Loe raamatut: «Geschichte der Schweiz», lehekülg 3

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Standortvorteile der Zentralschweiz

Wie kam es, dass in der Innerschweiz ein militärisches Potenzial bereitstand, das für die doch politisch und wirtschaftlich ganz anders ausgerichteten Städte interessant war? Die Zentralschweiz zählte zu denjenigen Regionen, die nur unvollständig feudalisiert worden waren. Für den Adel sprach wenig dafür, sich in der kargen, unfreundlichen und schwach bevölkerten Bergwelt niederzulassen. Entsprechend erhielten bäuerliche Neusiedler dort vergleichsweise weitreichende Freiheiten und umfassende Selbstverwaltung zugestanden, zumal sie in ihrer Abgeschiedenheit kaum politisch zu kontrollieren waren. So drangen etwa die Walser auf der Suche nach Land für eine bis ins 14. Jahrhundert stark wachsende Bevölkerung immer weiter in die unwirtlichen Alpengebiete vor. Es entstand ein Flickenteppich mit höchst unterschiedlichen Herrschafts- und Autonomierechten, in dem eine fürstliche Territorienbildung schwerer fallen musste als im Flachland.

Im Vergleich dazu kamen die Alpenbewohner gemeinhin auch besser durch die Krisenzeit: Die Überträger von Krankheiten breiteten sich in isolierten und kühlen Regionen mit Streuhofsiedlung weniger rasch aus als dort, wo die Menschen dichter aufeinander lebten – wie im Mittelland. Dort herrschte auch der Ackerbau vor, dem das kühlere und feuchtere Wetter am stärksten zusetzte. In den alpinen Regionen war die agrarische Selbstversorgung ohnehin kaum möglich. Der Temperaturrückgang verstärkte bloss die Tendenz, dass viele Innerschweizer Bauern im 14. Jahrhundert den Anregungen von Klöstern folgten und auf die weniger aufwendige Grossviehzucht umstellten. Die Erzeugnisse, Pferde, Zuchtvieh, Fleisch und lagerungsfähiger Ziger, später Hartkäse, konnten über längere Distanzen exportiert werden und damit auch in Gegenden, wo die Versorgung wegen der Pest oder Kriegen zusammengebrochen und die Nachfrage entsprechend gestiegen war. Das galt insbesondere für die städtereiche Lombardei. Seit der Eröffnung der Schöllenenschlucht um 1200 diente der Gotthard dem Transitverkehr mit Norditalien, wenn auch stets mit viel bescheideneren Volumina als andere Pässe wie der Grosse St. Bernhard oder die Kombination Septimer/Julier, vom viel niedrigeren Brenner nicht zu reden. Weniger für den Fernhandel als für die Innerschweizer wurde der Gotthard zur Passage nicht nur für Rinder, Pferde und Milchprodukte; bald zogen auch selbstständige Kriegsunternehmer mit ihren Soldtruppen gegen Süden. Auch in die andere Richtung nahm der Verkehr zu: Die nach ihrer Herkunft «Lombarden» benannten Bankiers vermittelten Kredite, Wechsel und Fachkenntnisse, die den überregionalen Viehhandel und damit auch das Transportgewerbe erst richtig in Gang brachten. Einige dieser Italiener gelangten sogar in den Luzerner Rat.

Die Umstellung von Ackerbau auf Weideland brachte es mit sich, dass die Alpenbewohner vermehrt auf Importe aus dem Norden angewiesen waren, wo Getreide rationeller angebaut werden konnte. Da nur Bern und der Thurgau regelmässig Getreideüberschüsse produzierten, musste Korn auch aus dem Oberrheingebiet und Schwaben importiert werden. Die Preise dafür waren gefallen, da nach der Pest für eine reduzierte Bevölkerung relativ mehr und vor allem gutes Land zur Verfügung stand. Import von billigem Getreide, Export von teurem Vieh und Käse: Das waren die Grundlagen des alpinen Aufschwungs. Die Wirtschaft im schweizerischen Raum spaltete sich so langfristig in ein «Hirtenland» (Innerschweiz, Westalpen) und ein «Kornland» (Mittelland, Tafeljura), mit Mischformen in den Voralpen und in den auf Selbstversorgung ausgerichteten Tälern Graubündens, des Nordtessins, des Wallis und des Berner Oberlands. Die übrigen Agrarzonen blieben in einer überregionalen Arbeitsteilung aufeinander angewiesen. Ein Rohstoff fehlte zudem praktisch ganz auf dem Gebiet der heutigen Schweiz: Salz war unabdingbar für die Ernährung des Viehs und die Konservierung von Fleisch, Butter und Käse. Es stammte aus dem Tirol, Italien, Bayern und der Freigrafschaft Burgund (Salins). Entsprechend bedurfte es weitreichender und umfassender Abstimmungen zwischen Produzenten in Stadt und Land und in weit entfernten Regionen. Solcher Handel intensivierte die Kontakte nicht nur auf Märkten, sondern auch in der Politik, etwa zur Sicherung der Einkaufsmöglichkeiten und der Transportwege.

Wie die Zelgenwirtschaft im Mittelland machte die Viehwirtschaft in Berggebieten viele Absprachen nötig, weil Wald, (Hoch-)Weiden und Alpen als Allmend oft gemeinsam genutzt und Alpwege erschlossen und unterhalten werden mussten. Solche Probleme und allfällige Konflikte wurden in Nachbarschaften und in Alpgenossenschaften verhandelt und geregelt. Über die wirtschaftliche Ordnung hinausgehend übernahmen die Gemeinden zusehends auch politische Funktionen, etwa indem sie Selbstjustiz und Blutrache bekämpften und einen Landammann wählten. Obwohl die ständischen Differenzen fehlten, die im flachen Land zwischen grundherrschaftlichem Adel und oft leibeigenen Bauern bestanden, ging es auch hier nicht um demokratische Gleichheit. Deutlich blieben die sozialen und damit auch politischen Unterschiede zwischen einer Schicht von niederen Adligen und wohlhabenden Grossbauern einerseits, die über das Weideland für die extensive Zucht von Rindern und Pferden verfügten, und andererseits einer Unterschicht ohne eigenen Landbesitz, darunter diejenigen Söhne, die den väterlichen Hof nicht erbten. Diese Gruppen suchten ihr Auskommen als Söldner in der Fremde und lockten andere nach, sodass in den Gemeinden auch über die Mobilität dieser jungen Männer verhandelt wurde. Die ländlichen Potentaten, die das Sagen hatten, vermittelten nicht mehr nur Vieh, sondern zusehends auch Söldner in die Städte in Nord und Süd.

Die regionalen Eliten und der Konkurrent Habsburg

Nicht nur im Alpenraum waren Verwaltungsämter, etwa Vogteien für geistliche und weltliche Herren, traditionellerweise Aufgabe und Machtbasis des regionalen (Klein-)Adels. Genau die Verfügungsgewalt über solche Vogteirechte, also die Wahrung der öffentlichen Ordnung im Namen (und formal im Auftrag) des Reiches, war auch für die Habsburger der Schlüssel, wenn sie ihre Macht zwischen Rhein und Alpen weiter ausdehnen wollten. In den Jahrzehnten um 1300 half ihnen die Macht- und Ehrenstellung als deutsche Könige dabei. Diese Ansätze zu einer habsburgischen Landesherrschaft, wie sie in Österreich tatsächlich entstehen sollte, gefährdeten die Autonomie der regionalen Eliten. Dagegen wehrten sich in der Innerschweiz die wenigen kleinadligen nobiles zusammen mit Grossbauern. Sie glaubten sich dazu durch Urkunden legitimiert, die sogenannten Königsbriefe, die ihnen die Reichsfreiheit zusicherten. Der früheste noch erhaltene Königsbrief stammte von Friedrich II. aus dem Jahr 1240 und belohnte die Schwyzer wohl für ihre Kriegsdienste in Italien: Der Kaiser nahm sie unter seinen unmittelbaren Schutz. Die Urner bekamen noch früher – 1231 – eine allerdings nur als späte Kopie erhaltene Beurkundung ihrer Reichsfreiheit. Auffallend häufig wurden solche Privilegien erst im frühen 14. Jahrhundert erlassen. Damit begünstigte im Jahr 1309 König Heinrich VII. weniger die Einwohner von Uri, Schwyz und Unterwalden selbst als ihre Führungsgruppen oder gar einen einzelnen Adligen, nämlich Werner von Homberg. Ihn setzte der König jedenfalls gleichzeitig als Vogt für die nun in einer Reichsvogtei zusammengefassten und erstmals so benannten «Waldstette» ein, und von ihm erhoffte sich Heinrich VII. möglicherweise Söldner für den Italienzug. Er stammte, wie später sein Enkel Karl IV., aus dem Geschlecht der Luxemburger, von dem die Orte fortan ebenso Privilegien erwarten durften wie von seinem Nachfolger Ludwig dem Bayern. In der Regel stärkten diese Kaiser damit die Gegenspieler ihrer habsburgischen Konkurrenten. So beeinflusste nach dem frühen Tod Heinrichs VII. in Italien der Thronfolgestreit zwischen dem Wittelsbacher Ludwig dem Bayern und dem Habsburger Friedrich dem Schönen die Innerschweizer Situation. Die Waldstätte unterstützten im Unterschied zu den meisten anderen süddeutschen Gebieten den Bayern, der sie wohl zum Dank dafür privilegierte. Seine Königsbriefe (1315/16, ganz unbestritten 1327/28) waren insofern neuartig, als sie sich an die drei Orte zusammen wandten. Was vorher eine Reichsvogtei unter einem königlichen Amtmann gewesen war, wurde nun «zum verfassungsmässig fester gefügten, von aussen als selbstständiger Verhandlungspartner akzeptierten Dreiländergebilde», zu einer «Reichsvogtei ohne Reichsvogt» (Roger Sablonier).

Es war also kein Kampf gegen den «bösen Adel», der von innen heraus verfassungsmässige Gemeinsamkeiten der drei Alpentalschaften geschaffen hätte, sondern die obrigkeitliche Zusammenfassung als Reichsvogtei. Die Konfliktlinie schied um 1300 nicht freiheitsdurstige Kommunen und tyrannische, adlige Vögte, wie sie die Befreiungssagen später erdichten sollten. Die ländlichen Potentaten in der Innerschweiz und in ihrem Vorraum fühlten sich bedroht, auch wenn die Habsburger kaum ernsthaft nach Süden drängten. Sie besassen in der Innerschweiz wenig Grundeigentum und Gefolgsleute, bloss einige Vogteirechte über grosse Klöster wie Einsiedeln, dessen Besitzungen aber vorwiegend im Mittelland lagen. Ein verhaltenes Interesse am Innerschweizer Raum zeigte sich höchstens darin, dass die Habsburger 1291 von der verschuldeten elsässischen Abtei Murbach die Stadtherrschaft über Luzern erwarben. Auch Sursee, Sempach und weitere mittelländische Kommunen bildeten sich unter habsburgischer Herrschaft, die ihre wirtschaftliche Entwicklung mit Privilegien förderte. Diese Städte konnten als Basis für eine Landesherrschaft im Mittelland dienen, zusammen mit den habsburgischen Stammlanden beim Zusammenfluss von Reuss und Aare sowie den Besitzungen zwischen Bodensee, Walensee und Hallwilersee, die Rudolf von Habsburg 1273 von den Kyburgern geerbt hatte.

Habsburg und Schwyz im Konflikt

Eine aktive Expansionspolitik der Habsburger zum Gotthard hin lässt sich kaum nachweisen, auch wenn Luzern vom zunehmenden Handel mit dem Süden gewiss profitierte und wiederholt mit Uri und anderen Anrainern des Vierwaldstättersees Streitigkeiten wegen Zöllen oder Diebstählen ausfocht, welche die Fernhändler behelligten. Die Auseinandersetzung mit Habsburg entbrannte anderswo, als Nutzungskonflikt, wie es sie zwischen benachbarten Gemeinschaften immer wieder gab. Der «Marchenstreit» hatte schon seit dem 13. Jahrhundert regelmässig für Spannungen zwischen dem Kloster Einsiedeln und der Talschaft Schwyz gesorgt. Schwyzer Kleinbauern beanspruchten widerrechtlich und oft auch gewaltsam Weideland im Stiftsgebiet (Ybrig), welches das Kloster und seine Grosspächter selbst intensiver nutzen wollten, nicht zuletzt als Lieferanten von Grossvieh für die aufblühende Reichsstadt Zürich. In der Dreikönigsnacht 1314 plünderten die Schwyzer das Kloster und verschleppten seine Insassen. Nun waren die Habsburger als Ordnungsmacht gefordert, denn sie hatten die Schirmvogtei über Einsiedeln inne. Die genaue Ursache der Schlacht bei Morgarten und das militärische Ziel des österreichischen Herzogs Leopold I. bleiben letztlich unklar, ebenso ihre Verbindung zum Thronkonflikt: Leopolds Bruder Friedrich der Schöne verhängte angeblich die Reichsacht über die Waldstätte, der Bischof von Konstanz dazu den Kirchenbann. Der zeitgenössische Chronist Johannes von Viktring meinte, dass die Schwyzer ihre Freiheit (libertas) schützen wollten, als Leopold versucht habe, sie zu unterwerfen. Die Verteidigung der Reichsfreiheit gegen die fürstliche Territorienbildung dürfte also 1315 das Motiv für die nicht mehr genau lokalisierbare «Schlacht am Morgarten» beim Ägerisee gewesen sein. Vielleicht mit dem Reichsvogt Werner von Homberg an der Spitze schlugen die Schwyzer überraschend Leopolds Ritter, zu deren Heer auch Truppen aus den habsburgischen Städten Luzern, Winterthur und Zug sowie der Reichsstadt Zürich gehörten.

Im Anschluss an den Sieg, am 9. Dezember 1315, schlossen sich in Brunnen die «lantlüte und eitgenoze von Ure, von Swits und von Underwalden» im «Morgartenbrief» zu einem Bündnis zusammen – erstmals mit der Selbstbezeichnung als «Eidgenossen», wobei diese Benennung im 14. Jahrhundert noch lange keine exklusive war. Inhalt des Bundes war die gegenseitige Hilfezusage auf eigene Kosten, «ein anderen ze helfenne und ze ratenne mit libe und mit guote in unsere koste». Wie üblich regelte das Bündnis vor allem die Praxis des Landfriedens. Jeder Mensch solle, so wurde ausdrücklich festgehalten, «sinem rechten herren oder siner rechten herschaft … gehorsam sin». Damit konnten im Sinn von Schutz und Schirm adlige und kirchliche Grundherren, aber auch Fürsten wie die Habsburger gemeint sein. Allerdings verpflichteten sich die drei Orte darauf, sie würden nicht «irgendeinen Herren nehmen ohne der andern Willen und ohne ihren Rat». Bezweckt war also nicht Unabhängigkeit von Habsburg, sondern «Friedenssicherung durch Herrschaftssicherung» (Roger Sablonier) der eigenen, lokalen Eliten in hierarchisch strukturierten Personenverbänden, die nur in ihrer Zusammenfassung als (Reichsvogtei) «Waldstätte» nach aussen bündnisfähig wurden. Nicht frühdemokratische bäuerliche Gemeinden handelten hier, sondern, wie anderswo auch, ausgeprägte und akzeptierte Hierarchien. Wirkliche politische Teilhabe beschränkte sich auf eine kleine Zahl von einflussreichen Familien.

Der Brief von 1315 wurde in der Chronistik des 15. Jahrhunderts rückblickend als Befreiung gedeutet und zum Gründungsakt der Eidgenossenschaft erklärt. Bis ins späte 19. Jahrhundert galt der Bund von Brunnen als entscheidender Erstbeleg – und nicht die gegenseitige Hilfeversicherung im Landfriedensbündnis von Anfang August 1291. In diesem reagierten Uri, Schwyz und Nidwalden auf die unberechenbaren Verhältnisse nach dem Tod Rudolfs von Habsburg, dessen Sohn Albrecht die Krone erstrebte, aber (noch) nicht gewählt wurde. Vor diesem Hintergrund und ohne irgendeine antihabsburgische Stossrichtung sicherten sich die Waldstätte gegenseitige Hilfe zu, auch bei der Verbrechensbekämpfung, und regelten, wie Streitigkeiten untereinander durch Einheimische geschlichtet werden sollten. Dabei berief man sich auch auf ein älteres, undatiertes Abkommen, was zeigt, dass Zusammenarbeit in Fragen des Landfriedens im 13. Jahrhundert bereits etabliert war. Doch ein engerer Zusammenschluss und gemeinsames politisches Handeln lassen sich erst mit 1315 begründen, als die Eidgenossen sich zusagten, keine äusseren Verpflichtungen oder auch nur Verhandlungen einzugehen, sofern die anderen Waldstätte nicht zustimmten. Damit begannen sie vereint, als bündnisfähige «lender», mit König und Reichsstädten Verhandlungen zu führen. So wurden die drei Waldstätte schon 1327 über Zürich und Bern in den erwähnten, kurzlebigen südwestdeutschen Städtebund eingebunden.

Der Aufstieg der neuen Potentaten

Anders als der einjährige Städtebund von 1327 wurden die Bündnisse unter den künftigen Eidgenossen zusehends auf «ewig» (in perpetuum) abgeschlossen, eben «unbefristet». Wirklich aussergewöhnlich war indessen, dass der schweizerische Bund neben Städten dauerhaft Länderorte umfassen sollte. Reine Bündnisse von Landschaften gab es auch andernorts, zumindest in peripheren Regionen: Pyrenäen, Dauphiné, Friesland, Dithmarschen. Am Tiroler Landtag waren neben Prälaten, Adligen und Städten auch «Täler und Gerichte» als vierter Stand vertreten. Doch dauerhafte ständeübergreifende Bündnisse von – wie es das 19. Jahrhundert nennen sollte – «Bürgern und Bauern» gab es nur im Alpenraum, wo auch die Bünde in Rätien und im Wallis sowohl Städte als auch ländliche Talschaften und geistliche Herrschaften vereinten. Dieser Bogen wurde 1332 erstmals solid geschlagen, als sich die habsburgische Landstadt Luzern und die drei Waldstätte verbündeten und gegenseitig Hilfe bei inneren oder äusseren Gefahren zusagten. In den vorangegangenen Jahren hatte der Luzerner Rat dem österreichischen Herzog Autonomierechte wie die Wahl des Schultheissen abgerungen. Vermutlich erhoffte man sich durch das Bündnis Rückhalt für diese Politik. Doch es enthielt den geschuldeten Vorbehalt, dass die Rechte des habsburgischen «hochgebornen unsern Herren» nicht beeinträchtigt würden. Von diesem erbat sich Luzern als Landstadt folgerichtig weiterhin die Bestätigung seiner Privilegien. Gleichzeitig stand die Stadt aber bei kriegerischen Konflikten zumeist auf der Seite von Habsburgs Gegnern. So schwankten die Luzerner noch bis zur Schlacht von Sempach zwischen Untertanenpflichten und Autonomiebestrebungen.

In den Waldstätten ging in derselben Phase die Herrschaft allmählich und endgültig an die neue Gruppe von Potentaten über. Zuerst gelangten sie wohl um 1300 in Schwyz an die Macht (Ab Iberg, Stauffacher), in Uri erst nach dem Tod des hochadligen Landammanns Johannes von Attinghausen (1358/59).Die Urner Alpentäler hatten ursprünglich vor allem entfernten Gotteshäusern gehört, ausser dem Fraumünster Zürich Zisterzienserklöstern wie Wettingen; die Verwaltung übertrugen sie kleinadligen Vögten oder Meiern. Im 14./15. Jahrhundert kaufte die Landsgemeinde oder vielmehr ihre vermögenden Mitglieder den Klöstern den Grundbesitz mit den feudalen Rechten ab. Bezeichnenderweise erfolgte der Loskauf vom Kloster Wettingen in Uri zum selben Zeitpunkt, als die Herrschaft der Hochfreien von Attinghausen zu Ende ging. Bis zum Ende des Jahrhunderts verloren auch die Ministerialengeschlechter, so die Hunwil in Obwalden, und überhaupt alle bisherigen Landammannsfamilien ihre Machtstellung in den Waldstätten. Die grossbäuerlich-kleinadlige Aufsteigerschicht, die mit Vieh und Söldnern Handel trieb und sich auf eine Klientel in den Dorfgemeinden stützte, beerbte den lokalen Adel und die klösterlichen Amtsträger als Garanten der öffentlichen Ordnung im Alpenraum. Anders als ihre Vorgänger kannte sie aber keine Loyalitätspflichten mehr gegenüber Habsburg. Auch deswegen wurden diese Potentaten als dauerhafte Partner interessant für diejenigen Kreise, die gewohnt waren, ihre inneren und äusseren Herrschaftsansprüche durch vorübergehende überregionale Bündnisse zu sichern: die städtischen Räte von Zürich und Bern.


1353 bestand also keine achtörtige Eidgenossenschaft. Doch im Raum der späteren Schweiz hatte sich ein Bündnis-Netzwerk neben anderen ausgebildet. Die Waldstätte, ihrerseits am engsten zusammengeschlossen im Bund von 1315, hatten als Einzige an den fünf anderen Verträgen teil, die alle unterschiedliche Bestimmungen enthielten. Die wichtigsten Partner, Bern und Zürich, waren nicht direkt verbündet. Auch der Pfaffenbrief von 1370 vereinte nur die sechs Orte des Zuger Bunds (ohne Bern und Glarus), die überzeugt waren, dass Kleriker nur in geistlichen Angelegenheiten und Ehesachen an ein fremdes oder kirchliches Gericht gelangen durften, nicht aber bei normalen Verbrechen wie demjenigen eines Zürcher Propstes, der den Luzerner Schultheiss überfallen und so den Pfaffenbrief provoziert hatte. Damit zeigten die einzelörtischen Obrigkeiten, dass sie die militärische und Gerichtshoheit in ihren Städten und Ländern und vor allem auf den Strassen dazwischen gemeinsam durchsetzen wollten. Dieser Schutzbereich wurde im Pfaffenbrief erstmals räumlich, aber eben mit nur sechs Orten als «unser Eydgnosschaft» zusammengefasst. Trotz solchen zaghaften Ansätzen eines territorialen Herrschaftsverständnisses sollte es bis 1798 dabei bleiben, dass es keinen Bund gab, der alle Orte zusammen erfasst hätte. Es handelte sich stets um ein Gefüge von Verträgen, die zudem vorerst keineswegs exklusiv waren. Zürich schloss 1356 ein Bündnis mit den Habsburgern, das einen weiten Hilfskreis hatte. Auch Bern fand sich 1363 in einem Bund mit dem Fürstenhaus, das gleichzeitig am Lehenstag von Zofingen eine grosse Anhängerschaft gerade aus diesen Städten und der Innerschweiz zusammenrief. Erhebliche Teile der dortigen Führungsschichten, darunter Rudolf Brun, waren noch im habsburgischen Lehensgefüge einbezogen.

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Žanrid ja sildid
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