Loe raamatut: «Selbstmitgefühl für Eltern», lehekülg 4

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Nur eine schlimme Erkältung

Es schien nur eine schlimme Erkältung zu sein. »Mach dir nicht so viele Sorgen, Valerie,« schimpfte ihr Mann. »Kinder kriegen laufend Erkältungen. Du überreagierst ständig.« Dem vierjährigen Matthis ging es allerdings miserabel. Er war so verschleimt, dass ihm das Atmen schwerfiel, er konnte nicht schlafen, hatte Schmerzen und war reizbar. »Schick ihn einfach in den Kindergarten. Das ist keine große Sache – mach keine Memme aus ihm.« Matthis war ihr erstes Kind und Valerie bekam schon ihr Leben lang zu hören, dass sie zu emotional sei. Also steckte sie ­Matthis in einen warmen Pullover, zog ihm Schal und Handschuhe an und brachte ihn in die Tagesbetreuung. Er hatte kaum Temperatur und sie musste arbeiten gehen. Ein paar Stunden später rief die Erzieherin an: »Matthis hat sich gerade übergeben. Sie müssen ihn abholen«, insistierte sie. »Großartig«, dachte Valerie, »soviel zu einem erfolgreichen Arbeitstag.« Als sie im Kindergarten ankam, war Matthis Temperatur erhöht. Er wirkte ungewöhnlich blass und apathisch, schien sich aber sehr zu freuen, sie zu sehen.

Sie gab ihm ein Mittel gegen das Fieber aber die Temperatur sank nicht. Sie stieg sogar noch. »Das ist nicht in Ordnung«, sagte sie zu ihrem Mann, »ich bringe ihn zum Arzt, da stimmt etwas nicht.« »Meine Güte, Valerie. Lass ihn sich gesund schlafen. Du kannst doch nicht spätabends die Ärztin anrufen. Und wir beide brauchen auch unseren Schlaf. Belästige sie nicht so spät, es ist doch nur eine Grippe.«

Als das Fieber am nächsten Morgen immer noch nicht gesunken war, musste Valerie bei ihrer Arbeitsstelle anrufen, um einen weiteren Tag frei zu nehmen. »Wie um Himmelswillen können die Leute ihre Jobs behalten, wenn sie Kinder haben?«, fragte sie sich. Sie war wütend, hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen und machte sich Sorgen. Das Fieber stieg weiter und Valerie brachte Matthis zur Kinderärztin. Er war apathisch, rang um jeden Atemzug und sein Herz raste. Die Kinderärztin untersuchte ihn und sagte in ruhigem aber ernstem Ton: »Fahren Sie mit ihm ins Krankenhaus, wir geben ihm sofort Medikamente. Und Valerie –«, die Ärztin hielt inne und legte eine Hand auf Valeries Schulter, »ich will Ihnen keine Angst einjagen, aber fahren Sie bitte direkt ins Krankenhaus, fahren Sie nicht erst zu Hause vorbei.«

Natürlich bekam Valerie Angst. Sie packte Matthis ins Auto und fuhr so schnell sie konnte ins Kinderkrankenhaus in der Innenstadt. Sie hasste es, durch den Stadtverkehr zu fahren, besonders im Berufsverkehr, aber sie hatte keine Wahl.

Als sie im Krankenhaus ankamen, war sein Fieber auf 39,5 Grad gestiegen. Und das Atmen fiel ihm immer noch schwer. Die Wartezeit schien sich endlos hinzuziehen. Valerie fühlte sich so allein. »Bitte, er bekommt kaum Luft. Könnte vielleicht schon jemand nach ihm schauen?« Valerie schnappte sich eine Krankenschwester in einem Versuch, Hilfe zu bekommen. Nach wenigen Augenblicken standen sie in der Notfallambulanz. Matthis lag auf einem Metalltisch über dem grelle Lampen hingen und wurde von Ärztinnen, Schwestern und jungen Assistenzärzten umringt. Plötzlich war sein kleiner Körper an Maschinen, Schläuche, Monitore angeschlossen. Alles ging so schnell. Es wirkte so unwirklich.

»Es ist gut, dass Sie ihn jetzt hergebracht haben«, sagte die diensthabende Ärztin. »Ihr kleiner Junge hat eine schwerwiegende Atemwegsinfektion. Ich möchte ihn heute Nacht hierbehalten, damit wir ihn unter Beobachtung haben.«

Valerie war außer sich aber auch erleichtert, dass Matthis in guten Händen war und dass ihre Sorgen ernst genommen wurden. Sie hatte es mit Achtsamkeitsübungen probiert, aber es war ihr unmöglich, sich auf ihren Atem zu konzentrieren, während Matthis nach Luft rang. Als sie versuchte, sich auf ihren Atem zu fokussieren, konnte sie an nichts anderes denken als an seine Schmerzen, sein Leiden und seinen Kampf um jeden Atemzug. Aber sie brauchte etwas, um diese Tortur durchzustehen. Sie war erschöpft, ihr ganzer Körper zitterte und sie würde die Nacht auf einem Krankenhausstuhl neben seinem Bett verbringen und versuchen etwas zu schlafen.

Valerie mochte es, Umgebungsgeräuschen zu lauschen – ebenfalls eine beliebte und praktische Meditationsform – und stellte fest, dass das für sie besser funktionierte als die Konzentration auf den Atem. Sie passte diese Grundübung an die Situation im Krankenhaus an.

Die Klänge des Lebens

 Du kannst die Übung im Sitzen, Liegen oder Stehen machen. Die Position spielt keine Rolle. Mach es dir so bequem wie möglich.

 Beginne den Klängen in deiner Umgebung zu lauschen. Das können die Geräusche der Heizung oder der Klimaanlage, des Windes, des Regens oder des Straßenverkehrs sein.

 Du musst die Geräusche weder benennen, noch an ihnen festhalten oder versuchen, sie auszublenden. Erlaube dir, den Klängen, so, wie sie sind, zu lauschen.

 Stell dir vor, dass du mit deinem ganzen Körper zuhörst und die Geräusche aus allen Richtungen aufnimmst von oben, unten, vorne und hinten.

 Nimm wahr, dass jedes Geräusch, jeder Klang so wie jede Geschichte einen Anfang, einen mittleren Teil und ein Ende hat.

 Vielleicht empfindest du manche Geräusche als lästig oder nervig, während andere keine Reaktion auslösen. Beurteile die Geräusche nicht, lausche einfach.

 Es ist kein Problem, wenn du gedanklich abschweifst; lenke die Aufmerksamkeit einfach wieder auf die Geräusche im Raum und den gegenwärtigen Moment.

 Schau, ob du dir erlauben kannst, bei den momentanen Klängen zu verweilen so wie sie sind.

 Auch wenn das ein schwieriger Moment ist: Mach dir bewusst, dass diese Komposition von Klängen und Geräuschen nie wieder genauso auftreten wird.

 Wenn du bereit bist, nimm einen tiefen Atemzug, bewege leicht die Hände und Beine und öffnen die Augen, falls du sie geschlossen hattest.

Als Valerie ihre Erfahrung reflektierte, erkannte sie, dass es ihr half, den Geräuschen in Matthis Zimmer zu lauschen: So konnte sie eher präsent bleiben und vermeiden, sich in Ängsten oder Katastrophendenken zu verlieren, was normalerweise ein Leichtes für sie war. »Normalerweise hätten mich diese Töne genervt, das Pipsen der Monitore, die Geräusche des Sauerstoffgeräts, der Infusion, aber jetzt hatten sie etwas Beschützendes. Ich wusste, dass ihn die Maschinen mit ihren blinkenden Lämpchen und ihrer Aktivität am Leben hielten. Und dieses Wissen hielt mich davon ab, zu einem hysterischen Nervenbündel zu werden.«

Diese Praxis half Valerie, eine dramatische Situation zu überstehen, aber sie ist auch im Alltag sehr nützlich. Obwohl sich Meditations- und Yoga-Lehrerinnen und -Lehrer meistens auf den Atem konzentrieren, ist das vielleicht nicht für alle der beste Weg. Sich auf die Innenwelt statt auf die äußere zu fokussieren kann unangenehme Emotionen und Erinnerungen hochbringen. Für Menschen mit einer von Ängsten und Traumata belasteten Vorgeschichte ist ein sanfter Weg, Achtsamkeit ins tägliche Leben zu bringen, die Aufmerksamkeit auf die Klänge und Geräusche der Umgebung zu richten. Viele Leute, die Vorbehalte gegenüber Meditation haben, finden leichter Zugang zu dieser Praxis. Und sie ist einfach. Wir müssen nichts dazu tun, dass die Geräusche kommen und gehen. Wir müssen sie nicht manipulieren. Wir können Geräuschen und Klängen ohne jede Anstrengung lauschen. Das Geräusch taucht auf, wir hören es und wir sind präsent.

Rosa kam zu mir, weil sie Hilfe suchte, um ihren stressigen Alltag mit drei kleinen Kindern und einer betagten Mutter, die nach einer Knieoperation Pflege brauchte, bewältigen zu können. Sie glaubte nicht, dass Achtsamkeit für jemanden mit einem so stressigen Leben funktionieren würde. Ich sagte ihr, die Praxis sei wie ein Welpen-Training, denn sie erfordere Geduld, eine Portion Humor und Selbstakzeptanz. Sie hielt sich dafür nur drei Minuten täglich frei und stellte fest, dass sie »mit einem Geräusch nach dem anderen« in den gegenwärtigen Moment zurückkehren konnte. Indem sie sich auf die Geräusche in ihrer Umgebung fokussierte, während sie zwischen dem Fußballtraining der Kinder und der Pflege ihrer Mutter hin und her raste, nahm ihre innere Unruhe ab.

Alexandra hatte eine traumatische Vorgeschichte mit sexuellem Missbrauch. Sie wollte es mit Achtsamkeit probieren aber sie wurde unruhig, wenn sie versuchte, ihren Atem zu spüren. Umgebungsgeräuschen zu lauschen wurde für sie zu einem Weg, sich zu stabilisieren und in den gegenwärtigen Moment zu kommen. Immer wenn sie das Gefühl hatte, von Erinnerungen überwältigt zu werden, oder von der Angst, dass ihrer Tochter etwas Schlimmes zustoßen würde, halfen ihr das Summen der Klimaanlage oder die Geräusche des Straßenverkehrs, ihr Gewahrsein im Moment und in ihrem gegenwärtigen Leben zu verankern – Geräusche, die sich so sehr von denen in ihrem einstigen ländlichen Zuhause unterschieden, wo der Missbrauch stattgefunden hatte. Nach einer längeren Zeit des Übens, bei der sie sich immer wieder auf die Geräusche und Klänge ihres hart erkämpften neuen Lebens und ihr Kind fokussierte, ließen ihre Grübeleien über das Trauma allmählich nach. Wir können auch Umgebungsgeräuschen lauschen und uns dabei noch auf unsere anderen Sinne einstimmen, zum Beispiel beim Gehen oder wenn wir im Bus sitzen, oder beim Geschirrspülen. Während unsere Gedanken in die Zukunft eilen oder in der Vergangenheit hängen bleiben, sind unsere Sinne immer in der Gegenwart.

Achtsamkeit und Mitgefühl sind nicht nur Praktiken für erschöpfte, gestresste Eltern, die versuchen, mit zu vielen Bällen zu jonglieren, ohne sie fallen zu lassen. Sie sind Werkzeuge fürs Leben. Es sind Fertigkeiten, die dir helfen können, die Folgen der wahrlich herausfordernden Situationen zu bewältigen, mit denen wir alle konfrontiert sind: Familien, die unsere Bedürfnisse ignorierten oder in denen Missbrauch geschah, der emotionale Stress durch Krankheit, finanzielle Belastungen, die Härten als Alleinerziehende, Traumata und die Folgen von Suchterkrankungen. Achtsamkeit und Mitgefühl vermitteln uns eine neue Einstellung zu unseren Belastungen und die Freiheit, nicht durch unsere Vorgeschichte und die Ereignisse unseres Lebens definiert zu werden.

»Ich ertrinke«

Robert wurde dazu erzogen, nicht über Probleme zu sprechen. Hilfe zu benötigen galt in seiner Familie, in der man auf Eigenständigkeit setzte, als Zeichen von Schwäche. Seine Frau sah, dass er am Ende war und Hilfe brauchte, um mit seinem Stress fertig zu werden. Er war ein harter Arbeiter, der Älteste von fünf Geschwistern. »Ich bin loyal. Ich versuche, derjenige zu sein, der immer da ist, jemand, dem man vertrauen kann. Ich lasse niemanden im Stich«, sagte er zu mir.

»Ich beklage mich nicht; das wäre meiner Meinung nach respektlos. Meine Mutter war Krankenschwester. Sie ist eine taffe, pragmatische Person. Wenn man krank war, musste man trotzdem zur Schule gehen, es sei denn, man blutete aus dem Kopf. Sie ist eine gute und ehrliche Frau. Mein Vater arbeitete im Baugewerbe. Er ist stolz. Ein harter Knochen. Als ich ein Teenager war, hatte er einen Arbeitsunfall und musste Erwerbsunfähigkeitsrente beantragen. Das zog ihn runter und er fing an zu trinken. Meine Mutter übernahm das Ruder und begann Extraschichten zu arbeiten. Ich sprang auch in die Bresche, trug Zeitungen aus und fing an, im örtlichen Lebensmittelladen Einkäufe einzupacken. Mit fünfzehn kann man nicht viel Geld verdienen. Ich musste auch bei der Betreuung der kleineren Kinder einspringen, wenn meine Mutter bei der Arbeit war. Wir aßen Frühstücksflocken zum Abendessen und dann beschloss ich, zu lernen, wie man eine Mahlzeit zubereitet. Nichts Besonderes, aber ich kann Wasser zum Kochen bringen«, lächelte er. »Vater ist jetzt die meiste Zeit bettlägerig und hat eine beginnende Demenz. Traurig, wirklich traurig.« Er schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. »Ich versuche immer noch, auszuhelfen und sie zu unterstützen; seine Behandlung ist mit hohen Kosten verbunden. Meine Geschwister versuchen auch zu helfen. Aber wir alle haben auch unsere eigenen Familien und finanziellen Verpflichtungen. Die Erwerbsunfähigkeitsrente kann man vergessen.«

»Nach der Schule trat ich ins Möbelgeschäft der Familie ein. Ich hatte gehofft, dass sie es mir übergeben würden. Ich lernte Buchführung. Es war ein sicherer Arbeitsplatz. Und sie haben mich gut behandelt; für eine Weile lief alles wirklich gut. Ich gründete eine Familie und hatte das Gefühl, vorwärts zu kommen. Aber dann wurde mein Onkel krank – Krebs – und konnte den Laden nicht mehr am Laufen halten. Und ich hatte kein Geld, um das Unternehmen zu kaufen. Das war’s dann. ›Tut mir leid, Junge‹, sagte er ›ich wünschte, ich hätte mehr für dich tun können.‹«

»Ein Dutzend Jahre harter Arbeit und nichts war dabei herausgekommen. Nicht mal eine anständige Abfindung. Ich stehe auf der Straße. Ich habe eine Frau und drei kleine Kinder. Ich bin stolz darauf, ein guter Versorger zu sein. Ich habe nach einem neuen Job gesucht. Bewerbungen verschickt, das Internet durchforstet, Freunde angerufen – nichts. Und das geht schon seit Monaten so. Ich mache mir Sorgen. Das Geld ist knapp, also fahre ich für das Taxiunternehmen Uber. Die Leute behandeln mich wie einen Dienstboten. Meine Eltern und meine Familie sind auf meine Hilfe angewiesen. Meine Frau arbeitet im Kindergarten, aber das reicht nicht, um über die Runden zu kommen. Ich fühle mich nutzlos. Manchmal wache ich nachts voller Panik schweißgebadet auf und kann kaum atmen. Und wenn es an manchen Tagen richtig schlimm ist, habe ich das Gefühl, zu ertrinken.«

»Und manchmal hasse ich mich«, sagte Rob. »Ich bin unkonzentriert, wütend, habe das Gefühl, nichts richtig machen zu können. Ich hacke auf mir herum, wenn ich vergesse, Milch aus dem Supermarkt mitzubringen.«

Es war offensichtlich, wie hingebungsvoll sich Robert um seine Familie kümmerte und wie sehr er sich anstrengte. Und auch, wie hart er mit sich ins Gericht ging, wenn die Dinge nicht wie geplant liefen. Man hat herausgefunden, dass 75 % von uns härter mit sich selbst umgehen, als sie mit einem Freund oder einer Freundin umgehen würden. Um ihm zu helfen, ein bisschen Abstand zu gewinnen, fragte ich ihn, was sein bester Freund sagen würde.

»Oh, er würde wahrscheinlich sagen, dass ich eine schwere Zeit durchmache, dass es aber wieder besser werden wird.«

»Okay, wie wäre es, wenn wir eine Übung ausprobieren würden, die helfen könnte, diese Sichtweise beizubehalten?«, schlug ich vor.

»Du meinst, eine Übung könnte helfen? Wie könnte sie denn helfen? Wird sie mir helfen, eine neue Arbeitsstelle zu finden und meine Familie zu ernähren? Mir geht es nicht um irgendwelche ›Alles-wird-gut‹-Versprechen«, erwiderte er skeptisch.

»Das ist wissenschaftsbasiert. Einen Versuch ist es doch wert. Ich werde sie zusammen mit dir machen«, sagte ich.

Die folgende Reflexionsübung ist eine adaptierte Version aus dem Selbstmitgefühlskurs (Mindful Self-Compassion) von Christopher Germer und Kristin Neff. Sie kann uns beruhigen und uns helfen, die schwierigeren Prüfungen des Lebens durchzustehen.

Reflexion: Was würde deine beste Freundin (dein Freund) sagen

 Nimm dir einen Moment Zeit und setz dich still hin. Denke an eine freundliche, liebevolle Freundin oder einen Freund. Es könnte auch eine Lehrerin, ein Mentor, eine Angehörige oder sogar ein Tier oder ein spirituelles Wesen sein.

 Nimm wahr, wie du dich in der Gegenwart der Freundin, des Freundes körperlich und geistig fühlst.

 Erzähle dieser Freundin oder diesem Freund, was du durchmachst und wie schwer das für dich ist.

 Was würde dieser Freund oder diese Freundin zu dir sagen? Stell dir die Worte, den Ton und sogar den Gesichtsausdruck vor. Du kannst die Worte in Form eines Briefes oder als Notiz festhalten.

 Sei offen für alle Worte, Bilder und Gefühle, die auftauchen.

 Was würde er oder sie tun? Vielleicht würde sich ein Schulterklopfen, eine Umarmung oder ein sanftes Drücken der Hand gut und richtig anfühlen.

 Falls du es hilfreich findest, kannst du auch diese Reaktion auf einen Zettel schreiben und ihn in deiner Brieftasche oder deinem Geldbeutel bei dir tragen, und sie jedes Mal anschauen, wenn du etwas Unterstützung oder Trost brauchst.

Robert stellte sich Jakob, seinen besten Freund aus Schule vor, der sein Kletterpartner und immer noch ein guter Freund war, aber nicht mehr in der Nähe lebte.

»Als ich diese Übung machte, hörte ich ihn sagen ›Kumpel, es ist nicht deine Schuld. Mach es dir nicht so schwer, Mann. Halte einfach ein bisschen durch, bleib dran. Du kannst das Leben nicht kontrollieren. Du bist ein guter Kerl. Ich habe dir beim Bergsteigen immer mein Leben anvertraut und du hast mich nie hängen lassen. Du wirst die Sache drehen. Wenn es jemanden gibt, auf den du zählen kannst, dann bist du es.‹ Es fühlte sich an wie das Freundlichste, das jemand seit Jahren zu mir gesagt hatte.« Aus Robs Augenwinkel rollte eine Träne. »Vielleicht bin ich am Ende gar nicht so schlecht.« Er hielt inne. »Und es fühlt sich gut an, nicht alles für sich zu behalten. Diese Sorgen haben mich bei lebendigem Leib aufgefressen.«

»Robert«, sagte ich, »was Jakob zu dir gesagt hat, ist fast wörtlich das Gleiche, was der Meditationslehrer Wes Nisker lehrt und ich finde, es ist absolut wahr.« Er sagt zu den Leuten »Du bist nicht schuld an dir.«8

»Ich habe das Gefühl, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte nicht im Familienunternehmen arbeiten sollen. Aber ich habe es nicht gewusst; es hat sich wie eine sichere Entscheidung angefühlt. Ich kann meinem Onkel keine Schuld geben. Ich habe das Gefühl, dass ich die Verantwortung dafür übernehmen muss, wenn etwas nicht funktioniert.« Er hielt wieder inne. »Manchmal fühle ich mich wie ein Idiot.«

»Robert, wir treffen unsere Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Du konntest das nicht kommen sehen. Wenn wir einmal darüber nachdenken, erkennen wir, dass wer wir sind und was uns widerfährt, von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängt: von unseren Eltern, unseren Genen, dem Kulturkreis, in dem wir aufwuchsen, unserer finanziellen Situation, den Entwicklungen in der Welt. Das bedeutet nicht, dass wir keine Verantwortung für unser Verhalten und unser Handeln übernehmen müssen, aber es bedeutet auch nicht, dass wir uns für jede Kleinigkeit, jede Unzulänglichkeit, jeden Fehler, jedes Mal, wenn wir die Milch vergessen, beschuldigen müssen.

Wir können nicht vorhersagen, welcher Job bestehen bleiben wird, wir können nicht vorhersagen, wer krank werden wird, wir können weder die Entwicklungen auf dem Aktienmarkt vorhersehen, noch das Wetter oder das Eintreten von Naturkatastrophen.«

Die folgende, von Mark Coleman inspirierte Übung, die Robert nun täglich praktizierte, half ihm, allmählich den Druck von seinen Schultern zu nehmen.

Du bist nicht schuld an dir

 Setze dich bequem hin und versuche, zur Ruhe zu kommen. Du kannst diese Übung im Sitzen, Stehen oder Liegen machen.

 Denke darüber nach, dass du nicht deine Schuld bist. Hast du diesen Körper bestellt? Hast du nach diesem kritischen Verstand verlangt? Deiner ethnischen Zugehörigkeit? Deiner Persönlichkeit?

 Hast du diese dysfunktionale Familie im Internet bestellt?

 Unser Leben wird von so vielen Variablen und Faktoren bestimmt, über die wir keinerlei Kontrolle haben.

 Betrachte die Dinge mit soviel Abstand, wie du kannst. Das Gesamtbild kann uns helfen, Mitgefühl für unsere Macken und Herausforderungen zu entwickeln.

 Der Psychologe C. G. Jung hat einst gesagt »Ich bin nicht das, was mir passiert ist, ich bin, was ich beschließe, zu werden«.

 Wie wäre es, wenn wir uns angesichts unserer Herausforderungen und Pro­bleme, anstatt uns zu verurteilen, zu beschuldigen und auszuschimpfen, etwas Freundlichkeit und Mitgefühl entgegenbrächten?

 Überlege dir, wie es wäre, dein Leben aus einer umfassenderen Perspektive zu sehen.