Das Gesetz der Zufriedenheit

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Das Gesetz der Zufriedenheit
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Samer El Badawi

Das Gesetz der Zufriedenheit

Impressum

© NIBE Media © Samer El Badawi

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags und des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Inhaltsverzeichnis:

Vorwort des Autors

Akt 1: Ausbruch – Ist es das, was man Freiheit nennt?

Akt 2: Kalter Beton

Akt 3: Gleichwertig

Akt 4: Die Lehre eines Helden

Akt 5: Jede Scherbe spiegelt auch Licht

Nachwort des Autors

Vorwort des Autors

Ich sitze in meinem Zimmer und frage mich selbst, ob ich mit diesem kleinen Buch jemanden motivieren kann, ob es erfolgreich wird und ob es anderen Menschen helfen könnte. Alleine die Tatsache, dass der Leser sich hier meiner Geschichte annimmt und sich mit dem Gesetz der Zufriedenheit beschäftigt, stimmt mich zufrieden. Auf die Frage, die ich mir oft während des Schreibens stellte, ob dieses Buch jemanden erreicht, habe ich ja glücklicherweise schon in diesem Moment die Antwort erhalten. Im Leben geht man viele kleine mühsame Schritte, dass musste ich in meinen jungen Jahren auf die harte Weise lernen, dennoch empfand ich dies schon seit langem nicht mehr als Nachteil. Denn es gab mir die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln, und dem Leser diese Geschichte zu präsentieren. Irgendwann drehte ich mich nach einigen mühsamen kleinen Schritten um und sah, dass ich doch in sechs Jahren schon einen ganz schön langen Weg hinter mich gebracht habe. An dieser Stelle entschied ich mich, meine Geschichte zu dem zu machen was der Leser heute als “Das Gesetz der Zufriedenheit” in seinen Händen hält und hoffe, dass es ihm oder ihr beim Reflektieren der eigenen Situation möglicherweise eine Hilfe ist. In diesem Sinne wünsche ich jedem einzelnen meiner Leser ein Leben in Zufriedenheit und Erfolg.

Akt 1: Ausbruch – Ist es das, was man Freiheit nennt?

Ein junger Jugendlicher Anfang 14. Er trägt ein schwarzes T-Shirt und eine graue Hose, er ist sehr schlank, schon fast schlaksig und ca. 1,75 groß und hat wuschelige schwarze, nein eher dunkelbraune Haare. Er sitzt in einem Zug Richtung einer Hafenstadt an der Nordsee. Es ist eine Jugendreise, auf die ihn seine Mutter, eine sehr strenge, aber auch liebevolle Frau, die dennoch viel mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hatte, und sein Stiefvater, ein Kickboxtrainer und ein etwas weniger energischer Mann, der trotz alledem wusste, wie man sich durchsetzt wenn es darauf ankam, in seinen Ferien schickten. Ob es war, um ihre Ruhe vor ihren 3 Kindern zu haben? Vielleicht auch einfach, damit das Kind mal rauskommt. Es war nicht relevant für ihn aus welchem Grund er nun verreiste. Vielleicht war es ja „ein Kompromiss aus beidem“, dachte er sich.

So dauerte es nicht lange, bis ein scheinbar ein bis zwei Jahre älterer Junge mit blonden mittellangen Haaren und Sommersprossen im Gesicht ihn bemerkte und ihn innerhalb einer gemischten Gruppe aus Jungen und Mädchen unterschiedlichsten Alters und Herkunft fragte: „Hey, hast du, beziehungsweise habt ihr nicht Lust, wenn wir angekommen sind, Fußball am Strand zu spielen?“

Der Junge mit den dunkelbraunen wuscheligen Haaren freut sich sichtlich über die Frage und antwortete: „Ja sehr gerne, mein Name ist Emil!“ Nun drehte der ältere Blonde sich lächelnd zu dem jungen Emil mit den wuscheligen braunen Haaren um und grinste ihn mit breitem Grinsen aufgeschlossen an.

„Freut mich, dich kennenzulernen, Emil!“, entgegnete der etwas ältere Jugendliche, „Ich bin Maxi“. Es scheint im Allgemeinen eine sehr freundliche und lockere Atmosphäre im Zug zu sein. Was natürlich keiner wusste war, dass Emil aus einer sehr strengen Familie kam, und er momentan sehr froh war, ein wenig Abstand zu haben.

Denn er fühlte sich in letzter Zeit sehr unterdrückt, und die Gewalt, die ihm in seiner Familie teilweise mit unnötiger Härte zuteilwurde, verschlimmerte die Situation sehr. Emil dachte sich, dass wohl jeder seine eigenen Probleme habe und wollte auch niemanden unnötig mit seinen belasten, und dass jemand schlecht über seine Familie denken würde, wenn jemand die Zustände sähe. Außerdem war ja auch viel Gutes in der Familie, nur überwog von Zeit zu Zeit das Negative, so dass Emil froh war, auf diese Jugendreise mitfahren zu können.

Nichts desto trotz freute sich Emil über den Urlaub und wollte das Beste daraus machen. Kaum in der Hafenstadt angekommen und dem Zeltlager zugeteilt, begangen schöne Wochen voller neuer Bekanntschaften und kleinen Herausforderungen. Außerdem: Wie sollte es auf einer Jugendreise ohne Eltern auch laufen, die ersten Annäherungsversuche der Jugendlichen?

Emil und die anderen Jugendlichen spielten den Tag über Gemeinschaftsspiele, aßen und tranken zusammen und gingen fast jeden Abend an einem langen Strand spazieren.

Es waren einige komplett neue Erfahrungen für Emil. Er genoss die Freiheiten, die er hier hatte, und freundete sich mit so vielen Jugendlichen wie möglich an. Zuhause hatte der kleine Junge nicht viele Freunde und galt als Außenseiter in seinem Gesellschaftsumfeld. Seine Brüder, zum einen seinen Zwillingsbruder Erik und zum anderen seinen kleinen Bruder Dario, vermisste er wohl einige Male, aber er wusste, dass diese wohl auch eine schöne Zeit genossen. Er wusste seine Emotionen noch nicht zuzuordnen, er war nicht in der Lage, in seinen jungen Jahren zu reflektieren.

Emil war von den Annäherungsversuchen der Mädchen nicht ausgeschlossen, sowohl ihm dieses Verhalten auch gänzlich unbekannt war, so war ihm klar, dass ihm so etwas strikt verboten war.

Er nutze die Situation dennoch zu seinen Gunsten, um erste Erfahrungen im Kennenlernen von Mädchen zu machen. Abgesehen vom schulischen Kontakt hatte der Junge mit den wuscheligen dunkelbraunen Haaren und dem schwarzen T-Shirt nie auch nur versucht, Regelungen zu hinterfragen. Er fragte sich nie, ob er diese Regeln hinterfragen müsste. Warum ein funktionierendes System von Erziehung hinterfragen?

Doch es war, als würde Emils Ansicht zerbrechen, als er merkte, dass sich in ihm langsam das Gefühl der Unzufriedenheit breitmachte.

Er machte sich eigentlich auch nie viel aus den Frauengeschichten seine Mitschüler, und doch war er dem Interesse eines Mädchens verfallen. Schneller als er gucken konnte, schien er sich verliebt zu haben. „Liebe“, ein lächerlicher Begriff für einen jungen Jugendlichen, doch nur so konnte er sich sein Verhalten erklären.

Ein komisches Gefühl dachte er und freute sich, wenn dieses ihm vorher noch nicht einmal wahrgenommene Mädchen die Nähe zu ihm suchte.

Gleichzeitig beobachtete er das Verhalten der ganzen Gruppe untereinander. Emil beobachtete die Menschen schon immer gerne. Ihr Verhalten war interessant. Er konnte es weder zuordnen noch nachvollziehen; zumindest nicht in diesem jungen Alter.

Die Tage vergingen, und je mehr Emil in seiner fast absoluten Freiheit darüber nachdenken konnte, wie eingeschränkt er bisher lebte, umso mehr wünschte er sich, dass sein Leben eine andere Richtung nehmen würde.

Doch welche Richtung sein Wunsch mit sich bringen würde, hätte er damals nie erahnen können. Emil setze Konsequenzen mit Strafen gleich; ein Fehler, den ihm seine Erziehung einbrachte. Eine Konsequenz war keine einfache Reaktion. Es war ein negativer Ausdruck.

Er wollte keine Konsequenz. Gleichzeitig machte sich immer weiter ein Gedanke breit: Der Gedanke vom Vogel im Vogelkäfig. Einem Vogel, der die reale Chance sah auszubrechen.

Er sprach auch nicht sonderlich gerne über die Probleme, die ihn Zuhause plagten.

Aber als für andere selbstverständliche Situationen auftraten in denen Emil keine Erfahrungen hatte, wie zum Beispiel Flaschendrehen, oder das typische Gequatschte unter Jugendlichen, welches Mädchen man hübsch fände, oder ob man eine Freundin habe; bei diesen Gesprächen wurden die anderen Jugendlichen misstrauisch und hinterfragten seine Lebensweisen und seine strenge Erziehung. Sie machten ihn drauf aufmerksam, dass seine Erziehung absolut nicht „gesund“ sei.

 

Eine gesunde Erziehung? Wer könnte sie in unserer Zeit durchsetzen? Hatte nicht jede Familie ihr Päckchen zu tragen?

Emil fragte sich, ob die Leute ihm helfen wollten, oder nur die Intention hatten, ihm seine Familie schlecht zu reden.

So entschied er, er würde seinen eigenen Weg gehen, sich distanzieren, ohne irgendjemandem die Schuld dafür zu geben. Er wollte sich bei dem Gedanken an die Freiheit nicht mit Schuld für irgendjemanden auseinandersetzen.

Denn wer Fehler in Menschen sucht, der wird immer auf Fehler treffen.

Als Emil die Veränderung der Einstellung der Gruppe zu ihm wahrnahm, tat er, was Jugendliche nun mal tun, um ihren Platz in einer Gruppe zu sichern. Er verstellte sich und gab den anderen den Emil, den sie sehen wollten.

Mit den Wochen merkte er immer mehr, wie er sein Denken zu vielen Dingen, z. B. seine Lebensweise und seine Erziehung, hinterfragte. So manifestierte sich immer mehr der Wunsch in Emil, doch selber entscheiden zu können, wie er leben wolle.

Nur wusste Emil, dass es nicht so einfach gehen könnte. Ein Gefühl aus Unbehagen und Angst machten sich breit; immer mehr und mehr, je näher die Fahrt zurück in seine Heimatstadt rückte.

Doch Emils Entscheidung stand fest, er wollte seine Situation ändern und ein Leben wie jeder andere führen dürfen. Er wollte selbst kontrollieren können, welchen Weg er ginge, und er wollte seine eigenen Entscheidungen treffen.

Lächerlich? Seine eigenen Entscheidungen treffen zu wollen in einem Alter, in dem die Eltern der Mittelpunkt der Erziehung sind? Wie sie mit Problemen des Kindes umgehen und wie sie in gewissen Situationen reagieren, prägen das Kind ein Leben lang.

So vergingen die nächsten Wochen, und die Rückfahrt in seine Heimatstadt stand an. Emils Entschluss stand nun fest. Er war bereit, sich von seinen Eltern zu trennen und wollte seinen eigenen Weg finden.

Emil und die restlichen Jugendlichen verabschiedeten sich voneinander, tauschten noch ihre Nummern aus und gingen nun alle ihrer Wege. So tat es Emil ihnen gleich. Nach einer einstündigen Fahrt, in der sich das Unbehagen immer mehr anstaute, stand er nun da. Direkt vor seiner Haustür. Ein großes weißes Gebäude, in der Emils Familie eine Dreizimmerwohnung gemietet hatte.

Bevor er die Wohnung betrat, sagte er zu sich selbst: „Ich bin der Letzte ohne Fehler, das weiß ich, aber meine Entscheidung zu gehen, steht fest. Vielleicht komme ich eines Tages wieder, doch egal was gleich passiert, heute gehe ich.“

Es war wichtig für ihn, dieses eine Ziel einzuhalten. Wenn er das Haus nun betrat, war das einzige Ziel, dieses auch wieder zu verlassen. Sich ein Ziel zu setzen, das unkomfortabel für ihn war, das war das Schwerste für den kleinen jugendlichen Emil.

Sein Herz pochte wie noch nie in seinem Leben zuvor. Er war nervös und voller Angst und Zweifel; jetzt wo es soweit war, seine Entscheidung mit seinen Eltern zu teilen. Er war sich sicher über die Reaktion seiner Mutter und hatte teilweise auch einfach Angst vor dieser.

Er wusste, er würde gleich auf Konfrontation mit seinen Eltern gehen, und er war bereit, die möglichen Konsequenzen ein letztes Mal hinzunehmen, um seine Situation ein für alle Mal zu ändern.

Doch selbst während dieses Gedankens ging ihm immer wieder durch den Kopf, dass seine Eltern es auch nie leicht hatten. Er konnte ihr Verhalten, so unfair er es auch fand, irgendwie nachvollziehen.

Er dachte auch an die vielen schönen Zeiten, denn es war bei weitem nicht alles immer schlecht. „Doch manchmal muss eine Trennung sein, um Änderungen im Leben eines Menschen möglich zu machen“, dachte sich Emil.

So drückte er diese weiße, für das ganze Haus standardisierte, Klingel mit ihrem grellen Ton. Emil leerte seine Gedanken und versuchte sich zu beruhigen. Unkomfortable Situation durchzustehen, das war der einzige Weg zu wachsen und seinen nächsten Schritt zu finden. Zu realisieren, dass jedes Kapitel, das endet, nicht das Ende seiner Geschichte sein musste, gab ihm Kraft.

Die Tür ging auf und er wurde begrüßt. Emil sah, dass sein Zwillingsbruder, dem er wie aus dem Gesicht geschnitten glich, und sein kleiner blonder Bruder nicht Zuhause waren.

Ihm ging so vieles gleichzeitig durch den Kopf, aber die laute Stimme seiner Mutter holte ihn wieder zurück in die Realität, denn es dauerte nicht lange, da war ein Grund zum Streiten gefunden. Es war eine schwierige Situation. Finanziell instabil, emotional instabil und trotzdem gab sie ihr Bestes, um ihren Kinder eine Zukunft zu ermöglichen. Doch ihre eigenen negativen Lebenserfahrungen belasteten sie sehr. Emil sah dies in den Augen seiner Mutter. Er hörte es, wenn sie am Abend weinte. Es brauchte alles seine Zeit. Wenn ihm seine Mutter eine Sache beigebracht hatte, dann das: Egal wie oft dich das Leben niederringt, stehst du wieder auf, und der Kampf geht weiter. Seit Jahren änderte sich die Familiensituation nicht mehr, und diese Dauerstressbelastung war Emils Meinung nach der Grund dafür, dass die Verhältnisse innerhalb der Familie immer mehr bröckelten.

Seine Mutter sah in seinen Augen, dass er diesmal nicht weichen würde. Der Schmerz in Emils Brust saß tief, als seine Mutter nach der Konfrontation weinte, denn dieses Mal wusste sie: Ihr Sohn würde gehen! Dieses Mal würde er nicht mehr so schnell zurückkommen. Sein Herz war mit Hass und Trauer geflutet, er hasste für einen Augenblick seine Mutter und sich selbst. Doch dann leerten sich seine Gedanken und die Beleidigungen, Angriffe und Vorwürfe machten es ihm einfach, den nächsten Schritt zu gehen. Es war eine Leere, die Emil schützte. Die Leere, die ihm zeigte: „Dir kann nun nichts mehr geschehen, gleich hast du es geschafft.“

Er griff nach dem Telefon, um seinen leiblichen Vater anzurufen. Mit zittriger, aber entschlossener Stimme fragte er: „Papa, kannst du mich abholen?“

Emils Eltern, seine leiblichen Eltern, lebten schon, seitdem er klein war, getrennt voneinander und, so sahen er und seine beiden Brüder ihren leiblichen Vater, ein durchs Leben gezeichneten Mann, der selbst viel durchmachen musste und als Einwanderer nach Deutschland kam, nur alle 14 Tage am Wochenende. Auch wenn seine Mutter nie wollte, dass sie die Streitigkeiten mit ihrem Vater mitbekamen, sahen sie es ihr sofort an – die Trauer, die Gewalt und die Bedrücktheit, wenn sie als Mutter nicht weiterwusste, aber trotzdem versuchte, das Beste für ihre Söhne herzugeben.

„Es war nicht immer alles schlecht" dachte sich Emil im Inneren und wusste, dass die Distanz vielleicht in diesem Moment wehtuen und er seine Brüder vermissen würde. Seine Mutter war unglaublich stark und hielt unglaublich vielem Stand. Als kleines Kind konnte er das noch nicht wirklich wahrnehmen. Er wusste ja auch noch gar nicht, welche Probleme diese Welt da draußen mit sich bringen sollte. Seine Mutter versuchte ihn nur mit aller Härte in einem sicheren Käfig zu hallten. Doch Emil war nicht dafür gemacht, in diesem Käfig zu leben.

Er wusste, dass er ein anderes Leben führen wollte, ein friedliches, normales Leben. Nicht mal die Normalität war es, die ihn antrieb, es war der Wunsch, Zufriedenheit in seinem Leben zu verspüren, und dies war in der momentanen Situation einfach nicht der Fall. Doch die Situation der Trennung war keineswegs zufriedenstellend. Musste der Mensch leiden, um voran zu kommen?

Emil, selbst unter Tränen und tiefem Schmerz in der Brust, packte seinen Koffer mit ein paar Klamotten. Ohne wirklich darauf zu achten, ob er überhaupt die richtigen Sachen einpackte, fragte er sich, was wohl mit seinen Brüdern passieren würde, wenn er jetzt weg war.

Er fragte sich so viel mit seinen jungen 14 Jahren: Wie wohl seine Zukunft jetzt verlaufen würde, was die nächsten Schritte waren und ob er jetzt wirklich glücklich werden würde. Er hatte Angst, den falschen Weg zu gehen. Doch Angst würde sein Leben von nun an begleiten. Angst war wichtig für seinen Werdegang. Angst würde ihn überleben lassen, und Angst würde ihm die Möglichkeit geben, an sich selber zu wachsen.

Er wusste nicht, dass das Leben ein Kampf war, und dass es wahrscheinlich sein ganzes Leben brauchen würde, um Zufriedenheit zu erlangen. Das einzige was er wusste, war, dass er einen Schritt gegangen war, mit dem er ein Risiko eingehen würde: Das Risiko, sein ganzes Leben lang unzufrieden zu leben.

Es war Ironie an sich, diese Unzufriedenheit in sich zu verursachen, nur um Zufriedenheit zu erlangen.

Alle redeten auf ihn ein, und seine Mutter sagte: „Du wirst es bereuen, gegangen zu sein! Du wirst in ein paar Wochen hier wieder angekrochen kommen, du undankbares Stück Dreck!“

Seine Großmutter, eine liebevolle Dame, die extra zu Besuch kam, erlag nun auch ihren Tränen. Doch selbst sie schien zu wissen, dass es fürs Erste die richtige Entscheidung wäre zu gehen. Doch ihre Mimik war mit Trauer gefüllt, sie war so traurig. Es wurde für Emil nur noch schwerer, diesen Schritt zu gehen. Doch er hatte das Ziel, als er sein Haus betrat, nicht vergessen. „Heute schaffe ich es hier raus.“

So lächerlich es klingen mag, Emil wusste, dass viele der Anschuldigungen nur aus Trauer entstanden, und so nahm er diese kommentarlos hin, ohne sich zu rechtfertigen. Auch die Gewaltausbrüche, die ihn nur indirekt trafen; sie konnte ihm keinen Schaden mehr zufügen. Er war den Angriffsversuchen gegenüber gleichgültig.

Nun, nach ca. 20 Minuten, traf sein Vater ein. Sein Vater betrat weder das Haus noch die Wohnung der Familie und wartete draußen vor dem Auto mit seinen lockigen schwarzen Haaren, und ein kleines gehässiges Grinsen auf dem Gesicht, das aussagte: „Ich habe gewonnen“. Emil nahm es wahr, doch beachtete es nicht weiter und stieg ins Auto.

Sie fuhren ca. eine halbe Stunde, und er bekam nun ein Zimmer in der Wohnung seines Vaters eingerichtet. Eine schöne Wohnung, verziert mit vielen Mitbringsel aus Urlauben und Bildern aus vergangen Tagen seines Vaters.

Er erinnerte sich, dass er, als er drei oder vier Jahre alt war, für kurze Zeit in diesem kleinen Zimmer lebte, und mit einem Sturm aus verschiedensten Gedankengängen legte er sich nun in sein neues Bett, um nach der Aufregung zur Ruhe zu kommen.

Er konnte aber nicht schlafen, denn er fragte sich bis tief in die dunkle Nacht, ob er das Richtige tat und ob das, was ihm über die letzten Jahre an Gewalt und Unbehagen widerfahren war, es wirklich rechtfertigte zu gehen. Er fragte sich, was seine Brüder über ihn denken und wie sie reagieren würden. Doch irgendwann, gegen ca. vier Uhr morgens, erlag der Körper der Müdigkeit und Emil schlief ein.

Er träumte. Er träumte, wie er als erwachsener Mann mit Freunden in einem Garten saß. Sie lachten alle und waren zufrieden; ein schöner Traum. Keine Sorgen verfolgten ihn in diesem Traum, sie schienen so glücklich, die Leute, die um Emil herumsaßen. Keine Armut, keine Gewalt, keine ungebildete engstirnige Meinung; ein Szenario der Zufriedenheit von verschiedensten Menschen.

Am nächsten Tag frühstückte Emil, und sah sich alte Animes und Cartoons im Fernsehen an. Er merkte eine ungewöhnliche Gleichgültigkeit den Geschehnissen von gestern gegenüber. War das alles ein einfacher Schutzmechanismus seiner eigenen Psyche?

Da sein Vater als Detektiv arbeitete, war er von morgens bis abends nicht Zuhause. Aus Langweile überdachte Emil sein eigenes Verhalten. War er dabei, depressiv zu werden oder war es normal nach der Trennung, Gleichgültigkeit zu entwickeln? Er fand keine zufriedenstellende Antwort.

Meistens aßen sie zu Abend, wenn sein Vater wieder zurück war. Aber Emil sprach nicht mehr viel dabei. Er war in letzter Zeit Gefangener seiner eigenen negativen Gedanken, egal ob in seinen Träumen oder im ganz normalen Alltag. Ihn schien die innere Unruhe nicht in Frieden lassen zu wollen. Doch er schwieg. Er fraß diese negativen Gedanken als junger Jugendlicher in sich hinein. Wen sollte es auch interessieren?

Er bekam Geld, einen Haustürschlüssel und Zugang zu allen Räumlichkeiten, um sich selbst zu versorgen. So fing er an, sich mit Freunden zu treffen und neue Leute kennenzulernen.

Er lenkte sich immer mehr von den inneren Unruhen ab, bis sie im Hintergrund verschwanden. Doch Ablenkung lässt ein Problem nicht verschwinden und auch diese Erfahrung sollte Emil bald machen.

 

In den ersten Monaten schien alles nach Plan zu verlaufen, doch Emil war unerfahren und wusste nicht wo genau, seine Grenzen lagen. Auch hatte er einen gewissen Reiz daran gefunden, seine Grenzen in jeglicher Hinsicht bis an die Spitze zu treiben.

Seine Reize an die Spitze zu treiben, dieses Verhalten sorgte dafür, dass er sich lebendig fühlte. Doch dieses Verhalten ist nicht immer von Nutzen. Seine Grenzen zu testen gehörte dazu; sich selbst mit Absicht zu schaden, nicht. Auch das sollte Emil bald lernen.

Sein Vater distanzierte sich mit der Zeit immer mehr von ihm und kümmerte sich immer mehr um seinen eigenen Alltag; das war für Emil auch vollkommen in Ordnung. Es war ihm fast völlig gleichgültig. Er hatte doch nichts mit diesem Fremden zu tun, der sich sein Vater schimpfte; nichts zu besprechen und keine gleichen Interessen.

Doch merkte er auch, dass sein Vater sich allem Anschein nach mit vielen Frauen traf. Sein Vater blieb immer öfter auch Abende weg, und so verbrachte Emil viel Zeit mit Cartoons und Animes und fing teilweise, auch aus Langweile, mit Sport an.

Emil war vom Körperbau her ein Schwächling; fünfzig Kilo brachte er momentan auf die Waage, und kein Muskel war ausgeprägt.

Seine Schulkameraden ließen ihn auch gerne spüren, dass er der Schwächling war. Ob sie seine Sachen auf der Straße vor seiner Schule ausschütteten, oder ihn provozierten, um sich vor ihrer Gruppe als starken Mann darzustellen, weil sie den Schwächsten attackierten, den sie in die Finger bekamen. Mit jeder Aktion gegen ihn, gegen die er nichts unternehmen konnte, stieg die Aggression in ihm. Er entwickelte Hass und Hass war gefährlich, nicht kontrollierbar. Hass setz den logischen Menschenverstand außer Kraft und formt uns zu dem Negativ unserer selbst. Emil trainierte nur aus Hass diesen Menschen gegenüber. Er stellte sich vor, sie das nächste Mal fertig zu machen, auch wenn dieser Tag nie wirklich kommen würde.

Doch er wurde durchaus selbstbewusster und zeigte bei jeder neuen Situation ein wenig mehr seine Zähne. Manchmal musste er dafür einen Faustschlag einstecken, denn die armselige Jugend suchte sich keine Gegner, sie suchte sich Opfer. Emil wollte nun ein Gegner werden. Er erkundigte sich viel über das Thema Kampfsport. Erst in der Theorie, dann in Praxisübungen zuhause. Er sah Filme und erkannte sich in vielen der Menschen wieder. Sie litten und erreichten am Ende ihr Ziel. Leider war sein Leben kein Film, und etwas zu trainieren und tatsächlich in einer Stresssituation abzurufen, das waren zwei unterschiedliche Welten.

Doch mit jedem Schlag, bei dem er bei einem Übergriff auf ihn noch stand, wurde er mehr und mehr ein Gegner. Auch wenn er niemanden fertig machte und der Held der Geschichte war. Allein die Tatsache, dass er sich verteidigen konnte, schreckte genug der Jugendlichen ab. Zwar musste er sich weiterhin mit dummen Sprüchen auseinandersetzen, aber hier lernte er, diesen keine Beachtung zu schenken.

Bis Spätabends unterwegs zu sein, was er normalerweise nie gedurft hätte, und machen zu können, was er wollte, war ungewohnt für den kleinen Jungen. Auch das er neues Selbstbewusstsein im Kampfsport fand, war in seiner Negativität nicht unbedingt das Beste. Denn das, was er aus seinen wenigen Trainingsstunden mitnahm, war einzig und allein der Gedanke, andere zu verletzen und nicht sich zu verteidigen, wenn es keinen anderen Weg gäbe.

Er hatte keine Einschränkungen und fragte sich selbst an einem Punkt, als er spätabends bei Freunden auf dem Balkon saß: „Fühlt sich so Freiheit an, oder ist nur niemand in der Lage, sich um mich zu kümmern?“ Seine Freunde hatten keine wirkliche Antwort. Sie schienen eher verwirrt über seine Gedanken zu sein.

Er fragte sich, ob es vielleicht ja die normale Entwicklung eines Kindes sei, sich frühzeitig von seinen Eltern zu trennen. Doch nach kurzer Überlegung stellte er fest, dass das nicht sein konnte. Er sah es ja in seiner Umgebung. Er sah es in jedem Bus und jeder Bahn; die vielen glücklichen Familien. Er gönnte es niemanden, nur weil er selbst unzufrieden war. Ein egoistisches Denken, das kein Mensch verdient hatte, doch so war es nun mal.

Das Problem war nun, das Emil alles machen wollte. Nicht nur das, was ein Jugendlicher in seinem Alter normalerweise tut, sondern auch weit über diese Grenzen hinaus. Mit jedem Schritt der Gleichgültigkeit, die er in seiner Seele wahrnahm, brach er eine Regel mehr, und bewegte sich in langsamen Eskalationsstufen immer weiter in Richtung Abschaum der Gesellschaft.

Er wollte rauchen, trinken und alle Regeln brechen – vielleicht aus Frust über seine Situation, vielleicht um Aufmerksamkeit zu erhalten, vielleicht um sich cool zu fühlen; er wusste es selbst nicht genau.

Emil wurde mit jedem Tag trotziger.

Bald waren die Tage seine Ferien von Alkohol und Freunden begleitet; von falsche Freunden, die nur zum Konsum von Berauschungsmitteln verabredet waren und unter dem Deckmantel der Freundschaft verschiedensten Substanzen zu sich nahmen. Nach Alkohol und Zigaretten folgten die „harmloseren Drogen“, dann stärkere chemische Stoffe. Emil verlor den Bezug zur Realität. Er merkte nicht, in welche Richtung er sich entwickelte.

Emil, so unerfahren wie er war, beachtete dieses Verhalten nicht weiter, doch zugleich beobachtete er die Veränderungen, die seine angeblichen Freunde unter Drogen mit der Zeit mitmachten. Er sah Alkohol, Marihuana, LSD und viele weitere verbotene Substanzen.

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