine vereinfachte, veredelte und der Willkür enthobene Bekleidungskunst, auf Grund von Farbenstimmungen, Farbeneurythmie. In der Verbindung mit dem Drama führte sie dazu, demjenigen Wesensausdruck verleihen zu können, das sich sonst einer sinngemäßen Ausdrucksweise entziehen muß. Die Darstellung des Hereinwirkens vom Übersinnlichen und Unter-sinnlichen in das Erdenleben wurde nun möglich. So hatten wir im Laufe der Jahre auf der Bühne, die in der großen Schreinerei des Goetheanums entstanden war, alle Szenen aus »Faust« durcharbeiten können, in die das Übersinnliche hereinspielt und die sonst gestrichen oder verstümmelt werden: die Romantische Walpurgisnacht erstand zu ungeahnt krausem Leben und auch die Klassische Walpurgisnacht mit ihrem Reichtum an gespenstischem Geschehen. Elfen, Engel und himmlische Heerscharen wirkten in dieser Darstellung einfach, erhaben und überzeugend. Je mehr wir arbeiteten und schufen, desto mehr erhielten wir; jedes in Tat umgesetzte Streben bewirkte neue Gaben von Seiten des gütigen Spenders. Der Arbeitsmöglichkeiten gab es so viele, daß die zu Gebote stehende Zeit damit nicht Schritt halten konnte. Nach mehreren Jahren unentwegter Trainierung und des Bühnenauftretens unter Gesinnungsgenossen hatten die Darsteller der Eurythmie sie in die breite Öffentlichkeit hinaustragen dürfen. Die Wirkung war eine starke: sie fand begeisterten Anklang oder leidenschaftliche Bekämpfung. Gleichgültig blieb niemand. Der Ostrazismus der kulturellen Machthaber bedrohte sie; die Pressevertreter hatten meistens den Auftrag, gegen sie zu schreiben, auch wenn sie selbst, wie sie oft gestanden, begeistert waren. Die Vertreter nachbarlicher Künste waren oft tief ergriffen, oft auch aggressiv ironisch. Die Zunftgenossen in Reformbestrebungen fühlten sich in ihren ausgeklügelten Systemen von einer unbekannten, aber zukunftsicheren Kraft bedroht. Unvoreingenommene Zuschauer dankten Gott, daß es eine so reine und edle Kunst geben könne. Kinder fragen meistens, ob das die Engel seien, von denen man ihnen erzählt hatte, und die kräftigen »Ah« und »Oh« der hingerissenen Bewunderung legten oft beredtes Zeugnis ihrer Eindrücke ab. Diese Kunst wirkte innerhalb der Sümpfe unserer modernen Zivilisation wie das Licht und wie die Flamme; aufzischten und geiferten manch dunkle Nachtvögel – wie im Stahlbad gereinigt atmeten diejenigen auf, die aus den Niederungen unserer Kultur herauswollten. Der Geist brach sich Bahn in einer Kunst und wirkte reinigend und belebend... Was einst der Menschheit in den alten Mysterien als Wegzehrung gereicht worden war auf ihrem Wege zur Entfaltung der Persönlichkeit hin, wird ihr neu gereicht jetzt, wo sie der Persönlichkeit verlustig gehen könnte, in diesem Augenblicke, wo das Menschliche im Unter-menschlichen zu versinken droht, wenn es sich nicht in seinem Wesenskern erfaßt. Der Intellekt allein wird hierbei nicht helfen; der Verstand, sich selbst überlassen, hat uns zum Agnostizismus geführt, zum Ignorabimus, zum Spenglerismus. Öffnet er sich aber dem Geiste, läßt er sich von ihm die Wege weisen, so werden dessen schaffende Kräfte die Todeskeime überwinden und die Kräfte des Verfalls metamorphosieren... Scheinbar Geringes kann hier das Größte bedeuten. Beginnen wir bei der Erziehung durch Kunst und in Kunst; gehen wir den Weg zurück, der zu den Quellen führt, in denen die Kunst ihren Ursprung hat. Dieser Ursprung freilich war kein geringer – es war der Sternenreigen und seine Widerspiegelung in der menschlichen Sphäre als Planetentanz – als Tempeltanz. Da strömten die schöpferischen Kräfte in den menschlichen Leib hinein, formbildend, richtunggebend, und erzeugten die Kräfte, die auch den Menschen selbstschöpferisch werden ließen. Und aus diesen Kräften heraus erwuchs ihm die Fähigkeit, das, was in ihm wirkte, hinüberzuleiten in Werke der Kunst, der bildenden, der tönenden Künste, die das Göttliche abfingen und in die Materie hineinschimmern ließen, in sich den Kosmos widerspiegelten. Als durch das Hereinbrechen des Materialismus die göttlichen Kräfte im Menschen verstummten, erstarben, und das menschliche Gehirn der Sarg wurde für tote Gedanken, die das Geistige nicht mehr ergreifen konnten, erstand uns ein Retter. Er durchgeistigte den Intellekt. Er entriß ihn der Erstarrung. Er gab ihm die lebendige Bewegung zurück. In alle Gebiete der menschlichen Betätigung brachte er hinein die Bewegung. Wir aber hatten vergessen, was Geistbewegung ist, weil uns die Bewegung des von uns ergriffenen und bewältigten Stoffes genügte und berauschte und jagte. Wir merkten nicht, daß wir dabei geistig passiv wurden und daß wir im Ersatz durch Sport uns nur Eigenbewegung vortäuschten. Auch durch ihn entfernten wir uns immer mehr von der geistigen Impulsivität. Wir müssen im erwachten Bewußtsein zu ihr zurückkehren, an uns selbst ablauschen, wo die Bewegungskräfte ihre Wirkensmacht und ihre Richtungstendenzen herleiten; dann werden wir in dem Erfassen des Schöpferisch-Wirksamen die organbildenden Kräfte verspüren und werden beginnen können, neue geistige Organe auch in uns selbst zu entwickeln. Damit werden wir die Erstarrung, die Verholzung, die Verdorrung überwinden, welche erlesenste Intelligenzen heute zum äußersten Pessimismus zwingt. Dies hat der hervorragendste Verkünder deutschen Geistes immer wieder während der Weltkriegskatastrophe warnend den Deutschen zugerufen, und er hat die ermunternden Worte gesprochen: Der deutsche Geist hat nicht vollendet, Was er im Weltenwerden schaffen soll. Er lebt in Zukunftssorgen hoffnungsvoll, Er hofft auf Zukunftstaten lebensvoll. In seines Wesens Tiefen fühlt er mächtig Verborgenes, das noch reifend wirken muß. Wie darf in Feindesmacht verständnislos Der Wunsch nach seinem Ende sich beleben, So lang das Leben sich ihm offenbart, Das ihn in Wesenstiefen schaffend hält! Dieses Leben muß der Deutsche ergreifen. Es liegt aber nicht in der »Reinhaltung der Rasse«, wie das Schlagwort lautet. Es liegt in der Erfassung seiner Ichkräfte, der göttlichen Ichkräfte. Der Weg dahin aber geht durch das Bewußtsein. Metamorphosiertes Persönlichkeitsbewußtsein, zum unsterblichen Ich emporgehoben, hat Schaffenskraft, birgt den Geist in sich und wird nicht schwächliche Nachblüte, sondern die stärksten Kulturen auswirken. Dieser Weg führt uns zurück in das Tempelinnere, aus dem die alten Kulturen emporgestiegen sind, zuerst im Wort und in der Kunst, nicht unbewußt, sondern durch das Bewußtsein der erlesensten Geister geleitet. Sie werden uns auch weiter helfen jetzt, wo es notwendig geworden ist, daß unser eigenes Geist-Bewußtsein tätig mitschafft und allmählich allgemeines Menschheits-Ich-Bewußtsein wird. Erschließen wir uns dieser Hilfe, sind wir in der Lage, uns dem Geist zu öffnen, auf allen Gebieten, auch in dem, was uns dieses Buch an Geistoffenbarung und Menschen-Erkenntnis bringt, dann werden wir nicht mehr zur Aufpeitschung unserer erschlafften Nerven dekadente Negertänze brauchen, die von der Maschine aus in uns hineingehämmert werden und uns zu Mechanismen machen, so allmählich unser bestes Menschentum ertötend, sondern wir werden Verständnis gewinnen für eine edle, dem Geiste entnommene Bewegungskunst, die den Sternenreigen widerspiegelt und die Sprache der Sterne, die uns erschaffen hat, in Reinheit wieder in uns sichtbar erklingen läßt.

 

Marie Steiner

Die Eurythmie als sichtbare Sprache
Erster Vortrag, Dornach, 24. Juni 1924

Die Vorträge, die ich hier halten werde, Besprechungen über das Eurythmische, sind zunächst hervorgegangen aus der Ansicht von Frau Dr. Steiner, daß es notwendig sei, zur exakten Gestaltung gewissermaßen der eurythmischen Tradition zuerst einmal wiederholentlich alles dasjenige durchzuführen, was sich auf die Lauteurythmie bezieht, was im Laufe der Jahre in der Lauteurythmie an die entsprechenden Persönlichkeiten herangebracht worden ist. Es wird sich dann darum handeln, daß an diese Wiederholungen sich angliedern werden, und zwar immer jeweilig an die Einzelheiten selbst, nicht etwa abgeteilt nach Kapiteln, Erweiterungen des Eurythmischen. Ich werde dabei versuchen, das Eurythmische nach seinen verschiedenen Aspekten, sowohl nach dem künstlerischen Aspekt, der natürlich hier vorzüglich in Betracht kommt, wie auch nach dem pädagogischen Aspekt und nach dem Heilwertaspekt zu betrachten. Heute möchte ich eine Art Einleitung vorausschicken, an die sich dann morgen Besprechungen über die ersten Elemente der Lauteurythmie anschließen werden. Dasjenige, was vor allen Dingen für den Eurythmiker auf jedem Gebiete notwendig ist, das ist, daß er in der eurythmischen Kunst, in der eurythmischen Betätigung mit seiner Persönlichkeit, mit seinem Menschentum leben kann, sodaß Eurythmie ein Ausdruck des Lebens wird. Das kann man nicht erreichen, ohne daß man eindringt in den Geist der Eurythmie als einer sichtbaren Sprache. Derjenige, der Eurythmie bloß ansieht, als künstlerischen Genuss hinnimmt, der braucht, wie es beim künstlerischen Genießen überhaupt der Fall sein sollte, ja nichts von dem Wesen der Eurythmie zu wissen, ebenso wenig wie irgendjemand musikalische Harmonielehre oder Kontrapunkt oder dergleichen gelernt zu haben braucht, der Musik genießen will. Das ist dasjenige, was einfach in der naturgemäßen, in der selbstverständlich menschlichen Entwicklung begründet ist, daß man für das, was man im Aufnehmen des Künstlerischen Verständnis nennen kann, auch als gesund ausgebildeter Mensch Verständnis hat. Kunst muß durch sich selber wirken. Sie muß selbstverständlich wirken. Derjenige aber, der Eurythmie treibt, der Eurythmie in irgendeiner Art hinzustellen hat in der Welt, der muß für Eurythmie ebenso in das Wesen der Sache eindringen, wie, sagen wir, der Musiker oder der Maler oder der Plastiker in das Wesen der Sache eindringen muß. Bei der Eurythmie haben wir es zugleich mit einem Eindringen in das Menschliche überhaupt zu tun, wenn wir in das Wesen der Eurythmie eindringen wollen. Denn es gibt keine Kunst, die sich in einem so eminenten Sinne desjenigen, was am Menschen selbst ist, bedient wie die Eurythmie. Nehmen Sie alle Künste, Künste, die Instrumente haben, Künste, die irgendwelche Werkzeuge nötig haben, sie haben nicht Mittel und nicht Werkzeuge, die so nahe an den Menschen herankommen wie die Eurythmie. Die mimische Kunst und die Tanzkunst kommen gewiß bis zu einem gewissen Grade an den Menschen selbst heran in dem Gebrauche von künstlerischen Mitteln und dem Gebrauche eben des Menschen selbst als eines Werkzeuges. Aber bei der mimischen Kunst steht zunächst dasjenige, was mimisch ausgebildet wird, nur im untergeordneten Dienste der Gesamtdarstellung, die sich nicht in künstlerischer Gestaltung am Menschen selbst verliert, sondern den Menschen eigentlich dazu benützt, um im Einzelnen Falle dasjenige nachzuahmen, was schon im Menschen selber hier auf Erden vorgeht ist. Außerdem haben wir es in der mimischen Kunst damit zu tun, daß man gewissermaßen nur dasjenige verdeutlicht, dessen sich der Mensch im gewöhnlichen Leben bedient, verdeutlicht das Sprechen. Man fügt, um das Sprechen intimer zu machen, Gebärdenhaftes zur Sprache hinzu. Wie gesagt, man hat es also höchstens mit einer geringen Weiterführung desjenigen zu tun, was auf dem physischen Plane vom Menschen schon vorhanden ist. Bei der Tanzkunst hat man es zu tun, wenn überhaupt von Kunst dabei die Rede sein kann, wenn sich der Tanz zum Künstlerischen erhebt, mit einem Ausfließenlassen des Emotionellen, des Wollens in menschliche Bewegung, wobei wiederum nur dasjenige, was im Menschen veranlagt ist an Bewegungsmöglichkeiten, die auch sonst auf dem physischen Plane vorhanden sind, weiter ausgebildet wird. Bei der Eurythmie haben wir es zu tun mit etwas, das nach keiner Richtung da ist am Menschen im gewöhnlichen physischen Leben, das durch und durch eine Schöpfung sein muß aus dem Geistigen heraus, mit etwas, das sich nur des Menschen bedient, wie der Mensch nun einmal dasteht in seiner Gestalt in der physischen Welt, das sich nur des Menschen als eines Ausdrucksmittels, und zwar der menschlichen Bewegung als eines Ausdrucksmittels bedient. Nun fragt es sich: Was wird denn eigentlich dargestellt? Sie werden nur begreifen, was in der Eurythmie dargestellt wird, wenn Sie eben ins Auge fassen, daß Eurythmie eine sichtbare Sprache sein will. Mit der Sprache selbst ist es auch so. Wenn wir die Sprache mimisch gestalten, so haben wir an der gewöhnlichen Sprache das Vorbild, aber wenn wir die Sprache selbst gestalten, so hat diese als solche kein Vorbild. Sie tritt als selbständiges Produkt aus dem Menschen heraus. Nirgends in der Natur ist dasjenige vorhanden, was in der Sprache sich offenbart, in der Sprache zutage tritt. Ebenso muß Eurythmie durchaus etwas sein, was eine ursprüngliche Schöpfung darstellt. Die Sprache – gehen wir von ihr aus – erscheint als Hervorbringung des menschlichen Kehlkopfes und desjenigen, was mit dem Kehlkopfe mehr oder weniger zusammenhängt. Dieser Kehlkopf, was ist er denn eigentlich? Die Frage muß einmal aufgeworfen werden, denn ich habe oft angedeutet, in der Eurythmie wird der ganze Mensch zu einer Art von Kehlkopf Wir müssen also einmal uns die Frage vorlegen: Was für eine Bedeutung hat denn überhaupt der Kehlkopf? Wenn wir zunächst auf die Sprache als auf eine Hervorbringung aus dem Kehlkopfe hinschauen, so werden wir nicht aufmerksam darauf sein, was da eigentlich aus dem Kehlkopfe herauskommt, was sich da bildet. Aber wir können uns vielleicht erinnern, daß eine merkwürdige Tradition vorhanden ist, die heute wenig verstanden wird, die Sie einfach angedeutet haben, wenn Sie den Anfang des Johannes-Evangeliums nehmen: »Im Urbeginn war das Wort und das Wort war bei Gott und ein Gott war das Wort.« Das Wort. Nicht wahr, dasjenige, was man sich heute als Wort vorstellt, das ist etwas, was innerhalb dieses Zusammenhanges im Beginne des Johannes-Evangeliums nicht den allergeringsten Sinn gibt. Es wird zwar dieser Anfang des Johannes-Evangeliums fortwährend besprochen. Die Leute glauben, sie können sich dabei auch etwas denken. Sie tun es nicht, denn eigentlich, wenn man das nimmt, was sich der heutige Mensch unter Wort vorstellen kann, wovon er zu gleicher Zeit sagt: Name ist Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut ... und so weiter – was er ja in gewissem Sinne sogar dem Gedanken gegenüber gering achtet und wobei er sich erhaben vorkommt, wenn er es geringachten kann gegenüber dem Gedanken –, wenn man sich in das versetzt, was der heutige Mensch unter Wort vorstellen kann, hat der Anfang des Johannes-Evangeliums nicht den geringsten Sinn, gar keinen Sinn. Denn das Wort – wir haben so viele –, welches Wort? Es kann doch nur ein bestimmtes, konkretes Wort sein. Und was ist denn das Wesen dieses Wortes? Das muß gefragt werden. Nun ist allerdings dieser Tradition, die sich eben andeutet in dem Beginn des Johannes-Evangeliums, das zugrunde liegend, daß man einmal in einer instinktiven Erkenntnis wußte, was das Wort ist. Heute weiß man es nicht mehr. Die Idee, der Begriff »das Wort« umfaßte einmal in einer ursprünglichen menschlichen Anschauung den ganzen Menschen als ätherische Schöpfung. Sie wissen ja alle, da Sie Anthroposophen sind, was der ätherische Mensch ist. Wir haben den physischen Menschen, wir haben den ätherischen Menschen. Der physische Mensch, von der gewöhnlichen Physiologie, von der Anatomie beschrieben, der physische Mensch hat äußerlich und innerlich gewisse Formen, die man zeichnet; wobei man natürlich nicht berücksichtigt, daß dasjenige, was man da zeichnet, nur der allergeringste Teil des physischen Menschen selber ist, da der physische Mensch zu gleicher Zeit flüssig ist, luftförmig ist, Wärmeinhalt hat, den man natürlich gewöhnlich nicht zeichnet, wenn man in der Physiologie oder Anatomie vom Menschen spricht. Aber man kann immerhin doch zunächst eine Vorstellung von dem haben, was der physische Leib des Menschen ist. Aber nun ist das zweite Glied der menschlichen Natur da, der Ätherleib des Menschen. Dieser Ätherleib des Menschen, wenn man ihn aufzeichnen würde, würde etwas ungeheuer Kompliziertes darstellen. Denn dieser Ätherleib des Menschen kann im Grunde genommen als etwas Bleibendes ebenso wenig hingemalt werden wie der Blitz, wenn man den Blitz hinmalt, so hat man ja nicht den Blitz gemalt, denn der Blitz ist in Bewegung, der Blitz ist in Strömung. Man müßte also in der Nachahmung des Blitzes eine Strömung, eine Bewegung darstellen. Man kann nur so, wie man etwa den Blitz malen könnte, wenn man ihn malen wollte, den Ätherleib irgendwie fixieren. Der Ätherleib ist in fortwährender Beweglichkeit, in fortwährender Regsamkeit. Diese Bewegungen nun, diese in Bewegung begriffenen Formen, aus denen der Ätherleib des Menschen nicht besteht, sondern fortwährend entsteht und vergeht, haben wir sie irgendwo in der Welt der Menschen, sodaß wir an sie herantreten können? Ja, wir haben sie. Daß man sie hat, das wußte eben eine ursprüngliche intuitive Erkenntnis. Man hat sie in dem, was der Mensch überhaupt – bitte, meine lieben Freunde, ich spreche genau, die Dinge müssen genau so gefaßt werden, wie ich spreche –, man hat sie, indem man alles dasjenige lautlich formt, was in den Inhalt der Sprache hineinfließt. Nun halten Sie im Geiste Umschau über alles dasjenige, was Sie aus Ihrem Kehlkopf heraus lautlich formen, sodaß verwendet wird dieses lautliche Formen zu alledem, was in dem ganzen Umfang der Sprache zustande kommt; also alles das, was Bestandteil ist von irgendetwas, was zur Sprache gehört, zum Behufe dessen aus dem Kehlkopfe herauskommt, das fassen Sie ins Auge. Werden Sie sich bewußt, daß alle diese Elemente, die aus dem Kehlkopf herauskommen, die Bestandteile alles dessen sind, was im Sprechen zutage tritt, werden Sie sich bewußt, daß alles das aus bestimmten Bewegungen besteht, denen ursprünglich in der Anlage die Formungen des Kehlkopfes und seiner Nachbarorgane zugrunde liegen. Da heraus kommt es. Es kommt natürlich nicht auf einmal heraus. Wir sprechen nicht auf einmal alles dasjenige, was der Sprache zugrunde liegt. Wann würden wir es denn sprechen, alles dasjenige, was der Sprache zugrunde liegt? Wir würden es sprechen – so paradox das klingt, es ist so-, wenn wir einmal von a b c bis z alle möglichen Laute hintereinander ertönen ließen. Stellen Sie sich das einmal vor. Stellen Sie sich vor, ein Mensch würde beginnen mit dem a, b und so fort hintereinander, ohne abzusetzen natürlich, nur mit dem entsprechenden Atemholen, bis zum z, ein Mensch würde das hintereinander lautlich erklingen lassen. Alles dasjenige, was wir aussprechen, zeichnet in die Luft hinein eine gewisse Form, die man nur nicht sieht, die man aber durchaus als vorhanden voraussetzen muß, von der man sich sogar denken könnte, daß sie durch wissenschaftliche Mittel ohne die menschliche Zeichnung fixiert würde. Wenn wir ein Wort aussprechen: Baum, Sonne – immer führen wir eine ganz bestimmte Luftform aus. Wenn wir das aussprechen von a bis z, würden wir eine sehr komplizierte Luftform bilden. Fragen wir uns einmal, wenn wirklich ein Mensch das zustande brächte, was da entstünde. Es müßte in einer gewissen Zeit geschehen – wir werden schon im Laufe der Vorträge noch hören, warum –, sodaß, wenn wir beim z angekommen sind, nicht schon das erste vollständig wiederum auseinandergeflossen ist, daß also das a in seiner Form plastisch noch bleibt, wenn wir beim z angekommen sind. Wenn wir tatsächlich vom a bis zum z gehen könnten in der Lautformulierung, wenn wir dies so zuwege brächten, daß das a stehenbleiben würde bis zum z, und das Ganze würde sich in der Luft abbilden, was wäre denn das? Was wäre das für eine Form? Das wäre die Form des menschlichen ätherischen Leibes. Der menschliche ätherische Leib würde auf diese Weise zustande kommen. Der menschliche ätherische Leib stünde vor Ihnen, wenn Sie einmal das ganze Alphabet – man müßte es erst richtigstellen, heute ist es nicht ganz richtig so, wie es gewöhnlich aufgestellt wird, aber es kommt ja auf das Prinzip jetzt an –, wenn Sie einmal lautlich das Alphabet von a angefangen bis zum z hinstellen würden, der Mensch stünde vor Ihnen. Was ist da eigentlich geschehen? Der Mensch als Ätherleib ist ja immer da. Sie tragen ihn immer in sich. Was tun Sie also, indem Sie sprechen, das Alphabet aussprechen? Sie versenken sich gewissermaßen in die Form Ihres Ätherleibes und teilen sie der Luft mit. Sie bilden in der Luft ein Abbild Ihres Ätherleibes. Wenn wir ein einzelnes Wort sprechen, das nicht alle Laute hat selbstverständlich, was geschieht dann? Stellen wir uns vor, der Mensch steht vor uns. Da steht er als physischer Leib, als Ätherleib, Astralleib, Ich. Er spricht irgendein Wort. Man sieht, er versenkt sich mit dem Bewußtsein in seinen Ätherleib. Ein Stück dieses Ätherleibes bildet er in der Luft ab, so wie wenn Sie sich vor den physischen Leib stellen würden und meinetwillen eine Hand abbilden würden, sodaß die Hand in der Luft zu sehen wäre. Nun, der Ätherleib hat nicht diese Formen, die der physische Leib hat, aber die Formen des Ätherleibes bilden sich in der Luft ab. Wir schauen, wenn wir dies richtig verstehen, gerade in die wunderbarste Metamorphose der menschlichen Gestalt, der Entwicklung hinein. Denn, was ist dieser Ätherleib? Er ist dasjenige, was die Kräfte des Wachstums, die Kräfte, die in Betracht kommen, um die Ernährung zu besorgen, aber auch die Kräfte, die in Betracht kommen, um das Gedächtnis in die Wege zu leiten, was das alles enthält. Das alles teilen wir der Luftgestaltung mit, indem wir sprechen. Das Innere des Menschen, also insofern sich dieses Innere des Menschen im Ätherleib auslebt, das prägen wir der Luft ein, indem wir sprechen. Wenn wir Laute zusammenstellen, entstehen Worte. Wenn wir das zusammenstellen vom Anfang des Alphabets bis zum Schluß, entsteht ein sehr kompliziertes Wort. Aber dieses Wort enthält alle Wortmöglichkeiten. Dieses Wort enthält aber zu gleicher Zeit den Menschen in seiner ätherischen Wesenheit. Bevor aber ein physischer Mensch auf der Erde war, war der ätherische Mensch da. Denn der ätherische Mensch liegt dem physischen Menschen zugrunde. Was ist denn aber der ätherische Mensch? Der ätherische Mensch ist das Wort, das das ganze Alphabet umfaßt. Und so können wir, wenn wir von der Gestaltung dieses Urwortes, das im Anfange war, bevor der physische Mensch da war, sprechen, können – wenn wir darauf Rücksicht nehmen – das, was da mit der Sprache entsteht, eine Geburt nennen, ein e Geburt des ganzen ätherischen Menschen, wenn eben das Alphabet lautlich gesagt wird. Sonst ist es die Geburt von Fragmenten, von Teilen des Menschen in einzelnen Worten. Immer ist es etwas vom Menschen, das in einem einzelnen Wort ertönt. Sagen wir »Baum« – was bedeutet das, wenn wir »Baum« sagen? Wenn wir »Baum« sagen, bedeutet das, daß wir den Baum so bezeichnen, daß wir sagen: Von uns, von unserem ätherischen Menschen ist das, was da draußen steht, Baum, das ist ein Stück von uns. Jedes Ding in der Welt ist ein Stück von uns; es gibt nichts, was sich nicht durch den Menschen ausdrücken läßt. So wie der Mensch, wenn er das ganze Alphabet lautlich ausspricht, sich ausspricht, und damit die ganze Welt, so spricht er in einzelnen Worten, die Fragmente des Gesamtwortes, des Alphabetes, darstellen, irgendetwas, was Teil der Welt ist, aus. Das ganze Universum würde ausgesprochen mit a, b, c und so weiter. Teile des Universums werden ausgesprochen mit einzelnen Worten. Da müssen wir uns aber klar sein darüber, wenn wir das durchdenken wollen, was nun dem Laute als solchem zugrunde liegt. Dem Laute als solchem liegt zunächst alles das vom menschlichen Inneren zugrunde. Es ist dann, was sich vom Ätherleib darlebt, alles das vom menschlichen Inneren, was gefühlsmäßig sich in der Seele erleben läßt. Nun müssen wir aber einmal herandringen an dasjenige, was sich da gefühlsmäßig in der menschlichen Seele erleben läßt. Beginnen wir beim a. Heute lernt man das a aussprechen, wie man es erlernt in jenen unbewußten träumerischen Zuständen, wenn man ganz kleines Kind ist. Das wird ja begraben, wenn man später in der Schule malträtiert wird mit dem weiteren Unterrichtetwerden der Laute. Wenn man als Kind sprechen lernt, da ist schon etwas da von dem, was eigentlich das große Geheimnis des Sprechens ist; aber es ist eben noch im Traumhaften, im Unterbewußten drunten. Wenn wir a aussprechen, so müssen wir, wenn wir einigermaßen gesund empfinden, dieses a als dasjenige empfinden, was aus unserem Inneren kommt, wenn wir in irgendeiner Art von Verwunderung, Erstaunen sind. Diese Verwunderung, das ist wiederum nur ein Teil des Menschen. Der Mensch ist ja nicht etwas Abstraktes. Er ist in jeder Minute irgendetwas. In jeder wachen Minute ist er irgendetwas. Man kann ja hindösen selbstverständlich, da ist man nichts Genaues. Man ist auch dann etwas, wenn man hindöst; aber man ist eigentlich in jeder Minute irgendetwas. Bald ist man der Sich-Verwundernde, bald ist man der Sich-Fürchtende, bald ist man der, nun, sagen wir, der Dreinschlagende. Irgendetwas ist man in jeder Minute, in jeder Sekunde. Man ist nicht bloß abstrakt ein Mensch, man ist in jeder Sekunde irgendetwas. So ist man eben auch zuzeiten der Sich-Verwundernde, der Erstaunende. Das kommt dann zum Ausdrucke, indem man, was im Ätherleib vorgeht beim Erstaunen, beim Erleben des Erstaunens, indem man das in die Luft hineinformt mit Hilfe des Kehlkopfes: a. Man setzt also einen Teil seines Menschtums, nämlich den sich verwundernden Menschen, dabei heraus; man setzt ihn in die Luft hinein. Wenn ein physischer Mensch auf Erden entsteht, entsteht er, wenn überhaupt die Entstehung den allgemeinen Entwicklungsmöglichkeiten entsprechen soll, als ganzer Mensch. Er kommt, dieser ganze Mensch, aus demjenigen Organe des mütterlichen Organismus, das man den Uterus nennt. Da entsteht ein physischer Mensch mit seiner physischen Gestalt. In dem, was entstehen würde von a bis z, würde ein ätherischer Mensch, nur in der Luft ausgeprägt, da sein, aus dem menschlichen Kehlkopf und seinen Nachbarorganen herausgestaltet. Ebenso müssen wir sagen, wenn das Kind in die Welt gesetzt wird, wenn das Kind, wie man sagt, das Licht der Welt erblickt: aus dem Uterus und seinen Nachbarorganen entsteht der physische Mensch. Nun wirkt der Kehlkopf nicht so wie das andere Mutterorgan, sondern er wirkt in fortwährendem Schaffen. Sodaß in den Worten Fragmente des Menschlichen entstehen, und daß eigentlich, wenn man umfassen würde alle Worte der Sprache – was ja nicht einmal der Fall ist bei so wortreichen Dichtern wie Shakespeare, aber nahezu der Fall ist –, in dem schaffenden Kehlkopfe würde man eben den ganzen ätherischen Menschen in Luftgestalt formen, aber in Aufeinanderfolge, im Werden: eine Geburt, die sich während des Sprechens fortwährend vollzieht. Das Sprechen ist immer Teil von dieser Geburt des ätherischen Menschen. Und wiederum, der physische Kehlkopf ist nur die äußere Schale jenes wunderbarsten Organes, das im Ätherleib vorhanden ist, das gewissermaßen die Gebärmutter des Wortes ist. Und da haben wir jene wunderbare Metamorphose vor uns, auf die ich hindeutete, indem ich von der Metamorphose sprach. Alles, was im Menschen ist, ist Metamorphose von gewissen Grundformen. Der ätherische Kehlkopf und seine Schale, der physische Kehlkopf, sind eine Metamorphose des mütterlichen Uterus. Mit einer Menschenschöpfung haben wir es zu tun, wenn gesprochen wird, mit einer ätherischen Menschenschöpfung. Auf dieses Geheimnis der Sprache weist auch hin der Zusammenhang, der sich, wenn wir jetzt die Sache über beide Geschlechter hinüber verfolgen, darstellt in dem Zusammenhang zwischen dem Sprechen und den Sexualfunktionen, zum Beispiel beim männlichen Geschlecht in der Veränderung der Stimme. Wir haben es also mit einer schöpferischen Tätigkeit zu tun, die aus dem Tiefsten des Weltenlebens herausquillt in der Sprache. Wir sehen im Offenbaren dasjenige fluktuierend sich vor uns abspielen, was sich sonst in die geheimnisvollen Tiefen der menschlichen Organisation bei der physischen Menschenentstehung zurückzieht. Da bekommen wir dann das, was wir für eine künstlerisch-schöpferische Betätigung brauchen, wir bekommen Respekt, Achtung vor dem Schöpferischen, in das wir als Künstler hineingestellt sind. Im Künstlerischen können wir nicht eine bloße theoretische Erörterung brauchen, das können wir nicht, das verabstrahiert uns. Im Künstlerischen brauchen wir etwas, was uns mit unserem ganzen Menschen hineinstellt in das Weltenwesen. Aber wie könnten wir mehr mit unserem ganzen Menschen in das Weltenwesen hineingestellt werden, als wenn wir uns bewußt sind, wie mit der Entstehung des Menschen das Sprechen zusammenhängt. Jedesmal, wenn der Mensch spricht, stellt er einen Teil desjenigen hin, was in Urzeiten einmal Menschenschöpfung war, wo der Mensch als solcher aus den Weltentiefen, aus dem Ätherischen heraus als Luftform gebildet wurde, bevor er Flüssigkeitsform oder später feste Form wurde. Indem wir sprechen, versetzen wir uns zurück in das Welten-Menschenwerden, wie es in Urzeiten der Fall war. Nehmen wir jetzt einmal ein einzelnes Beispiel heraus. Gehen wir noch einmal zurück zu diesem a, das diesen sich verwundernden Menschen vor uns entstehen läßt. Man sollte sich bewußt sein, daß überall da, wo in der Sprache das a auftritt, irgendwie eine Verwunderung zugrunde liegt. Nehmen Sie das Wort Wasser, nehmen Sie das Wort Pfahl, was Sie wollen, irgendein Wort, in dem ein a drinnen ist. Da, wo Sie am a halten mit dem Sprechen, da liegt irgendwie eine Verwunderung zugrunde, da drückt sich der sich verwundernde Mensch in der Sprache aus. Das hat man einmal gewußt. Das wußte man selbst noch bei denjenigen, welche die hebräische Sprache handhabten; denn, was war in der hebräischen Sprache das a, das Aleph? Was war es? Es war der sich verwundernde Mensch. Nun möchte ich Sie an etwas erinnern, das Sie hinbringen könnte zu dem, was eigentlich mit diesem a angedeutet, gemeint ist. Sehen Sie, in Griechenland sagte man, die Philosophie beginnt mit der Verwunderung, mit dem Erstaunen. Philosophie, Liebe zur Weisheit, Liebe zum Wissen beginnt mit dem Erstaunen, mit der Verwunderung. Würde man ganz organisch geredet haben im Sinne der ursprünglichen Erkenntnis, der ursprünglichen instinktiv-hellseherischen Erkenntnis, so würde man auch haben sagen können, die Philosophie beginnt mit dem a – es würde ganz dasselbe für den ursprünglichen Menschen bedeutet haben –, die Philosophie, Liebe zur Weisheit, beginnt mit dem a. Aber was erforscht man denn eigentlich, wenn man Philosophie treibt? Man erforscht letzten Endes doch eben den Menschen. Es strebt doch alles nach Selbsterkenntnis. Letzten Endes will man den Menschen erkennen. So beginnt man Menschenerkenntnis, Menschenanschauen mit dem a. Aber es ist zu gleicher Zeit das Verborgenste, denn man muß sich anstrengen, man muß viel tun, um solche Menschenerkenntnis zu erlangen. Erst wenn man an den Menschen herankommt, wie er ganz aus dem Geistig-Seelisch-Leiblichen heraus gebildet ist, wenn man ihn in seiner ganzen Fülle hat, dann steht man eigentlich vor dem, wovor man als vor dem Menschen a im höchsten Erstaunen sagen kann. Deshalb ist der sich verwundernde Mensch, der über sich selbst, über sein wahres Wesen sich verwundernde, vor sich erstaunende Mensch, also eigentlich der Mensch in seiner höchsten, idealsten Entfaltung: a. Wenn man empfunden hat einmal, daß der Mensch, wie er als physischer Mensch dasteht, nur ein Teil des Menschen ist und man eigentlich den Menschen erst vor sich hat, wenn man ihn in der Fülle desjenigen, was Göttliches in ihm ist, vor sich hat, so nannte das eine ursprüngliche Menschheit den vor sich selbst erstaunten Menschen: a. Das a ist der Mensch, der Mensch in seiner höchsten Vollendung. Das a also würde der Mensch sein, und wir drücken im a eben aus, was gefühlsmäßig erlebt wird im Menschen. Gehen wir vom a zum b über, um zunächst wenigstens andeutend etwas hinzustellen, was dazu führen kann, dieses Urwort vom a bis zum z zu verstehen. Gehen wir zum b. Mit dem b haben wir einen sogenannten Konsonanten, mit dem a einen Selbstlaut, einen Vokal. Sie werden verspüren, wenn Sie einen Vokal aussprechen, zunächst äußern Sie sich aus Ihrem tiefsten Inneren heraus. Mit jedem Vokal haben Sie ebenso wie mit dem a ein gefühlsmäßiges Erlebnis. Überall, wo ein a auftritt, hat man das Erstaunen. Überall, wo ein e auftritt, hat man dasjenige, was ich etwa bezeichnen möchte: Das hat mir etwas getan, das ich spüre. – Überall, wo ein e steht und der Mensch hält bei dem e, bedeutet das eigentlich: Das hat mir etwas getan, das ich spüre. Denken Sie nur, wie wir Abstraktlinge geworden sind, wie schrecklich verschrumpelte Menschen; so wie wenn ein Apfel oder eine Pflaume ganz verschrumpelt ist, so sind wir in Bezug auf das Erleben der Sprache geworden. Denken Sie doch nur einmal, wir reden so hin, haben keine Ahnung, wenn ein a irgendwo ist und wir halten es – wir tun es fortwährend –, wie wir da, wenn wir vom a zum e gehen, von dem Erstaunen gehen zu dem: Es hat mir etwas getan, ich spüre es, es hat mir etwas getan. – Fühlen wir es dem i an, was es ist, dieses Neugieriggewesensein und dann Daraufgekommensein; fühlen Sie es nur dem Vokal an, überall liegt ein wunderbares, ganz kompliziertes Erlebnis zugrunde. Man bekommt da den Eindruck eines frischen, ursprünglichen Menschen, wenn man nur die fünf Vokale nacheinander auf sich wirken läßt. Der Mensch gebiert sich eigentlich in seiner Würdigkeit wieder, wenn er diese fünf Vokale mit vollem Bewußtsein, das heißt, aus seinem Inneren mit völliger Bewusstheit herauskommen läßt. Deshalb sage ich: Wir sind so verschrumpelt, und wir haben nur noch dasjenige vor uns, was es bedeutet, gar nichts mehr vom Erlebnis, nur was es bedeutet; Wasser – bedeutet etwas und so weiter. Ganz verschrumpelt sind wir. Etwas anderes ist es aber bei den Konsonanten, bei den Mitlauten. Da können wir nicht verspüren, daß wir gefühlsmäßig aus unserem Inneren hervorgehen, sondern da bilden wir dasjenige nach, was außer uns ist. Nehmen Sie an, ich erstaune, ich sage: a. Das kann ich nicht abbilden, das muß ich aussprechen. Wenn ich aber dasjenige ausdrücken will, was rund ist, das etwas abrundet, diesen Tisch hier zum Bespiel, was tue ich denn da, wenn ich nicht sprechen will? Ich bilde es nach, ich forme es nach (entsprechende Geste). Wenn ich eine Nase abbilden will, indem ich nicht spreche, indem ich nicht sage Nase, sondern mich verständigen will, so kann ich zeichnend es hinstellen (entsprechende Geste). So ist es aber, indem ich die Konsonanten bilde. Sie sind Nachbildungen von etwas Äußerem, sie formen immer etwas Äußeres nach. Nur drücken wir diese Formen aus eben in einer Luftgestaltung, die aus den Nachbarorganen des Kehlkopfes, aus Gaumen und so weiter hervorkommt. Wir bilden mit Hilfe unserer Organe eine Form aus, die nachgestaltet, nachbildet, nachahmt dasjenige, was da draußen ist. Das geht bis in die Fixierung durch die Buchstaben hinein. Auch darüber werden wir später einmal sprechen. Aber wenn wir das b – wir können es nicht für sich lauten lassen, wir müssen das e hinzufügen –, wenn wir aber dieses b formen, so ist es immer die Nachahmung von etwas. Würde man nun festhalten können in der Luftgestaltung dasjenige, was da in dem b sich bildet – es liegt darinnen, daß wir das b aussprechen – , so ist es immer etwas Umhüllendes. Es kommt eine umhüllende Form heraus. Es kommt dasjenige heraus, was man eine Hütte, ein Haus nennen kann. Das b bildet immer eine Hütte, ein Haus nach. Wenn wir also anfangen a, b, dann haben wir »den Menschen in seiner Vollendung« und »der Mensch in seinem Haus«: a, b. Und so würden wir das ganze Alphabet durchgehen können und wir würden in den aufeinanderfolgenden Lauten das Geheimnis des Menschen ausgesprochen haben, was der Mensch im Weltenall ist, der Mensch in seinem Haus, in seiner körperlichen Hülle. Wenn wir zum d und so weiter fortschreiten würden, jedes würde uns etwas sagen über den Menschen. Und wenn wir beim z angekommen wären, so hätten wir die Weisheit vom Menschen eigentlich im Laut vor uns, denn der Ätherleib ist die Weisheit vom Menschen. Es geschieht also im Sprechen etwas ganz außerordentlich Bedeutungsvolles. Es bildet sich der Mensch. Und man kann schon mit einer gewissen Vollständigkeit zum Beispiel das Seelische bilden, wenn man umfassende Gefühle hinstellt. A, das stellt vieles vom Seelischen dar, fast das ganze Seelische seinem Gefühlsleben nach: I O A. Nun können wir sagen: Schauen wir einmal dasjenige an, was da aus dem Menschen heraus als Sprache kommt. – Nehmen wir an, jemand spricht vor uns dieses a b c; da ist der ganze menschliche Ätherleib da, kommt aus dem Kehlkopf, aus dem Uterus heraus. Da ist er. Wir sehen auf den physischen Menschen hin, der innerhalb des Irdischen aus einem mütterlichen Organismus, aus einer Metamorphose des Kehlkopfes, eben dem wirklichen Uterus, herauskommt. Aber jetzt stellen wir uns vor diesen ganzen Menschen, der in die Welt hereingestellt ist mit allem, was an ihm ist; denn dasjenige, was aus dem mütterlichen Organismus herauskommt, das kann ja nicht so bleiben. Wenn es das ganze Leben hindurch so wäre, wäre es kein ganzer Mensch; es muß erst alles immer hinzugefügt werden. Der ganze Mensch im, sagen wir meinetwillen fünfunddreißigsten Jahre hat ja mehr bekommen von dem ganzen Weltenwesen als dasjenige, was das Kind hat. Dieser ganze Mensch, wenn wir den uns nun vorstellen schematisch, und uns vorstellen, daß, wie die Sprache aus dem Kehlkopfe, der physische Mensch als Kind aus dem Uterus, daß dieser ganze Mensch etwa in seiner fünfunddreißigjährigen Vollendung herauskommt aus dem ganzen Weltenall – der Mensch so heraus-gesprochen ist aus dem Weltenall, wie das Wort aus uns herausgesprochen ist, dann haben wir den Menschen in seiner Form, in seiner ganzen Gestaltung selber als ein gesprochenes Wort. Nun steht er da vor uns – die menschliche Gestalt ist ja das Wunderbarste auf der Erde –, dann steht er da in seiner Gestaltung, und wir können fragen, fragen die ursprünglichsten göttlichen Mächte: Wie habt ihr denn den Menschen geschaffen? In ähnlicher Art, wie geschaffen wird das Wort, wenn man spricht? Was ist da denn eigentlich geschehen, indem ihr den Menschen geschaffen habt? – Und wir würden, wenn wir Antwort bekämen aus dem Weltenall, auf diese Frage diese Antwort bekommen: Da überall gehen an uns heran Bewegungen, Formen in der verschiedensten Art, solch eine Form (a eurythmisiert), solch eine Form (e eurythmisiert), solch eine Form (i eurythmisiert), alle möglichen Formen in Bewegung gehen aus dem Weltenall hervor. Alle Bewegungsmöglichkeiten, die wir uns so, wie wir einmal sind, in Anknüpfung an den menschlichen Organismus denken können. Ja, aber diese Bewegungsmöglichkeiten sind diejenigen, die, erstarrt, die physische Form des Menschen geben, so wie er etwa in der Mitte seines Erdenlebens ist. Was also würde die Gottheit machen, wenn sie den Menschen tatsächlich aus einem Erdenkloß, aus dem Staub der Erde formen wollte, was würde die Gottheit machen? Die Gottheit würde Bewegungen machen, und aus dem, was aus diesen Bewegungen entsteht, wie sich im Sinne dieser Bewegungen der Staub der Erde formt, das würde zuletzt die Menschenform geben. Nun können wir uns einmal das a vorstellen. Sie alle kennen das a in Eurythmieform, das b in Eurythmieform, das e in Eurythmieform und so weiter. Denken Sie, die Gottheit käme, stellte heraus aus der Urtätigkeit, aus der göttlichen Urtätigkeit hintereinander dasjenige, was Sie eurythmisch für a, b, e – aber eurythmisch jetzt – kennen, so würde, indem das abläuft, wenn sich das im physischen Stoffe formen könnte, der Mensch vor Ihnen stehen. Das ist dasjenige, was der Eurythmie zugrunde liegt, daß wir uns sagen: Der Mensch ist eine fertige Form, wie er vor uns steht. Aber diese fertige Form ist aus Bewegung hervorgegangen. Diese fertige Form ist aus sich bildenden und ablösenden Urformen hervorgegangen. Nicht das Bewegte geht aus dem Ruhenden, das Ruhende geht ursprünglich aus dem Bewegten hervor. Und wir gehen zurück zu den Urbewegungen, indem wir die Eurythmie ausbilden. Was tut mein Schöpfer in mir als Mensch aus dem Urwesen der Welt heraus? Wenn Sie auf das Antwort geben wollen, so müssen Sie die eurythmischen Formen bilden. Gott eurythmisiert, und indem er eurythmisiert, entsteht als Ergebnis des Eurythmisierens die Menschengestalt. So wie ich hier über Eurythmie spreche, kann man schon über jede Kunst sprechen, denn von irgendeiner Ecke her ist jede Kunst in dieser Art aus dem Göttlichen heraus zu kriegen. Aber gerade bei der Eurythmie sieht man, weil sie sich des Menschen als eines Teiles, als eines Werkzeuges bedient, am tiefsten hinein in den Zusammenhang des Menschenwesens mit dem Weltenwesen. Daher muß Ihnen Eurythmie gefallen. Denn denken Sie, wenn man zunächst nicht recht weiß, was menschliche Schönheit ist, aus den äußeren menschlichen Gestalten, und dann vorgeführt bekommt, wie Gott ursprünglich die schöne Menschengestalt aus der Bewegung heraus formte, in der Wiederholung der eurythmischen Formen aus den göttlichen Schaffensbewegungen für den Menschen, so ist das die Antwort auf die Frage: Wie bildet sich die menschliche Schönheit? Wenn man den kleinen Menschen, das Kind vor sich hat, das noch nicht fertig ist, das erst ein voller Mensch werden soll – man soll nachhelfen der Gottheit, damit die Form richtig weitergebildet werde, welche die Gottheit veranlagt hat beim Kinde –, was muß man denn für Formen anwenden im Unterricht, in der Erziehung? Eurythmieformen. Das ist die Fortsetzung des göttlichen Bewegens, des göttlichen Formens des Menschen. Und wenn der Mensch krank wird in einer gewissen Weise, da werden schadhaft die Formen, die seinem göttlichen Urbilde entsprechen. Sie werden hier in der physischen Welt anders. Was sollen wir tun? Wir gehen zurück zu den göttlichen Formen, helfen nach, lassen den Menschen diese göttlichen Formen wiederum machen. Das muß so zurückwirken auf ihn, daß die schadhaften Formen wiederum ausgebessert werden. Wir haben es mit der Eurythmie als einer Heilkunst zu tun, so wie ursprünglich gewußt wurde in hellseherischen Zeiten, daß in gewissen Lauten, die der Mensch in einer entsprechenden Intonierung sagte, zurückgewirkt wurde auf die Gesundheit. Aber da war man eben darauf angewiesen, auf dem Umwege durch die Luft, die in den Ätherleib zurück wiederum hineinwirkte, diese Gesundheit zu bewirken. Wenn man direkt vorgeht, wenn man den Menschen die Bewegungen machen läßt, die seiner Organbildung entsprechen, wobei man nur wissen muß, wie diese Bewegungen sind – zum Beispiel gewisse Fuß- und Beinbewegungen entsprechen gewissen Formungen selbst bis in den Kopf hinauf –, wenn man das alles nachbilden läßt, dann entsteht dieser dritte Aspekt der Eurythmie, die Heileurythmie. Ich wollte dieses heute vorausschicken, damit jeder, der nun in der Eurythmie tätig ist, eine ursprüngliche Empfindung, ein ursprüngliches Gefühl davon hat, was er eigentlich tut; nicht hinnimmt die Eurythmie als irgendetwas, was man nur konventionell lernen kann, sondern hinnimmt als etwas, wodurch der Mensch tatsächlich näher an das Göttliche herankommt, als er es ohne Eurythmie kann, wie das bei jeder Kunst der Fall ist, damit wir uns mit dieser Empfindung, mit diesem Gefühl durchdringen. Was gehört zu einer ordentlichen Eurythmieunterweisung? Da muß Atmosphäre drinnen sein, Empfindung von der Verbindung des Menschen mit dem Göttlichen. Dann ist eben wirkliche Eurythmie da. Das ist nötig.