Loe raamatut: «Strafrecht Allgemeiner Teil II», lehekülg 5

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IV. Abgrenzung unbeendeter/beendeter Versuch

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Wie bereits ausgeführt wird gem. § 24 Abs. 1 S. 1 der Versuch nicht bestraft, wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Ob ein bloßes Aufgeben der weiteren Tat für einen strafbefreienden Rücktritt ausreicht oder ob der Täter aktiv werden muss, richtet sich nach der Art des Versuchs. Zu unterscheiden sind der unbeendete und der beendete Versuch.


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Unbeendet ist ein Versuch, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat davon ausgeht, noch nicht alles getan zu haben, was zu der Vollendung notwendig ist.[17]

Beendet ist der Versuch, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat glaubt, zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges alles Notwendige und Mögliche getan zu haben.[18]

Die Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch beruht also, ebenso wie die Feststellung, ob der Versuch fehlgeschlagen ist, auf der Vorstellung des Täters. Sie ist demnach nicht anhand objektiver Kriterien vorzunehmen.

Beispiel

Der Täter schüttet, in der irrigen Annahme es handele sich um Gift, ein in Wahrheit harmloses Schlafmittel in den Kaffee seines Freundes und schaut diesem genüsslich beim Trinken zu.

Hier konnte objektiv der Erfolg zu keinem Zeitpunkt eintreten. Subjektiv glaubte der Täter jedoch alles nach seiner Vorstellung Erforderliche getan zu haben, um den Erfolg herbeizuführen. Es handelt sich um einen beendeten (untauglichen) Versuch.

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Zwischen Rechtsprechung und Literatur war lange Zeit umstritten, auf welchen Zeitpunkt bei der Bewertung des Versuchs abzustellen ist. Der BGH ist zunächst vom Tatplanhorizont ausgegangen und hat auf die Vorstellung des Täters bei Tatbeginn zurückgegriffen. Hatte der Täter sich vor Beginn der Tatausführung auf einen bestimmten Plan festgelegt und war das nach diesem Plan vorgesehene Programm durchlaufen, so lag der beendete Versuch vor, auch wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nachträglich die fehlende Eignung seines Tuns erkannt und festgestellt hat, dass der Erfolg nicht eintreten kann.[19] Mittlerweile hat die Rechtsprechung die Tatplantheorie ausdrücklich aufgegeben. Die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch wird nunmehr vom sog. Rücktrittshorizont aus vorgenommen. Abgestellt wird auf den Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung und auf die in diesem Zeitpunkt vorliegende Vorstellung des Täters.[20] Die Theorie vom Rücktrittshorizont hat in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden.[21]

Beispiel

A und B haben geplant, ein Lebensmittelgeschäft zu überfallen. Sie beabsichtigen, die Inhaberin durch Bedrohung mit einem Messer zur Herausgabe des in den Kassen befindlichen Geldes zu „überreden“. Einen weitergehenden Einsatz des Messers haben sie zum Zeitpunkt der Planung jedoch ausgeschlossen. Nach dem Betreten des Geschäfts geht dementsprechend A auf X, die hinter der Theke stand zu, hält ihr das Messer vor und sagt: „Geld her“. Als X jedoch zur großen Überraschung von A und B entgegnet „Ihr kriegt hier nichts“, entschließen sich beide, das Geschäft unverrichteter Dinge wieder zu verlassen.

Der BGH[22] hat den Vorwurf der versuchten schweren räuberischen Erpressung nicht bestätig. Er hat deutlich gemacht, dass bei der Abgrenzung des unbeendeten vom fehlgeschlagenen Versuch nicht auf den Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen sei. Mithin war es unbeachtlich, dass die Täter ursprünglich einen weitergehenden Einsatz des Messers ausgeschlossen hatten. Wesentlich war allein, ob er nach ihrer Vorstellung zum letzten Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre. Der BGH hat deswegen einen strafbefreienden Rücktritt gem. § 24 Abs. 2 als möglich angesehen.

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Achten Sie in der Klausur darauf, dass Sie auch tatsächlich den letzten Zeitpunkt der Aufgabe der Ausführungshandlung als Beurteilungszeitpunkt wählen. Es ist denkbar, dass die Vorstellungen des Täters sich währenddessen ändern. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Korrektur des Rücktrittshorizonts“.

Beispiel

A sticht B mit einem Messer nieder und geht nach dem Stich davon aus, B tödlich verletzt zu haben. Tatsächlich steht B aber unmittelbar danach auf. A erkennt nun, dass er B nur am Arm getroffen hat und unterlässt weitere Handlungen.

Beispiel

A sticht erneut B nieder und geht dieses Mal davon aus, dass er ihn nur am Arm verletzt habe. Tatsächlich steht B auch zunächst auf, bricht jedoch keine 30 Meter später bewusstlos zusammen. A erkennt, dass B nur mit ärztlicher Hilfe überleben kann, entschließt sich nun jedoch, B liegen zu lassen.

Sofern ein Täter in unmittelbarem zeitlich-räumlichen Zusammenhang mit der letzten Ausführungshandlung seine Beurteilung korrigiert, ist der Zeitpunkt der Korrektur der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt.[23]

Im ersten Beispiel muss mithin ein unbeendeter Versuch angenommen werden, von welchem der Täter durch bloßes Aufgeben der Tat zurücktreten kann. Im zweiten Beispiel hingegen liegt ein beendeter Versuch vor, von dem der Täter nur zurücktreten kann, wenn er Gegenmaßnahmen ergreift, die zum Ausbleiben des Erfolges führen, was A nicht getan hat.

Beispiel

Abgelehnt hat der BGH[24] eine Korrektur des Rücktrittshorizonts in einem Fall, in welchem der Täter, der zuvor mit 2 lebensgefährdenden Messerstichen sein Opfer töten wollte, sich von dem Opfer abwandte, als dieses auf dem Boden saß, und zu seinem Auto lief. Als er sich im Laufen umdrehte, sah er, dass das Opfer wieder aufgestanden war und ebenfalls weglief. Er sah nun davon ab, dass Opfer weiter zu verfolgen und fuhr mit seinem Auto weg. Hier wurde als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Rücktritts der Moment des Entfernens vom Opfer angesehen. Ging der Täter in diesem Augenblick aufgrund der Gefährlichkeit der Messerstiche davon aus, das Opfer tödlich verletzt zu haben, dann lag ein beendeter Versuch vor, von welchem der Täter nicht durch bloßes Aufgeben der Tat zurück treten konnte. Der Umstand, dass der Täter das Opfer liegen ließ, spreche dafür, dass er die Tat nicht habe aufgeben wollen. Eine spätere Korrektur sei dann, so der BGH, unbeachtlich.

Beispiel

Anders jedoch beurteilte der BGH[25] folgenden, ähnlich gelagerten Sachverhalt: A stach B mit Tötungsvorsatz ein 17 cm langes Messer in den oberen Rückenbereich. B, der nicht mitbekommen hatte, wer ihm den Stich versetzt hatte, bat A, ihn zum Auto zu begleiten und dort mit seinem im Auto liegenden Handy den Notarzt zu verständigen. A ergriff alsdann auch das Handy, tat aber nur so, als telefoniere er. Er nahm dabei an, dass sein Verhalten zum Tod des B führen würde. B, nunmehr skeptisch geworden, begab sich nun mit dem Messer im Rücken zu einer 700 m entfernt liegenden Gaststätte, um Hilfe zu holen. Unterwegs bat er 4 Personen vergeblich, ihm zu helfen. In der Gaststätte angekommen, telefonierte er wie beabsichtigt und konnte aufgrund einer sofort eingeleiteten OP gerettet werden. A unternahm nichts, um ihn am Betreten der Gaststätte zu hindern.

Hier bejahte der BGH eine Korrektur des Rücktrittshorizontes. Ging A zum Zeitpunkt des Telefonats noch davon aus, einen beendeten Versuch begangen zu haben, so kann unterstellt werden, dass er seine Annahme korrigierte, nachdem B mit dem Messer im Rücken zur Gaststätte ging. In diesem Augenblick muss A angenommen haben, er habe noch nicht alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan. Problematisch ist nun jedoch, ob der Rücktritt in Anbetracht der 4 Zeugen, denen B begegnete noch freiwillig erfolgte.

Problematisch kann die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch auch bei einem Deliktswechsel werden. Wir haben bereits gesehen, dass bei mehraktigen Geschehen nach h.M. auf den letzten Akt abzustellen ist (Rücktrittshorizont). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es keine Zäsur beim Vorsatz gibt, der Täter also z.B. bei Tötungsdelikten durchgängigen Tötungsvorsatz hat. Fraglich ist nun aber, wie die Situation zu bewerten ist, wenn der Täter vom Tötungsvorsatz zum Körperverletzungsvorsatz und dann wieder zum Tötungsvorsatz wechselt.

Beispiel

A geriet in Streit mit seinem Vater V, setzte sich in dessen Auto und wollte losfahren, als sich V in den Weg stellte, um ihn daran zu hindern. A setzte das Fahrzeug einen Meter zurück, gab Gas und erwischte den mittlerweile weglaufenden V mit 10 km/h, so dass V hinfiel. Dabei war ihm bewusst, dass V durch dieses Fahrmanöver zu Tode kommen könnte, was er aber billigend in Kauf nahm. Nach der Kollision steig A aus, V war bei Bewusstsein und hob den Kopf an, woraufhin A nun nur noch mit Körperverletzungsvorsatz V einmal gegen den Kopf und zweimal in den Bauch trat. Anschließend lief er in der Vorstellung, V sei durch die Kollision doch lebensgefährdend verletzt worden, davon.

Unterstellt, A ging beim Aussteigen zunächst davon aus, den Vater noch nicht tödlich verletzt zu haben, dann läge ein unbeendeter Versuch vor. Von diesem könnte er durch Aufgeben der weiteren Tatausführung zurückgetreten sein. Nun erscheint einem ein Rücktritt in Anbetracht der nachfolgenden Körperverletzung zunächst nicht naheliegend zu sein. Abzustellen ist aber nur auf die konkrete Tat, also hier § 212. Diese Tatausführung habe A aufgeben, so der BGH[26]. Die nachfolgenden Handlungen waren nur noch vom Körperverletzungsvorsatz getragen. Das anschließende Liegenlassen des V in der Annahme, er sei doch tödlich verletzt, kann nun ein Totschlag oder Mord durch Unterlassen sein.

2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › D. Rücktritt vom Versuch › V. Rücktritt vom unbeendeten Versuch

V. Rücktritt vom unbeendeten Versuch

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Haben Sie in der Klausur festgestellt, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat noch nicht alles Erforderliche getan hat, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, liegt ein unbeendeter Versuch vor. Von diesem unbeendeten Versuch kann der Täter zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt.

Auch ein untauglicher Versuch kann ein unbeendeter Versuch sein. Voraussetzung ist, dass der Täter die mangelnde Tauglichkeit noch nicht erkannt hat. Hat der Täter die mangelnde Tauglichkeit erkannt, wird dieser Versuch – wie ausgeführt – zum fehlgeschlagenen Versuch, so dass ein Rücktritt nicht mehr möglich ist (gleiches gilt für den beendeten Versuch).


Von einem Aufgeben der Tat spricht man, wenn der Täter von der Realisierung des Entschlusses aufgrund eines entsprechenden Gegenentschlusses Abstand nimmt.[27]

Die Tat ist dabei nach überwiegender Auffassung als die konkrete Tat im Sinne des materiell-rechtlichen Tatbegriffes und nicht im Sinne des prozessualen Tatbegriffes zu verstehen. Tat bedeutet demnach die vorsätzliche rechtswidrige Straftat innerhalb derer der Rücktritt geprüft wird.

Beispiel

A plant einen Raubmord zu begehen und gibt entsprechend auf den Kassierer der Stadtsparkasse einen Schuss ab, welcher jedoch im rechten Oberarm stecken bleibt. Aufgrund des Flehens des Opfers sieht er nunmehr davon ab, das Opfer mit weiteren Schüssen zu töten und erzwingt unter Vorhalten der Waffe die Herausgabe des Geldes.

Hier hat A einen schweren Raub gemäß den §§ 249, 250 begangen. Vom versuchten Mord ist A jedoch durch Aufgabe der weiteren Ausführung strafbefreiend zurückgetreten. Mitverwirklicht ist selbstverständlich eine gefährliche Körperverletzung gemäß den §§ 223, 224.

Aufgeben bedeutet, dass der Täter von eben dieser konkreten Tat Abstand nimmt.[28] Ein Aufgeben liegt nicht vor, wenn der Täter lediglich mit dem Versuch der Begehung inne hält, also keinen Entschluss zum endgültigen Verzicht trifft, weil er z.B. zunächst ein anderes Tatziel erreichen will.

Beispiel

A, der die Trennung von seiner Ex-Freundin F nicht akzeptieren kann und infolgedessen ein starkes Rachebedürfnis entwickelt hat, begibt sich eines Nachts zum Haus der F und lauerte ihr mit einer geladenen Pistole auf. Als F zusammen mit einem Bekannten B das Haus verlässt, gibt er mit den Worten „Jetzt ist Schluss mit lustig“ mit bedingtem Tötungsvorsatz 3 Schüsse auf F ab. Eines der Geschosse durchschlägt F's Oberarm. B, der die Verletzung nicht bemerkt hat, versucht nun, A zu überwältigen. Dabei wird er zunächst mit der Faust und dann mit der Waffe von A geschlagen. Als er am Boden zusammensackt, bringt A die Waffe unmittelbar vor der linken Wange des B in Anschlag und gibt einen Schuss ab, der Kiefer und Zunge durchschlägt und auf der anderen Seite wieder austritt. Während A sich nun umdreht, steht B mithilfe der F wieder auf und versucht erneut, A zu überwältigen, der daraufhin nun wieder einen Schuss auf B abgibt, der den Bauchraum trifft, aber keine Organe verletzt, weswegen B sein Vorhaben fortsetzt. Da die Pistole nun leer geschossen ist, flieht A zu seinem Auto und fährt davon.

Es stellt sich die Frage, ob A von der versuchten Tötung der F strafbefreiend zurück getreten ist, indem er nach Abgabe der ersten drei Schüsse keine weiteren Schüsse mehr auf sie abgab. Dies hat der BGH[29] verneint. Er hat ausgeführt, dass A lediglich „anderweitig“ beschäftigt war, indem er versuchte, B abzuwehren, dass daraus aber noch nicht geschlossen werden könne, dass A die Ausführung der Tat aufgegeben habe. Nachdem das Magazin leer geschossen war, kam ein Rücktritt nicht mehr in Betracht, da ab diesem Zeitpunkt ein fehlgeschlagener Versuch vorlag.

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Nach überwiegender Auffassung ist – wie beim beendeten Versuch auch – ein Rücktritt nur dann möglich, wenn der Erfolg ausgeblieben ist.[30] Nach einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung soll allerdings ein Rücktritt auch dann noch in Betracht kommen, wenn der Täter sich über die Wirksamkeit seines bisherigen Tuns irrt und von einem vermeintlich unbeendeten Versuch zurücktritt, der letztlich jedoch zum Erfolg führt (misslungener Rücktritt beim unbeendeten Versuch). Dabei wird überwiegend verlangt, dass zu dem Zeitpunkt des „Aufgebens der Tat“ der tatbestandliche Erfolg noch nicht eingetreten ist. In diesen Fällen des „misslungenen Rücktritts“ wird § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 analog angewendet[31].

Dem wird jedoch von der h.M. entgegengehalten, dass eine Regelungslücke nicht erkennbar und es zudem unbillig sei, wenn das Risiko des Erfolgseintritts zwar beim beendeten Versuch nicht aber beim unbeendeten Versuch zu Lasten des Täters gehe. Zudem sei der bloße Rücktrittswille bedeutungslos, wenn es zur Tatvollendung komme.[32]

Beispiel

A gibt einen Schuss auf den im Auto fahrenden B ab, der jedoch zunächst ohne erkennbare Reaktion weiter fährt, weswegen A glaubt, B nicht getroffen zu haben. Aufgrund einer plötzlich aufkommenden mitleidigen Regung nimmt er von dem Abgeben weiterer Schüsse Abstand und kehrt um. Tatsächlich hat er B getroffen, welcher 2 Kilometer später tot am Steuer zusammensackt.

In der Klausur würden Sie vollendeten Totschlag prüfen. Nach der Schuld könnten Sie nunmehr die Frage aufwerfen, wie es sich auswirken könnte, dass A davon ausging, er habe B nicht getroffen und weitere Schüsse unterließ. Es könnte analog § 24 Abs. 1 S. 1 ein Rücktritt von einem zu diesem Zeitpunkt unbeendeten Versuch in Betracht kommen. Da der tatbestandliche Erfolg noch nicht eingetreten war und zudem nur auf die Vorstellung des Täters abgestellt wird, glaubte A zu diesem Zeitpunkt tatsächlich, er habe noch nicht alles Erforderliche getan und gab die weitere Ausführung der Tat auf. Die o.g. Literaturauffassung würde zur Straflosigkeit wegen Mordes gelangen und A nur wegen vollendeter Körperverletzung bestrafen. Die herrschende Meinung würde dem Täter wie beim beendeten Versuch auch das Risiko des Erfolgseintritts auferlegen, so dass für eine Analogie kein Raum ist.

2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › D. Rücktritt vom Versuch › VI. Rücktritt vom beendeten Versuch

VI. Rücktritt vom beendeten Versuch

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Da ein beendeter Versuch vorliegt, wenn der Täter alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges ausreichend ist, reicht ein bloßes Aufgeben weiteren Handelns nicht aus, weil eben dieses Aufgeben ja zur Tatvollendung führen würde. Ein Rücktritt vom beendeten Versuch erfordert infolge dessen, dass der Täter die Vollendung aktiv verhindert. Welche Maßnahmen der Täter zur Verhinderung treffen muss, ist umstritten.

Nach herrschender Meinung reicht es für die Verhinderung aus, dass der Täter seinen Tatvorsatz aufgibt und bewusst und gewollt eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für das Ausbleiben des Erfolges mitursächlich wird. Sofern andere, von seinem Willen unabhängige Umstände ebenfalls zur Nichtvollendung der Tat beitragen, soll dies einem strafbefreienden Rücktritt nicht entgegenstehen. Schaltet der Täter Dritte zur Rettung ein, ist wesentlich, dass bis zur Erfolgsverhinderung durch diese der Rettungswille des Täters fortbesteht.[33] Begründet wird diese, sehr großzügige Anforderung an die Rettungsbemühungen zum einen mit dem Wortlaut, der nur von der „Verhinderung“ spricht und zum anderen wiederum mit dem Opferschutz. Würde man vom Täter das Bestmögliche verlangen, könnte dies dazu führen, dass der Täter sich selbst belasten muss und aus diesem Grund die Rettung unterlässt.[34]

In der Literatur wird hingegen teilweise verlangt, dass der Täter ernsthaft und unter Ausschöpfung der optimalen Verhinderungsmöglichkeiten die Vollendung verhindern müsse. Sofern der Täter Dritte mit der Rettung betraue, müsse er diese als Anstifter initiiert oder mit Tatherrschaft gesteuert haben. Begründet wird dies im Hinblick auf § 24 Abs. 1 S. 2 mit der Vermeidung vor Wertungswidersprüchen. Müsse der Täter beim untauglichen Versuch sich ernsthaft bemühen, so könne es beim beendeten Versuch, welcher tatsächlich gefährlich sei, nicht ausreichen, wenn er nur irgendeine belanglose Handlung vornehme.[35]

Beispiel

A hat in dem Haus der abwesenden Eheleute B und C Feuer gelegt, als ihn wegen der im oberen Geschoss schlafenden Kinder plötzlich Gewissensbisse plagen. Er ruft aufgrund dessen in der Gaststätte an, in der sich die Ehefrau B befindet und erklärt ihr, dass sie sofort nach Hause kommen möge. Den Grund, warum sie nach Hause kommen soll, teilt er ihr nicht mit. Gleichwohl eilt B sofort nach Hause, entdeckt den Brand, der alsdann durch die Feuerwehr, die von B herbeigerufen wird, gelöscht werden kann, bevor er von den Gardinen auf das Haus übergreift. Um sicherzugehen, dass der Brand rechtzeitig entdeckt wird, ist A darüber hinaus selbst zur Brandstelle geeilt, wo er vor der Feuerwehr eintrifft.[36]

Der BGH hat hier zu Gunsten des A einen strafbefreienden Rücktritt vom beendeten Versuch angenommen. Von einem beendeten Versuch war auszugehen, da nach der Vorstellung des A alles Erforderliche getan war, um den Erfolg herbeizuführen. Durch das Anrufen der Ehefrau B habe A eine Kausalkette in Gang gesetzt, welche mitursächlich wurde für das Ausbleiben des Erfolges. Das darüber hinaus das weitere Tätigwerden der B den Erfolg herbeigeführt hat, soll sich nicht zu Lasten des Täters auswirken, zumal der Rettungswille bis zum Ende fortbestand, was auch daraus zu ersehen ist, dass A zur Brandstelle zurückkehrte, um zu kontrollieren, ob tatsächlich Rettungsmaßnahmen ergriffen werden.

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Wesentlich für den strafbefreienden Rücktritt ist jedoch nach allen Auffassungen, dass dieser erfolgreich war. Misslingen die Bemühungen beim beendeten Versuch, geht das Risiko des Erfolgseintritts und der Bestrafung wegen vollendeter Tat zu Lasten des Täters.[37]

Dies gilt jedoch nicht, wenn der Erfolg aufgrund von Umständen eingetreten ist, die dem Täter objektiv nicht zurechenbar sind und der Täter Verhinderungsbemühungen eingeleitet hat, die grundsätzlich für einen Rücktritt ausreichend gewesen wären („misslungener Rücktritt“ beim beendeten Versuch). In diesen Fällen soll der Täter allerdings nicht gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, sondern nach § 24 Abs. 1 S. 2 analog strafbefreiend zurücktreten.[38]

Hinweis

Eine Analogie ist hier unproblematisch, da sie sich zu Gunsten des Täters auswirkt!

Beispiel

A sticht mehrfach auf B ein, bis dieser bewusstlos zusammenbricht. A glaubt nunmehr, dass der Tod des B ohne weitere Maßnahmen eintreten werde. Als er den röchelnden B am Boden liegen sieht, überkommt ihn das schlechte Gewissen und er ruft einen Krankenwagen herbei. Trotz sofort eingeleiteter Rettungsbemühungen verstirbt B jedoch geraume Zeit später im Krankenhaus.

Hier ist kein Raum für einen Rücktritt, da der Erfolg tatsächlich eingetreten ist. Zwar hat A nach Vornahme der letzten Ausführungshandlung Bemühungen unternommen, um die Vollendung zu verhindern. Allerdings sind diese Rettungsbemühungen gescheitert. Ein erfolgreicher Rücktritt vom Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn die von A eingeleiteten Rettungsbemühungen dazu geführt hätten, dass B infolge der ärztlichen Versorgung den Angriff überlebt hätte.

Beispiel

A sticht wieder auf B ein und alarmiert danach die Rettungskräfte. Da die Stichverletzungen nicht so schwer waren, hätte B im Krankenhaus gerettet werden können. Dorthin kommt B jedoch gar nicht mehr, da der Fahrer während der Fahrt im Fußraum nach seinem herunter gefallenen Handy sucht und einen schweren Verkehrsunfall verursacht, an dessen Folgen B stirbt.

Hier ist der Erfolg zwar eingetreten, kann dem A aber aufgrund des Dazwischentretens eines Dritten nicht zugerechnet werden. Da A sich aber ernsthaft bemüht hat, den Erfolg zu verhindern, ist er gem. § 24 Abs. 1 S. 2 analog strafbefreiend zurückgetreten.

2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › D. Rücktritt vom Versuch › VII. Rücktritt vom beendeten untauglichen Versuch