Geschichten aus der Kleinstadt, Band 2

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Geschichten aus der Kleinstadt, Band 2
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Sigrid Schüler

Geschichten aus der Kleinstadt, Band 2

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Neuland

Acht Köstlichkeiten für gute Freunde

Auf die Farbe kommt es an

Anja

Bisher erschienen

Impressum neobooks

Neuland

Er sah anders aus als sonst, das war mir sofort aufgefallen. Irgendwas hatte er mit den Haaren gemacht. Er wirkte so gekämmt. Das Hemd, das er anhatte, schien mir auch neu. Ich hatte es wenigstens noch nie vorher an ihm gesehen. Und er trug einen Schlips. Das macht er sonst auch nie. Und außerdem roch er anders. Ein neues Rasierwasser?

Nach meinem Klingeln hatte er die Tür geöffnet. Aber während er sonst einen Schritt zurücktrat und mit der linken Hand eine einladende Geste machte, die seine Besucher ins Haus führte, blieb er jetzt vor der Tür stehen und blockierte den Eingang.

„Ah, du bist es“, hatte er gesagt. Sonst nichts.

„Kann ich reinkommen?“

Diese Frage hatte ich Bernard noch nie stellen müssen, ich war immer willkommen gewesen.

„Ach, Monika, das passt mir jetzt schlecht“, meinte er. Er schien mir ein bisschen verlegen, und ich fragte mich, was wohl dahinter stecken mochte. Normalerweise hätte ich gesagt, es ist eine Frau, aber bei Bernard hielt ich das für ausgeschlossen. Nicht, weil er nicht nett wäre. Er ist ziemlich nett. Er ist auch nicht schwul, und er sieht gut aus, finde ich. Er ist groß und gut gebaut. Aber Bernard hat mit seinen knapp fünfzig Jahren immer noch keine Frau kennengelernt. Er schiebt es auf seinen Beruf. Er ist Landwirt und mästet Schweine, und wenn wir über das Thema reden, behauptet er immer, dass Frauen heutzutage keine Landwirte heiraten wollen. Aber ich denke, dass er das nur als Ausrede benutzt. Bernard ist nämlich ziemlich schüchtern und, das muss ich einfach mal sagen, bei Frauen ein bisschen stoffelig. Wie man eine Frau anspricht, wie man sie kennenlernt, scheint für Bernard ein Buch mit sieben Siegeln. Mich hatte er auch nur kennengelernt, weil ich seine Nachbarin bin und einmal bei ihm geklingelt hatte, weil ich zwei Eier leihen wollte. (Das war ein bisschen peinlich gewesen. Er hatte mich damals angesehen, als ob ich etwas Obszönes gesagt hätte).

„Hast du etwa eine Verabredung?“, fragte ich, und um ihn ein bisschen zu provozieren fügte ich hinzu: „Vielleicht mit einer Frau?“

Seine Reaktion überraschte mich. Bernard nickte, wurde rot und noch mehr verlegen, als er vorher schon gewesen war. Ich hatte ins Schwarze getroffen.

Endlich, dachte ich. Das wird aber auch Zeit! Ich hatte mir in den Jahren, die wir beide uns inzwischen kannten, ganz ernsthaft Sorgen gemacht, dass Bernard vielleicht allein bleiben und in seiner Verzweiflung irgendwann mir einen Heiratsantrag machen würde.

„Und? Erzähl mal! Wo hast du sie denn kennengelernt? Wie heißt sie? Wie sieht sie aus?“, bestürmte ich ihn mit Fragen.

Er sagte immer noch nichts, sah sogar ein bisschen unglücklich aus, und ich hatte schon Angst, die neue Bekanntschaft sei zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

„Ach, ich hab sowieso noch ein bisschen Zeit, ehe ich los muss. Komm rein, dann kann ich es dir erzählen“, meinte er und öffnete mir die Tür in der Weise, die ich kannte.

Wir gingen in seine Küche und ich setzte mich auf den Stuhl, auf dem ich schon so manche Stunde gesessen und bei einer Tasse Kaffee mit Bernard über die Welt, seinen Hof, seine Schweine, die Viehhändler und den Sinn des Lebens diskutiert hatte. Erwartungsvoll sah ich ihn an, und schließlich begann er zu erzählen, wenn auch zögerlich.

Sie heiße Susanne, und eigentlich kenne er sie noch gar nicht. Zumindest nicht persönlich. Sie hätten bisher nur miteinander telefoniert.

„Und heute treffen wir uns zum ersten Mal!“

„Du hast eine Kontaktanzeige aufgegeben?“

Bernard nickte.

„Finde ich toll“, sagte ich. „Ich finde ja sowieso, dass du nicht allein leben solltest. Hab ich dir oft genug gesagt. Und euer Treffen heute, ist das so mit roter Rose im Knopfloch oder wie?“

Bernard nickte wieder. „Ja, wir treffen uns in Damme beim Chinesen.“ Er sprach nicht weiter, und ich merkte, dass ihm irgendetwas auf der Seele lastete.

„Klingt doch gut“, versuchte ich, ihn zu ermuntern.

„Weißt du, Monika, ich hab unheimlich viele Zuschriften bekommen. Zweiundzwanzig! Da hätte ich nie mit gerechnet. Und da sind ganz tolle Frauen dabei. Warte, ich zeig sie dir.“

Er stand auf und ging in sein Arbeitszimmer. Mit einem Ordner unter dem Arm kam er zurück. Ordentlich wie er war, hatte er sie alle abgeheftet. Er schlug den Deckel des Ordners auf und zeigte mir die Zuschriften, die er erhalten hatte. Alle Frauen hatten Fotos mitgeschickt, und – mein lieber Scholli, einige sahen wirklich klasse aus!

Als ich ihm das sagte, wurde er wieder verlegen. Schließlich gestand er mir, dass er bei der Annonce, die er aufgegeben hatte, nicht ganz bei der Wahrheit geblieben war.

„Wie meinst du das?“, wollte ich wissen.

„Ach, ich hab ein bisschen gemogelt“, erklärte Bernard. „Ich hab mich ein paar Jahre jünger gemacht, und meinen Beruf hab ich auch verschwiegen. In erster Linie wollte ich nicht, dass jeder hier aus dem Ort, der die Anzeige liest, sofort weiß, dass ich das bin. Du weißt ja, wie schnell die Leute hier reden. Na, und du weißt auch, dass sich Frauen heutzutage nicht unbedingt an einen Landwirt binden wollen.“

Ich nickte verständnisvoll. „Mach dir mal keine Sorgen, Bernard, ein paar Jahre mehr oder weniger spielen überhaupt keine Rolle. Aber lass dir eins gesagt sein: Du brauchst dir gar keine Hoffnung zu machen, dass dir eine Frau einen Korb gibt, nur weil du Landwirt bist.“

Er sah mich erstaunt an, und ich erklärte ihm (wie ich das schon öfter in den Jahren unserer Freundschaft getan hatte), dass er ein sensibler, humorvoller und gut aussehender Mann sei, den bestimmt viele Frauen attraktiv fänden.

„Ach, Monika, ich weiß aber gar nicht, worüber ich mit dieser Frau heute Abend reden soll. Was soll ich ihr denn sagen? Ich rede bestimmt nur Unsinn, und mir fällt nichts Gescheites ein. Das ist doch richtiges Neuland für mich. Ich bin furchtbar nervös. - Komm doch einfach mit“, schlug er vor.

„Bei dir piepst wohl.“ Ich zeigte ihm einen Vogel und erklärte ihm, dass er überhaupt keinen Grund habe, nervös zu sein. Gesprächsstoff ergebe sich normalerweise von selbst. Ich riet Bernard, Susanne etwas Nettes zu sagen. Das ist schließlich das, was die Menschen am liebsten hören. Und ich riet ihm, zu lachen, wenn sie witzig sei, zuzuhören, wenn sie von sich selbst erzählte, und was ihn selber angehe, so riet ich ihm, vor allem ehrlich zu sein. „Dann kann gar nichts schiefgehen.“

Gegen neun Uhr morgens war Bernard normalerweise mit seinem morgendlichen Durchgang durch die Ställe fertig, das wusste ich. Am nächsten Tag klingelte ich deshalb um diese Zeit bei ihm, denn ich war natürlich neugierig, was er über sein Date mit Susanne erzählen würde. Er hatte mich bereits erwartet.

„Schön, dass du da bist, Monika“, sagte er sofort. „Komm rein, den Kaffee hab ich schon gemacht.“

Er schien ausgesprochen gute Laune zu haben und goss mir ein wenig zu schwungvoll den Kaffee ein, der deshalb über den Becherrand schwappte. Er wartete gar nicht meine Fragen ab, sondern fing sofort an zu erzählen.

„Das war gestern ein echt toller Abend, Monika“, begann er. „Das war eine total nette Frau, wir haben uns richtig gut unterhalten.“

Susanne sei Krankenschwester, ein paar Jahre jünger als er, und sie sehe wirklich gut aus, erklärte er. Geschieden, zwei erwachsenen Kinder. Sie sei im Übrigen Landwirtstochter und keineswegs gegen Landwirte voreingenommen. Sie liebe chinesisches Essen, genau wie er selbst. Ihr Hobby sei die Imkerei.

„Klingt perfekt“, meinte ich. „Wann seht ihr euch wieder?“

Bei dem Wort perfekt bekam Bernard einen ganz merkwürdigen Ausdruck in seine Augen. Ich sah ihn prüfend an, aber er wich meinem Blick aus.

„Was ist denn?“, wollte ich wissen. „Ihr seht euch doch wieder, oder nicht?“

„Doch, doch, klar, natürlich“, druckste er herum. „Weißt du, Monika“, fuhr er schließlich fort, „Susanne ist wirklich eine tolle Frau. Ich denke, dass wir ganz gut zusammenpassen könnten. Und in der nächsten Woche treffen wir uns wieder, dann gehen wir ins Kino. Ich freue mich schon darauf. - Aber, ich habe so viele Zuschriften bekommen, und vielleicht ist da eine bei, die noch besser passt.“

„Aha!“, entfuhr es mir, „du bist auf den Geschmack gekommen!“

„Ach Mensch, Monika, ich hab gedacht, du verstehst das!“ Er sah ein bisschen traurig aus.

Nein, ich konnte ihn nicht wirklich verstehen. Da hatte er eine Frau kennen gelernt, von der er mir vorschwärmte, die offensichtlich gut zu ihm passte, auf die zu treffen er sich richtig freute, aber gleichzeitig wollte er in anderen Obstgärten naschen.

„Weißt du was, Bernard. Du bist schließlich alt genug, du musst wissen, was du tust“, sagte ich schließlich.

 

Er strahlte mich an. „Ich hab gewusst, dass du mich verstehst! Morgen Abend treffe ich Petra. Sie kommt aus Dinklage, und wir treffen uns in Lohne beim Italiener. Und von dem Telefonat, was wir vorab geführt haben, habe ich ein gutes Gefühl. Die hat übrigens eine tolle Stimme. Klingt total erotisch. Also, ich bin echt gespannt.“

Bevor ich Bernard verließ, hatte er mich eigens gebeten, nach seinem Treffen mit Petra wieder vorbeizukommen. Es täte ihm gut, mit mir darüber zu reden, hatte er gemeint.

Nach zwei Tagen, morgens um neun, schaute ich deshalb wie gewohnt bei ihm vorbei.

Bernard strahlte mich an. Während er mir Kaffee einschenkte, erzählte er. Petra sei Lehrerin. Er hätte Lehrerinnen ja eigentlich nie besonders gemocht, die hätten oft so was Erzieherisches an sich, aber Petra sei ganz anders. Sehr sympathisch, und ihre Stimme klinge nicht nur am Telefon so toll. Ein bisschen jung sei sie schon, aber sie sei eine absolut interessante Frau. Viel gereist, belesen und gebildet, und…

„Wie alt ist sie denn?“, unterbrach ich ihn mit einem unguten Gefühl. Ich hatte Bedenken, dass er so ein „Häschen“ aufgetan haben könnte.

„Mitte dreißig“, meinte er. „Ist doch wirklich ein bisschen jung, meinst du nicht auch, Monika?“

„Das kommt doch wohl auf euch beide an. So groß, finde ich, ist der Altersunterschied nicht.“

Er schwieg einen Moment und sah mich nachdenklich an. Dann nickte er. „Monika, da hast du völlig Recht. Weißt du, sie hat gesagt, dass sie mich gerne wieder sehen würde. Wir treffen uns nächste Woche noch einmal, aber ich hatte ehrlich gesagt ein schlechtes Gewissen, eben wegen ihres Alters.“

„Ich dachte, in der nächsten Woche triffst du Susanne“, wandte ich ein.

„Ja, am Dienstag. Petra treffe ich am Donnerstag.“

Ich wollte ihm gerade sagen, dass ich das nicht ganz in Ordnung fände. Immerhin schienen sich beide Frauen Hoffnung auf eine Beziehung von Dauer zu machen, aber da klingelte sein Handy. Während er sprach, bemühte ich mich, wegzuhören, denn das Gespräch war offensichtlich privater Natur.

„Das war Sabine“, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte. „Sie ist Polizistin aus Vechta und wir treffen uns am Samstag.“

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