Leck mich! - Sinnlich

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Leck mich! - Sinnlich
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Sarah Jenkins

Leck mich! - Sinnlich

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Verführ mich! (Nina und Jonas)

2. Verheißungsvoll (Mia und Elias)

3. Süße Lust (Nela und Sophie)

Impressum neobooks

1. Verführ mich! (Nina und Jonas)

"Entschuldigung", sagt der junge Mann mit der näselnden Stimme und zieht den Stuhl geräuschvoll zurück, dass die gesamte erste Lese-Reihe der Bibliothek genervt aufschaut.

Nina reagiert nicht und starrt mit eingeschlafenem Blick auf den Bildschirm vor ihr.

"Entschuldigung", sagt der junge Mann erneut.

"Jahaaaa", antwortet Nina jetzt doch und zieht das kurze, einsilbige Wörtchen absichtlich lang, um ihm eindrucksvoll zu verdeutlichen, dass sie schließlich nicht taub ist.

"Können Sie mir bitte einen Gefallen tun?"

Fragen wie diese sind der Bibliothekarin Nina inzwischen verhasst. Sie sind nichts weiter als ein rhetorisches Sammelsurium und hängen ihr zum Hals heraus. All diese stets ein bisschen zu verzweifelt klingenden Sätze: "Ich find das Buch nicht … Aber das Buch steht da nicht … Ist das Buch wirklich zurückgegeben worden? … Sie müssen sich irren … in Regal E20 hab ich schon geguckt ... und so weiter und so fort.

Manchmal fragt sich die junge Frau, die mit ihren 37 Jahren so jung gar nicht mehr ist, und die seit nunmehr vier Jahren als Bibliothekarin an der Goethe-Universität arbeitet, wie all diese sich die Haare raufenden Leute bloß ihr Studium abschließen wollen, wo sie doch größtenteils nicht einmal imstande zu sein scheinen, ein Buch zu finden.

"Können Sie mir jetzt helfen oder nicht?"

Der Student sieht sie mit großen flehenden Augen an. Sein Gesicht hat die Farbe eines Feuermelders. Offensichtlich steht er unter immensem Druck, und weil Nina niemand ist, die ihre eigene Unzufriedenheit an ihren Mitmenschen auslässt, schenkt sie ihm ein aufmerksames, aber etwas steifes Lächeln und hat das Gefühl, in letzter Sekunde verhindert zu haben, dass der Feuermelder vor versammelter Mannschaft in Tränen ausbricht.

"Ich suche das Buch mit der Signatur: FRDlW153. Entweder ist es nicht zurückgebracht worden oder ich habe Tomaten auf den Augen."

Nina kennt diese Ausreden nur zu gut, checkt aber sicherheitshalber die Signatur im Computersystem. Sie prüft den Standort des Regals und geht kurzerhand mit dem resignierend wirkenden Studenten gemeinsam zur Reihe, wo sie die Publikation: Metallorganische Reagenzien in der organischen Synthese im Nullkommanichts aus dem Regal zieht und ihm herüberreicht.

"Ist es das?" Sie lächelt betont freundlich.

"Ja, das ist es!" Seine Augen leuchten wie die eines Kindes bei der weihnachtlichen Bescherung. "Ich liebe Sie!", sagt er überschwänglich. "Sie haben mich vor dem sicheren Tod gerettet. Ich könnte sie küssen!"

Mit dieser Aussage entlockt der offensichtlich Überglückliche der von ihrem Job gelangweilten Nina ein herzliches Lächeln. Das hat sie an diesem eingestaubten Ort schon eine ganze Weile nicht mehr getan.

"Schön, wenn ich dir helfen konnte!"

Zurück an ihrem Schreibtisch, einem hässlichen Möbelstück aus dem Kellerfundus, beginnt sie die zurückgebrachten Bücher zu sortieren, während sie sich an einen anderen Ort träumt.

Physik, drittes Regal links, Mathe auf den Wagen unten, Literatur auf den Wagen oben. Neuere deutsche Literatur - Expressionismus und Hugo von Hofmannsthal: seit einer Woche überfällig ... zwei vorgemerkte Medien. Ich schlaf gleich ein.

Während sie die Bücher auf vergessene Notizen kontrolliert, schweift ihr Blick durch die Lesereihen, wo die werten Hoheiten es wieder einmal nicht für notwendig gehalten haben, die gelesenen Bücher im Anschluss in die Regale zurückzubringen. Sie muss nicht nachzählen, sie erkennt aus der Entfernung, dass mehr als fünfzehn Bücher auf den Tischen liegengeblieben sind.

Was glauben die eigentlich, wo die hier sind? Ich bin doch nicht deren persönliche Putzfrau!

"Hey, Nina, du hast es ja gleich geschafft!"

Vor ihr steht Kai, ein geselliger Mittzwanziger mit Bürstenschnitt und Ohrlöchern mit dem Durchmesser eines Weinkorkens. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und hilft in der Bibliothek manchmal aus. Nina ist froh, dass er heute ausnahmsweise pünktlich ist.

"Ein Glück!" Sie rollt erleichtert mit den Augen.

"Und was machst du heute noch Schönes?"

"Schlafen", sagt sie knapp, "bin hundemüde."

Dass sie vorhat, sich im neuen Shopping-Center ins Getümmel zu stürzen, verschweigt sie ihrem Kollegen. Small Talk ist nicht ihr Ding. Sie hat gelernt, Berufliches von Privatem zu trennen und gilt in der Kollegenschaft deswegen ein bisschen als spröde.

"Okay, ich bin weg!"

Hastig wirft sie ihren Trenchcoat über den Arm und schnappt sich ihre Tasche.

"Schönen Feierabend", ruft Kai ihr nach und wirft ihr eine Kusshand zu, die Nina, die ihm bereits den Rücken zugekehrt hat, jedoch nicht sieht.

Auf dem Weg zu ihrem Fahrrad, dass sie, wie jeden Morgen, extra ein Stück vom Universitätskomplex entfernt abschließt, damit sie noch ein paar Schritte zu Fuß gehen kann, bevor sie neun Stunden auf ihrem Hintern sitzt, holt sie aus ihrer Tasche einen Apfel und beißt herzhaft hinein. Dabei studiert sie den Flyer mit den Eröffnungsschnäppchen, den sie heute Morgen aus ihrem Briefkasten gefischt hat. In freudiger Erwartung schwingt sie sich dann auf ihren Drahtesel und tritt zügig in die Pedalen. Die Bewegung tut ihr gut, sie genießt den frischen Wind in ihrem Gesicht, der sie auf der Stelle wieder munter werden lässt.

Vorne an der Kreuzung, Ecke Sophien-Weg, biegt sie in die Seitenstraße ab, wo sie die großen Leuchtbuchstaben des Einkaufskolosses schon aus der Entfernung sehen kann.

Na dann wollen wir uns mal ins Getümmel stürzen!

Als sie den Hotspot der Begierde betritt, ist sie froh, dass es unter der Woche ist. Die Geschäfte sind nicht überfüllt, einige sind sogar ausgesprochen leer. Nina hasst nichts mehr als volle Läden und Massenaufläufe von Menschen die Dinge im Übermaß kaufen, weil sie im Angebot sind.

Ich könnte ein paar Jeans gebrauchen! Oh, und was sind das für wundervolle Kleider? Polyester oder Baumwolle? 80 Prozent Chemiefasern - nein danke!

Etwas orientierungslos stöbert sie durch den Laden, probiert den einen oder anderen Blazer an, setzt ein paar Hüte und Sonnenbrillen auf und schlüpft aus einer Laune heraus in ein paar petroleumblaue High Heels.

Hilfe, nein, das ist nichts für mich!

Nachdem sie den Laden fast vollständig abgegrast und nichts Passendes gefunden hat, bleibt sie in der Unterwäsche-Abteilung hängen.

So schön, wie diese Slips aussehen, sie müssen furchtbar unbequem sein!

Sie fährt mit den Fingerspitzen über den Stoff eines schwarzen Strings, den sie wie Beweismaterial kritisch untersucht und von links auf rechts dreht.

Pah! Nicht mal im Schritt ist Baumwolle verarbeitet. Wer zieht so etwas gern an? Diese Höschen sind nur aus männlicher Sicht heiß! Vermutlich wurden sie auch von Männern entworfen. Kein Wunder, die müssen diesen zwickenden Hauch von Nichts ja nicht tragen!

Nina schüttelt den Kopf. Als bräuchte sie für ihre, in ihren Augen exzellente Höschen-Analyse eine zusätzliche Bestätigung, schaut sie auf das Preisschild, das beinahe größer als der Stoff ist. Genugtuung durchflutet sie.

Wie bitte? 14,95 Euro für so ein klitzekleines Spitzendeckchen?

Als habe sie ein Geheimnis aufgedeckt, steuert sie zufrieden die Seite in der Abteilung an, in der die Slips hängen, die für die sexy Nummer gänzlich ungeeignet sind. Liebestöter. Aber so bequem! Und so tolle Farben und Muster! Oder doch lieber ganz klassisch in Schwarz?

Während sie bei einem 5er-Pack bequem aussehender Baumwoll-Slips nach der richtigen Größe stöbert, merkt sie aus dem Augenwinkel, wie sie aus der Ferne von jemandem beobachtet wird.

Ist das der Hausdetektiv?

Sie dreht sich ein Stück zur Seite, dann verschwindet sie hinter einem der diversen Strumpfhosen-Regale, um kurzerhand festzustellen, dass der Typ noch immer da ist. Und noch immer zu ihr rüberschaut!

Lächelt der etwa mich an?

Prüfend dreht sie sich um, doch außer ihr steht niemand an den Regalen. Ein Schleier konfuser Gedanken flattert durch ihren Kopf.

Der Typ beobachtet mich doch wohl nicht etwa, weil er denkt, dass ich hier was klauen will? Der kann unmöglich mich meinen! Nina, du brauchst wirklich langsam eine Brille!

Der junge Mann setzt sich in Bewegung. Als er näher kommt, erkennt sie ihn. Es ist einer der Studenten aus der Bibliothek. Sie kennt ihn natürlich nicht persönlich und nur vom Sehen, aber er war in den letzten Wochen fast täglich im Lesesaal. Obwohl ihr Fluchtreflex einsetzt - sie hat jetzt wirklich keine Lust zu plaudern - bleibt sie stehen.

 

"Hey", sagt der Typ höflich, "kann ich dir helfen?"

Seine Stimme, er scheint kaum älter als dreiundzwanzig zu sein, klingt tief und kräftig.

"Helfen?", fragt Nina ein bisschen perplex und räuspert sich. "Nein, ähm, ich brauche keine Hilfe. Ich komme zurecht. Dankeschön."

Wie es aussieht, scheint er in dem Laden zu arbeiten. Auf der anderen Seite, jetzt, wo sie ihn genauer betrachtet, könnte ihm der Laden genauso gut gehören. Er steht nämlich ganz schön breitbeinig und selbstbewusst vor ihr und hat allem Anschein nach auch nicht vor, wieder ein Stückchen zurückzutreten.

Muss der mir so auf die Pelle rücken? Schon mal was von Abstand zu Fremden und Distanzzone gehört? Also wirklich, was sind das für schlechte Manieren?

Instinktiv zieht Nina die Schultern nach oben. Erst jetzt, wo sie schon leicht genervt ist, schaut sie sich sein Gesicht genauer an. Es ist sehr markant, er hat eine hohe Stirn und hohe Wangenknochen. Vielleicht stehen seine Augen einen Tick zu eng zusammen, aber dafür sind sie so tiefblau wie ein Bergsee. Nina hat schon in einige blaue Augen geguckt, aber diese hier sind besonders schön. Außerdem hat der Typ für einen Mann dermaßen lange Wimpern, dass sie schon beim ersten Blick sicher ist, dass ihn garantiert jede zweite Frau darauf anspricht.

Der sieht ja unverschämt gut aus! Diese Wimpern! Das ist doch nicht normal! Die sind doch im Leben nicht echt?! Die muss er sich angeklebt haben!

Nina, die sich in seiner Gegenwart ein wenig beklommen fühlt, gibt erneut vor, wirklich nichts Bestimmtes zu suchen und keine Hilfe zu brauchen. Doch plötzlich greift Mr. Endloswimper unaufgefordert nach ein paar schwarzen Slips im Regal vor ihnen und hält sie Nina direkt vor die Nase.

"Hier, hundert Prozent Baumwolle."

Der spinnt ja wohl!

Nina räuspert sich abermals, zupft sich die Ärmel ihres Trenchcoats zurecht, um nicht stocksteif vor ihm zu stehen und schaut den jungen Mann irritiert an.

"Ich sagte doch: Ich suche nichts Bestimmtes! Das ist sehr aufmerksam von dir, aber ich komme zurecht. Danke vielmals!"

Sie versucht, die letzten Worte absichtlich streng klingen zu lassen, als sie bemerkt, dass ihre Strenge ihm offenbar vollkommen egal ist. Als habe er vor, sie ein wenig zu provozieren, mustert er sie jetzt auch noch so komisch! Dabei gehen seine Mundwinkel frech nach oben.

Nina ist ein solches Verhalten gänzlich fremd und hochgradig unangenehm. Obwohl sie ihm am liebsten die Meinung geigen würde, hat sie Probleme, seinem verwegenen Blick und diesem Augenaufschlag standzuhalten und schaut schüchtern zu Boden. Der Typ sieht aus, als würde er sich innerlich ins Fäustchen lachen. Offensichtlich ist ihm seine Wirkung auf Frauen sehr wohl bewusst.

Jetzt reichts mir aber gleich! Denkt der allen Ernstes, der bringt mich mit seinem Wimpernklimpern aus der Räson?

Kurzerhand greift sie nach den Slips, die er unverschämterweise noch immer vor ihrer Nase baumeln lässt.

"Das ist Größe 44!", sagt sie barsch. "Wie darf ich das denn verstehen?"

"Oh Pardon, natürlich! Entschuldigung, ich habe nur auf die Farbe und nicht auf die Größe geschaut", sagt er daraufhin und zwinkert.

Ah, sieh an! Verunsicherung auf der anderen Seite. Gleichstand.

Er hängt die Verpackung zurück auf den Ständer und sucht, ohne dass Nina ihn darum gebeten hat, die Größe heraus, von der er meint, es wäre die richtige. Während er sich durch die unterschiedlichen Packungen wühlt, steht Nina noch immer ein bisschen verloren neben ihm und schaut dem Treiben zu.

Der unverschämt gut aussehende Verkäufer trägt ein bis zu den Ellbogen hochgekrempeltes Jeanshemd, eine Chino-Hose und knöchelhohe Boots, deren Schnürsenkel so weit heraushängen, dass er permanent darüber stolpern müsste. Seine muskulösen Unterarme zieren diverse Tattoos, die Fingernägel sollen das Outfit wohl modisch abrunden und sind schwarz lackiert. Bei seinem Anblick fühlt Nina sich urplötzlich alt und hat das Gefühl, bereits siebenunddreißigjährig und mit elend kurzen Wimpern auf die Welt gekommen zu sein.

"So, die dürften passen!" Er hält ihr Slips in Größe 38 hin und lächelt sie ungestüm an.

Nina, die ihre Arme verärgert vor der Brust verschränken will, weil sie partout keine fremde Hilfe beim Schlüpferkauf möchte, kommt nicht umhin, sich eingestehen zu müssen, dass sie das Lächeln dieses Mannes voll und ganz vereinnahmt. Er sieht sie die ganze Zeit über an, als sei sie ein berühmter Star und gibt ihr das Gefühl, den Laden nur für sie geöffnet zu haben. Natürlich bemerkt sie auch die Blicke der anderen Damen. Gleich neben ihr, an einem Grabbeltisch, auf dem diverse BHs ausliegen, stehen zwei Frauen und schauen unentwegt zu ihr herüber. Sie kichern und tuscheln wie Fünftklässler auf dem Schulhof, die den Schwarm der Klasse anhimmeln. Nina versucht, das Getuschel zu ignorieren.

"Ich kenne Sie, Sie arbeiten an der Uni."

Nina presst die Lippen aufeinander, um ihre Verunsicherung nicht zu zeigen. Sie muss sich zusammenreißen, nicht mit offenem Mund in seine Augen zu starren.

"Ach ja?", erwidert sie absichtlich bissig, während sie so tut, als sei er ihr wiederum noch nie aufgefallen.

"Kommen Sie schon!", sagt er daraufhin selbstüberzeugt.

Allem Anschein nach ist es ihm noch niemals im Leben zuvor passiert, dass sich eine Frau, nicht an ihn erinnern kann. Er setzt jetzt einen Röntgenblick auf, als müsse er sie nur lange genug fokussieren, bis der Groschen schon fallen würde. Vermutlich seine Masche.

"Ach ja, doch, jetzt fällt es mir wieder ein!"

Nur um irgendetwas zu tun, zwirbelt sie einzelne Haarsträhnen um ihre Finger. Sie sieht vom Fahrradfahren zerzaust aus - ein Glück, denn wenn ihre langen Wellen ihr hübsches Gesicht umranden, sieht sie sofort um Jahre jünger aus. Dabei ist siebenunddreißig kein Alter und Nina könnte, würde sie ihr schönes haselnussbraunes Haar nicht so streng im Nacken verknoten, für Mitte, Ende zwanzig durchgehen.

Da steht sie nun, in ihrem dunklen Kostüm mit dem kurzen Rock, der viel von ihren schlanken Beinen offenbart, und weiß nicht so recht, was sie sagen soll. Sie merkt, wie ihre Wangen rot werden.

"Wusste ich es doch", sagt der Schlüpferheraussucher. "Wir kennen uns. Und wenn wir uns noch nicht in diesem Leben begegnet sind, dann ganz bestimmt in einem anderen."

Er lächelt wieder sein verwegenes Lächeln, dessen Tragweite er garantiert als Waffe einsetzt und sagt: "Hi, ich bin Jonas."

"Nina."

Die Strähne, die sie kurz zuvor um ihren Finger gewickelt hat, fällt ihr jetzt ständig ins Gesicht. Vergeblich versucht Nina sie zur Seite zu pusten, als Jonas sich zu ihr nach unten beugt und ihr zärtlich, aber auch mit einem gewissen machohaften Habitus aus dem Gesicht streicht und fragt: "Verrätst du mir deine Telefonnummer?"

Nina bleibt die Empörung im Halse stecken. Hat er ihr etwa gerade ins Gesicht gefasst?

Was bildet der sich eigentlich ein?

Es brennt ihr auf der Zunge, ihn zurechtzustutzen. Am liebsten würde sie ihn fragen, ob sein Verhalten gang und gäbe ist und ob ihm seine Mutter keine Manieren beigebracht hat.

Stattdessen presst sie ein piepsendes "Wie bitte?" hervor.

Das ist doch die Höhe! Dieser Typ ist garantiert fünfzehn Jahre jünger! Und was mache ich? Lasse mich von einem Halbstarken verunsichern! Ich fasse es nicht!

"Bitte entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahetreten, sorry, ich bin manchmal ein bisschen impulsiv und denke nicht nach", sagt Jonas, der spürt, wie sehr er Nina mit seiner offensiven Art verunsichert. "Ich bin morgen auch wieder in der Bibliothek. Wir könnten in der Pause ja vielleicht mal einen Kaffee zusammen trinken?"

"Ja, ach so, klar, warum nicht?", murmelt Nina.

Jonas zieht sein Smartphone aus der Hosentasche und sieht sie erwartungsvoll an. Gleichzeitig lächelt er schon wieder unverschämt. "Also?"

Nina gibt sie ihm. Er speichert die Nummer und steckt das Handy zurück in seine Hosentasche.

Will nicht wissen, wie oft er diese Show am Tag abzieht.

"Okay, schön. Ich melde mich", sagt er.

"Ja, schön."

Dann drückt er ihr mit einem Augenzwinkern den 5er-Pack Baumwoll-Slips in die Hand, flüstert: "Ich wette, sie stehen dir ausgezeichnet", und streift Sie beim Abschied sanft an der Schulter.

Nina schluckt den Frosch im Hals herunter und wagt nicht, sich umzudrehen und ihm nachzuschauen. Schnurstracks steuert sie die nächste Kasse an, bezahlt die Unterwäsche und sieht zu, so schnell wie möglich aus dem Laden zu kommen. Erst als sie draußen vor dem Fenster ihr Rad abschließt, kann sie das erste Mal wieder frei durchatmen, während sie das Geschehene Revue passieren lässt.

Was war das denn? Also, wenn dieser Jonas mich nicht gerade aufs Heftigste angeflirtet hat, fresse ich 'nen Besen!

Mit einem Lächeln im Gesicht dreht sie sich, bevor sie auf ihr Rad steigt, noch einmal um und sieht dabei ihr Spiegelbild in der Schaufensterscheibe. Sie muss sich bemühen, nicht loszuprusten. So etwas ist ihr schon ewig nicht mehr passiert. Müsste sie auf dem Heimweg nicht auf den Verkehr achten, würde sie am liebsten die Augen schließen, den Fahrradlenker loslassen und den Tag umarmen.

Andererseits ist sie natürlich nicht naiv und weiß, dass sie sich nichts vormachen muss. Schon morgen würde sie Jonas vergessen haben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie sich von der Aufmerksamkeit des jungen Mannes geschmeichelt fühlt.

Als Nina am nächsten Tag zur Arbeit fährt, spürt sie, wie sich die Vorfreude in ihrem Bauch ausbreitet. Ein bisschen findet sie diese Gefühle albern, aber seit sie heute Morgen fast eine viertel Stunde länger im Bad gebraucht hat als sonst, muss sie sich eingestehen, Jonas über Nacht doch nicht vergessen zu haben. Und gerade deshalb achtet sie tunlichst darauf, nicht zu gestylt in der Uni zu erscheinen. Es würde auffallen, und wenn sie eines nicht möchte, dann, dass er bemerken könnte, dass sie sich für ihn hübsch gemacht hat!

Wie schon an den Tagen zuvor erscheint Jonas gegen Mittag in der Bibliothek. Er hat ein paar Bücher in der Hand und sieht verschlafen aus. Aber immerhin ist er so wach, dass er als Erstes als er den Lesesaal betritt, nach Nina Ausschau hält. Die hat ihn natürlich schon längst gesehen, und tut so, als sei sie bis oben hin mit Arbeit zugestopft. Demonstrativ starrt sie auf den Bildschirm und prüft die am Vormittag zurückgebrachten Bücher auf Notizen oder Schmierereien, obwohl sie das eigentlich längst getan hat.

Jetzt bloß nicht nach links schauen, ich bin beschäftigt, ich habe keine Zeit.

Aber anders als gestern scheint Jonas heute nicht zum Flirten aufgelegt.

Komisch. Warum kommt er nicht rüber? Sollte ich rüberschauen? Was mache ich hier eigentlich? Ich verhalte mich doch vollkommen bescheuert!

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