Loe raamatut: «Psychosoziale Intervention bei Krisen und Notfällen», lehekülg 5

Font:

Defibrillation

Als Hilfsmittel zur Beatmung gibt es die oben schon erwähnten Atemtücher, die auch im Alltag bei sich zu haben höchst sinnvoll ist. In vielen öffentlichen Räumen, beispielsweise in Schulen, Bahnhöfen, Flughäfen, Büros usw., gibt es an exponierter Stelle automatisierte externe Defibrillatoren (AED), mit deren Hilfe ein elektrischer Schock appliziert und damit der Herzrhythmus korrigiert bzw. wieder in Gang gesetzt werden kann (bei plötzlichem Herztod kommt es durch Aussetzen des Herzrhythmus oder schwerster Arrhythmien zum Kammerflimmern und Herzstillstand). Jeder, der im Rahmen eines Erste-Hilfe-Kurses einen solchen AED zu bedienen gelernt hat, sollte auch im Notfall zu dieser Maßnahme schreiten, wenn ein Herz-Kreislauf-Stillstand vorliegt.

2.1.4 Blutungen und Schock

Anamnese

Atmet der Patient und ist er bei Bewusstsein, gilt es, weitere Krankheitsoder Unfallzeichen zu eruieren. So wird der Betroffene in einfachen, klaren und verständlichen Worten nach dem genauen Unfallhergang oder den Ursachen der Verletzung, nach der akuten Erkrankung und evtl. Vorerkrankungen sowie nach Symptomen (Schmerzen, Sensibilitätsstörungen) sowie nach Rahmendaten (Name, Vorerkrankungen, evtl. Medikamente, Adresse und Rufnummer von zu benachrichtigenden Angehörigen usw.) befragt. Hilfreich ist auch, auf mitgeführte Medikamente oder Hinweise einer Vorerkrankung (Fertigspritzen mit Insulin, Asthmaspray, Notfallarmband etc.) zu achten. Bei der Befragung geht es auch um die Art der Schmerzen, Übelkeit, Schwindel, Benommenheit, Durst, Wärme, Kälte oder Schwächegefühl.

Orientierende Untersuchung

Zu einer ersten orientierenden Untersuchung gehören:

■ die Überprüfung von Schädel und Augen (Pupille nicht eng, nicht weit, seitengleich, sich auf Licht verengend),

■ Suchen nach Blutungen aus Ohr und Nase (können Hinweis auf Schädelfraktur sein),

■ Überprüfung der Atemfrequenz und des Atemgeruchs (Hinweis auf Diabetes?),

■ Beobachtung der Hautfarbe und -temperatur (blasse, kaltschweißige Haut im Falle eines Schocks),

■ Suche nach sichtbaren Verletzungen am Rumpf oder den Extremitäten,

■ Aufforderung an den Patienten, tief einzuatmen und Beobachtung des Brustkorbs,

■ Fragen nach Schmerzen im Brust- und Bauchbereich,

■ Bitte an den Patienten, seine Arme oder Beine vorsichtig zu bewegen (Vorsicht: keine Bewegung durch den Ersthelfer, weil möglicherweise die Wirbelsäule verletzt ist und Fremdbewegungen den Schaden vergrößern und eine Lähmung hervorrufen können),

■ Überprüfung der Beweglichkeit von Fingern und Zehen.

Besonderes Augenmerk ist auch auf Blutungen zu richten, die ggf. gestillt werden müssen, denn bei zu großem Blutverlust kann es zum Schock kommen.

Kreislaufschock

Ein Kreislaufschock liegt vor, wenn lebenswichtige Organe nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden. Dies kann entweder dadurch geschehen, dass durch das Erschlaffen von Blutgefäßen (plötzlicher Blutdruckabfall) das Blut in den Venen und Arterien der Extremitäten versackt. Andere Ursachen sind zum einen Blutverlust durch Blutungen nach außen (die gesehen werden können), zum anderen Blutungen innerhalb des Körpers, für die es nur indirekte Hinweise, wie beispielsweise einen brettharten Bauch, gibt. Aber auch extremer Flüssigkeitsverlust nach Verbrennungen, wegen starken Brechdurchfalls oder starken Schwitzens können zu einem Flüssigkeitsmangelschock führen. Schließlich können auch schwere Infektionen oder allergische Reaktionen (z. B. auf Insektenstiche, nicht tolerierte Lebensmittel u. a. m.) einen allergischen (sog. anaphylaktischen) Schock hervorrufen. Letztendlich reagiert der Körper immer mit einer Umverteilung des Blutstroms zu den lebenswichtigen Organen, insbesondere dem Gehirn, während andere Organe wie Extremitäten minderversorgt werden, was den kalten Schweiß, die Blässe und den jagenden, kaum tastbaren Puls erklärt.

Lagerung bei Schock

Im Falle eines Schocks ist es sinnvoll, die Beine des Betroffenen hoch zu lagern, um die Blutversorgung von Gehirn, Herz und Lunge zu verbessern. Offensichtliche Schockursachen sollten möglichst behoben werden. Eine äußere Blutung ist zu stillen, im Falle eines allergischen Schocks könnten, falls vorhanden, Notfallmedikamente, die der Patient bei sich trägt, gegeben werden. Ansonsten sollte beengende Kleidung gelockert und der Patient durch Zudecken mit einer Decke gewärmt werden. Und schließlich gilt es, die Vitalfunktionen (also Bewusstsein, Atmung und Herzaktion (Puls)) regelmäßig zu kontrollieren und im Übrigen den Notdienst zu informieren. Schlussendlich ist seelischer Beistand von nicht zu unterschätzender Bedeutung, der Patient sollte also nicht allein gelassen werden.

2.1.5 Störungen der Atmung

Ursachen von Störungen der Atmung

Die wichtigsten Störungen der Atmung (abgesehen vom bereits beschriebenen Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstand), mit denen Sozialarbeiterinnen und Pädagogen konfrontiert werden können, sind das plötzliche Anschwellen der Atemwege (insbesondere bei Kindern), das Einatmen von Fremdkörpern (ebenfalls insbesondere bei Kindern), Ersticken / Strangulation im Rahmen von Suizidversuchen, Asthma Bronchiale als allergische Reaktion der Atemwege und Pseudokrupp als typisches und häufiges Beispiel einer entzündlichen Reaktion, insbesondere bei Kleinkindern.

Pseudokrupp

Ein Anschwellen der Atemwege kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen können Infektionen der oberen Atemwege im Säuglings- und Kleinkinderalter zum Anschwellen der Schleimhäute führen. Häufig kommt es nachts zu einem anfallsartigen, bellenden Husten sowie einer plötzlich auftretenden Atemnot. Hierbei handelt es sich in der Regel um einen Pseudokrupp, also ein entzündlich bedingtes Anschwellen der Atemwege. Das Kind sollte beruhigt und in aufrechte Position gesetzt werden. Kaltfeuchte Raumluft und Beruhigung des Kindes können bereits hilfreich sein. Wenn Bedarfsmedikamente (insbesondere Beruhigungsmittel und kortisonhaltige Zäpfen) zur Verfügung stehen (weil es sich bereits um einen wiederholten Pseudokrupp handelt), sollten diese gegeben werden. Bei zunehmender Atemnot, die man durch Einziehung des Brustkorbes sowie inspiratorischen Stridor (pfeifendes Geräusch beim Einatmen) erkennt, sollte man das Kind umgehend in die Klinik bringen, weil sich hier eine lebensbedrohliche Atemnot entwickeln kann.

Asthma Bronchiale

Eine allergische Ursache kann in einem Asthma Bronchiale bestehen, das sich vor allem durch ein pfeifendes und keuchendes Atemgeräusch, Schwierigkeiten beim Sprechen, schwere Angstzustände und beginnenden Sauerstoffmangel und Erschöpfungszustände, vor allem aber durch exspiratorischen Stridor, also Geräusche und Störungen bei der Ausatmung, zeigt. Auch hier sollten die Patienten in eine aufrechte, für sie möglichst bequeme Position gebracht werden. Die Atemwege erweiternde Notfallmedikation in Form eines Atemaerosols haben Patienten mit bekanntem Asthma häufig bei sich, man erkennt sie an der blauen Kappe des Geräts. Ein oder zwei Stöße aus dem Inhalator bei langsamer und tiefer Atmung sollten innerhalb von Minuten zur Besserung führen, anderenfalls sollte der Patient, insbesondere bei Verschlechterung seines Zustandes, sofort zum Arzt gebracht bzw. der Notdienst informiert werden.

Fremdkörperaspiration

Eingeatmete Fremdkörper führen zu heftigem Hustenreiz, massiver Atemnot sowie zur Panik. Es folgen Husten, pfeifendes Atemgeräusch und Blaufärbung der Lippen sowie tiefe Einziehung der Bauchdecke und an den Rippen beim Atemversuch. Zunächst sollte versucht werden, den Fremdkörper aus den Atemwegen zu entfernen. Gelingt dies nicht, sollte nach dem Notruf bei eintretender Bewusstlosigkeit und Atemstillstand mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen werden.

Bei Jugendlichen und Kindern wird zunächst versucht, den Fremdkörper aushusten zu lassen. Reicht das nicht aus, wird das Kind mit dem Oberkörper gebeugt (beispielsweise über den Oberschenkel des Ersthelfers). Dabei wird mit der flachen Hand kräftig zwischen die Schulterblätter geschlagen.

Bessert sich der Zustand nicht, und ist der Betroffene von Erstickung bedroht, stellt sich der Ersthelfer hinter den Betroffenen, beugt dessen Körper nach vorne, greift von hinten mit beiden Armen nach vorne und legt die Faust einer Hand unterhalb des Brustbeins, umfasst mit der anderen Hand dieselbe und drückt fünfmal ruckartig kräftig nach hinten oben. Diese beiden Maßnahmen können im Wechsel wiederholt werden (fünfmaliges Schlagen zwischen die Schulterblätter – Druck in den Oberbauchbereich). Bei Bewusstlosigkeit und Atemstillstand ist eine Herz-Lungen-Wiederbelebung notwendig.

Strangulation

Strangulationen durch Erhängen, Erdrosseln oder Erwürgen führen zu einer Abdrückung von Blutgefäßen sowie einer Unterbrechung der Luftzufuhr mit Atemnot, evtl. Bewusstseinstrübung, Blaufärbung der Gesichtshaut sowie hervortretenden Blutgefäßen im Halsbereich. Hier gilt es, die Ursache der Strangulation zu beseitigen, wobei unverzüglich jeder um den Hals liegende Gegenstand entfernt wird (Vorsicht: Bei Erhängungen muss der Patient gleichzeitig gehoben werden, um den Druck auf den Hals zu vermindern). Nach erfolgter Freilegung wird der Patient auf den Boden gelegt und sein Bewusstsein überprüft. Je nach Bewusstseins- und Atemzustand erfolgt die stabile Seitenlage bzw. die Herz-Kreislauf-Wiederbelebung.

Vergiftungen

In suizidaler Absicht können auch Tabletten oder Drogen genommen werden, was zur Vergiftung des Stammhirns und zum damit eintretenden Atemstillstand führt. In einem solchen Fall muss unverzüglich der Notdienst informiert werden, damit – abgesehen von der Herz-Kreislauf-Wiederbelebung – ggf. auch ein Gegenmittel (beispielsweise Naloxon bei Heroinvergiftungen) gegeben werden kann. Führen Sie im Falle einer vermuteten Vergiftung kein Erbrechen herbei, weil Erbrochenes in die Atemwege gelangen und somit einen Atemstillstand hervorrufen kann. Stattdessen bringen Sie den bewusstseinsklaren Patienten in eine ihm angenehme Position, den bewusstlosen, aber atmenden Patienten in die stabile Seitenlage und reanimieren Sie den bewusstlosen, nicht mehr atmenden Menschen durch Herz-Lungen-Wiederbelebungsmaßnahmen. Sorgen Sie dafür, dass der Notarzt auf jeden Fall, auch gegen den Willen des Betroffenen oder seiner Umgebung (Peers aus der Drogenszene!), verständigt wird. Suchen Sie nach Tabletten, Drogen oder anderen Hinweisen, die für die Folgebehandlung von ausschlaggebender Bedeutung sein können.

Hyperventilation

Bei der Hyperventilation handelt es sich um ein übermäßiges Atmen, meist infolge von Panikattacken oder akuten Angstsituationen. Es kommt zu einer erheblichen Beschleunigung der Atemfrequenz sowie Kribbeln und Verkrampfungen an den Händen und einer leichten Bewusstseinstrübung, Sehfeldeinengung oder Schwindelgefühl, was zum Teil auf die Panik, zum Teil auf eine – an sich ungefährliche – Veränderung des Kohlendioxidgehalts im Blut zurückzuführen ist – was wiederum die Panik verstärken kann. Es gilt, den Patienten aus dem für ihn störend erlebten Umfeld zu entfernen, ihn zu beruhigen, Schaulustige zum Gehen aufzufordern und ihn freundlich, aber bestimmt aufzufordern, im normalen Atemrhythmus (fünfzehn Atemzüge pro Minute) zu atmen. Wenn keine Besserung eintritt, kann man den Patienten auch in eine Plastiktüte atmen lassen, wobei nach zehnmaligem Atmen in die Tüte 15 Sekunden frei geatmet wird und die Prozedur wiederholt werden kann. Durch eine Ansättigung der Einatemluft mit Kohlendioxid beruhigt sich die Lage in der Regel innerhalb weniger Minuten.

2.1.6 Bewusstlosigkeit und Störungen des zentralen Nervensystems

Bewusstlosigkeit

Eine Bewusstlosigkeit liegt vor, wenn ein Patient auch durch lautes Ansprechen sowie vorsichtiges Rütteln an den Schultern nicht mehr reagiert. Wie schon erörtert, gilt es nun, die Atmung zu überprüfen und bei Atemstillstand Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen.

Bewusstseinstrübung

Im Vorfeld kann es zu einer Bewusstseinstrübung kommen, innerhalb derer der Patient schläfrig oder verwirrt wird, über Kopfschmerzen und Übelkeit, manchmal auch über Doppelbilder, Schwindel, oder Atemstörungen klagt. Bewusstseinstrübungen bzw. Veränderungen des Bewusstseins können unterschiedliche zerebrale (zentralnervöse) Ursachen haben, beispielsweise die Gehirnerschütterung, die Hirnblutung und den Schlaganfall sowie Krampfanfälle.

Gehirnerschütterung

Bei Schädeltraumen, insbesondere bei Gewalteinwirkung auf das Gehirn, kann dieses hin und her geschüttelt werden, so dass es zu mikroskopisch kleinen Einblutungen und Verletzungen kommen kann (Gehirnerschütterung, Commotio Cerebri). Erbrechen, leichte Gedächtnisstörungen und kurzzeitige Bewusstlosigkeit (manchmal nur Sekunden) sind Hinweise auf ein solches Geschehen. Wenn der Patient bei Bewusstsein ist, sollte er beruhigt werden. Der Kopf wird in der Regel leicht erhöht gelagert, laute Geräusche und helles Licht sollten vermieden werden. Jede Maßnahme sollte dem Patienten klar und deutlich gesagt werden.

Eine Bewusstlosigkeit über drei Minuten legt den Verdacht auf eine schwere Hirnverletzung nahe.

Merke: Auch bei leichten Gehirnerschütterungen ist unbedingt ein Arzt aufzusuchen, um Hirnblutungen oder andere Folgeschäden auszuschließen.

Hirnblutung und Hirndruck

Eine Blutung im Schädelinneren führt zu Hirndruck, was im Gefolge zu Hirnschädigungen führen kann. Stärkste Kopfschmerzen, zunehmende Bewusstseinstrübung, langsamer werdender Puls, Veränderungen der Pupillenreaktion, ungleiche Pupillen, Lähmungen einer Gesichtsoder Körperhälfte, Reizbarkeit, Sehstörungen u. a. können Hinweise auf eine solche Hirnblutung sein. Das Krankheitsbild kann auch Stunden, mitunter Tage nach einer Hirnverletzung auftreten, weswegen danach gefragt werden soll. Insbesondere bei Säuglingen und Kindern mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung oder Hirnblutung ist an ein Schütteltrauma oder eine andere Form von Kindesmisshandlung (vgl. Kapitel 6.1) zu denken. In jedem Fall ist eine zügige ärztliche Diagnostik notwendig. Im Falle einer Hirnblutung sind hirndruckentlastende Maßnahmen (Kortison, Operation) überlebensnotwendig.

Krampfanfälle

Schließlich sei noch auf Krampfanfälle eingegangen. Eine Überlastung des Gehirns kann bei jedem Menschen zu einem Krampfanfall führen, doch ist die sog. Krampfschwelle unterschiedlich ausgeprägt. Menschen, die schon bei relativ geringfügigen Anlässen immer wieder zu einem Krampfanfall neigen, können diese als Epilepsie bekannte Krankheit in der Regel sehr erfolgreich mit Medikamenten behandeln.

Grand-mal-Anfall

Andere Menschen erleiden erst nach Schädelverletzung, Sauerstoffoder Zuckermangel, hohem Fieber oder akuten Vergiftungen einen Krampfanfall. Allgemein erkennt man einen sog. „großen“ Krampfanfall an plötzlichem Umfallen und Muskelstarre, an Muskelzuckungen am gesamten Körper sowie einer schnellen Atmung und Speichelbildung, wobei es durch einen Biss auf die Zunge auch zu Blutungen im Mund kommen kann. In einem akuten Krampfanfall gilt es, den liegenden Menschen vor weiteren Verletzungen zu schützen, indem scharfe Gegenstände beseitigt werden. Im tonisch-klonischen Stadium sollte der Patient nicht festgehalten oder bewegt werden, vor allem sollte nicht am Mund manipuliert werden (Gefahr auch der Verletzung der Hand). Achten Sie auf die Zeitdauer des Krampfanfalls – in der Regel dauert er ein bis drei Minuten. Dauert er über 15 Minuten, oder kommt es zu wiederholten Krampfanfällen, so kann ein lebensbedrohlicher Status Epilepticus vorliegen.

Der normalerweise nach einigen Minuten abklingende Krampfanfall ist – sofern es nicht zu weiteren Verletzungen gekommen ist – nicht lebensgefährlich. Die Lockerung der Kleidung im Halsbereich, das Abdecken mit einer Decke (zum Schutz vor Wärmeverlust), der beruhigende Zuspruch beim Erwachen des Patienten sind wichtige Maßnahmen der Ersten Hilfe. Ein bekanntes Anfallsleiden ohne die eben genannten Komplikationen erfordert nicht unbedingt einen Arztbesuch, während ein erstmaliges Auftreten eines Krampfanfalls sowie die o.g. Komplikationen einen Arztbesuch nötig machen.

2.1.7 Weiterführende Maßnahmen

Es liegt auf der Hand, dass die Aufgabe des Sozialarbeiters, der Pädagogin oder des Psychotherapeuten im akuten, lebensbedrohlichen Notfall lediglich in der Hilfe zum Überleben, also dem Anbieten von Erste-Hilfe-Maßnahmen sowie lebensrettenden Maßnahmen liegt.

Notruf

Im Übrigen gilt es, so schnell wie möglich fachkundige Hilfe herbeizuholen. Am besten ist es, wenn ein zweiter Helfer es übernimmt, über den Notruf (112) den Rettungsdienst zu alarmieren. Er sollte Ihnen allerdings anschließend berichten, dass der Notruf erfolgreich war. Von einer exakten Notfallmeldung hängt maßgeblich ab, wie schnell der Rettungsdienst den Patienten erreicht. Die „fünf Ws“ mögen als Gedächtnisstütze dienen:

■ Wo ist der Patient? Ort, Straße, Hausnummer ermöglichen das rasche Auffinden.

■ Was ist passiert? Die Situation sollte kurz und knapp möglichst genau geschildert werden.

■ Wie viele Patienten gibt es?

■ Welche Verletzungs- oder Krankheitszeichen werden beobachtet? Warten Sie auf Rückfragen, und legen Sie nicht sofort auf. Auch weitere Erschwernisse (Austritt von Gas, giftige Substanzen, schlechte Witterungsverhältnisse wie Schnee oder Eis) sollten erwähnt werden.

■ Wie ist es passiert? Bei Ankunft des Rettungsdienstes gilt es, kurz und knapp zu berichten, wie es zum Unfall kam und welche Erste-Hilfe-Maßnahmen bisher geleistet wurden. Auch wichtige Informationen zu Vorerkrankungen sowie Asservate (Tabletten, Drogen, Krankenamulette etc.) sollten ausgehändigt werden.

Eigenschutz

Neben aller Sorge um und für den Patienten / das Unfallopfer gilt es auch, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Im akuten Notfall, so wurde bereits gesagt, gilt es, sich vor weiterer Gefährdung (z. B. Explosionsgefahr etc.) zu schützen – wenn man aus äußeren Umständen gar nichts konkret tun kann, kann man immer noch per Telefon um Hilfe rufen.

Stress des Ersthelfers

Wenn Sie Erste Hilfe leisten oder rettende Sofortmaßnahmen unternehmen, werden Sie sich vermutlich in physischem wie auch psychischem Stress befinden. Sich kurz zu sammeln, tief ein- und auszuatmen, Prioritäten zu setzen – sowohl hinsichtlich der Frage, wer zuerst behandelt wird als auch hinsichtlich der Frage, was am behandlungsbedürftigsten, weil potenziell lebensgefährlich ist, – sind wichtige Voraussetzungen für adäquates Handeln. Nach der akuten Hilfeleistung ist es sinnvoll, sich ins Gedächtnis zu rufen, was geschehen ist, wie man reagiert hat, und was zur Überwindung der eigenen Stress-Situation hilfreich war. Viele Ersthelfer verspüren direkt nach der Notfallsituation eine Befriedigung, geholfen haben zu können, andere fühlen sich verwirrt, sorgen sich, das Richtige getan zu haben, oder leiden unter Selbstzweifeln. Auch Ärger, Trauer oder Furcht können auftauchen. Es ist hilfreich, mit jemandem anders über die Situation zu sprechen und sich nicht mit seinen Gefühlen zurückzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rettungsmaßnahmen nicht den gewünschten Erfolg hatten.

Erste Hilfe im psychosozialen Kontext

Pädagogen, Sozialarbeiterinnen und Psychologen haben in lebensbedrohlichen Notfallsituationen – wie andere Ersthelfer auch – die Aufgabe, das Überleben des Patienten zu sichern und dafür zu sorgen, dass adäquate Hilfe so schnell wie möglich angeboten wird. Im Einzelfall kann das lebensrettend sein. Wesentliche Hilfe zur Wiederbelebung und Stabilisierung, Therapie und Rehabilitationsanbahnung findet, wie bereits erwähnt, in hochprofessionellen Settings auf Intensivstationen und in ähnlichen Einrichtungen statt. Aber bereits Stunden bis Tage nach der notfallärztlichen Erstversorgung kommen bereits psychosoziale Aspekte zum Tragen. Und die Ursachen einer sich zum Notfall verdichtenden Krisensituation sind, wenn sie psychosozialer Natur sind, mit dem Abwenden der akuten Lebensgefahr in der Regel ja nicht vorbei. Drogenabhängige können möglicherweise schon Stunden nach der Gabe von Naloxon (einem Gegenmittel gegen Heroinvergiftung) bereits wieder auf der Suche nach „dem nächsten Schuss“ sein.

Qualifizierte Entgiftung

Die Entgiftung nach einer schweren Alkoholvergiftung führt nicht zwangsläufig zur Entwöhnungsbehandlung – oft genug findet sich ein Drehtüreffekt, der nur mühsam mit einer qualifizierten Entgiftung unter Mithilfe psychosozialer Fachkräfte schon im Stadium des Entgiftungsprozesses verhindert werden kann.

Misshandlung und Missbrauch

Überlebt ein Kind die Folgen schwerer Dehydratation (Entwässerung) als Folge elterlicher Fehlversorgung oder Schütteltraumen bzw. Gewalteinwirkung auf den Kopf mit daraus folgender Hirnblutung, so bleibt die Frage der familiären oder außerfamiliären Betreuung des Kindes nach wie vor hoch brisant und erfordert sozialarbeiterische wie pädagogische, später auch psychotherapeutische Interventionen. Ähnliches gilt für sexuellen Missbrauch.

Suizidalität

Suizidale Patienten werden oft schon nach Tagen, spätestens nach ein bis zwei Wochen aus der Klinik entlassen, auch wenn sich ihre emotional prekäre Situation, ihre Depression oder andere krisenhafte Zuspitzungen noch nicht gelöst haben. Auch hier ist es mit dem Überleben einer Strangulation oder Vergiftung allein noch nicht getan.

Traumatisierung

Das Überleben eines psychischen oder physischen Traumas im Gefolge von Krieg oder Flucht ist das eine, das Wiedererlangen von Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Schaffen eines sicheren Lebensumfeldes eine ganz andere, nichts desto weniger außerordentlich wichtige Sache.

Erste Hilfe und Nachbetreuung

Diverse Beispiele verdeutlichen, dass nicht nur in der Leistung von Ersthelfern im akuten Notfall, sondern vor allem auch in der Nachbetreuung nach der ersten medizinischen Versorgung in der Regel eine Menge Aufgaben auf andere pädagogische, soziale und psychotherapeutische Berufsgruppen warten. Lassen Sie Ihren Klienten auch in den Übergangsphasen nicht allein, lassen Sie ihn spüren, dass er auch nach seinem stationären Aufenthalt und der medizinischen Behandlung auf Ihre professionelle Hilfe zählen kann, und machen Sie sich klar, dass mit der akutmedizinischen Intervention keineswegs alles Wesentliche getan ist. In der Regel fängt die sozialarbeiterische, päd agogische und psychotherapeutische Hilfe zur Krisenbewältigung jetzt erst an.

Auf einen Blick

■ Vorgehen bei einem akuten, möglicherweise lebensbedrohlichen Notfall:

■ Gefahrenstelle sichern

■ Notruf absetzen

■ Patient ansprechbar: Suche nach Blutungen und Schockhinweisen, ggf. erste Hilfe

■ Patient bewusstlos, Atmung vorhanden: Stabile Seitenlage

■ Atmung nicht feststellbar: Herz-Kreislauf-Wiederbelebung

■ Herz-Kreislauf-Wiederbelebung

■ Mundhöhle säubern, Kopf überstrecken, Mund-zu-Mund-Beatmung

■ Körper auf harter Unterlage lagern, Oberkörper freimachen

■ Seitlich kniend mit übereinanderliegenden Handballen das untere Drittel des Brustbeins ca. fünf cm komprimieren

■ Frequenz: Ca. 100 Kompressionen / Minute („Staying Alive“)

■ Abfolge: 30 Kompressionen, zwei Atemspenden im Wechsel

■ Wenn vorhanden, Defibrillator nutzen (defibrillieren)

■ Blutungen und Schock

■ Auf Blutungen achten, äußere Blutungen stillen

■ Schockzeichen: Jagender, kaum fühlbarer Puls, kalter Schweiß, Blässe, ggf. beginnende Bewusstseinstrübung

■ Schocklagerung: Beine 45° hoch lagern, Kälteschutz (Decke)

■ Hinweise auf allergischen Schock? (Antiallergische Medikamente, Asthmaspray?)

■ Störungen der Atmung

■ Pseudokrupp: Bellender Husten, Luftnot beim Einatmen, Einziehungen des Brustkorbs. Maßnahmen: Feuchte, kalte Luft, Notfallmedikation, Notarzt

■ Asthma Bronchiale: Atemnot beim Ausatmen, spastisch-pfeifende Atemgeräusche. Maßnahmen: Aufrechter Sitz, Asthmaspray, ggf. Notarzt

■ Fremdkörperaspiration: Heftiger Hustenreiz, extreme Atemnot, Panik. Maßnahmen: Rumpf beugen, zwischen Schulterblätter schlagen. Bei Misserfolg: Oberbauchkompression (Heimlich-Handgriff)

■ (Drohender) Atemstillstand bei Vergiftungen (Suizid, Drogenintoxikation): (Ggf.) Herz-Kreislauf-Wiederbelebung, Notarzt

■ Hyperventilation: Beruhigen, ggf. in Plastiktüte rückeinatmen lassen

■ Störungen des zentralen Nervensystems

■ Hinweise auf Kopfverletzungen, Blutungen aus Mund und Ohr?

■ Pupillenreaktion?

■ Ansprechbarkeit? Schmerzreaktion? Bewusstseinstrübung? Bewusstlosigkeit (ggf. stabile Seitenlage oder Herz-Kreislauf-Wiederbelebung) (s. o.)

■ Bei Bewusstseinstrübung und Bewusstlosigkeit Notarzt rufen!

■ Krampfanfall: Aura, tonisch-klonische Zuckungen, Schlaf. Maßnahmen: Dauer des Anfalls protokollieren (bei wiederholten Anfällen oder Anfallsdauer über 15 Minuten: Notarzt!) Sekundärverletzungen verhüten. In der tonisch-klonischen Phase nichts unternehmen. In der Schlafphase Atemwege freihalten (freimachen), stabile Seitenlage.


Multiple-Choice-Fragen zu diesem Kapitel finden Sie unter testfragen.reinhardt-verlag.de


Weiterführende Literatur

Gasch, B., Lasogga, F. (2013): Psychische Erste Hilfe bei Unfällen. 5. Aufl. SK Verlag, Oldenburg

Malteser Hilfsdienst / Schützer, M. (2012): Erste-Hilfe-Handbuch. Wissen. Ratschläge. Selbsthilfe. Dorling Kindersley, München

St. John Ambulance, St. Andrew’s First Aid, British Red Cross (2014): Frist Aid Manual. 10th ed. Dorling Kindersley, München

2.2 Krisenintervention

2.2.1 Was ist eine Krisenintervention?


Unter einer Krisenintervention versteht man eine Form von Hilfe, die gezielt und methodisch am Krisenprozess ansetzt und bemüht ist, eine Zuspitzung der Krise bis zum Zusammenbruch zu verhindern und mit dem Betroffenen zusammen erste Schritte zur Lösung der mit der Krisensituation verbundenen Problematik zu erarbeiten. Damit ist Krisenintervention neben Beratung und Therapie ein eigenständiges, gezieltes, konzeptionelles und mit speziellen Methoden ausgestattetes Vorgehen, das wegen der meist vielfältigen Problemsituation berufsgruppen- und methodenübergreifend ist.

Ein wesentliches Kennzeichen der Krisenintervention ist die unmittelbare und aktive Hilfe ohne Zeitaufschub, da Krisen akute Notzustände sind und keine Wartezeiten vertragen. Es geht um den schnellen und direkten Kontakt zum Klienten und eine sofortige, oft beschützende, vom Problem distanzierende und entlastende Hilfestellung. In der allerersten Phase der akuten Krisenintervention muss der Betroffene vor Überforderung geschützt werden, so dass protektive, teilweise auch Autorität ausstrahlende und Halt gebende Interventionen im Vordergrund stehen. Manchmal muss der Krisenhelfer stellvertretend für den Betroffenen Entscheidungen fällen, weil dieser es nicht kann. Natürlich ist dies kein Dauerzustand – ein entscheidendes Ziel der Krisenintervention ist es, dem Betroffenen wieder zu seiner für ihn notwendigen Autonomie zu verhelfen, so dass er wichtige Entscheidungen zunehmend wieder selbst fällen und die entsprechenden Maßnahmen einleiten kann.

Kurz- und mittelfristige Ziele

Stein (2009, 152) unterscheidet kurzfristige von mittelfristigen Zielen der Krisenintervention. Unmittelbar und damit kurzfristig geht es um das Erkennen von Gefährdungen, das Abwenden von unmittelbarer Lebensgefahr, das Aufrechterhalten körperlicher Unversehrtheit und die rasche Beseitigung quälender Symptome. Mittelfristig hingegen ist es nach Stein wichtig, dass das Selbstwertgefühl des Betroffenen sowie seine Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit wiederhergestellt wird, was meist das Nutzen alternativer und konstruktiver Handlungsweisen erfordert.

Lösungsorientierung

Im Gegensatz zur Psychotherapie geht es in der Krisenintervention nicht um eine grundsätzliche Änderung umfassender Lebensmaximen, Einstellungen oder Verhaltensweisen. Auch psychodynamische wie biographische Faktoren werden nur insofern berücksichtigt, als sie eine Bedeutung für die akute Krisensituation haben – eine grundlegende Aufarbeitung psychodynamisch problematischer Prozesse oder biographisch bedingter dysfunktionaler Entwicklungen, geschweige denn die Behandlung einer psychischen Erkrankung, sind nicht Aufgabe der Krisenintervention, sondern einer Psychotherapie vorbehalten.

Zeitliche Begrenzung der Krisenintervention

Krisenhilfe ist zeitlich begrenzt. Sie sollte zügig einsetzen, erfordert am Anfang der Krise möglicherweise eine dichtere Frequenz der Beratungseinheiten, sollte andererseits aber auf einen absehbaren Zeitraum beschränkt sein – die meisten Autoren gehen von fünf bis zehn Sitzungen in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten aus. Alles, was darüber hinaus erforderlich scheint, kann man unter „weitergehende Maßnahmen“ subsummieren, was möglicherweise Veränderungen der sozialen Situation, gezielte pädagogische Maßnahmen oder eine Psychotherapie umfasst. Zur Vertrauensbildung zwischen Klient und Krisenhelfer trägt wesentlich bei, dass sich der Klient auf die Verschwiegenheit des Beraters verlassen kann. Ist dies nicht oder nur bedingt möglich (beispielsweise bei akuter Gefährdung des Klienten oder Anderer, etwa bei Suizidalität oder im Falle von häuslicher Gewalt), sollten die Grenzen der Schweigepflicht und das notwendige Prozedere offen dargelegt werden.

2.2.2 Voraussetzungen zur Krisenintervention

Niederschwelliger Zugang

Wenn wir uns vor Augen führen, dass Menschen in akuten Krisen die Übersicht und die Kontrolle über ihre Situation verloren haben und dies als existenzielle Gefährdung erleben, wird unmittelbar deutlich, dass eine professionelle Krisenhilfe zeitnah und niederschwellig erfolgen muss.

Krise oder Notfall?

Unabhängig davon, ob die Krisenintervention in einem speziell hierfür ausgerichteten, nach professionellen Standards interdisziplinär arbeitenden Krisenzentrum erfolgt, oder ob Sozialarbeiter, Pädagoginnen oder Psychologen in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern bei akuten Krisen ihrer Klienten intervenieren, stellt sich die Frage, ob es sich konkret um eine eher niederschwellige Krise („Alltagskrise“), einen akuten Notfall oder eine psychosoziale Krise handelt. Im ersten Fall ist es möglicherweise sinnvoll, auf die Ressourcen des Betroffenen und seines sozialen Umfeldes zu verweisen und professionelle Hilfe auf ein Minimum zu beschränken – eine ganze Reihe von kritischen Situationen im Jugendalter können von Jugendlichen mit Hilfe ihrer Freunde, Eltern, Lehrer, Jugendgruppenleiter usw. am besten selbst bewältigt werden. Auf der anderen Seite des Spektrums sind akute Notfälle angesiedelt, die entweder wegen Fremdgefährdung oder wegen akuter Lebensgefährdung des Betroffenen selbst unmittelbare Hilfe durch andere Professionen erfordern. Bei akut drohender häuslicher Gewalt ist möglicherweise die Polizei hinzuzuziehen, bei akuter Suizidgefährdung ist ggf. eine psychiatrische Intervention notwendig, und delirante Zustände bzw. Drogenintoxikation erfordern eine notfallmedizinische Versorgung.