Loe raamatut: «Achtsame Spiele», lehekülg 2

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2. Wenn Sie mehrere Kinder anleiten, bitten Sie sie, ihre Windrädchen vor den Gesprächsrunden abzulegen.

Im nächsten Abschnitt lernen die Kinder Strategien kennen, um zur Ruhe zu kommen, bei denen sie ihre Aufmerksamkeit von den Gedanken an das, was sie aufwühlt, ablenken und auf den gegenwärtigen Moment richten – auf eine Empfindung (etwas, das sie hören, sehen, schmecken, berühren oder riechen), auf ein Wort (Atemzüge zählen) oder auf eine Aufgabe. Sollten Sie schon einmal mit den Händen einen Stressball gedrückt oder einen Sorgenstein gerieben haben, so kennen Sie die Strategie, sich – statt auf die Gedanken – auf die Empfindungen zu konzentrieren. Viele Kinder erzählen, dass diese Methoden beruhigend auf sie wirken, was ein Zeichen dafür sein könnte, dass die Kampf-oder-Flucht-Reaktion im Nervensystem nachlässt und die Ruhe- und Verdauungsreaktion stärker wird.


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ANKER FÜR DIEAUFMERKSAMKEIT

Häufig regt man Kinder dazu an, über ein Problem nachzudenken, um es zu lösen. Wenn sie aber ohnehin schon gestresst und ängstlich sind, verstärken Sorgen und endloses Grübeln die Stressreaktion des Körpers jedoch nur noch mehr. Diese gesteigerte Stressreaktion lässt sich herunterfahren, indem die Kinder wahrnehmen, wenn ihr Körper ihnen signalisiert, dass ängstliche Gedanken und Gefühle überhandnehmen. Dann können sie sich entspannen und sich auf einen einfachen, neutralen Gegenstand konzentrieren, um ihre Aufmerksamkeit zu verankern. Der am häufigsten verwendete Anker sind die mit der Atmung einhergehenden Empfindungen – vielleicht weil man den Atem immer dabei hat. Dabei kann es besonders beruhigend und besänftigend sein, eine Hand auf das Herz zu legen und zu spüren, wie sich die Brust auf und ab bewegt, während man atmet. Diese Anregung stammt aus dem Kurs für achtsames Selbstmitgefühl, der von den Psychologen und Wissenschaftlern Dr. Christopher Germer und Dr. Kristin Neff entwickelt wurde. In dem Buch Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl erklärt Christopher Germer, warum Anker für die Aufmerksamkeit wichtig sind, vor allem dann, wenn wir es mit intensiven Gefühlen zu tun haben. So erklärt er, dass mentales Leiden vor allem dann entsteht, wenn unser Geist von einem Thema zum nächsten springt, was äußerst anstrengend ist, oder wenn wir mit unglücklichen Gedanken und Gefühlen beschäftigt sind. Wenn wir bemerken, dass der Geist das tut, müssen wir ihm einen Anker geben – einen neutralen und unerschütterlichen Ort, an den er gehen kann. Meditation wird oft mit stillem Sitzen assoziiert. Stillzuhalten kann für Kinder und Jugendliche jedoch schwierig sein, insbesondere dann, wenn sie gestresst oder ängstlich sind oder wenn ihr Geist sehr aktiv ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind achtsame Spiele, bei denen die Kinder gehen, sich strecken und schütteln, ausgesprochen nützlich. Sie machen nicht nur Spaß, sie bieten den Kindern zudem eine Gelegenheit, Unterschiede darin wahrzunehmen, wie sich Geist und Körper vor und nach der Bewegung anfühlen. Dr. Peter Levine erklärt in seinem Buch Kinder vor seelischen Verletzungen schützen (Trauma-Proofing Your Kids), dass strukturierte körperliche Aktivitäten eine wirkungsvolle Möglichkeit sind, überschüssige Energie freizusetzen, insbesondere dann, wenn sie so gestaltet sind, dass Phasen starker energiegeladener Anregung mit gleich langen Phasen des Ausruhens einander abwechseln, so dass die Kinder genügend Zeit haben, zur Ruhe zu kommen. Während beider Phasen (Anregung und zur Ruhe kommen) wird dann überschüssige Energie von selbst entladen. Im folgenden Spiel gibt es sowohl Phasen der Bewegung als auch Phasen des Zur-Ruhe-Kommens, was möglicherweise der Grund dafür ist, dass die Kinder berichten, dass Rütteln und schütteln ihnen hilft, sich zu beruhigen, wenn sie sehr aufgeregt oder wütend sind.

Empfindungen existieren auf einem Spektrum von sehr schwach bis sehr stark; die stärksten Empfindungen nennt man „grob“ und die subtilsten, wenig überraschend, „subtil“. Auf grobe Empfindungen kann man sich einfacher konzentrieren als auf subtile. Die schnellen Bewegungen in dem Spiel Rütteln und schütteln sind ein Beispiel für grobe sensorische Anker. Die Konzentration auf eine grobe Empfindung ist eine clevere Strategie, um zur Ruhe zu kommen, da grobe sensorische Anker die Aufmerksamkeit der Kinder leichter von sehr aufgeladenen Gedanken und Gefühlen wegbringen, als subtile Empfindungen es können. In einem späteren Abschnitt zum Thema sich konzentrieren wird beschrieben, wie die Kinder ihre Aufmerksamkeit verfeinern und weiterentwickeln können, indem sie genau auf die subtilen Empfindungen achten, während Geist und Körper in Ruhe sind.


Rütteln und schütteln

Wir schütteln unseren Körper zum Klang einer Trommel, um Energie freizusetzen und uns besser konzentrieren zu können.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Sich konzentrieren, zur Ruhe kommenJedes Alter

SPIELANLEITUNG

1. Lasst uns so tun, als würden wir Zauberkleber auf unsere Fußsohlen streichen und diese dann auf dem Boden festkleben.

Tun Sie so, als ob Sie Kleber auf die Sohle eines Fußes streichen, und stampfen Sie auf den Boden auf; machen Sie dann das Gleiche mit dem anderen Fuß. Die Kinder machen es Ihnen nach.

2. Könnt ihr mit den Knien wackeln und die Fußsohlen gleichzeitig flach auf dem Boden halten?

Wackeln Sie mit den Knien, während Sie Ihre Fußsohlen flach auf dem Boden halten, als ob sie festgeklebt wären.

3. Lasst uns unseren Körper zum Klang der Trommel bewegen und unsere Füße auf den Boden geklebt halten. Macht große Bewegungen, wenn ihr lautes Trommeln hört.

Trommeln Sie laut. Machen Sie die Bewegungen vor, so gut Sie können, während Sie trommeln.

4. Macht kleine Bewegungen, wenn ihr leises Trommeln hört. Trommeln Sie leise. Machen Sie die Bewegungen vor, so gut Sie können, während Sie trommeln.

5. Was macht ihr, wenn ihr schnelles Trommeln hört?

Trommeln Sie schnell, die Kinder antworten: „Schnell bewegen. “

6. Und wenn ihr langsames Trommeln hört?

Trommeln Sie langsam, die Kinder antworten: „Langsam bewegen.“

7. Versucht, dem Klang zu folgen, und wenn das Trommeln aufhört, haltet ganz still.

Wechseln Sie zwischen schnellem und langsamem, lautem und leisem Trommeln hin und her. Die Kinder halten still, wenn das Trommeln aufhört.

8. Lasst uns entspannen und ein paar Augenblicke lang unseren Atem spüren, dann spielen wir das Spiel noch einmal.

Leiten Sie die Abfolge noch einmal an, nachdem die Kinder Zeit hatten, sich zu beruhigen.

TIPPS

1. Wenn Sie keine Trommel haben, können Sie auch auf Ihre Oberschenkel schlagen, um einen Trommelklang zu erzeugen.

2. Nutzen Sie das Schütteln, um eine längere Phase des Stillsitzens zu beenden.

3. Lassen Sie auch die Kinder anführen und sich dabei abwechseln.

4. Rütteln und schütteln kann im Sitzen (an Tischen oder in einem Kreis auf dem Boden) oder im Stehen gespielt werden.

5. In manchen Situationen ist Schütteln nicht angebracht. In diesen Situationen sind ein langsames Schwingen von Seite zu Seite oder das Drücken eines Kissens nützliche sensorische Anker, die den Kindern helfen, sich zu beruhigen.

6. Andere Sinneserfahrungen, die Kinder und Eltern oft zur Beruhigung nutzen, sind hin und her schaukeln, sich an den Händen halten, sich umarmen und singen.

Leichte Bewegung im Wechsel mit Ruhephasen zum Freisetzen überschüssiger Energie hilft allen Menschen, ihr Nervensystem zu beruhigen, nicht bloß Kindern. Tsokyni Rinpoche, Autor von Öffne dein Herz und lausche und tibetischer Lehrer mit einem bemerkenswerten Verständnis der westlichen Psyche, nutzt dies, wenn er Erwachsenen Meditation lehrt. (Für den Fall, dass Sie nicht mit dem Wort Rinpoche vertraut sind: Es handelt sich dabei um einen Ehrentitel, der in der tibetischen Sprache darauf hinweist, dass es sich bei einem Lehrer um einen vollendeten Meditierenden handelt.) Rinpoches Vater, der verstorbene Tulku Urgyen Rinpoche, wurde in Tibet geboren und ließ sich später mit seiner Frau in Nepal nieder. Er war einer der großen Meditationsmeister der modernen Zeit, und inzwischen sind auch all seine vier Söhne bekannte Meditationslehrer. Ich habe das Glück, zwei von ihnen meine Lehrer nennen zu dürfen – Tsokyni Rinpoche und seinen Bruder Yongey Mingyur Rinpoche, der zudem Autor sowie Gründer und leitender Lehrer der Tergar-Meditationsgemeinschaft ist.

Als ich zum ersten Mal an Tsokyni Rinpoches Unterricht teilnahm, begann er das einwöchige Retreat mit einer Bewegungspraxis, die uns unterstützen sollte, uns in unseren Körper und in unsere Gefühle hinein zu entspannen. Während wir mit geradem Rücken und entspanntem Körper dasaßen, bat er uns, die Arme auf Schulterhöhe zu heben und zu schütteln. Auf sein Zeichen hin sollten wir kräftig ausatmen und Arme und Hände fallen lassen. Mit den Händen auf den Knien ruhten wir uns einen Augenblick lang aus, ohne zu versuchen, unsere Gedanken und Gefühle zu kontrollieren. Rinpoche wiederholte die Übung noch einige Male und bat uns wieder, unsere Arme und Hände zu schütteln, sie abrupt fallen zu lassen und dann auszuruhen. In einem Artikel, der später in der Zeitschrift Lion’s Roar veröffentlicht wurde, erklärt er: „Was auch immer geschieht, wo auch immer Sie landen, nachdem Sie Ihre Arme fallen gelassen haben, lassen Sie es einfach zu. Tun Sie nichts, und versuchen Sie nicht, etwas zurückzuhalten. Ruhen Sie sich einfach aus. Es ist nicht notwendig, nach etwas Neuem zu suchen oder zu versuchen, irgendeine besondere Einsicht oder einen Zustand zu erzielen. Spüren Sie, welche Gefühle und Empfindungen entstehen, und seien Sie sich ihrer bewusst. Spüren Sie sie auf natürliche und sanfte Art, und versuchen Sie nicht, irgendetwas zu verändern. Wenn unangenehme Gefühle aufkommen, können Sie sich entspannen und ihnen vertrauen, ohne sie zu analysieren oder verstehen zu wollen.“ Angesichts dessen, was wir über das Nervensystem wissen, ist es nachvollziehbar, dass Rinpoches Übung beruhigend wirkt. Sie besteht aus kurzen Phasen der Anregung und des Ausruhens und betont die Ausatmung – drei Strategien, die wahrscheinlich zusammenwirken, um überschüssige Energie freizusetzen und jenen Zweig des autonomen Nervensystems zu aktivieren, der fürs Ausruhen und Verdauen zuständig ist.

Rinpoches Anleitung, sich auszuruhen und dabei alle Gefühle, die sich zeigen, zuzulassen, ohne sie zu analysieren oder zu versuchen, sie zu verstehen, ist eine weitere achtsamkeitsbasierte Strategie, die eine gesteigerte Stressreaktion mildern kann. Jüngere Kinder sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit, dass sie das Nachdenken über ihre Gedanken und Gefühle unterlassen könnten, aber ältere Kinder und Jugendliche können es versuchen, auch wenn es sich manchmal kontraintuitiv anfühlt.

Anhand einer Glitzerkugel (oder, wenn man keine zur Verfügung hat, einer Schneekugel oder auch eines Glas Wassers mit Backpulver darin) können die Kinder bei der folgenden Demonstration besser verstehen, wie sich eine gesteigerte Stressreaktion regulieren lässt. Darin kommt eine erprobte zweischrittige Strategie zum Einsatz: sich sanft auf einen einfachen, neutralen Gegenstand konzentrieren, um die Achtsamkeit zu verankern, und die Gedanken und Gefühle in Ruhe lassen. Die Glitzerpartikel in der Kugel stehen für Stress und intensive Gefühle. Wenn man die Kugel schüttelt, wirbeln die Partikel umher und lassen das Wasser trüb werden. Wenn man die Kugel in Ruhe lässt, klärt sich das Wasser langsam.

Dieses visuelle Experiment – äquivalent dazu, sich erst ruhig und klar, dann gestresst und überfordert und schließlich wieder ruhig zu fühlen – hilft den Kindern, das Geschehen in der Kugel mit den Vorgängen in ihrem Geist und Körper in Verbindung zu bringen.


Klar sehen

Wir schütteln eine Glitzerkugel, um den Zusammenhang zwischen dem, was in unserem Geist geschieht, und dem, was in unserem Körper vor sich geht, besser zu verstehen.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Sich konzentrieren, wahrnehmenJedes Alter

SPIELANLEITUNG

1. Gesprächsthemen: Könnt ihr beschreiben, wie sich euer Körper anfühlt, wenn ihr gestresst seid? Könnt ihr beschreiben, was in eurem Geist los ist, wenn ihr gestresst seid? Wenn ihr euch gestresst fühlt, könnt ihr dann klar denken?

2. Wenn die Kugel still ist, wie jetzt gerade, könnt ihr dann durch das Wasser die andere Seite sehen?

3. Was wird wohl geschehen, wenn ich die Kugel schüttele? Werdet ihr durch das Wasser hindurchsehen können?

Schütteln Sie die Kugel. Die Glitzerpartikel wirbeln umher und das Wasser wird trüb.

4. Legt jetzt eine Hand auf den Bauch und spürt eure Atmung. Hören Sie auf, die Kugel zu schütteln. Die Glitzerpartikel setzen sich ab.

5. Könnt ihr jetzt durch das Wasser hindurchsehen?

6. Ist der Glitzer weg? Nein, er ist noch da. Mit unseren Gedanken ist es genauso. Unser Geist kann so beschäftigt sein, dass wir nicht klar denken können. Aber wenn wir unsere Atmung spüren und unsere Gedanken in Ruhe lassen, beruhigen sie sich und wir können wieder klar denken.

7. Lasst es uns noch einmal versuchen.

Wiederholen Sie die Demonstration.

TIPPS

1. Es ist hilfreich, vorher mit einer kurzen Phase körperlicher Aktivität ein wenig Energie zu erzeugen, damit die Kinder während der Demonstration spüren können, wie sie zur Ruhe kommen. Wenn sie bereits vor der Demonstration konzentriert, ruhig und entspannt sind, werden sie sich danach vermutlich nicht wirklich anders fühlen.

2. Bei der Meditation geht es nicht darum, den Geist leer zu machen und die Gedanken loszuwerden, obwohl das manche Kinder glauben. Es kann auch vorkommen, dass die Kinder glauben, es sei „schlecht“, Gedanken zu haben, während sie meditieren. Wenn Sie deutlich machen, dass Gedanken und Gefühle etwas Schönes sind, genau wie das Glitzern, das durch die Kugel wirbelt, können die Kinder verstehen, dass selbst schöne Gedanken ablenkend sein können.

3. Wenn ein jüngeres Kind sehr aufgeregt oder wütend ist, geben Sie ihm mit Worten wie, „Versuche, den Glitzer zur Ruhe kommen zu lassen“, einen sanften Hinweis, sich auf die Atmung zu konzentrieren, insofern es diese Metapher versteht.

4. Weisen Sie darauf hin, dass Meditation den Alltagsstress nicht verschwinden lässt, genauso wie der Glitzer nicht verschwindet, wenn er sich am Boden der Kugel absetzt. Zwar bringt die Meditation Stress nicht völlig zum Verschwinden, aber sie kann uns helfen, mit Stress umzugehen, indem wir lernen, uns zu entspannen und unseren Geist zur Ruhe zu bringen, wenn wir sehr aufgeregt oder wütend sind. Dann können wir klar sehen, was in uns und um uns herum geschieht.

Die Methoden, um zur Ruhe zu kommen, nützen wenig, wenn die Kinder den Zusammenhang zwischen ihren Gedanken und ihrem Befinden nicht erkennen. Das folgende Spiel ermöglicht auch Skeptikern, die Verbundenheit von Körper und Geist am eigenen Leib zu erfahren, indem sie sich vorstellen, dass sie in eine Zitrone beißen. Allein der Gedanke daran, in eine Zitrone zu beißen, bringt die Kinder normalerweise dazu, den Mund verziehen, selbst wenn weit und breit keine Zitrone in Sicht ist.

Der Geschmack von Zitronen

Wir stellen uns vor, in eine Zitrone zu beißen, und können so den Zusammenhang zwischen dem, was in unserem Geist geschieht, und dem, was in unserem Körper vor sich geht, besser verstehen.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Sich konzentrieren, wahrnehmenÄltere Kinder, Jugendliche

SPIELANLEITUNG

1. Gesprächsthemen: Können eure Gedanken etwas daran ändern, wie sich euer Körper anfühlt? Können die Empfindungen in eurem Körper eure Gedanken ändern? Können eure Gefühle etwas daran ändern, wie sich euer Körper anfühlt? Können die Empfindungen in eurem Körper etwas an euren Gefühlen ändern?

2. Legt eure Hände auf den Knien ab, setzt euch mit geradem Rücken und entspanntem Körper hin und schließt eure Augen.

3. Stellt euch vor, dass ihr an einem Küchentisch sitzt. Vor euch liegt eine Zitrone. Stellt euch vor, dass ihr die Zitrone in die Hand nehmt. Stellt euch vor, wie sie nass und kalt in eurer Hand liegt. Stellt euch vor, dass ihr die Zitrone in zwei Hälften schneidet, eine Hälfte in die Hand nehmt, an der Zitrone riecht und dann in sie hineinbeißt. Was geschieht in eurem Mund?

4. Gesprächsthemen: Hat euer Körper auf den Gedanken, in eine Zitrone zu beißen, reagiert, so als ob ihr das wirklich tun würdet? Ist das ein Beispiel für die Verbundenheit von Geist und Körper? Könnt ihr weitere Beispiele für die Verbundenheit von Geist und Körper nennen?

TIPPS

1. Wenn die Kinder erst einmal verstehen, was Sie mit „Verbundenheit zwischen Geist und Körper“ meinen, werden sie von selbst weitere Verbindungen zwischen Geist und Körper bemerken. Bitten Sie die Kinder, einige davon zu nennen.

2. Wenn Sie mit mehreren Kindern spielen, können Sie das Spiel Die kleine Fingeranzeige nutzen, um ihnen zu verdeutlichen, dass andere Menschen ähnlich auf Stress reagieren.

3. Wenn die Kinder einer angeleiteten Visualisierung zuhören, kann es passieren, dass sie eher über die Visualisierung nachdenken, anstatt sie wirklich mitzumachen. Das Nachdenken bringt sie vom gegenwärtigen Moment weg, und es erklärt, warum nicht jeder eine körperliche Reaktion verspürt. Das wird sich mit ein wenig Übung wahrscheinlich ändern; wenn die Zitronen-Visualisierung also nicht auf Anhieb klappt, versuchen Sie es einfach an einem anderen Tag noch einmal.

Die Spiele Der Geschmack von Zitronen und Klar sehen liefern eine konzeptuelle Grundlage für Gespräche über Stress und emotionale Notlagen sowie darüber, wie man ihren negativen Folgen entgegenwirken kann. Wenn ich Kinder und Jugendliche nach Beispielen dafür frage, wie ihr Geist auf ihren Körper wirkt, berichten sie oft, dass sie Magenschmerzen haben, wenn sie Angst haben, oder dass sie nicht gut schlafen, wenn sie sich Sorgen machen oder sehr aufgeregt sind. Weil es sie beruhigen kann, zu wissen, dass sie mit diesen Erfahrungen nicht allein sind, finde ich es hilfreich, ihnen von meinen eigenen ähnlichen Erfahrungen zu erzählen. Wenn Sie Beispiele von Verbindungen zwischen Geist und Körper geben, vergessen Sie nicht, auch Gedanken und Gefühle zu nennen, die dafür sorgen, dass man sich gut fühlt. Dies bereitet den Boden für ähnliche Gespräche in Zusammenhang mit den Phantasiereisen zum Thema „Freundlichkeit“, die weiter hinten in diesem Buch beschrieben werden.

Teil zwei


Wahrnehmen

und

umdeuten

Zwei junge Fische schwimmen gemeinsam im Fluss. Zufällig begegnen sie einem älteren Fisch, der in die Gegenrichtung schwimmt und ihnen zunickt: „Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?“ Die beiden jungen Fische schwimmen weiter. Nach einer Weile sieht der eine den anderen an und fragt: „Was zum Teufel ist Wasser?“

Der Clou an dieser Geschichte, die David Foster Wallace zu Beginn seiner Abschlussrede 2005 vor den Absolventen des Kenyon College hielt, ist, dass die offensichtlichsten und grundlegendsten Tatsachen des Lebens häufig die sind, die am schwierigsten zu sehen und zu besprechen sind. Ich musste an Wallaces Fischgeschichte denken, als ich für eine Forschungsstudie an der University of California, Los Angeles (UCLA), in Kindertagesstätten für kleine Kinder unterrichtete und auf der Tafel eines Vorschulklassenzimmers das Wort Atmosphäre geschrieben sah. Ich fragte die Leiterin, Gay MacDonald, ob das Wort Atmosphäre nicht über den Horizont meiner vierjährigen Schüler hinausginge. Sie aber erinnerte mich daran, dass kleine Kinder große Begriffe lernen können, wenn sie in einem angemessenen Kontext gelehrt werden. Die großen Konzepte, die sich durch ein kontemplatives Training ziehen, kann man auf einfache Weise erklären und spielerisch unterrichten, selbst wenn sie nicht der Entwicklungsphase der Kinder entsprechen. Genau wie die beiden jungen Fische in Wallaces Geschichte fröhlich in etwas herumschwimmen, das sie nicht benennen können, verkörpern Kinder fröhlich Qualitäten wie Weisheit und Mitgefühl, die sie konzeptuell noch nicht verstehen. Und viele von uns, die seit langem Meditation praktizieren, müssen bescheiden zugeben, dass so manche dieser Qualitäten auch unser eigenes konzeptuelles Verständnis übersteigen.

Meditation ähnelt in so mancher Hinsicht der Gartenarbeit, zum Beispiel darin, wie wichtig Vorbereitung ist. Der größte Fehler, den unerfahrene Gärtner machen, besteht darin, die Samen auszusäen, bevor sie den Boden vorbereitet haben. Genauso wie es ausdauernde körperliche Anstrengung erfordert, vor dem Pflanzen Steine aus den Gartenbeeten zu entfernen, erfordert es ausdauernde geistige Anstrengung, Muster in Gedanken und Verhaltensweisen freizulegen, die Leiden verursachen. Und sogar noch mehr ausdauernde Anstrengung ist erforderlich, um etwas an ihnen zu ändern. Die Veränderung von Mustern und Verhaltensweisen erfordert eine Veränderung in unserer Haltung dem Leben gegenüber – und meistens ist das ein langer und holpriger Prozess. Das ist jedoch kein Grund zur Entmutigung. Die Kinder müssen sich nur daran erinnern, dass es hilfreicher ist, sich dieser inneren Arbeit mit zarter Hand und Sinn für Humor zu nähern, anstatt mit dem geistigen Äquivalent einer Hacke, mit der ein Gärtner Steine aus der Erde entfernt.


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EIN OFFENER GEIST

Mein inzwischen erwachsener Sohn erzählte mir, dass die folgende Geschichte für ihn immer noch eine hilfreiche Erinnerung daran ist, dass wir nie sicher wissen können, was als Nächstes geschehen wird:

Ein Vater und sein Sohn wachen eines Morgens auf und müssen feststellen, dass ihr Pferd davongelaufen ist. Das spricht sich schnell herum, und als die Nachbarin die Neuigkeit hört, ruft sie aus: „Was für ein Pech!“ Der Bauer erwidert: „Wir werden sehen.“

Das Pferd kommt zurück und bringt einen prachtvollen Hengst mit. Die Nachbarin ruft aus: „Wie wunderbar!“ Und der Bauer sagt: „Wir werden sehen.“

Der Sohn des Bauers steigt auf den Hengst, aber das Pferd bäumt sich auf, und bei dem Versuch, es zu zügeln, wird der Sohn zu Boden geworfen. Er bricht sich ein Bein. Die Nachbarin ruft aus: „Wie schrecklich!“ Wieder antwortet der Bauer: „Wir werden sehen.“

Ein Krieg bricht aus, und die jungen Männer im Dorf werden in die Armee eingezogen, doch der Sohn des Bauern wird zurückgelassen, weil er ein gebrochenes Bein hat. Die Nachbarin beglückwünscht den Bauern, doch dieser zuckt mit den Schultern: „Wir werden sehen.“

Achtsamkeit und Meditation helfen den Kindern – und ihren Eltern ebenso –, besser mit Komplexität und Ungewissheit zurechtzukommen, so wie der Bauer in dieser Geschichte. Viele von uns empfinden dies als Erleichterung. Joseph Goldstein, zukunftsweisender amerikanischer Meditationslehrer und Mitbegründer der Insight Meditation Society, hielt einmal einen Vortrag in Los Angeles, in dem er über seinen Versuch sprach, Widersprüchlichkeiten zwischen zwei kontemplativen Denkschulen zu entwirren. Goldstein erzählte dem dicht gedrängten Publikum, er habe große Anstrengungen unternommen, um herauszufinden, welche der beiden Ansichten korrekt war, bis ihm klar geworden sei, dass nicht die eine richtig und die andere falsch sein müsse. „Also,“ sagte er, „das war eine richtige Erleichterung.“ Sieben Jahre nach diesem Vortrag schilderte er die Erleichterung des Nicht-Wissens ausführlich in einem Artikel, der auf der Website des Fernsehsenders PBS veröffentlicht ist:

Wir wissen nicht viel. Wir wissen nicht viel mehr, als wir wissen. Und es ist eine Erleichterung, unsere Anhaftung an Ansichten loszulassen, unsere Anhaftung an Meinungen, besonders über Dinge, die wir nicht wissen. Ein neues Mantra nahm langsam in meinem Kopf Gestalt an: „Wer weiß?“ Dieses Nicht-Wissen hat nichts mit Verunsicherung oder Verwirrung zu tun. Es ist vielmehr wie ein frischer Atemzug, eine Offenheit des Geistes. Nicht-Wissen bedeutet einfach, den Geist im Hinblick auf diese außerordentlich interessanten Fragen offen zu halten, auf die wir noch keine Antworten haben mögen.

Wenn ältere Kinder, insbesondere Jugendliche, sich damit anfreunden, nicht auf alles eine Antwort zu haben, kann die negative Konnotation, die Nicht-Wissen normalerweise hat, sich umkehren. Wenn sie nicht länger das Bedürfnis haben, sofort eine Antwort zu finden, sind die Kinder in der Lage, entspannter auf das zu reagieren, was geschieht. Dann sind sie empfänglicher für andere Sichtweisen und neugierig darauf, was sie wohl hinter der nächsten Ecke erwarten mag. Dasselbe gilt für Eltern. Myla Kabat-Zinn und ihr Mann Dr. Jon Kabat-Zinn sprechen in ihrem Buch über Elternschaft, Mit Kindern wachsen, über die Vorteile eines offenen Geistes. Jon Kabat-Zinn ist der Pionier der säkularen Achtsamkeitsbewegung. Er hat an der medizinischen Fakultät der Universität von Massachusetts das Programm Stressreduktion durch Achtsamkeit (Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz: MBSR) entwickelt und zahlreiche Bücher über Achtsamkeit verfasst. Er und seine Frau schreiben:

Achtsame Elternschaft beinhaltet, sich daran zu erinnern, was wirklich wichtig ist, während wir mit unseren Kindern den Aktivitäten des täglichen Lebens nachgehen. Oftmals stellen wir dann fest, dass wir uns daran erinnern müssen, was das ist, oder sogar zugeben müssen, dass wir im Augenblick keine Ahnung haben, da wir den Faden, den Sinn und die Richtung in unserem Leben so leicht verlieren. Aber sogar in den aufreibenden, manchmal schrecklichen Momenten als Eltern können wir bewusst einen Schritt zurücktreten und von vorne anfangen und uns fragen, wie zum ersten Mal und mit frischem Blick: „Was ist hier wirklich wichtig?“

Jede Erfahrung ist einzigartig, und die Ursachen und Umstände, die einen jeden Moment hervorbringen, sind unzählig. Selbst wenn die Kinder eine Erfahrung aus allen erdenklichen Blickwinkeln betrachten, so gut es ihnen möglich ist, können sie niemals alle Perspektiven erfassen. In seinem Buch Rückkehr zur Menschlichkeit weist der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt Tibets, darauf hin, dass wir nie das gesamte Bild sehen, egal, wie sehr wir uns auch bemühen. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was er damit meint, nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, um über das erstaunliche Netz sich verändernder Ursachen und Umstände nachzudenken, die diesen Moment hervorgebracht haben. Wären Ihre Eltern sich nie begegnet, wären Sie nicht geboren worden. Wären Ihre Großeltern sich nicht begegnet, hätten Ihre Eltern nicht das Licht der Welt erblickt – und Sie wären ebenso wenig hier. Generation um Generation sind Ihre Vorfahren sich begegnet und haben ein Kind bekommen, das zu einem von unzähligen Verbindungsgliedern in einer Reihe von kausalen Zusammenhängen wurde, die es schließlich möglich macht, dass Sie jetzt dieses Buch lesen. Falls Sie nicht zufällig mit mir blutsverwandt sind, bestehe ich aus Ursachen und Umständen, die einem völlig anderen Stammbaum als dem Ihren entspringen. Wenn nicht all meine Vorfahren gelebt, geliebt und Kinder bekommen hätten, könnten Sie dieses Buch nicht lesen, weil ich nicht hier wäre, um es zu schreiben. Ganz egal, ob Sie und ich nun aufgrund eines göttlichen Planes, eines zufälligen Glückstreffers oder irgendetwas dazwischen hier sind – unser Planet, mit allem und allen sich darauf Befindenden, ist ein sich permanent veränderndes, miteinander verbundenes und mysteriöses Puzzle. Der Dalai Lama findet im Hinblick auf diese potenziell überwältigenden Gedanken tröstliche Worte und sagt, dass die menschliche Urteilsfähigkeit immer unvollständig bleibt, egal, wie sehr wir uns auch bemühen. Falls wir nicht gerade hellsichtig oder allwissend sind – wie Buddha oder Gott –, würden wir nie das vollständige Bild sehen und niemals alle Ursachen kennen, die eine jede beliebige Situation bedingt haben. Genauso wenig könnten wir alle Konsequenzen unserer Handlungen voraussehen. Es würde immer irgendeinen Unsicherheitsfaktor geben. Es sei daher wichtig, dies anzuerkennen, aber wir sollten uns keine Sorgen darüber machen. Noch weniger sollte es uns veranlassen, am Wert rationaler Beurteilung zu zweifeln. Stattdessen sollte es unsere Handlungen durch angemessene Bescheidenheit und Vorsicht mäßigen. Und dass wir eine Antwort nicht kennen, könnte zugegebenermaßen manchmal auch sehr hilfreich sein.

Selbst für kleine Kinder, die das wahnwitzige Geflecht von Ursachen und Umständen, die einen jeden Moment hervorbringen, noch nicht verstehen können, ist die Ungewissheit weniger bedrohlich, wenn sie sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sie nicht auf alle Fragen eine Antwort haben müssen. In Annaka Harris’ Bilderbuch I Wonder, mit Illustrationen von John Rowe, gehen Eva und ihre Mutter in einer mondhellen Nacht durch den Wald. Als die Mutter Eva etwas fragt, ist Eva verlegen, weil sie die Antwort nicht weiß. Doch die Mutter beruhigt Eva: „Es ist in Ordnung, ‚ich weiß nicht‘, zu sagen.“ Schließlich wissen auch Eltern nicht auf alle Fragen eine Antwort. Ermutigt durch ihr neu entdecktes Selbstvertrauen, lässt Eva ihrer Kreativität freien Lauf und stellt eine Frage nach der anderen: „Wie machen der Mond und die Sonne das, dass sie nahe beieinander bleiben?“ – „Sind sie Freunde?“ – „Wo war der Schmetterling, bevor er mich besuchen kam?“ Anstatt sich angesichts der Ungewissheit schlecht zu fühlen, findet Eva die Geheimnisse des Lebens, die sie mit ihrer Mutter gemeinsam erkunden kann, nun aufregend.

Im folgenden Spiel dürfen jüngere Kinder raten, was sich in einer mysteriös aussehenden Kiste befindet. Die geheimnisvolle Kiste ist ein spielerisches Sprungbrett in Gespräche darüber, wie es ist, etwas Neues zu beginnen, die Antwort auf eine Frage nicht zu kennen und nicht zu wissen, was als Nächstes geschehen wird. Zur Vorbereitung füllen Sie die geheimnisvolle Kiste mit kleinen Gegenständen, so dass die Kinder es nicht sehen, und platzieren die geschlossene Kiste dann in nicht allzu weiter Distanz vor den Kindern.

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