Loe raamatut: «Hypnodrama in der Praxis», lehekülg 4

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1.3.1Psychodrama in Hypnose – geht das überhaupt?

Aber muss man in einem Hypnodrama nicht in gewisser Weise wach und aktiv sein? Wäre es nicht auch wichtig, dabei die Augen offen zu halten? Denn blindlings auf der Bühne herumzustolpern, kann doch gewiss nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Das stimmt. Und genauso verhält es sich auch. Die Teilnehmer des Hypnodramas agieren – trotz ihres hypnotischen Zustands – ebenso wie sonst im Psychodrama. So werden sie von Moreno beschrieben (vgl. Moreno 1950, p. 7). Das Gleiche berichtet auch Enneis. Im Hypnodrama könne der Patient frei agieren (vgl. Enneis 1950, p. 11) – allein und im Zusammenspiel mit den anderen (vgl. Enneis 1950, p. 15; vgl. Krojanker 1977a, p. 221; vgl. Supple 1977, p. 225).

Also verhalten sich die Teilnehmer im Hypnodrama irgendwie ganz normal und sollen trotzdem in Hypnose sein? Widerspricht das nicht all dem, was wir unter Hypnose verstehen? Halten Hypnotisierte die Augen nicht geschlossen? Wirken sie von außen nicht beinahe regungslos, als würden sie schlafen? Und wenn sie sprechen, tun sie dies nicht eher schleppend und zögerlich, als geschehe es fast wie gegen einen Widerstand?

In unserer Kultur werde unter Trance tatsächlich, so der Arzt, Psychotherapeut und Entwickler der hypnosystemischen Konzeption Gunther Schmidt, meist verstanden, dass sich jemand tief entspannt, kataleptisch – d. h. körperlich erstarrt – und mit geschlossenen Augen ganz nach innen gerichtet, wie schlafend erlebe (vgl. Schmidt 2014, S. 13). Doch wie weltweite anthropologische und ethnologische Studien zeigten, sei dieses seit ca. 250 Jahren speziell in Europa kultivierte Verständnis von Trance viel zu eng und zu einseitig (vgl. Schmidt 2014, S. 15).20 Seit mindestens 10.000 Jahren gelte die Arbeit mit Trance, wie Schmidt fortfährt, überall auf der Welt als wesentlicher Bestandteil praktisch jeder menschlichen Kultur. In Jäger-und-Sammler-Kulturen (die über die längsten Zeiträume der menschlichen Evolution die vorherrschenden Kulturen waren) würden z. B. kaum einmal Entspannungstrancen produziert, sondern solche mit viel Bewegung, sozialer Interaktion, mit optimaler körperlicher Spannung, Gesang und Tanz. Dies lasse sich schlicht damit erklären, dass Trance immer schon einfach nur Mittel zum Zweck für die sie Anwendenden gewesen sei und bestimmten Zielen – wie beispielweise der Heilung, religiösen Anlässen oder der Vorbereitung einer erfolgreichen Jagd – dienen sollte. Einfach nur ganz entspannt zu bleiben und die Aufmerksamkeit auf die eigene Innenwelt zu richten, habe man dabei sicher nicht immer gebrauchen können (vgl. Schmidt 2014, S. 15 f.).

Unser seit 250 Jahren speziell in Europa kultiviertes Verständnis von Hypnose greift also zu kurz. Sie kann durchaus auch bedeuten, wach und aktiv zu sein. Ein Blick auf ihre vielfältige Anwendung in gegenwärtigen und vergangenen menschlichen Kult uren verrät, dass Hypnose außerhalb des wissenschaftlichen und therapeutischen Settings sogar eher selten als Entspannungstrance eingesetzt wurde und wird (vgl. Bányai a. Hilgard 1976, p. 218). Das aber war vielen, die die traditionelle Hypnose beforschten und anwendeten, bis vor ca. 50 Jahren gar nicht bewusst.

So zeigte sich auch die Psychologin Éva Bányai, wie sie in einem Interview berichtet, das die European Society of Hypnosis (ESH) in der ersten Ausgabe ihres Newsletters im Jahr 2006 druckte (Ruysschaert 2006, S. 10–18), zunächst sehr überrascht, als sie bei einem ihrer Forschungsprojekte feststellte, dass von 24 Probanden in Hypnose nur 20 – wie erwartet – sehr entspannt, schläfrig und beinahe regungslos waren, während sich immerhin vier von ihnen in einem Zustand befanden, der nicht in dieses Bild passte. Eine Teilnehmerin aus dieser 4er-Gruppe habe ihr anschließend tatsächlich die Frage gestellt, warum ihr denn fortwährend erzählt worden sei, müde und schläfrig zu sein, während sie dies doch gar nicht gewesen sei, sondern sich im Gegenteil sehr fokussiert, geistig kristallklar und körperlich frei in ihren Bewegungen erlebt habe. Bányai habe sich das Verhalten der vier Probanden nicht erklären können. Die Interpretation ihres damaligen Professors, in ihnen einfach die Ausnahmen zu sehen, die die Regel bestätigten, habe sie nicht überzeugt. Für sie sei das Versuchsergebnis rätselhaft geblieben. Auf eigene Faust habe Bányai damit begonnen, in der Literatur zu recherchieren, um eine Erklärung zu finden – vergeblich. Doch das Problem sei ihr nicht aus dem Kopf gegangen. Im Winter 1971 habe sich seine Lösung dann ganz unerwartet vor ihr aufgetan. Damals sei sie im Kino gewesen, um sich einen Dokumentarfilm über den Vietnamkrieg anzuschauen. Sie habe von der Kamera eingefangene Nahaufnahmen eines Soldaten gesehen, der hocherregt auf den Gegner zugerannt sei, bereit, ihn zu töten. Sein Gesichtsausdruck habe sie sofort an Menschen in Hypnose erinnert. Blitzartig sei ihr klar geworden, dass sich der Soldat in Trance befunden habe. Viele Ideen seien ihr plötzlich durch den Kopf gegangen. Sie habe nicht länger im Kino bleiben können. Das sei es gewesen. Hypnose und Aktivität schlössen sich nicht aus, sondern seien gemeinsam möglich. Bányai habe daraufhin beschlossen, dieses Phänomen, das sie später Aktiv-Wach-Hypnose nannte, experime ntell eingehender zu beforschen. Die Gelegenheit dazu sei ihr von Ernest Ropiequet Hilgard gegeben worden, der sich damals in seiner Abteilung an der Stanford University, Kalifornien, mit der Untersuchung und Anwendung von Hypnose befasst habe. Ihre Forschungsarbeiten hätten ergeben, dass Menschen auch mit geöffneten Augen, während sie wach und aktiv seien – z. B. kräftig in die Pedale eines Ergometers träten –, tatsächlich in Hypnose sein könnten (vgl. Bányai a. Hilgard 1976, p. 223). Dieses Ergebnis ließ sich inzwischen durch zahlreiche Studien bestätigen.21

Es geht also: Wir können mit geöffneten Augen, wach und aktiv in Hypnose sein. Klingt für unsere Ohren immer noch ein wenig merkwürdig, nicht wahr? Vielleicht fällt es uns etwas leichter, dies zu akzeptieren, wenn wir mehr darüber wissen, was Hypnose eigentlich ist. Denn so viel scheint inzwischen klar: Sie bedeutet weit mehr als entspannt und beinahe regungslos in einem von außen schlafähnlich erscheinenden Zustand zu verharren. Das können also nicht ihre wesentlichen Merkmale sein. Worin aber bestehen sie? Was genau ist Hypnose?

Der Psychologe, Hypnotherapeut und Mitbegründer der Milton Erickson Gesellschaft Burkhard Peter beantwortet diese Frage so: Hyp-nose könne man verstehen als die Kunst, eine alternative Wirklichkeit zu konstruieren, welche möglichst lange und intensiv als »wirkliche« Wirklichkeit erlebt werde (vgl. Peter 2015, S. 38; 2009, S. 58). Dabei spielt Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle. Durch sie erreichen wir das, was die Psychologen Auke Tellegen und Gilbert Atkinson Absorption nennen (Tellegen a. Atkinson 1974): Als absorbiert gelten wir nach ihnen dann, wenn uns etwas ganz und gar in Anspruch nimmt, wenn wir in einen Zustand totaler Aufmerksamkeit geraten, der unsere gesamte Vorstellungskraft bindet (vgl. Tellegen a. Atkinson 1974, p. 268; vgl. Ott 2005, S. 55; 2007, pp. 257 f.). Wir könnt en auch von Versunkenheit sprechen (vgl. Metten 2012, S. 184; vgl. Metten 2020, S. 129). So vertieft, erscheint uns das, was wir wahrnehmen, besonders real (vgl. Ott 2005, S. 55; vgl. Oakley a. Halligan 2017, p. 12). Wir sind ganz drin, so sehr, dass wir nicht einmal mehr wissen, dass das, was wir gerade wie gebannt erleben, »nur« eine hypnotische Wirklichkeit und nicht die – wie Peter sich ausdrücken würde – »normale« Wirklichkeit (Peter 2009, S. 58; 2015, S. 38) ist. Ein solcher Zustand setzt hochfokussierte Aufmerksamkeit voraus. Sie ist allerdings nur zu erreichen, wenn, wie es der bereits erwähnte Ernest Ropiequet Hilgard in seiner Neodissoziationstheorie (vgl. Hilgard 1973, 1977, 1989) postulierte, unser Monitoring wegfällt – das Gewahrsein dessen, was geschieht, aus der Perspektive eines distanzierten Beobachters (vgl. Metten 2012, S. 98; vgl. Metten 2020, S. 78, 147). Um dafür einen Vergleich des Psychiaters und Hypnoseforschers David Spiegel zu verwenden: In Hypnose nehmen wir so wahr, als stünde uns kein Weitwinkel, sondern nur die eingeengte Perspektive eines Teleobjektivs zur Verfügung (vgl. Spiegel 2008, p. 181).

Die Aufmerksamkeit wird auf die hypnotische Wirklichkeit ausgerichtet und alles andere ausgeblendet. Das funktioniert nicht nur, wenn wir, wie bei der traditionellen Hypnose, mit geschlossenen Augen beinahe regungslos verharren. So belegen wissenschaftliche Studien, dass die Aufmerksamkeit auch bei der Aktiv-Wach-Hypnose hochfokussiert ist, während es zugleich an Realitätsprüfung mangelt, das Erlebte also unkritisch als real gewertet wird (vgl. Bányai, Zseni a. Túry 1993, pp. 272, 286, 288; vgl. Bányai, Mészáros a. Greguss 1981; vgl. Mészáros, Bányai a. Greguss 1981). Ob unbewegt oder motorisch rührig – in beiden Fällen können wir in Hypnose sein.

Allein, was nützt es im Psychodrama, nur körperlich aktive Teilnehmer zu haben, wenn diese zugleich in ihre hypnotische Innenwelt versunken bleiben und alles andere ausblenden? So könnten vielleicht noch Aktionen, hingegen gewiss keine Interaktionen stattfinden. Dem Handeln der Teilnehmer fehlte schlicht der aufeinander ausgerichtete Bezug. Aber wie uns der amerikanische Psychologe und Ericksonschüler Jeffrey K. Zeig erklärt, kann in Hypnose beides geschehen: Menschen können dabei entweder in eine innere oder in eine äußere Wahrnehmung vertieft sein (vgl. Zeig 2014).22 Ihre Aufmerksamkeit müsse nicht unbedingt nach innen gerichtet sein, wie es traditionelle Hypnose ansätze vertreten. Tatsächlich bestehe die Möglichkeit, dass Menschen in Hypnose sogar hyperalert und extrem stark außenorientiert seien (vgl. Zeig 2014).23

Genau das brauchen wir, wenn Psychodrama in Hypnose stattfinden soll. Es reicht nicht, wenn die Teilnehmer dabei wach und aktiv sind, aber auf eine hypnotische Innenwelt bezogen bleiben. Sie müssen sich außenorientiert verhalten, in eine gemeinsame hypnotische Außenwelt eintauchen können. Hypnodrama bedeutet, dass die Teilnehmer ganz in die Wirklichkeit ihres gemeinsamen Spiels versunken agieren und nicht mehr realisieren, dass es sich »nur« um die Geschehnisse auf einer therapeutischen Bühne handelt, weil sie alles andere ausblenden. Klingt das noch merkwürdig für uns? Fällt es mit diesem Verständnis von Hypnodrama noch schwer zu akzeptieren, dass es so etwas gibt? Vielleicht wird jetzt der eine oder andere sogar denken: »Wenn das Hypnodrama ist, dann habe ich es schon häufig erlebt.« Stimmt. Denn als Kinder waren wir Weltmeister darin.

Also, es geht. Hypnodrama ist kein Hirngespinst, sondern ereignet sich tatsächlich, sogar viel öfter, als wir vermutlich dachten. Doch wozu das Ganze? Warum nicht einfach nur das Psychodrama anwenden? Wieso es in Hypnose stattfinden lassen? Was soll das bringen?

1.3.2Was bringt die Hypnose dem Psychodrama?

Erinnern wir uns kurz daran, wie Moreno das Hypnodrama entdeckte (siehe Abschnitt 1.3). Rein zufällig soll es geschehen sein, und zwar in einem Moment, als er mit den psychodramatischen Technik en zunächst nicht weiterkam. Seine Hauptspieler in litt damals unter sexuellen Wahnvorstellungen und Albträum en. Jede Nacht wurde sie vom Teufel heimgesucht, der mit ihr schlief. Eine quälende und peinliche Angelegenheit, nicht wahr? Wer wollte sich damit schon freiwillig konfrontieren? Noch dazu auf der Bühne, vor anderen? Niemand dürfte es wundern, dass Moreno zunächst vergeblich versuchte, sie dazu zu bringen, ihre Erinnerungen in Szene zu setzen. Doch dann wurde er sehr befehlend. Dem konnte sie sich offenbar nicht widersetzen. Sie fühlte sich gezwungen, ihm zu entsprechen, was ihr nur gelang, indem sie ihr Monitoring ausblendete, »vergaß«, dass sie vor anderen agierte und mit wem sie es wieder zu tun bekam. Wollte sie Moreno Folge leisten, blieb ihr kein anderer Weg, als sich ganz auf ihre Albtraumwelt zu fokussieren – d. h. in Hypnose zu gehen. Auch die traumatisierten Soldaten, die Enneis im Zweiten Weltkrieg behandelte, konnten ihre Abwehr gegen eine neuerliche Bewusstwerdung ihrer furchtbaren Erlebnisse aufgeben, indem sie in Hypnose gi ngen. In beiden Fällen wirkte die Hypnose – um es mit Morenos Worten auszudrücken – wie ein psychologischer Starter (vgl. Moreno 1950, p. 6; vgl. Enneis 1950, p. 12).

Enneis präzisiert diesen Effekt, indem er erklärt, dass die Hypnose den Patienten im Hypnodrama von vielen hinderlichen Barrieren und störenden Einmischungen des eigenen Ichs befreie. Sein Bestreben, zwei Rollen aufrechtzuerhalten – sich also während des eigenen Spiels auch von außen als kritischer Beobachter zu erleben –, werde geschwächt und es sei seinerseits nur noch ein Minimum an Ausweichen und Abwehr spürbar (vgl. Enneis 1950, pp. 12, 52; vgl. Sanders 1977, p. 373). Wie diese Aufrechterhaltung von zwei Rollen durch Hypnose umgangen werden kann, zeigt das folgende Fallbeispiel.

Ein 24-jähriger Klient – nennen wir ihn Emil – wird von einer Gruppenteilnehmerin ausgewählt, die Rolle ihres Vaters zu übernehmen. Darin soll er ihr zu Unrecht Vorwürfe machen und sie lautstark als egoistisch und verantwortungslos beschimpfen. Das fällt dem Klienten sichtlich schwer. Er spricht zwar die ihm vorgegebenen Worte aus, wirkt dabei jedoch zurückhaltend, zögerlich, unsicher. Der Leiter nimmt ihn daraufhin zur Seite und thematisiert die beobachteten Schwierigkeiten. Das stimme, bestätigt der Klient. Er nehme sich zurück, um nicht anzuecken, nichts Dummes oder Verletzendes zu sagen. Ob er sich denn erinnere, irgendwann in seinem Leben schon mal so richtig wütend gewesen zu sein, fragt ihn der Leiter. Ja, als Kind habe er sich einmal furchtbar über seinen kleinen Bruder aufgeregt, weil der ständig mit seiner Trompete rumgetutet habe – trotz der von ihm wiederholt ausgesprochenen Bitte, es nicht zu tun. Schließlich sei er wutentbrannt zu seinem Vater gelaufen und habe ihn aufgefordert: »Mach, dass er aufhört!« Der Leiter bittet den Klienten daraufhin, seine Augen zu schließen und noch einmal der Emil von damals zu sein …, zu fühlen, wie dieser furchtbar wütend auf seinen Bruder sei, … und jetzt zu seinem Vater zu laufen und von ihm zu verlangen, dass er etwas unternehme, damit sein Bruder aufhöre. Es sei hilfreich, wenn Emil dieses »Mach, dass er aufhört!« auch tatsächlich ausrufe. Genau das tut Emil – sogar wiederholt. Daraufhin bittet ihn der Leiter, nun mit dieser Wut die Rolle des Vaters zu spielen, was ihm diesmal – wie von der Teilnehmerin gewünscht – gelingt. Nach Spielende erklärt der Klient der Gruppe, sich anfänglich in seiner Rolle immer gefragt zu haben, »Ist das okay so?«, »Wirke ich komisch?«, »Rede ich zu laut?«. Er habe den Vater gespielt und sich gleichzeitig dabei beobachtet, in der Erwartung, etwas falsch zu machen, sich zu blamieren. Mit dem wütenden Emil sei es ihm möglich gewesen, den Kritiker außen vor zu lassen, hundert Prozent bei der Sache zu sein.

Darin besteht ein Vorteil, den das Hypnodrama gegenüber dem Psychodrama hat. Blockaden und Hemmungen lassen sich hier leichter umgehen (vgl. Supple 1977, S. 224 f.; vgl. Greenberg 1977a, S. 237; vgl. Sanders 1977, S. 374). Denn in Hypnose entfällt das Monitoring, das Gewahrwerden dessen, was geschieht, aus der Perspektive eines distanzierten Beobachters (siehe Abschnitt 1.3.1). Damit erübrigen sich meist Hemmungen, weil nicht mehr realisiert wird, dass das Spiel vor anderen stattfindet. Der Klient kann ganz in seiner Rolle aufgehen (vgl. Supple 1977, p. 224). Auch werden in Hypnose »konkurrierende« Welt en ausgeblendet. Problemtrancen (vgl. Schmidt 2015, S. 45), die die spielerische Darstellung blockieren könnten, treten währenddessen nicht in Erscheinung. Denn wie für Highlander, so gilt auch in Hypnose: Es kann nur einen – respektive eine – geben.24 Wir können uns nicht zugleich bewusst auf zwei oder mehr hypnotische Welt en fokussieren. In einer »drin« zu sein, bedeutet, die anderen verlassen zu haben. Wie hilfreich sich das im Psychodrama auswirken kann, mag das folgende Fallbeispiel verdeutlichen.

Eine 52-jährige Klientin – nennen wir sie Henriette – wird von einem Gruppenmitglied ausgewählt, in der Aktionsphase der Psychodrama-Sitzung die Rolle ihrer Mutter zu übernehmen. Sie stimmt dem zu. In der nachfolgend gespielten Szene geht es darum, dass die etwa 8-jährige Tochter eine Stunde verspätet von der Schule nach Hause kommt, weil sie draußen noch Freundinnen getroffen und darüber die Zeit vergessen hat. An der Tür wird sie von ihrer Mutter mit harschen, vorwurfsvollen Worten in Empfang genommen und ohne weiteren Kommentar zum Hausarrest für den Rest des Tages auf ihr Zimmer geschickt. Von Henriette, die in der Gruppe bisher sehr durchsetzungsstark in Erscheinung trat, ist bekannt, dass sie selbst in ihrer Kindheit unter einer von ihr als herrisch erlebten Mutter gelitten und beständig gegen diese rebelliert hat. Mühelos übernimmt sie im Spiel die Rolle der Mutter der Mitpatientin. Hingegen tut sie sich in einer anschießenden zweiten Szene sehr schwer, eine verständnisvolle Mutter zu verkörpern, die nachvollziehen kann, dass man zusammen mit seinen Freundinnen schon mal die Zeit vergisst, die ihrer Tochter aber auch zeigt, wie viel Sorgen sie sich gemacht hat, und gemeinsam mit ihr überlegt, wie künftig zu verhindern ist, dass so etwas noch einmal passiert, dass die Tochter ihr beispielsweise kurz Bescheid sagt, wenn sie sich verspäten wird. Immer wieder weicht sie davor aus, gegenüber ihrer Tochter Gefühle der Sorge und Angst zum Ausdruck zu bringen, indem sie ihrem eigenen Spiel eine komische Note gibt, über die alle herzhaft lachen müssen. Wie alle Teilnehmer der Gruppe, so ist auch die Klientin bereits in Selbsthypnose geübt. Die Sitzung wird kurz unterbrochen, um ihr – begleitet durch den Leiter – die Gelegenheit zu geben, in Hypnose ganz in die Rolle der besorgten Mutter zu gehen. In ihrem nachfolgenden Spiel erscheint sie wie verwandelt. Sie lehnt nicht mehr lässig am Türrahmen, sondern öffnet ihrer Tochter, sichtlich erleichtert darüber, sie zu sehen, mit den Worten die Tür: »Kind, wo warst du, ich habe mir solche Sorgen gemacht!« Sie äußert Verständnis für die Verspätung der Tochter, macht ihr aber auch deutlich, in welcher Not sie sich befunden hat. Die Tochter erklärt, nicht gewollt zu haben, dass sie sich sorge, und verspricht, künftig Bescheid zu sagen, wenn es bei ihr später werde.

Erst in Hypnose gelang es der Klientin, ihre Abwehr zu umgehen und die zuvor humorvoll umschiffte Rolle zu verkörpern. Auch bei ihr wirkte sie also wie ein Starter. Doch das war nicht ihr einziger Effekt. Im abschließenden Erfahrungsaustausch berichtete Henriette, dass ihr in der Rolle der verständnisvollen Mutter etwas klar geworden sei. Bislang habe sie ihre Gefühle immer weggedrückt, um einen klaren Kopf zu bewahren, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Doch sie könne sie auch zulassen, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren. Das habe sie gerade erlebt. Gefühle zu zeigen, sei sogar wichtig, um Probleme gemeinsam zu lösen.

Was lehrt uns dieses Beispiel? Die Hypnose ist im Hypnodrama definitiv mehr als ein Starter. Sie unterstützt den therapeutischen Effekt des Psychodrama s. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon Enneis sprach davon, dass es infolge der Hypnose zu einer stärkeren Katharsis komme (vgl. Enneis 1950, pp. 12–14). Denn dem Klienten falle es dabei leichter, seine Gefühle auszudrücken (vgl. Enneis 1950, p. 13). Auch zeige er auf diese Weise eine größere Spontaneität und Kreativität (vgl. Enneis 1950, p. 13). Beides befähige ihn dazu, Rollen zu spielen, die er ansonsten verweigert hätte (vgl. Enneis 1950, p. 14), und angemessener zu interagieren (vgl. Enneis 1950, pp. 13, 53). Ja, der Klient könne überdies im Hypnodrama Einsicht en gewinnen, auch wenn es ihm nicht gelänge, sie in Worte zu fassen (vgl. Enneis 1950, pp. 13, 53). Henriette aus dem Fallbeispiel vermochte selbst das.

Hypnose wirkt also auch effektverstärkend auf das Psychodrama. Das ist verständlich. So absorbiert, wie wir dabei sind, schirmt sie uns weitestgehend von allen inneren und äußeren Störreizen ab, die dazwischenfunken und damit den therapeutischen Effekt untergraben könnten. Deshalb fällt es uns in Hypnose auch leichter zu lernen (vgl. Halsband 2004, S. 21, 26; 2006, pp. 474, 477; 2009, S. 14; Halsband u. Herfort 2007, S. 18; Halsband et al. 2009, pp. 196 f., 205).25 Ein Phänomen, das Enneis ebenfalls bemerkte (vgl. Enneis 1950, p. 53).

Nun gut. Die Hypnose ist bereichernd für das Psychodrama. Doch wie kommt sie hinein?

Tasuta katkend on lõppenud.

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