Welche Rolle spielst du?

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Loe katkendit
Märgi loetuks
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Welche Rolle spielst du?
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Sylvi S.

Welche Rolle spielst du?

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

WELCHE ROLLE SPIELST DU?

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

Impressum neobooks

WELCHE ROLLE SPIELST DU?

1. Kapitel

Die junge Schauspielerin Janine Reimer wusste, dass sie sich freuen sollte, so eine einmalige Rolle ergattert zu haben. Trotzdem war sie dermaßen nervös, dass sich dieses Gefühl beinahe in Angst umänderte, als sie das Filmset betrat. Heute sollte sie zum ersten Mal ihre neuen Kollegen kennen lernen, mit denen sie in den nächsten Monaten wesentlich mehr Zeit als mit ihrer Familie verbringen würde. Hoffentlich würde sie sich gut mit ihnen verstehen. Vor allem auf ihren Serienpartner war sie sehr gespannt.

Sie hatte schon Teile des Manuskriptes gelesen und war sich bewusst, dass recht freizügige Szenen auf sie zukamen. Da war es wichtig, dass zumindest eine gewisse Sympathie zwischen ihnen bestand. Ansonsten konnte der Traumjob schnell ins Gegenteil umschlagen. Vielleicht klopfte der Blondine deswegen das Herz bis zum Hals, als sie die kleine Empfangshalle betrat.

Einige ihrer Schauspielkollegen waren bereits anwesend und hatten es sich an der Original-Set-Bar der Stammkneipe „Zum Hirsch“ gemütlich gemacht, wo selbstverständlich nur alkoholfreie Getränke ausgeschenkt wurden. Trotzdem schien die Atmosphäre zu stimmen, wenn das herzhafte Lachen ein Indiz dafür war.

Eigentlich war Janine sonst nicht so schüchtern, aber sie hatte auch noch nie die Hauptrolle in so einer freizügigen Serie gespielt. Obwohl sie sich für ihren Körper nicht schämte, war sie nicht sicher, ob es ihre Familie schätzen würde, dass sie mehrmals ihren nackten Hintern halb Deutschland präsentieren würde. Dass ihr ausgerechnet jetzt Bedenken kamen, wo es praktisch zu spät war, machte die Situation auch nicht leichter. Ihre Serienkollegen, von denen sie keinen einzigen kannte, schienen dieses „Zur Schau stellen” lockerer zu nehmen. Von Schüchternheit oder gar Hemmungen, die Hüllen fallen zu lassen, war hier nichts zu spüren. Außerdem benahmen sie sich bereits wie eine eingeschworene Gemeinschaft, was das Gefühl, fehl am Platze zu sein, nur noch verstärkte.

Plötzlich von Lampenfieber gepackt, hätte Janine am liebsten klammheimlich einen Rückzieher gemacht. Doch es war schon zu spät. Eine junge rothaarige Frau hatte sie entdeckt und winkte sie zu sich heran.

Es wäre unhöflich gewesen, diese Einladung zu ignorieren. Also atmete sie tief durch und trat an die Theke.

„So ein hübscher blonder Engel! Das kann nur unsere Sofia sein”, schnatterte sie viel zu laut drauflos und schaffte es, dass sich alle Köpfe nach ihr umdrehten.

Na toll! Genau das hatte Janine vermeiden wollen. Nun war sie mit einem Schlag in den Mittelpunkt geraten und musste Rede und Antwort stehen.

„Ja, ich spiele die Sofia Doll”, murmelte sie, während sie auf einen der Barhocker Platz nahm.

„Schön. Ich bin Natascha. Na ja, eigentlich Birte. Aber in der Serie bin ich die beste Freundin deines Liebhabers Roman. Das heißt, wir werden mehrere Szenen zusammen drehen....” Die Rothaarige begann, die halbe erste Staffel der Serie zu erzählen und bewies, was für eine große Plaudertasche sie war. Aber Janine war das ganz recht so. So musste sie selbst nichts sagen und konnte ruhig und verstohlen die restlichen Personen der Gruppe beobachten. Wer wohl welche Rolle spielte? Offensichtlich traute sich niemand, die Schnattertante zu unterbrechen und sich vorzustellen. Also, musste sie es selbst herausfinden. Seltsamerweise übte diese Raterei einen gewissen Reiz auf Janine aus, und sie versuchte sich als erstes auszumalen, wer den Roman verkörperte.

Ihr Blick blieb an einem attraktiven dunkelhaarigen Mann haften. Ob er es war, mit dem sie die nächsten Monate „intim” werden würde? Hm, sie musste zugeben, dass er wirklich schöne Rehaugen hatte, aber für einen Kerl, den jede haben wollte, hätte man auch jemanden mit mehr Ausstrahlung finden können. Denn ein Erfolgsgarant für die neue Serie sollte ein besonders attraktiver Hauptdarsteller sein, der die Frauen reihenweise zum Schwärmen brachte.

Janine schaute sich weiter um. Nein, einen anderen „Schönling” konnte sie in der Runde nicht entdecken. Okay, der große Braunhaarige sah auch nicht schlecht aus. Doch dieser trug viel zu schräge Klamotten am Leib, die in so knalligen und unpassenden Farben kombiniert waren, dass einem die Schmerztränen in die Augen traten. Der ganze Anputz schrie nach der schwulen Serienfigur Tommy.

Die einzigen beiden Männer in Schlips und Kragen – wohl die Standartkleidung dieses Romans, sofern er überhaupt welche anhatte – waren ein bieder aussehender Mittdreißiger und eben Rehauge. Letzteres war wohl tatsächlich der Einzige, der mit der richtigen Maskenbildnerin als Frauenheld durchgehen konnte. Der Dunkelhaarige musste also „ihr” Roman sein.

Stolz, alles allein ausgetüftelt zu haben, geriet Janines Ego ein wenig in Angeberlaune. Als sich Birte die Zeit zum Luftholen nahm, nutzte sie die Gelegenheit, das Rehauge anzusprechen, um die anderen mit ihrem schlauen Köpfchen zu beeindrucken. Wenn sie sich etwas mehr in die Gemeinschaft einbrachte, würde sie sich vielleicht auch mehr dazugehörend fühlen.

„Du bist also mein Liebhaber Roman. Ich freue mich schon auf unsere Zusammenarbeit. Ich bin sicher, dass wir bei unserer gemeinsamen Bettakrobatik gut harmonisieren werden.” Janine versuchte es mit einem Scherz, der bei dem Dunkelhaarigen gut ankam. Erst als diesem vor Lachen die Tränen in die Augen traten, wurde die junge Frau stutzig. So witzig war ihr Spruch nun auch wieder nicht gewesen.

„Ich fühle mich ja echt geschmeichelt, dass du mich für so schön hältst, dass ich den Roman spielen könnte. Aber ich bin nur Andreas, Romans bester Freund.”

Noch während Janine versuchte, sich von dem Schock zu erholen, erklang plötzlich eine sexy, aber etwas schüchterne Stimme hinter ihr.

„Der Roman bin ich.”

Wie von der Tarantel gestochen, fuhr sie herum und hielt erstarrt inne. Ihr blieb buchstäblich die Spucke weg, und schon auf dem ersten Blick wusste sie: Nein, mit diesem Kerl konnte sie unmöglich drehen!

Leon Schneiders ganzer Körper vibrierte. Er spürte seinen Herzschlag von den Zehen bis zum Hals. Am liebsten hätte er sich vorher ein paar Tropfen Mut angetrunken. Aber dann hätte er seine Chance schon vermasselt, bevor er sie überhaupt richtig nutzen konnte. Immerhin hatte er die Rolle erst im letzten Moment ergattert, und wieso, war er sich auch nicht ganz sicher. Jeden Hauptcharakter der Serie hatte man bereits mit dem geeigneten Schauspieler besetzt gehabt. Der Drehbeginn für die erste Szene hatte schon festgestanden – nur den Frauenheld Roman hatte man noch nicht gefunden. Daran drohte letztendlich sogar alles zu scheitern.

Da er praktisch 5 vor 12 beim Casting aufgetaucht war, konnte er nicht mit Sicherheit ausschließen, dass er nur aus purer Verzweiflung genommen worden war. Okay, er wusste, dass er ganz passabel aussah. Das hatten ihm einige Frauen bestätigt. Aber das waren Bekannte gewesen. Wie würde er bei einem breiten Publikum ankommen, dass große Erwartungen an ihn hatte? Er wollte schließlich nicht als Fehlbesetzung gelten oder gar für miserable Einschaltquoten verantwortlich sein, weil man ihn nicht attraktiv genug fand. Soweit er es gelesen hatte, mussten sich die Frauen regelrecht nach ihm verzehren. Aber so überzeugt von sich war Leon lange nicht. Was, wenn seine neuen Kollegen die Köpfe über ihn schütteln würden und heimlich dachten, dass sie einen besseren „Roman“ hätten finden können?

Leons Selbstzweifel schienen sich zu bestätigen, als er auf die anderen zutrat und verkündete, welche Rolle er spielte.

Natürlich musterten ihn alle neugierig. Damit hatte er auch gerechnet. Doch den Gesichtsausdruck der kleinen Blonden konnte er nicht deuten. Diese starrte ihn an aus einer Mischung von... Ja, von was eigentlich? War es Schock, Erstaunen oder gar Ablehnung? Er hatte keine Ahnung. Aber eines war sicher: Begeisterung sah anders aus.

Na, das war ja ein toller Start! Leon kaute verunsichert auf seiner Unterlippe herum, was die Blondine irgendwie noch mehr aus der Fassung geraten ließ. Er konnte schwören, dass sich die Augen der jungen Frau verdunkelten, und das lauter werdende Atmen, das in ein Schnauben überging, konnte er beim besten Willen nicht überhören.

 

„Und du bist sicherlich Sofia.” Er versuchte zu lächeln, was dermaßen misslang, dass es in einer Grimasse endete.

„Ja, lei...”, setzte die Blondine zum Sprechen an, schluckte den Rest ihres Satzes jedoch hinunter. Aber Leon war auch so sicher, dass sie ihr Bedauern ausdrücken wollte.

Wenn er bloß wüsste, warum sie so eine Abneigung gegen ihn hatte. Nur, weil er vielleicht nicht ihrem Typ entsprach? Das wäre schade. Obwohl Leon nichts von Sex mit fremden Frauen am Hut hatte, fand er es nicht abstoßend, sich die Liebesszenen mit der jungen Dame vorzustellen. Irgendwie war sie süß. Auch wenn die mädchenhafte Frisur, die sie trug, seine eigenen Haare zu Berge stehen ließ.

Seine Nervosität wuchs mit jeder Sekunde, die er damit verbrachte, in diese funkelnden blauen Augen zu starren. Er wusste nicht, wohin mit seinen Händen, seine Kehle war wie zugeschnürt und zu allem Überfluss merkte er auch noch, wie er zu schwitzen begann.

Zum Glück bemerkte Hanna Blechschmidt, eine ältere Kollegin mit vielen Jahren Berufserfahrung, seine Hilflosigkeit und schritt ein, bevor es peinlich für ihn wurde.

„Roman! Endlich! Dann ist ja unsere kleine Familie vollständig. Komm her und stoße mit uns an.” Lächelnd hielt sie ihm ein Glas entgegen, das mit Orangensaft gefüllt war.

Froh, einen Grund zu haben, sich von der undurchsichtigen Blondine erst einmal losreißen zu können, schritt er auf die lebhafte Frau zu.

„Bist du auch so aufgeregt und fieberst unserem ersten Dreh entgegen? Also, ich konnte schon seit zwei Nächten nicht schlafen”, begann sie eine Unterhaltung, an der sich nach und nach alle beteiligten. Alle, bis auf eine gewisse Dame.

Janine blieb erstaunlich ruhig, doch Leon konnte ihre bohrenden Blicke förmlich im Rücken spüren. Er versuchte, sie zu ignorieren und sich lieber auf seine anderen Kollegen zu konzentrieren, die Gott sei Dank sehr nett schienen und offenbar fanden, dass die Rolle des Romans perfekt zu ihm passen würde. Mit der Zeit schwand auch die Unsicherheit des jungen Schauspielers, und er begann, sich wohl zu fühlen.

Matthias Baumann, der den homosexuellen Tommy darstellte, riss einen dreckigen Witz. Über diesen musste Leon gerade herzhaft lachen, als die Produzenten hereintraten und die versammelte Mannschaft baten, sie auf einen kleinen Rundgang durch das Studio zu begleiten. Auf diese Weise konnten die Schauspieler die Kulissen und ihren künftigen Arbeitsplatz besser kennen lernen.

Während sich die meisten um die Brüder Daniel und Richard Meister scharrten, trabte Leon etwas hinterher und fand sich plötzlich neben Janine wieder, die es offenbar auch nicht sonderlich eilig hatte, die Szenerie zu erkunden. In einem Anfall von Mut (oder war es Verzweiflung?) beschloss er, die Gelegenheit zu nutzen und etwas zu klären.

„Du magst mich nicht besonders, oder?” Vorsichtig schielte er zur Seite und versuchte, die Reaktion der jungen Frau zu erhaschen.

Janine zog ein künstliches Überraschungsgesicht. „Wie kommst du denn darauf? Ich kenne dich ja noch gar nicht.”

„Eben. Aber ich denke, wir sollten uns besser kennen lernen und versuchen, uns zu verstehen. Immerhin muss ich dir bald einen Zungenkuss geben.”

„Musst du nicht. Du kannst es dir ja noch anders überlegen und großzügigerweise auf die Rolle verzichten. Ich würde dich nicht aufhalten.”

„Hä?” Leon ging von einem Moment zum anderen der Gesprächsstoff aus. Mit dieser Antwort hatte er überhaupt nicht gerechnet, und er wusste nicht einmal, wie ernst die Blondine sie gemeint hatte. Aber wenn sie glaubte, ihn aus der Serie zu drängen, hatte sie sich geschnitten. Kampfgeist hatte sich plötzlich in seinem Inneren breitgemacht. Vielleicht lag es daran, dass er so gut mit den anderen Schauspielern klar gekommen war. Sie waren in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, noch keine besten Freunde geworden, aber er fühlte, dass die Chance bestand, es zu werden. Er hatte den Eindruck, dass diese Serie etwas ganz Großes für ihn bedeuten könnte. Das würde er sich von der kleinen Querschießerin nicht kaputtmachen lassen.

Wenn Janine es nicht im Guten wollte... Okay! Er konnte auch böse spielen.

Ein paar Stunden später war er immer noch sauer, obwohl er sich Mühe gab, sich von Janine nicht die Laune verderben zu lassen. Aber ihr unmögliches Benehmen hatte seine Spuren bei ihm hinterlassen. Dabei hatte er nicht einmal eine Ahnung, womit er diese Behandlung überhaupt verdient hatte. Er hatte gar nichts Schlimmes verbrochen, oder etwa doch? Aber vielleicht lag es gar nicht an ihm selbst, und Janine war allgemein eine unausstehliche Zicke? Wenn dem so war, musste er sein ganzes schauspielerisches Talent aufbringen, um einen verliebten Mann überzeugend darstellen zu können. Zum Glück musste sein Charakter in der ersten Staffel noch nicht allzu viele Gefühle zeigen. Gott sei Dank wurde auch Sofias „erstes Mal” nicht gleich heute abgedreht. Denn momentan war Leon eher in der Stimmung, Ohrfeigen anstatt Zungenküsse zu verteilen.

Janine war annähernd in derselben Gemütsverfassung. Sie hatte ja gehofft, dass sie einen halbwegs attraktiven Serienpartner bekommen würde. Das würde mit Sicherheit helfen, die vielen Sexszenen zwischen ihnen zu meistern. Trotzdem hatte sie sich nicht SO einen Kerl herbeigesehnt. Himmel, da wäre ihr ja das Rehauge lieber gewesen. Denn mit diesem wären die kommenden Dreharbeiten wesentlich entspannter. Aber mit diesem Kerl da an ihrer Seite... Janine warf einen finsteren Blick auf Leon. Nein, ihr blieb auch wirklich nichts erspart!

„Auch wenn du mich noch so böse anstarrst, ich werde diese tolle Rolle nicht einfach wegwerfen, nur weil du nicht über deinen Schatten springen kannst. Du bist Schauspielerin, oder etwa nicht? Du wirst doch in der Lage sein, deine Abneigung gegen mich während des Drehs auszublenden und kannst wenigstens so tun, als fändest du mich attraktiv. Wenn du das nicht schaffst, dann bist du vielleicht diejenige, die hier fehlbesetzt ist. Schau, ich habe keine Probleme, diese Liebesszenen mit dir zu spielen. Also, wenn ich das hinkriege, solltest du es auch.”

Leon atmete tief durch. Seine kleine Rede hatte ihn regelrecht erschöpft. Soviel Leidenschaft beim Sprechen zeigte er sonst höchstens auf der Bühne, aber nicht im Privatleben. Irgendetwas in ihm hatte die Blondine jedoch angestachelt. Er wusste zwar nicht genau, warum es so in ihm brodelte, doch er spürte, dass er es herauslassen musste, bevor er drohte, daran zu ersticken. Damit schien er nicht nur sich selbst, sondern auch die Frau neben sich überrascht zu haben. Denn mittlerweile schaute ihn Janine an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen.

Tatsächlich wusste sie nicht, ob sie lachen oder Leon einen Vogel zeigen sollte. Offenbar hatte der Kerl keinen blassen Schimmer, um was es hier überhaupt ging.

Allerdings, wenn sie so darüber nachdachte, war es vielleicht besser, dass er nicht ahnte, was wirklich los war. Dadurch würde es am Ende wohl auch für sie etwas leichter werden, das Ganze durchzuziehen. Und wer weiß, vielleicht entwickelte sich das Alles gar nicht so schlimm, wie sie im Moment befürchtete.

„Ich habe mehr Talent, als du glaubst, Mr. Klugscheiß! Ich spiele ein sieben Jahre jüngeres Mädel, und das überzeugend. Ich wette, dazu wärst du gar nicht in der Lage. So hölzern, wie du dich gerade bewegst, agierst du bestimmt mit der Leidenschaft eines Besenstiels. Ich bin sicher, die Leute werden uns niemals als Traumpaar ansehen.”

„Du...du...du...” Leon rang vor Empörung nach Luft und Worten. Am liebsten wäre er gänzlich explodiert. Aber das wäre vielleicht nicht gerade etwas, womit er am ersten Tag glänzen sollte. Nein, wenn er den Job nicht gefährden wollte, musste er seinen Ärger hinunterschlucken und versuchen, sich irgendwie mit dieser Schnepfe zu arrangieren, obwohl ihm schleierhaft war, wie sie halbwegs harmonisieren sollten. Mit ihnen als „Traumpaar” konnte die Serie doch nur ein Reinfall werden.

Janine merkte, dass sie einen Treffer versenkt hatte und dass der Mann neben ihr schwer mit sich zu kämpfen hatte. Er konnte einem fast schon ein wenig leid tun. Aber diesen Gedanken musste sie gleich wieder verscheuchen. Sie war zwar nicht sehr stolz auf ihr Benehmen. Schließlich konnte Leon nichts für sein Aussehen, doch sie wusste nicht, was sie sonst machen sollte, um sich selbst einen Gefallen zu tun.

„So, und das wäre dann Romans Wohnung, oder besser gesagt, sein Liebesnest. Denn im Prinzip ist es nichts anderes”, unterbrach Daniel Meister plötzlich ihre Gedanken. Sie war so vertieft gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie der gesamte Trupp stehen geblieben war, um sich die erste Kulisse anzuschauen.

„Eigentlich sollte es erst morgen zum Einsatz kommen, aber ich habe mich entschlossen, die Szene, als Sofia das erste Mal diesen Raum betritt, heute schon abdrehen zu lassen. Ich möchte sehen, wie unser wichtigstes Pärchen auf dem Bildschirm wirkt. Das heißt, Leon und Janine werden einen heißen Kuss performen und uns hoffentlich vom Hocker reißen. Davon hängt der Erfolg der Serie ab. Je mehr Funken sprühen, desto begeisterter sind die Leute. Falls wir also keine feuchten Höschen kriegen, muss mehr geübt werden.”

Daniel grinste schief, als hätte er diebische Freude daran, ihm eins reinzuwürgen. Denn nicht anders empfand Leon diesen Vorschlag, obwohl der Gedanke natürlich lächerlich war, da er keinen Sinn machte. Trotzdem fühlte er sich regelrecht überfordert. Er konnte die unverschämte Zicke unmöglich in den nächsten Stunden küssen. So, wie er momentan auf sie zu sprechen war, würde er sie wahrscheinlich nur kräftig auf die Lippe beißen, und das garantiert nicht auf irgendeine erotische Art!

Leon war zudem sauer über Meisters dämlichen Witz. Feuchte Höschen? Na, hoffentlich war das nicht sein fehlgeleiteter Alltagshumor, mit dem er sie nun täglich „beglücken” würde. Obwohl, bei den Frauen kam er offenbar gut an. Leon verstand überhaupt nicht, wie diese über den Ausdruck wie betrunkene Hühner gackern konnten. Aber auch die meisten Männer hatten ein leichtes Schmunzeln im Gesicht. Der einzige, der mindestens genauso entsetzt aus der Wäsche guckte wie er selbst, war das Zickchen. Na, eine Gemeinsamkeit hatten sie wenigstens.

„Also Leon, wie findest du dein neues Reich?” Daniel Meister trat mit ausgebreiteten Armen in das großzügige Bühnenbild. Offenbar war er sehr stolz darüber, mit welcher Fantasie sie Romans Wohnung eingerichtet hatten. Doch Leon dachte nur, dass er sich in so einer Bude privat nicht wohlfühlen würde. Es waren ihm viel zu wenige persönliche Gegenstände vorhanden, wenn man mal von dem riesigen Bild einer nackten Frau absah, das neben dem Schlafzimmer an der Wand hing. Wie die Damen, die das erste Mal die Wohnung betraten, dieses „Schmuckstück“ wohl fanden?

„Es ist sehr funktionell...”, war alles, was Leon dazu einfiel, ohne den Pfad der Diplomatie zu verlassen. Mit dieser Aussage, die aus reiner Verlegenheit entstanden war, hatte er doch irgendwie ins Schwarze getroffen.

„Genau das ist es, Leon! Sofort erkannt. Roman hat sein Zuhause so eingerichtet, das es hauptsächlich dazu dient, seine Eroberungen flachzulegen. Deswegen haben wir vor allem versucht, das Schlafzimmer in Szene zu setzen.”

Mit diesem „In-Szene-Setzen” waren wohl die rote Lampe und der große Spiegel über dem breiten Bett gemeint. Auch die üppigen Kissen aus glänzender Seite und die Rückwand in Schlangenoptik zeigten auf den ersten Blick, um was es hier vornehmlich ging.

Beim Anblick dieser „Zweckeinrichtung” bekam es der braunhaarige Schauspieler fast ein wenig mit der Angst zu tun, ob er überhaupt fähig war, sich in die Rolle dieses Romans zu versetzen. Er war nun alles andere als ein Aufreißer. Mit seinem Selbstbewusstsein haperte es an vielen Ecken und Kanten. Zu allem Überfluss hatte er mit seiner Serienpartnerin, die sich in sein Herz schleichen sollte, schon vor Drehbeginn das Kriegsbeil ausgegraben. Die Chancen, komplett zu versagen, standen also bestens.

„In drei Stunden drehen wir hier unsere erste Szene. Ganz provisorisch, ohne Maske. Es ist mehr ein Test, ob unser Hauptpärchen miteinander harmonisiert und...,” schnitt Leon noch mit. Der Rest von Meisters Worten ging durch das Hämmern in seinem Kopf unter.

Drei Stunden! Das war ja gar nichts. Gut, einige Texte hatten sie schon vorher auswendig lernen müssen. Daran würde es wohl nicht scheitern. Aber ob er sich bis dahin in die Lage versetzt hatte, wie Roman zu denken und zu fühlen, war mehr als fraglich.

 

Seine Unsicherheit musste auch nach außen dringen, denn Janine schaute ihn merkwürdig an, fast so, als würde sie innerlich grinsen, weil sie wusste, dass er sich überfordert fühlte. Die Kleine machte es ihm aber auch nicht leicht! Wie sollte er denn je so etwas wie sexuelle Leidenschaft in ihrer Gegenwart vortäuschen können, wenn sie ihn ständig in die Stimmung brachte, ihr den Hals einmal kräftig um die eigene Achse drehen zu wollen? Würde Janine in der Serie seine Erzfeindin spielen, würden sie beim Publikum mit Sicherheit viel mehr punkten können.

„Na, Mr. Superakteur, da haben wir wohl ein Problem, nicht wahr?”

Nein, auf diese freche Frage würde er jetzt nicht antworten. Leon riss sich von der Blondine los und versuchte, sich auf den Rest der Gruppe zu konzentrieren. Der folgte inzwischen einem roten Pfeil, auf dem „Natascha & Frank” geschrieben stand. Doch während die anderen schließlich einen mit bunten Stickern beklebten Kühlschrank und mit Details vollgestopfte Schränke begutachteten, tauchten vor Leons geistigen Auge ein halbnackter Roman und eine Sofia auf, die auch nicht viel mehr trug. 3 Stunden noch. 2 Stunden und 51 Minuten, um genau zu sein. Die Uhr tickte gnadenlos gegen ihn. Er musste unbedingt etwas tun, um in Spiellaune zu kommen.

Sein Interesse an dieser Besichtigungstour war auf einmal gänzlich verschwunden. Mit der fadenscheinigen Ausrede, noch einmal seinen Text üben zu müssen, verabschiedete er sich von den anderen und flüchtete in seinen Bungalow, den er vor kurzem auf dem Studiogelände bezogen hatte. Daniel schaute ihm verblüfft hinterher. SOVIEL Text verlangte die erste Szene nun auch wieder nicht.

„Himmel, wie ich dich beneide.” Matthias, der sich neben Janine gestellt hatte, starrte Leon träumerisch auf den Hintern. „Du darfst diesen göttlichen Kerl anfassen.”

Sie konnte es sich nicht wirklich erklären: Aber irgendwie passte es Janine überhaupt nicht, dass ihr Kollege dem anderen Mann so offen hinterher sabberte.

„Vergiss es! Der steht nicht auf Kerle,” knurrte sie schärfer als beabsichtigt. Doch das Grinsen verschwand einfach nicht aus Matthias’ Gesicht.

„Ein Mann kann träumen.” Dem lebensfrohen Schauspieler, der auch im realen Leben homosexuell war, schien diese Feststellung nicht sonderlich aus der Ruhe zu bringen.

Janine grub ihre Fingernägel fest in die Handflächen. Der Schmerz verhinderte, dass ihr die böse Antwort herausrutschte, die ihr schon auf der Zunge gelegen hatte. Nein, mit noch einem Kollegen sollte sie es sich wirklich nicht verscherzen.

*****

Leons Textlernen bestand darin, seine Freundin anzurufen. Sie waren schon seit Ewigkeiten zusammen und er liebte sie sehr. Glaubte er zumindest. Allerdings hatte er kein nervöses Herzrasen, irgendwelche Ohnmachtsanfälle oder gar einen Schmetterlingsschwarm in seinem Bauch, wenn er in ihrer Nähe war. Aber er fühlte sich wohl und hatte den Eindruck, über alles mit ihr reden zu können. Und der Sex war auch okay. Was wollte er mehr?

„Wie jetzt? Telefonsex? Mitten am Nachmittag?” Carolin fiel aus allen Wolken.

„Ja, für meine Rolle muss ich ein bisschen in Stimmung kommen...” Leon öffnete missgelaunt seinen Hosenstall. Carolin war die einzige, die ihn jetzt aus seiner misslichen Lage heraushelfen konnte.

*****

In seinem Gesicht und an seinen Haaren hatte zum Glück niemand herumgefummelt. Das einzige, zu was man ihn zwang, war in hautenge Jeans und in ein ebenso knappes Shirt zu schlüpfen. Trotzdem fühlte sich Leon völlig fremd in seiner Haut, als er nach dem unbefriedigenden Telefonat mit Carolin das Set betrat. Diesen Anruf hätte er sich wirklich sparen können, denn er hatte ihm rein gar nichts gebracht. Nicht einmal ein gutes Gefühl. Gott sei Dank waren bis auf Janine keine anderen Kollegen, sondern nur die Produzenten, das Kamerateam und der Regisseur anwesend. Obwohl das eigentlich schon viel zu viele Zuschauer für seinen Geschmack waren. Immerhin musste er sich gleich halbnackt vor allen Leuten präsentieren. So schrieb es jedenfalls das Drehbuch vor.

Zum Glück hatte Daniel Meister ein Einsehen und verlangte nur, dass er seinen Oberkörper für die Kussszene freimachte.

„Wir wollen ja nicht, dass du gehemmt bist.” Er zwinkerte ihm frech zu, was ihn nicht wirklich beruhigte.

Janine dagegen hatte es gut. Mit ihrer blumigen Bluse, der ausgefransten Jeans und den mädchenhaften Schmetterlings-Ballerinas sah sie tatsächlich wie ein Teenie-Girl aus. Zudem gab sie nichts von ihrem Körper preis. Leon beneidete sie fast ein wenig.

„Leon, du ziehst dein Shirt aus und stellst dich erwartungsvoll mit ausgebreiteten Armen hin. Janine, du gehst langsam, ein wenig schüchtern, auf ihn zu. Dann küsst ihr euch, erst zärtlich und zaghaft und dann immer wilder. Lasst eure Fantasie spielen”, lautete die knappe Regieanweisung.

Janine schluckte schwer, als Leon sein Shirt über den Kopf zog. Sie hatte es doch gewusst, mit diesem Mann konnte sie unmöglich drehen. Sie geriet ins Schwitzen. Entweder sie stellte sich jetzt abtörnende Bilder von unattraktiven Frauen vor und legte einen gleichgültigen Kuss hin. Dann hielt man sie wohl für eine schlechte Darstellerin. Oder sie spielte mit Leidenschaft und lief Gefahr, das berühmte feuchte Höschen zu bekommen, über das der Produzent bereits gescherzt hatte. So oder so: Sie konnte nur verlieren.

„Warte mal, Leon!” Daniel schnappte sich eine kleine Flasche mit Massageöl und warf sie dem Schauspieler zu, der sie geistesgegenwärtig auffing. „Reib deine Brust ein bisschen damit ein. Das kommt der Originalszene später ein wenig näher.”

Was für eine blöde Idee! Musste das jetzt auch noch sein? Janine starrte wütend auf die öligen Tropfen, die an Leons gut gebauten Körper herunterperlten. Nun konnten sie wirklich nur noch Fantasien über nackte Großmütter von dem Kribbeln in ihrem Unterleib ablenken. Gott sei Dank wirkte das wie die sprichwörtliche kalte Dusche.

Ihren leicht angewiderten Ausdruck bekam sie nicht einmal aus dem Gesicht, als sie langsam auf ihren Kollegen zuschritt.

Das blieb diesem nicht verborgen und er ärgerte sich darüber, dass sie so wenig Willen zeigte, ihn zu küssen. Gott, war die Kleine eine schlechte Schauspielerin! Wer hatte sie bloß für diese Rolle vorgeschlagen? Leon verstand nicht, worin das Problem lag. War er denn wirklich so hässlich? Bisher hatte er immer den Eindruck gehabt, dass er ganz okay aussah. Aber vielleicht war das nur in den Augen seiner Freunde und Bekannten so. Trotzdem wurmte es ihn extrem, dass sich ausgerechnet seine Serienpartnerin offenbar vor ihm ekelte.

Dennoch nahm er sich vor, eine gute Performance hinzulegen und alles zu geben. Wenn einer wegen schlechter Leistung aus der Serie flog, dann mit Sicherheit nicht er!

Als Janine den schweren Gang bis zu ihm endlich geschafft hatte, legte Leon gleich los. Er umfasste die Hüfte der jungen Frau und zog sie dicht an sich heran. Anschließend schlichen sich seine Hände vorwärts und begannen langsam und systematisch, die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen. Sein Mund saugte sich währenddessen an ihrem Hals fest, so als wollte er ihr mit aller Macht einen Knutschfleck hinterlassen.

Janine war viel zu perplex über Leons vollen Körpereinsatz, um irgendeine Reaktion zu zeigen. Erst als der Braunhaarige anfing, sie sacht, beinahe liebevoll zu küssen, fing sie an zu zittern.

Sie war mit den Nerven am Ende. Sie hatte es gewusst! Selbst diese Lippen schmeckten ihr. Gab es denn an diesem Mann gar nichts, dass sie daran hinderte, sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben?

Leon küsste gut, sogar sehr gut für einen Mann, der angeblich nur wenige Erfahrungen mit Frauen hatte. Er schien instinktiv zu wissen, wie viel Druck, welche Mischung zwischen Weichheit und Kraft Janine bevorzugte. Und wie angekündigt, zeigte Leon tatsächlich keinerlei Hemmungen und agierte mit Leidenschaft, fast so, als würde er tatsächlich seine Geliebte in den Armen halten.

Dennoch erschrak die Blondine ein wenig, als er es wirklich wagte, seine Zunge einzusetzen. Seine Lippen pressten sich auf ihren Mund, so fest und leidenschaftlich, dass sie seine Zähne dahinter spüren konnte. Dann drang er in sie ein, erforschte ihre Mundhöhle, strich mit der Zungenspitze über die Innenseite ihrer Lippe, bis sie ihre Zurückhaltung mit einem leisen Aufstöhnen aufgab.

Janines Knien wurden plötzlich weich, und sie musste sich fester an Leon klammern, weil sie das Gefühl hatte, den Halt zu verlieren. Bei der Gelegenheit wurde ihr bewusst, dass es an Zeit war, mehr Einsatz zu zeigen und nicht nur hilflos wie eine Puppe in seinen Armen zu liegen. Anderenfalls würde sie es riskieren, den Job zu verlieren. Außerdem, was DER Kerl konnte, konnte sie schon lange! Sie war mit Sicherheit keine schlechte Schauspielerin.

Mit neuer Entschlossenheit legte sich Janine ins Zeug und lieferte sich mit Leon ein heißes Zungenduell, musste aber gleich darauf feststellen, dass es keine gute Idee gewesen war, da sich nun diese seltsam süße Schwäche in ihrem gesamten Körper ausbreitete.