Loe raamatut: «Achtsame Spiele», lehekülg 3

Font:

Die geheimnisvolle Kiste

Wir raten, was sich in einer geheimnisvollen Kiste befindet, und nehmen wahr, wie es sich anfühlt, wenn uns eine Frage gestellt wird und wir die Antwort nicht kennen.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJüngere Kinder

SPIELANLEITUNG

1. Lasst uns raten, was in der geheimnisvollen Kiste ist. Hören Sie sich die Vermutungen der Kinder an.

2. Gesprächsthemen: Wie fühlt es sich an, nicht zu wissen, was in der Kiste ist?

Fühlt ihr euch aufgeregt? Frustriert? Oder anders?

3. Nehmt die Kiste und befühlt sie, schaut sie euch an und schüttelt sie – aber öffnet sie nicht. Habt ihr noch mehr Vermutungen darüber, was sich in ihrem Inneren befinden könnte?

Hören Sie sich die Vermutungen der Kinder an.

4. Lasst sie uns öffnen und nachsehen.

5. Gesprächsthemen: Wie fühlt es sich an, wenn ihr nicht wisst, was als Nächstes geschehen wird? Probiert ihr gerne neue Sachen aus oder möchtet ihr lieber nichts Neues ausprobieren? Wie ist es, mit einer Sache zu rechnen, dann aber eine andere vorzufinden? Wie fühlt ihr euch, wenn ihr auf etwas warten müsst (darauf, ein Geschenk aufzumachen, einen Freund zu Hause zu besuchen oder mit dem Schaukeln an der Reihe zu sein)?

TIPPS

1. Vorschläge für den Inhalt der Kiste: Büroklammern, Blumen, Luftballons, Legosteine oder Radiergummis.

2. Bei sehr kleinen Kindern ist es sinnvoll, ihnen Beispiele von Dingen zu nennen, die sich in der Kiste befinden könnten, bevor sie zu raten anfangen.

3. Lassen Sie die Kinder sich dabei abwechseln, etwas in die Kiste zu legen, während die anderen raten.


Das große Bild erinnert ältere Kinder und Jugendliche daran, dass sie zwar Nachforschungen anstellen und alles, was sie in Erfahrung gebracht haben, abwägen können, bevor sie zu einer Schlussfolgerung kommen, aber mitunter trotzdem noch nicht genügend Informationen haben, um eine Frage richtig zu beantworten. Es ist hilfreich, den Kindern vor dem Spiel das folgende Bild zu zeigen, auf dem einige Menschen mit geschlossenen Augen verschiedene Teile eines Elefanten berühren.

Das große Bild

Wir stellen uns vor, wie es wäre, wenn wir raten, um was es sich bei einer Sache handelt, indem wir nur einen Teil davon mit geschlossenen Augen berühren. Wir lernen dabei, dass das, was wir glauben, von den Informationen abhängt, die wir haben.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenÄltere Kinder, Jugendliche (mit einer Modifikation für jüngere Kinder)

GESPRÄCHSANLEITUNG

1. Was wäre, wenn ihr einen Teil eines Elefanten mit geschlossenen Augen berühren und raten solltet, was ihr da berührt? Könntet ihr es erraten?

• Wenn ihr nur den Rüssel des Elefanten berühren würdet, was würdet ihr denken, worum es sich handelt? (Tipp: Der Rüssel des Elefanten ist lang und rund wie eine Schlange oder ein Schlauch.)

• Wenn ihr nur ein Bein des Elefanten berühren würdet, was würdet ihr denken, worum es sich handelt? (Tipp: Das Bein des Elefanten ist groß und rund wie ein Baumstamm.)

• Wenn ihr nur einen Stoßzahn des Elefanten berühren würdet, was würdet ihr denken, worum es sich handelt? (Tipp: Der Stoßzahn des Elefanten ist scharf wie ein Messer.)

• Wenn ihr nur das Ohr des Elefanten berühren würdet, was würdet ihr denken, worum es sich handelt? (Tipp: Das Ohr des Elefanten ist dünn und breit wie ein Fächer.)

2. Gesprächsthemen: Erzählt eine Geschichte über eine Situation, in der ihr jemanden missverstanden habt, weil ihr nicht alle Informationen hattet. Erzählt eine Geschichte über eine Situation, in der jemand euch missverstanden hat, weil er oder sie nicht die ganze Geschichte kannte.

TIPPS

1. Wandeln Sie Das große Bild für jüngere Kinder etwas ab, indem Sie ein großes Kuscheltier in einiger Entfernung vor sie hinsetzen. Lassen Sie sie dann raten, um was für ein Tier es sich handelt, indem sie die Augen schließen und nur einen Teil des Kuscheltiers berühren (ein Bein, ein Ohr, den runden Bauch). Wenn Sie vermuten, dass es den Kindern in der Aufregung schwerfallen wird, die Augen geschlossen zu halten, können sie eine Augenbinde verwenden (wie in dem Spiel „Dem Esel den Schwanz anheften“).

Natürlich ist es schwer zu erraten, was man gerade berührt, wenn man das größere Bild nicht sehen kann. Was aber, wenn die Kinder zwar das größere Bild sehen können, sich aber nicht einig sind, was es ist? Muss das eine Kind Recht und das andere Unrecht haben? Oder ist es möglich, dass manche Dinge mehrere Dinge gleichzeitig sind? Das finden die Kinder in dem Spiel Ente oder Kaninchen? heraus, einem Spiel, das auf einer berühmten optischen Illusion basiert, die man entweder als Ente oder Kaninchen deuten kann, nicht aber als beides gleichzeitig. Diese mehrdeutige Zeichnung wurde erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts von dem amerikanischen Psychologen Joseph Jastrow verwendet. In philosophischen Kreisen ist sie durch die Arbeit des österreichisch-britischen Philosophen Ludwig Wittgenstein weithin bekannt. Für das folgende Spiel können Sie die Enten-/ Kaninchenzeichnung verwenden, die im Anhang abgedruckt ist.

Ente oder Kaninchen?

Wir betrachten eine Zeichnung, die sowohl wie eine Ente als auch wie ein Kaninchen aussieht, um besser zu verstehen, wie einige Dinge mehr als nur eine Sache sein können.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJedes Alter

GESPRÄCHSANLEITUNG

1. Lasst uns gemeinsam die Zeichnung betrachten.

Zeigen Sie allen die Illustration.

2. Ist es eine Ente oder ein Kaninchen?

Warten Sie auf die Antworten der Kinder und äußern Sie dann ebenfalls Ihre Vermutung. (Falls entweder die Ente oder das Kaninchen von niemandem gewählt wurde, wählen Sie dieses Tier und erklären Sie den Kindern, wie man auch dieses Tier in der Zeichnung sehen kann.)

3. Schaut noch einmal hin und seht, ob es für euch jetzt anders aussieht. Was denkt ihr? Ist es eine Ente oder ein Kaninchen?

4. Wer hat Recht, wer hat Unrecht?

5. Lasst uns die Zeichnung noch einmal betrachten. Wie sieht sie jetzt aus? Habt ihr eure Meinung geändert?

6. Gesprächsthemen: Denkt ihr, dass die Zeichnung in Wirklichkeit entweder eine Ente oder ein Kaninchen sein soll? Könnte sie auch beides sein?


TIPPS

1. Amy Krouse Rosenthal und Tom Lichtenheld haben ein originelles Bilderbuch herausgegeben, das auf der Enten-/Kaninchenzeichnung basiert. Sie können es mit den Kindern anschauen und so das Gespräch über diese Themen noch erweitern.

Das folgende Spiel, bei dem die Kinder mit Handzeichen auf Fragen antworten, zeigt, dass Komplexität und Widerspruch überall existieren, sogar bei den alltäglichsten Vorkommnissen.

Die kleine Fingeranzeige

Wir zeigen mit dem kleinen Finger nach oben, nach unten oder zur Seite, um auf diese Weise besser wahrzunehmen, wie wir uns fühlen, und dies anderen mitzuteilen.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJedes Alter

SPIELANLEITUNG

1. Wir können viele verschiedene Gefühle haben – manchmal sind wir glücklich, manchmal traurig, manchmal müde, manchmal aufgeregt – und all diese sind ganz normale Gefühle. Es gibt keine richtigen oder falschen Gefühle und unsere Gefühle ändern sich. Wir fühlen uns vermutlich jetzt anders, als wir es heute Morgen taten, und später am Tag werden wir uns anders fühlen, als wir es jetzt tun. Manchmal fühlen wir uns genauso wie jemand anderes und manchmal fühlen wir uns anders – und beides ist in Ordnung.

2. Nehmt einen Atemzug, und nehmt wahr, wie ihr euch im Augenblick fühlt.

3. Ich stelle eine Frage, und ihr alle gebt eure Antwort zur gleichen Zeit, indem ihr sie mit dem kleinen Finger anzeigt, wenn ich „1–2- 3-los“ sage.

4. Die Frage lautet: „Ist es jetzt gerade einfach oder schwierig, still zu sitzen?“ Wenn es einfach ist, zeigt mit dem kleinen Finger zum Boden; wenn es schwierig ist, zeigt mit dem kleinen Finger zum Himmel; und wenn es irgendetwas dazwischen ist, zeigt mit dem kleinen Finger zur Seite. 1–2-3-los.

5. Behaltet den kleinen Finger noch in der Luft, damit wir alle sehen können, wie jeder von euch sich im Augenblick fühlt. Erinnert euch daran, dass es keine richtige oder falsche Antwort gibt. Interessant!

Stellen Sie weitere Fragen, solange die Kinder bei der Sache sind.

TIPPS

1. Die kleine Fingeranzeige ist eine vergnügliche und effiziente Art, logistische Fragen zu klären („Wer möchte eine Pause machen?“), aber meistens nutzen wir sie, um herauszufinden, wie die Kinder sich im Moment fühlen. Mögliche Fragen sind hier: „Habt ihr viel Energie oder seid ihr müde? Fühlt ihr euch ruhig oder aufgeregt? Fühlt ihr euch entspannt oder angespannt?“

2. Wenn die Kinder den kleinen Finger in die Luft halten und sich umschauen, sehen sie, wie die anderen die gleiche Frage beantwortet haben. Es wird verschiedene Antworten geben, und für einige Kinder ist es ein wahrer Augenöffner, wenn sie erfahren, dass nicht alle ihrer Meinung sind. Andererseits tut es Kindern, die sich nicht zur Gruppe zugehörig fühlen, oft gut, wenn sie sehen, dass andere eine Frage genauso beantworten wie sie selbst.

3. Um die positive oder negative Assoziation mit bestimmten Handgesten zu verringern, ändern Sie die Bedeutung des nach oben, unten oder zur Seite zeigenden kleinen Fingers. Wenn der kleine Finger nach oben „schwierig, still zu sitzen“ bedeutet, ändern Sie die Richtung, so dass in der nächsten Runde der kleine Finger nach oben „einfach, still zu sitzen“ bedeutet. Dieses untergräbt die reflexhaften Urteile, die häufig mit den Antworten einhergehen (beispielsweise: Ärger ist schlecht, Dankbarkeit ist gut) und schafft ein Umfeld, in dem die Kinder mit einem offenen Geist beobachten können, was in ihrer inneren und äußeren Welt vor sich geht.

4. Gelegentlich schreckt der Name Die kleine Fingeranzeige ältere Kinder und Jugendliche ab. Sie können das Spiel in diesem Fall stattdessen auch Das Daumen-Spiel nennen und die Kinder bitten, die Fragen mit dem Daumen nach oben, dem Daumen nach unten oder dem Daumen zur Seite zu beantworten.

Der Geist ist voller vielfältiger und mitunter widersprüchlicher Gedanken, Gefühle und Überzeugungen. In dem Bemühen, das, was in ihnen und um sie herum vor sich geht, zu verstehen und zu lenken, kann es allerdings passieren, dass die Kinder ihre Erfahrungen allzu sehr vereinfachen. Kinder (und Eltern) neigen dazu, Aspekte ihrer inneren Welt in Schubladen zu stecken, indem sie sie als schwarz oder weiß, gut oder schlecht, richtig oder falsch, Ente oder Kaninchen bezeichnen. Und das, was in ihrer Umgebung geschieht, kategorisieren sie oft gleichermaßen. Aber das Leben ist viel zu komplex für diese Art des binären Denkens, und im Allgemeinen passen unsere Lebenserfahrungen nicht in solch klare Kategorien. Mittels der Lebenskompetenzen wahrnehmen und umdeuten lernen die Kinder und Jugendlichen, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen und nicht reflexhaft zu urteilen. Stattdessen lernen sie, mit einem offenen Geist eine Erfahrung als das Wunder, das sie ist, und in ihrer ganzen Komplexität zu sehen. F. Scott Fitzgerald charakterisiert geistige Offenheit in einem bekannten Spruch: „Die wahre Prüfung einer erstklassigen Intelligenz ist die Fähigkeit, zwei gegensätzliche Ideen im Kopf zu behalten und weiter zu funktionieren.“

Achtsamkeit und Meditation helfen den Kindern, genau das zu lernen. Die jungen Meditierenden entdecken, dass selbst Gegenteile voneinander abhängig sein können und dass man an beide gleichzeitig denken kann, wie etwa an Yin und Yang, Käufer und Verkäufer, Lehrer und Schüler oder Eltern und Kinder.



4

WERTSCHÄTZUNG

An etwas allzu sehr festzuhalten erzeugt Stress. Diese Einsicht reicht bis zu dem historischen Buddha zurück, einem Prinzen namens Siddhartha Gautama, der etwa vier- bis sechshundert Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung im Norden Indiens zur Welt kam. Als der Prinz neunundzwanzig Jahre alt war, gab er – zum großen Verdruss seines Vaters – das königliche Leben mit all seinen Annehmlichkeiten auf, um Wandermönch zu werden. Nach einigen Jahren des Wanderns ließ sich der Buddha im indischen Bodh Gaya unter einem Bodhi-Baum zur Meditation nieder und gelobte, solange dort sitzen zu bleiben, bis er die Erleuchtung erlangt hätte. An diesem Ort hatte er vier Einsichten in die menschliche Existenz: Leiden ist ein Teil des Lebens (es ist nicht das ganze Leben, sondern eben ein Teil des Lebens); es gibt eine Ursache für das Leiden; das Leiden kann beendet werden; und – das ist das Beste – es gibt Mittel und Wege, wie man das Leiden beenden kann. Im Laufe der folgenden zweitausendfünfhundert Jahre haben Wissenschaftler, Philosophen und Dichter verschiedenster Disziplinen diese vier Einsichten bestätigt. In einem seiner bekanntesten Bücher, Oh, the Places You’ll Go!, fasst Dr. Seuss die erste Einsicht in einen Reim: „I’m sorry to say so / but sadly, it’s true / that Bang-ups and Hangups / can happen to you“.* Die folgende Geschichte ist eine meiner liebsten, wenn es darum geht, zu veranschaulichen, wie das Festhalten unnötigen Schmerz verursachen kann.

Ein Jäger stellt eine Affenfalle auf, indem er eine Banane in einen Bambuskäfig legt. Die Stangen des Käfigs sind gerade so weit auseinander, dass ein Affe mit der flachen Hand hineingreifen kann, jedoch nicht weit genug, dass er die Hand wieder herausziehen kann, wenn er eine Banane hält. Der Affe kommt an der Falle vorbei, sieht die Banane, greift hinein und packt zu. Er hält die Banane in der Hand und lässt sie nicht wieder los, somit ist er also gefangen. Würde er seinen Griff lösen, wäre er wieder frei – aber der Affe ist überzeugt, dass er genau diese Banane braucht, und will sie partout nicht mehr loslassen.

Der Affe ist in einer Art von Falle gefangen, die uns wohl bekannt ist. Er jagt dem nach, von dem er glaubt, es mache ihn glücklich (die Banane essen) und vermeidet das, von dem er glaubt, es mache ihn unglücklich (die Banane verlieren). Ist die Moral dieser Geschichte die, dass man die Banane fallen lassen sollte? Es kommt darauf an. Wenn wir wirklich in einer Falle gefangen sind, ist es das Beste, die sinnbildliche Banane fallen zu lassen. Allerdings ist die Relation von Ursache und Wirkung zwischen unseren sinnbildlichen Bananen und unserem Leiden normalerweise komplexer, als sie in dieser Geschichte dargestellt wird. Die klügere Reaktion auf Leiden besteht oft darin, die Dinge sein zu lassen, wie sie sind, anstatt auf eine der zwei üblichen Weisen zu reagieren – den Schmerz völlig zu ignorieren oder aber ihn von jedem erdenklichen Winkel aus zu betrachten. Das Problem an diesen beiden Reaktionen ist: Wenn wir unser Leiden ignorieren oder es immer und immer wieder durchkauen, wird es sich wahrscheinlich nur noch weiter intensivieren. Wir können aus diesem vertrauten Muster aussteigen, indem wir anders mit unserem Leiden umgehen und uns dazu entscheiden, es zu erleben, anstatt es unter den Teppich zu kehren oder es zu analysieren. Dann kann die Aktivität in unserem Geist zur Ruhe kommen und wir können klarer und weniger reaktiv sehen, was in uns und um uns herum geschieht. Weil diese Art des Umgangs mit körperlichem und emotionalem Schmerz sich von unserem gewohnten Umgang unterscheidet und es einige Zeit dauert, bis man den Dreh raus hat – und sogar noch länger, bis man es wirklich umsetzen kann –, leidet man nicht gerade wenig, selbst wenn man zu den erfahrensten Meditierenden zählt.

Zum Glück kann das Leiden wichtige Einsichten bergen. Der Essayist und Romanautor Pico Iyer denkt auf der Meinungsseite der New York Times über den Wert des Leidens nach:

Weise Menschen aller Traditionen sagen uns, dass Leiden Klarheit und Erleuchtung bringt; für den Buddha ist das Leiden die erste Gesetzmäßigkeit des Lebens, und da einiges davon unserer eigenen Verblendung entspringt – unserer Selbstbezogenheit –, liegt die Heilung bei uns. In manchen Fällen kann das Leiden sowohl ein Ergebnis davon als auch eine Ursache dafür sein, sich allzu ernst zu nehmen. Einmal traf ich in Japan einen in Zen ausgebildeten Maler, der bereits über neunzig war. Er sagte zu mir, dass Leiden ein Privileg sei; es bringt uns dazu, über wesentliche Dinge nachzudenken, und erschüttert unsere kurzsichtige Zufriedenheit. Als er noch ein Junge war, so erzählte er, glaubte man, dass man für Leiden sogar bezahlen sollte, da es einen solchen Segen in sich birgt.

Das Leiden offenbart dann seinen verborgenen Segen, wenn man die Gelegenheit, die es bietet, dazu nutzen kann, sich bewusster zu werden, was im eigenen Inneren und um einen herum vor sich geht. Wenn wir wahrnehmen, dass Gesundheit und Wohlbefinden zerbrechlich und unbeständig sind, sehen wir auch in unserem alltäglichen Leben, wie alles sich verändert. Wenn wir erkennen, dass unser eigenes Glück komplex ist, sich verändert und mit dem Glück anderer zusammenhängt, stoßen wir auf ein weiteres Thema: unsere gegenseitige Abhängigkeit. Wenn wir uns daran erinnern, dass auch Gedanken und Gefühle komplex, miteinander verbunden und im Fluss sind, praktizieren wir ein drittes Thema – „den Geist offen halten“ – und beziehen dabei indirekt auch die beiden vorherigen Themen mit ein. Und wenn wir akzeptieren, dass guten Menschen schlimme Dinge geschehen können, finden wir darin die erste Einsicht der Achtsamkeit wieder – dass Leiden zum Leben gehört. Erkenntnisse wie diese, die oftmals infolge von Leiden entstehen, sorgen für mehr Klarheit darüber, was gerade geschieht, und machen es schwer, geringfügige Sorgen allzu ernst zu nehmen. Pico Iyer weist darauf hin, dass Selbstbezogenheit sowohl eine Ursache als auch eine Auswirkung von Leiden sein kann; und es ist normal, mit selbstzentrierten Belangen beschäftigt zu sein, wenn alles gut ist. Wenn das Leben sich jedoch von seiner schwierigen Seite zeigt, regt uns das Nachdenken über Themen wie wechselseitige Abhängigkeit, stetige Veränderung, Klarheit, Akzeptanz und geistige Offenheit dazu an, einen Schritt zurückzutreten und das weite Feld von Ursachen und Umständen zu betrachten, die das größere Bild unseres Leidens ausmachen (mit anderen Worten: Ursache und Wirkung zu erkennen). Wenn unser Blick weiter wird, werden selbstzentrierte Interessen häufig durch grundsätzlichere Fragen in den Schatten gestellt und wirken im Vergleich dazu weniger bedeutend. Die Kehrseite des Leidens lernen wir wertzuschätzen, indem wir die Menschen, Orte und Dinge wahrnehmen, die uns helfen, das Leiden erträglich zu machen. Selbst wenn wir Schmerz erleiden, ist es dann relativ einfach, an andere Menschen mit Wertschätzung und Freundlichkeit zu denken – zwei weitere Themen, die eine weise und mitfühlende Haltung dem Leben gegenüber ausmachen.

Die Kinder müssen aber nicht unbedingt leiden, um ihr Denken zu erweitern. Dem folgenden Spiel liegt ein einfacher Ansatz zugrunde, der gut in einem vietnamesischen Sprichwort zum Ausdruck kommt: „Wenn du eine Frucht isst, denke an den Menschen, der den Baum gepflanzt hat.“ Das Danke-Spiel macht kleineren Kindern das Thema „wechselseitige Abhängigkeit“ bewusst und gibt ihnen Gelegenheit, zwei weitere Themen zu praktizieren: Freundlichkeit und Wertschätzung. Ältere Kinder und Jugendliche sind zwar vielleicht zu alt für das Danke-Spiel, aber sie können davon profitieren, über das vietnamesische Sprichwort nachzudenken, auf dem es basiert. Suchen Sie zur Vorbereitung einen bequemen Platz, an dem die Kinder essen können, und legen Sie für jedes Kind einige Rosinen in eine Schale.


Das Danke-Spiel

Bevor wir eine Rosine essen, danken wir den Menschen, den Orten und den Dingen, die an ihrer Reise vom Weinstock bis auf unseren Tisch beteiligt waren.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJüngere Kinder

SPIELANLEITUNG

1. Lasst uns eine Rosine in die Hand nehmen. Bevor wir sie aber essen, denken wir daran, wie sie vom Weinstock in unsere Hand gekommen ist:

• Denkt an die Würmer, die den Boden gedüngt haben… Danke, Würmer!

• Denkt an die Sonne und den Regen, die die Reben genährt haben… Danke, Natur!

• Denkt an die Winzer, die sich um die Reben gekümmert und die Trauben gesammelt haben… Danke, Winzer!

• Denkt an die Arbeiter, die die Trauben gesammelt, zum Trocknen ausgelegt und als Rosinen in Kisten verpackt haben… Danke, Arbeiter!

• Denkt an die Lastwagenfahrer, die die Rosinen zum Geschäft gefahren haben… Danke, Lastwagenfahrer!

• Denkt an die Person, die die Rosinen gekauft und euch mitgebracht hat… (Die Kinder danken Ihnen.)

2. Gern geschehen! Jetzt lasst uns eine Rosine essen. Legt sie euch einen Moment lang in den Mund, ohne zu kauen, und nehmt wahr, wie sich das anfühlt. Dann kaut sie ein wenig und schluckt sie schließlich hinunter. Achtet ganz genau darauf, wie ihr euch bei jedem dieser Schritte fühlt.

3. Gesprächsthemen: Habt ihr schon einmal so über euer Essen nachgedacht? Denkt ihr jetzt anders über Rosinen?

Es ist weit verbreitet, die Aufmerksamkeit mehr darauf zu richten, was wir nicht haben, als dafür dankbar zu sein, was wir haben. Manchmal wünschen wir uns mehr – einen besseren Job, längere Ferien oder mehr Geld auf dem Konto –, und manchmal wünschen wir uns weniger – eine niedrigere Kreditkartenrechnung oder eine kleinere Zahl auf der Anzeige der Waage, auf der wir stehen. Und manchmal wünschen wir uns mehr für unsere Kinder und Familien, als wir ihnen gerade geben können. In all diesen Beispielen konzentrieren wir uns auf das, was uns fehlt, anstatt auf das, was wir haben. Einige Wissenschaftler schreiben diese negative Einseitigkeit der Evolution zu. Sie sagen, unsere Gehirne seien darauf angelegt, stärker auf schlechte Nachrichten zu reagieren als auf gute. Aus der Perspektive des Gehirns signalisieren schlechte Nachrichten Gefahr, und unsere Gehirne sind darauf angelegt, dem Überleben Priorität vor allem anderen zu geben. Allerdings können wir etwas gegen diese negative Einseitigkeit tun, indem wir überlegen, was wir in unserem Leben bereits haben, und dies wertschätzen.

Zur Vorbereitung auf das folgende Spiel schneiden Sie Skizzenpapier in Streifen und legen es mit einigen Dekorationsmaterialien zusammen in einen Korb.

Die Dankbarkeitskette

Wir schreiben auf, wofür wir dankbar sind, um uns daran zu erinnern, was wir alles haben, und um zu erleben, welche positiven Auswirkungen eine einfache, freundliche Tat haben kann.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJüngere Kinder

SPIELANLEITUNG

1. Gesprächsthemen: Auf welche Weisen haben andere Menschen euch geholfen? Was ist „Wertschätzung“ oder „Dankbarkeit“?

2. Lasst uns gemeinsam eine Dankbarkeitskette machen. Zuerst werden wir auf diese Papierstreifen schreiben, für was wir dankbar sind. Dann werden wir sie verzieren und zu einer Kette zusammenfügen.

3. Gesprächsthemen: Wie fühlt ihr euch, wenn ihr für etwas oder jemandem dankbar seid? Auf welche Weisen sind wir alle miteinander verbunden? Was ist eine Gemeinschaft?

Wenn die Kette fertig ist, können die Kinder sie mit Ihrer Hilfe an einen passenden Platz hängen oder verschenken.

TIPPS

1. Dankbarkeitsspiele vertiefen das Thema der gegenseitigen Abhängigkeit, indem sie die Kinder daran erinnern, dass sie mit ihnen bekannten und unbekannten Menschen auf Weisen verbunden sind, die man sich manchmal nur schwer vorstellen kann. Zum Beispiel sind viele, viele Menschen daran beteiligt, eine Mahlzeit auf den Tisch zu bringen (Bauern, Verkäufer, Köche) und die eigene Lieblingsfernsehserie oder einen Film zu produzieren (Autoren, Schauspieler, Regisseure).

Manchmal kommen durch Wertschätzungsübungen bei den Kindern und Jugendlichen schmerzliche Gedanken und Gefühle auf. Dann können sie die Aufforderung, dankbar zu sein, leicht missverstehen und denken, dass ihre Schwierigkeiten nicht gesehen werden, auch wenn das nicht stimmt. Falls schmerzliche Gefühle auftauchen, regen Sie die Kinder dazu an, ihre Erfahrung aus einer größeren Perspektive zu betrachten und ihre Gefühle weder zu beschönigen noch beiseite zuschieben. Wenn die Kinder ihre

Drei gute Dinge

Wenn wir eine Enttäuschung erleben, erkennen wir unsere Gefühle an und denken dann an drei Dinge in unserem Leben, die gut sind.


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJedes Alter

GESPRÄCHSANLEITUNG

1. Wart ihr schon einmal von etwas oder jemandem enttäuscht? Hören Sie sich die Geschichten der Kinder an.

2. Wie habt ihr euch dabei gefühlt?

Erkennen Sie die Gefühle der Kinder an und, falls es angebracht ist, sprechen Sie mit ihnen darüber.

3. Ich wette, selbst wenn ihr enttäuscht seid, passieren auch gute Dinge in eurem Leben. Lasst uns gemeinsam drei gute Dinge benennen.

TIPPS

1. Machen Sie die Kinder darauf aufmerksam, dass es bei diesem Spiel nicht darum geht, so zu tun, als ob sie sich nicht ärgern, obwohl sie es tun. Es geht darum, sich daran zu erinnern, dass man zwei Dinge gleichzeitig fühlen kann: Man kann sich dankbar fühlen für gute Dinge, während man sich zugleich wegen einer schwierigen Sache traurig, verletzt oder enttäuscht fühlt.

2. Wenn die Kinder oder Jugendlichen Schwierigkeiten haben, selbst auf drei gute Dinge zu kommen, denken Sie gemeinsam nach und helfen Sie ihnen, etwas zu finden.

3. Wenn die Kinder verstehen, dass es in diesem Spiel nicht darum geht, ihre Gefühle unter den Teppich zu kehren, kann die Formulierung „drei gute Dinge“ zu einer spielerischen und humorvollen Reaktion auf die kleinen Ärgernisse werden, die zum Familienalltag dazugehören. Wenn zum Beispiel ein kleines Kind ein Glas Apfelsaft verschüttet und so aussieht, als würde es gleich zu weinen anfangen, könnten Sie so reagieren: „Oh je, das ist ja ärgerlich. Kannst du mir drei gute Dinge sagen, während ich den Tisch abwische?“

4. Umgekehrt können die Eltern auch ihre Kinder bitten, sie daran zu erinnern, drei gute Dinge zu nennen, wenn sie selbst an einer belanglosen Enttäuschung oder einem kleinen Ärgernis festhalten.

5. Um Dankbarkeit zur Gewohnheit zu machen, spielen Sie Drei gute Dinge am Abendbrottisch, vor dem Zubettgehen und bei anderen Gelegenheiten, wenn die Familie zusammen ist (und sich gerade niemand ärgert).

Im folgenden Spiel Das Leben ist gut können die Kinder auf spielerische Weise üben, ihre Schwierigkeiten anzuerkennen und sie dann in einen größeren Kontext zu stellen, indem sie einige positive Dinge benennen, die es in ihrem Leben ebenfalls gibt – ich nenne es scherzhaft das Jammerspiel. Die Kinder rollen in einem Kreis oder mit einem Partner einen Ball hin und her. Wer auch immer den Ball hat, nennt etwas, das ihm oder ihr auf die Nerven geht. Dann rollt die Person den Ball zu einem anderen Spieler und sagt dabei: „…und das Leben ist gut.“ Dieses Spiel ist durch eine Dankbarkeitspraxis inspiriert, die James Baraz, Gründer und Lehrer des Spirit Rock Meditation Center, seiner neunundachtzigjährigen Mutter beibrachte. Der Titel dieses Spiels beruht auf dem Vorschlag des Meditationslehrers Joseph Goldstein.

Das Leben ist gut

Während wir einen Ball hin und her (oder in einem Kreis) rollen, nennen wir Dinge, die uns stören, und erinnern uns dabei an die guten Dinge im Leben, indem wir hinzufügen: und das Leben ist gut.“


LEBENSKOMPETENZEN:ZIELALTER:
Wahrnehmen, umdeutenJedes Alter

SPIELANLEITUNG

1. Wir werden uns diesen Ball gegenseitig zurollen, und wenn der Ball zu euch kommt, nennt eine Sache, die euch stört. Rollt dann den Ball zur nächsten Person und sagt:„…und das Leben ist gut.“

2. Ich fange an. „Ich habe heute meine Halskette verloren…“ Rollen Sie den Ball zu einem anderen Spieler und sagen Sie dabei: „…und das Leben ist gut.“

3. Jetzt nenne du etwas und rolle den Ball. Lassen Sie die Kinder im Lauf des Spiels die Geschwindigkeit erhöhen.

Zunächst mag sich Dankbarkeit wie eine bloß mentale Übung anfühlen. Je mehr man sich als Familie jedoch dafür Zeit nimmt, Wertschätzung zu praktizieren, wenn das Leben gerade gut ist, desto leichter fällt es Eltern und Kindern, auch in schweren Zeiten für die guten Dinge im Leben dankbar zu sein. Dadurch wird Wertschätzung zu einem wesentlichen Bestandteil der Haltung dem Leben gegenüber und ist nicht länger eine rein mentale Angelegenheit.

_______________________________

* Auf Deutsch sinngemäß: „Es tut mir leid, es zu sagen, / aber traurigerweise ist es wahr, / Höhenflüge und Durchhänger / können Dir nun einmal passieren.“ Anm. d. Übers.)

Tasuta katkend on lõppenud.

18,90 €