Loe raamatut: «Die Liste vor der Kiste», lehekülg 3

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Sehr anschaulich ist auch, einen Karton mit Dingen zu füllen, die das Wesentliche, das von uns einmal bleiben wird, symbolisieren – und dazu noch die eigenen Lebenserinnerungen für die Nachkommen aufzuschreiben.

Gespräche, die wir mit einem wichtigen Menschen über den Tod führen, oder das Notieren von Wünschen für die Gestaltung der eigenen Begräbnisfeier sowie des Textes für den Nachruf sind eine aufschlussreiche Beschäftigung mit dem Saturnprinzip, die uns vieles lehren kann.

Unter Saturns Einfluss sind wir dafür sensibilisiert, nichts mit ins Grab zu nehmen und einen sauberen Schlussstrich zu ziehen, um Angehörigen keine Arbeit mehr zu machen. Das kann bedeuten, ein Testament ganz korrekt nach offiziellen Richtlinien zu erstellen und ein weiteres Testament aus Seelensicht zu formulieren; einen Abschiedsbrief an seine Lieben zu schreiben.

Um uns dem Saturnprinzip hinzugeben, könnten wir einige Tage oder eine ganze Woche in einem völlig dunklen Raum verbringen und in die eigene dunkel Nacht der Seele eintauchen. Oder wir nehmen uns eine Woche für alles Anstehende doppelt so viel Zeit wie gewohnt; besuchen einen alten Menschen im Altersheim und hören uns geduldig dessen Lebensgeschichte an; leben einen Tag mit Ohrstöpseln völlig taub; sagen eine Woche zu allen Angeboten Nein und erleben, was das bringt.

Mit Saturn lassen sich auch Tage der Arbeit feiern. Es geht um konsequente harte und fleißige Tätigkeit mit dem Ziel, etwas Beständiges, Bleibendes zu schaffen. Mit Saturn wollen wir Disziplin üben und Struktur ins Leben bringen. Das kann bei einer Klettertour im Fels geschehen – langsam und stetig aufsteigend, verlässlich und gut gesichert –, beim Besuch einer Eishöhle, bei der Durchwanderung einer (Salz-)Wüste oder während einer Woche im (Zen-)Kloster unter Teilnahme an allen Exerzitien oder bei unserem Seminar Fasten – Schweigen – Meditieren.

Zum Saturnprinzip gehört, mit Geradlinigkeit und Disziplin seine Kreise zu ziehen, weise Selbstbeschränkung zu üben und seine Fähigkeit, das Wesentliche zu erkennen, zu nutzen. So heißt es hier: »Weniger ist mehr.« Bestenfalls bringen wir Ausdauer, gepaart mit Arbeitsfreude und Verantwortungsgefühl zum Einsatz und erreichen dadurch Klarheit.


11. Das Uranusprinzip verlockt zu einer Reise ins Blaue: einmal Ferien machen ohne große Planung, ohne Termine, mit verrückter Offenheit für alles Mögliche, also einfach den Koffer mit Sommersachen packen, zum Flughafen fahren und den nächstbesten Last-Minute-Fernflug buchen.

Selbst wenn wir nur einen Tag lang alles ganz anders machen, sind wir dem Uranusprinzip auf der Spur. Und auch das zählt: am Morgen die Zähne mit der anderen Hand bürsten, Tee statt Kaffee nehmen, konsequent vegan essen oder das erste Schnitzel seit Jahren auf dem Teller haben, eine fremde Person ansprechen, mal angezogen duschen, bei Vollmond unter dem Sternenhimmel tanzen oder nackt auf einer Wiese im Regen.

Sich spontan von etwas Lästigem oder wirklich Belastendem zu trennen – jetzt, wann sonst – passt genauso zu dieser uranischen Energie wie auch ein Tag der Verbundenheit mit Freunden, an dem wir ihnen ungewöhnlich viel Zeit widmen und uns auch wirklich mit ihnen austauschen.

Nicht zu vergessen ist ein Tag, an dem unsere Originalität im Mittelpunkt steht, ein Tag, um verrücktzuspielen, es so richtig krachen zu lassen, über die Stränge zu schlagen, die eigene Mode zu kreieren, aufzufallen, in Rollen zu schlüpfen, die faszinieren und an- und verrückt machen – lauter Dinge, die man sich selbst bisher nie gegönnt oder zugetraut hat. Das ist, wie den Karneval in Venedig zu feiern oder in Rio Samba zu tanzen. Lassen wir uns also motivieren, auf die Suche nach dem Original zu gehen, als das wir gemeint sind, und uns bewusst vom Abziehbild lösen, das wir geworden sind.

Natürlich können wir mit Uranus auch im Cyberspace reisen, einen Computerkurs belegen und echte Fortschritte im Umgang mit neuer Technologie machen – und dabei lieber digital abstürzen als real –, das wäre ein guter Punkt auf unserer Liste. Allgemein legen wir unter dem Einfluss von Uranus Wert auf gute Freunde und bewahren uns Unabhängigkeit und Idealismus, wie auch den fast objektiven Über- und Weitblick. Wir nutzen unsere Fähigkeit, Visionen zu entwickeln, und richten den Blick nach vorn.


12. Mit dem grenzauflösenden Neptunprinzip sind wir angeregt, mal eine Zeit lang nur zu träumen, uns geheimsten Sehnsüchten hinzugeben, unser tiefstes Geheimnis zu lüften. Wir gewinnen auch den Raum, zu verzeihen und zu vergeben und großzügig zu spenden – oder alte Schuld(en) zu begleichen oder abzudienen. Wo es notwendig und längst überfällig ist, können wir ein Verzeihungsritual machen und uns ihm ehrlichen Herzens widmen.

Neptun legt uns intensive Erfahrungen nahe, zum Beispiel in einem sogenannten Dunkelrestaurant ein Essen mit allen Sinnen erleben, ein paar Stunden im Samadhi-Tank verbringen und im Wasser schwebend in das Land der Träume gleiten, Aqua-e-motion erleben, uns eine Atemsitzung mit open end and mind im körperwarmen Wasser gönnen, ein Meditationscamp oder einen Ashram besuchen oder eine mystische Reise unternehmen und uns auf übersinnliche Erfahrungen einlassen, auf Visionssuche gehen, einen Geistheiler besuchen. Wir könnten Tauchen lernen oder uns mit Tümmlern (Delfinen) in der Freiheit und Weite des offenen Meeres tummeln.

Beim Neptunprinzip sind wir besonders aufgefordert, Hingabefähigkeit zu beweisen und Opferbereitschaft zu leben, intuitive Fähigkeiten, Sensibilität und Sensitivität und unsere reiche Fantasie zu nutzen sowie Nächstenliebe und Mitgefühl in die Welt zu bringen. Das kann bedeuten, einem Tag lang jedem Menschen, der uns begegnet, etwas Gutes zu tun. Oder einem Tier das Leben zu retten, es freizukaufen oder in Obhut zu nehmen. Wir haben die Chance, selbstlos und empfänglich, aus großem Urvertrauen heraus unseren Traum vom Einswerden mit allem zu leben, absichtslos und liebevoll, versöhnlich und verzeihend.

Der Ruf des Lebens – Beispiele

In gewisser Weise zehren wir alle von Erinnerungen an Erlebnisse und Erfahrungen, die mit einem intensiven Gefühl von Lebendigkeit verbunden waren. Das ist auch ein Grund, warum alte Männer immer wieder von ihren Kriegserlebnissen erzählen, denn in der Gefahrensituation haben sie sich lebendig gefühlt.

Nie vergesse ich die Kurzbekanntschaft mit dem unglaublich dicken Postbeamten in einem unbedeutenden Ort in den USA. Er war der fetteste Mensch, den ich bis dahin gesehen hatte, und es war meine erste USA-Reise. Ich war jung und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten unterwegs, wo ich studieren wollte – mit großer Wissbegierde gegenüber allem, auch diesem aus allen Kleidern quellenden Postmann. Als er merkte, dass ich Deutscher war, begannen seine Augen zu leuchten, und er fragte wie aus der Pistole geschossen, ob ich in Heidelberg lebe. Als ich das verneinte, war er sprachlos. Wie konnte man nicht in Heidelberg leben, wenn man in Deutschland zu Hause war? Es stellte sich heraus, dass Heidelberg das Paradies seines Lebens gewesen war, das er nach langen Kriegsjahren endlich gefunden und vor Jahrzehnten auch wieder verloren hatte. Der Krieg hatte ihn aufblühen lassen, das machten seine Worte klar. In (s)einem für mich heute schon wieder namenlosen Städtchen geboren, hatte sein Leben erst mit dem Krieg so richtig begonnen. Er war nach Europa, in die alte Welt geschickt worden, um sie zu retten. Mit und für (General) Patton und sein Land war er marschiert und hatte Seite an Seite mit den anderen boys Unglaubliches geleistet, erlitten und erlebt. Dem Tod oft nah, hatten sie für eine bessere Welt gekämpft, alles riskiert und gewonnen. Er hatte Feinde getötet und Kameraden verloren und unglaubliches Glück gehabt, das Inferno zu überleben, und er war jung und fit gewesen, voller Lebensenergie. Zu guter Letzt waren sie in Heidelberg einmarschiert als Sieger und auch so begrüßt, gefeiert und belohnt worden. Als Sieger und Befreier hatten sie Schokolade und Zigaretten verschenkt und konnten dafür mit ihrem Cowboy-Charme fast alles haben. Die Herzen flogen ihnen zu, und die »Fräuleins« lagen ihnen zu Füßen. Da war er richtig glücklich gewesen und hatte sich das erste Mal in seinem Leben so richtig gemeint und angesprochen gefühlt. Jeder Tag war ein Geschenk und eine Belohnung für die erlittenen Strapazen gewesen. Er konnte aus vollem Herzen sagen: »Heidelberg was the time of my life.«

Warum er denn nicht in Heidelberg geblieben sei und dort lebe, wenn das für ihn der schönste Ort auf Erden und die beste Zeit seines Lebens gewesen sei, fragte ich. Das habe er nicht gewagt, denn die Army hätte Beziehungen zu den »Fräuleins« unterbunden und verboten. So habe er schließlich auch seines zurückgelassen und sei dem Marschbefehl nach Hause gefolgt, in seinen Heimatort und schließlich ins post office.

Dort war er geblieben und hatte sein Leben im Fett der täglichen Langeweile versinken lassen. Der Krieg vorbei, Patton vergessen und Heidelberg ein ferner unerreichbarer Traum – statt fit nun fett, war er im wahrsten Sinne des Wortes im Postamt sitzen geblieben und freute sich nun wie ein Kind, einem Deutschen, wenn auch nicht aus Heidelberg, zu begegnen, der so jung war wie er damals, als er noch »lebte«.

Wenn ich meine persönliche Lebensgeschichte anschaue, bin ich glücklich und dankbar, zur ersten Generation von Deutschen seit Langem zu gehören, die alt werden darf, ohne Krieg zu erleben. Was waren bisher meine Momente von besonderer Lebendigkeit? Es handelte sich auch bei mir um Situationen, in denen mir die Endlichkeit meines Lebens bewusst wurde:

› Uranische Momente

Der Sturz ins Seil beim Klettern, Zehntelsekunden nur, die sich unglaublich dehnten und mir mein Leben nochmals buchstäblich im Flug und wie im Film zeigten. Wer war der Regisseur dieses Films? Ich selbst, wie natürlich auch der Hauptdarsteller. Beziehungsweise hat die Instanz in mir, die für Lebendigkeit steht, ihn gedreht und mit der Frage beschlossen: Was ist noch offen? Wofür willst du weiterleben? Anschließend war ich wirklich lebendig; die beim Sturz erlittenen Verletzungen spielten gar keine Rolle, und ich zählte die Tage meines neugeschenkten Lebens danach von eins bis – ja, bis mich der alltägliche Trott wieder einfing und neuerlich einnicken ließ.

Da war der Flug entlang des Amazonas mit meinem Freund Peter in seinem kleinen einmotorigen Flugzeug. Plötzlich schienen die Funkfeuer verloren, und das bei knappem Treibstoff. Unten sahen wir nur »Brokkoli«: Alles war in Grün getaucht, und wir konnten die auf der Karte verzeichneten Flüsse kaum erkennen. Dazu das Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, in Gottes Hand zu sein, in der wir ja eigentlich immer sind, nur ohne uns dessen so bewusst zu sein wie beim Anblick des grünen Meeres unter uns. Und dann wieder eine Funkverbindung und Hoffnung und schließlich eine zweite und zurückkehrende Orientierung und fast schon Sicherheit – aber immer weniger Sprit. Auf einmal erkannten wir in der Ferne das Hospital, doch sofort schloss sich der Brokkoli-Urwald wieder. Nach der Landung auf den letzten Drücker beziehungsweise Tropfen gab es ein gegenseitiges Drücken: eine kurze Umarmung unter Jungs, die Männer und Ärzte spielten. Schauspieler in einem Leben, das für einen langen Moment durch Desorientierung und Spritmangel sehr lebendig geworden war. Natürlich lassen sich solche Ereignisse nicht inszenieren, aber eine gewisse Offenheit für Erfahrungen, die in Grenzbereiche führen, fördert ihre Wahrscheinlichkeit. Klettern ist nur eine Möglichkeit unter vielen.

Ein Erlebnis wie das über dem Dschungel lässt sich verschieden verarbeiten. Ich kann in Zukunft vorsichtiger sein, mich auf Ähnliches nicht mehr einlassen oder überhaupt nicht mehr klettern, so werde ich natürlich nicht mehr ins Seil fallen. Dann besteht allerdings die andere Gefahr, nämlich in seinem ganz persönlichen post office sitzen zu bleiben und in der Stagnation zu landen, wo sich das Leben mit Ersatz(befriedigungen) wie Essen von selbst beschwert. Echtes Leben und der Ersatz verhalten sich zueinander wie Leben und Lesen – was Lesen nicht abwertet, sofern es zum Leben anregt. Wer Filme sieht und Biografien liest, kann darüber das eigene Leben vergessen oder sich im Gegenteil dazu erst so richtig anregen lassen.

Ein spannender Punkt könnte sein, sich darauf einzustellen, die kritischen Situationen, in die man sich bringt oder in die man gerät, auch offen(siv) durchzustehen, das heißt, die Suppe bewusst auszulöffeln, die man sich eingebrockt hat. So wird die nächste Krise zur Chance. Und es ergibt sich wie von selbst zusätzlich eine gar nicht bewusst steuerbare Liste, die ein mutiges, offenes Leben präsentiert.

Uranus ist hier angesprochen als Luftzeichen, zu dem Fliegen und Springen gehört, aber auch alles Plötzliche, spontan Hereinbrechende wie ein Absturz oder seine Gefahr. Wer das Uranusprinzip aus seinem Leben verbannen möchte, um Gefahren zu meiden, läuft Gefahr, auch Humor und Witz, Spontaneität und Geistesblitze auszuschließen.

Dann dieser Fallschirmsprung aus 4500 m Höhe – gut geplant und nicht riskant, aber doch »gefährlich« hoch beziehungsweise tief. Auf der Kufe des Hubschraubers sitzend erschien die Welt da unten so klein und der Luftraum irgendwie laut. Dann der Impuls zu springen und die Angst davor – wie fühlte ich mich wach und lebendig. Schließlich das Loslassen: eine Minute freier Fall, die viel länger dauerte als andere Minuten, und schließlich der Ruck, der mir durch und durch ging, als sich der Fallschirm entfaltete. Scheinbar riss er mich wieder in die Höhe – uranische Momente, wie auch das Herabschweben und die abrupte Landung, die dann plötzlich wieder rennend geschah.

Uranisches Lebensgefühl auch durch die langen Haare in Hippiezeiten, die ich mir trotz Rauswurfandrohung hatte wachsen lassen. Den Rauswurf annehmen und gehen für diese Freiheit auf dem eigenen Kopf – allerdings wissend, dass die Mutter einen zurückwünschen und -holen würde. The Age of Aquarius miterleben und in vielen Verrücktheiten feiern.

Fallschirmspringen, Segelfliegen oder Zeitströmungen für gewagte, verschrobene, originelle Momente oder Erfahrungen nutzen, all das ist machbar und wird ohne letzte Sicherheit dafür umso sicherer verblüffende Lebendigkeit vermitteln. Neben der Offenheit für jene Bälle, die uns das Schicksal zuspielt, die wir nur fangen und nutzen müssen, könnten wir uns auch aktiv an den Spielen des Lebens beteiligen. Es muss ja kein Fallschirmsprung sein, aber einmal etwas Verrücktes an der Grenze zum für uns »Gefährlichen« zu tun, um das Leben und die eigene Angst darum richtig zu spüren, ist möglich und sicher herausfordernd und somit belebend und ein besonderer Punkt auf der Liste.

› Begegnungen mit dem Marsprinzip

Ich hatte folgende Momente meiner Lebensgeschichte keineswegs gesucht, aber sie haben sich mir aufgedrängt und brachten mich weiter:

Dem Stiefvater widerstehen, obwohl er, der Offizier, physisch so viel größer und stärker war und davon auch schlagend Gebrauch machte – ein Augenblick des Zu-mir-Stehens und der Kraft. Und die erstaunte Erfahrung der Befreiung nach einem für beide überraschenden Zurückschlagen meinerseits, das mir zu Fortschritt und Befreiung und ihm zu Zurückhaltung verhalf.

Aus politischen Gründen den Kriegsdienst verweigern, obwohl gerade diese Begründung nicht anerkannt wurde, und erst nach zehn Jahren und einigen Schikanen und vielen Ängsten damit durchkommen.

Meine eigene unabhängige Form von Entwicklungsdienst er- und durchleben. Urwaldhospital im Regenwald – wenn auch nur kurz – mit meinem Freund; eine Zeit lang in Afrika leben und arbeiten und andere Menschen erleben und die Wüste spüren. Psychotherapie machen auf einem Kontinent wie Afrika, wo es so etwas in dieser Form noch nicht gab, und ein entsprechendes Bewusstseinsfeld schaffen; in Freda eine Person finden, die es weiterträgt und weitergibt.

Etwas wagen, um etwas zu bewegen: meine Medizin, obwohl kaum einer davon etwas wissen wollte und niemand aus dem Ärztekreis mich unterstützte. Zu erleben, was es heißt, wenn plötzlich alle Krähen über einen herfallen, obwohl es doch heißt: »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.« Im Dauerfeuer der Angriffe lebendig, wach und standhaft bleiben.

Den Winter ganz anders leben – genau dort, wo es meine Seele hinzieht, obwohl ökologisch inkorrekt. Ein Haus auf einer philippinischen Trauminsel bauen und rasch wieder loslassen, in Bali überwintern und sich Sonne und Ruhe gönnen, den Charme einer erhaltenen alten Kultur genießen mit ihren Menschen, Stimmungen und Landschaften. Eine schöne, sichere und erfolgreiche Ehe verlassen, die keine mehr ist, dennoch gemeinsam er- und behalten, was immer wertvoll war und bleibt: das Verständnis, die Zusammenarbeit, die geteilte Lebensphilosophie, ein besonderes, wundervolles Kind und viele geistige Kinder. Die Erfahrung, dass Zu-sich-Stehen und Sichgerademachen für ein Thema von Wichtigkeit sich lohnt und der Mut, für etwas Neues, Nichtdagewesenes zu kämpfen, erfolgversprechend ist.

Alles auf eine Karte setzen und beim Skirennen an meine Grenzen fahren und dieses Grenzland erleben und kennenlernen, die Geschwindigkeit und die große Kraft in der Bewegung spüren. Das gemachte Nest der Schulmedizin verlassen in eine Richtung, die ein Zurückkommen kaum ermöglicht. Sich exponieren und den Kopf aus der Deckung nehmen. Das ganze Geld aus drei Jahrzehnten Arbeit in einen Traum, ein Projekt stecken, obwohl das unsicher, unvernünftig und ökonomisch nicht clever ist. Aber wer sein Geld geschickt auf alle möglichen Ebenen verteilt und es so platziert, dass ihm nichts passieren kann, dem wird auch nichts damit passieren. Wofür aber ist es dann gut? Und ist es dann gut, wenn es der nächsten Generation per Erbschaft den Lebensweg verstellt, also das Normalprogramm abgespult wird? Und wie dumm ist es erst, reich zu sterben und nicht wenigstens versucht zu haben, etwas Sinnvolles, Schönes, Erhebendes, der Seele Wichtiges daraus zu machen. Erkennen, dass unsereins mit Geld sowieso nicht mehr möglich ist, als ein Beispiel und Symbol zu schaffen. Das Mögliche zu wagen ist die Chance. Abenteuer können wirklich teuer werden und nicht nur am Abend, aber sie bringen Erfahrungen und Lebendigkeit mit sich.

› Venus begegnen

Zur eigenen Lust und Liebe stehen und finden: Die von Mut begleitete Freude, als ich mir von meiner Lehrerin auf die Sprünge helfen ließ, mich in meinen Fantasien traute, noch weiterzugehen, mir meine eigene Liebesgöttin kreierte und mit ihr glücklich sein konnte. Der späte Moment zu wagen, die praktische, aber feige »Häschen-in-der-Grube«-Methode der Partnerakquisition durch flirtende Aktivität zu ersetzen, oder erst recht der, die Frau anzusprechen, die mich faszinierte, die mir aber auch Angst machte, mich in Unruhe und Spannung versetzte, die ich schon eine Woche angeschaut hatte, ohne ein Signal zu geben; der Kampf zwischen (gutbürgerlicher) Erziehung und Lust auf Wagnis und erotische Freude. Die Hoffnung auf das Schicksal, dass es mir eine gute Gelegenheit zuspielen möge. Und die Dankbarkeit, als es das tat; die Erfüllung, als wir uns finden.

Erotischen Mut entwickeln und statt nur zu fühlen, auch berühren und dabei allmählich fühlen lernen. Träume austauschen und umsetzen und nicht locker lassen, um allmählich doch lockerer zu werden und freier und erfüllter zu leben. Die Lebensfreude in sinnlicher Erotik befreien und genießen lernen. Mich mit sechzig und entgegen vieler Ratschläge trauen, »den guten(?) Ruf aufs Spiel zu setzen« und Mythos Erotik zu schreiben, weil ich es wichtig und das Thema wunderschön finde. Das Buch auch zu mögen, als es floppt, und mich über die wenigen Leser zu freuen, die es sich erlaubt und gegönnt haben. Der freche Rat, Venusisches auf der eigenen Liste zu berücksichtigen.

Natürlich ist das Venusprinzip auch in Kunst und Ästhetik zu finden, ebenso in genussvollem Essen und einer schönen Wohnung, aber in Sinnlichkeit und erotischer Liebe kommt es uns doch am nächsten. Wir dürfen es an uns heran- und zu uns hereinlassen.

Tasuta katkend on lõppenud.