Der liebe Gott Allahu akbar

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Der liebe Gott Allahu akbar
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© dieser Ausgabe tullioaurelio 2018

ISBN xxxxxxxxxxxxx

www.tullioaurelio.com

Umschlaggestaltung: Tullio Aurelio

Inhalt

Vorwort

Der janusköpfige Gott

Der liebe Gott, Allahu akbar, Gott mit uns

Religion – was ist das?

Heute früh bin ich aufgewacht...

Alle meine Götter sind tot.

Gott sei Dank! Gott sei Dank?

Die Sackgasse der Erkenntnis

Die Grenzen der Sprache

Die Grenzen des Menschen

Das Böse in der Welt

Die Entschuldigung Gottes

Die Theodizee. Eine theologische Entschuldigung Gottes

Elohim, der Schöpfer einer Welt, die es nicht (mehr) gibt.

Der Töpfer unter den Göttern

Meine Götter sind außer Dienst

Wenn die Suche in eine Sackgasse endet.

Einsichten

Gott, der Lückenbüßer

Etsi deus non daretur. Leben - ob es Gott gibt oder nicht.

Der leidende Gott

Nietzsches Alarmruf: Gott ist tot.

König Ödipus

Die universale Dimension des Mythos von Ödipus

Ödipus wird zu einem Komplex

Was tut Ödipus, wenn kein Gott da ist?

Das Leben ist oft eine Sisyphosarbeit, aber auch eine Sisyphosaufgabe.

Sisyphos ohne Gott

Gibt es nun Gott oder nicht?

Offenbart sich Gott?

Kann man Gott überhaupt erkennen?

Die mystische Erfahrung Gottes

Der Gott der ‚Heiligen’ Schriften

Der Gott Israels

Jahwe in der Wolke auf dem Horeb

Jahwe in einem Zelt

Ein Haus für Jahwe

Jahwe hat keine Bleibe auf Erden

Allah will keine Bilder

Die Selbstoffenbarung Allahs auf dem Prüfstein

Tötung im Namen Gottes bei Ehebruch und Unkeuschheit im Koran und in der Bibel

Gesetze Gottes oder Gesetze seiner ‚Propheten’?

Offenbart sich Gott schrittweise?

Der Gott des Alten und der Gott des Neuen Testaments

Jesus, der fleischgewordene Gott

Ist Jesus das Goldene Kalb der Christen?

Mohammed über Jesus

Die Christen und die ‚Heiden’

Das Selbstbildnis des Menschen

Bilder Gottes, Bilder des Menschen

Imitatio dei – die Nachahmung (oder: die Nachäffung) Gottes

Das Bilderverbot heute

Religion als Opium

Religion und Placeboeffekt

Der Placeboeffekt des Gebetes und des Kultes

Gott ist groß, wir sind so klein

Die religiöse Erziehung

Leben ohne Gott – ein Versuch

Das Ende der Religion?

Mit Gott reden am Krankenbett

Ijob und wir

Auschwitz ist überall. Kann man noch von Gott reden?

Leben ohne Gott

Die Moral der Religion

Die Religion und die Kunst

Steine alter ‚Gotteshäuser’ für neue

Das Pantheon

Das Haus Gottes wird zum Kulturdenkmal

Leben ohne Antwort

Gott ist nicht

Leben ohne Grund

Leben ohne Gebet und Kult

Was bleibt?

Hinter den Gottesbildern eine Hoffnung


Vorwort

Stellen wir uns vor, Ödipus’ Schicksal, dass er seinen Vater töten und seine Mutter heiraten wird, ist gar nicht von Apollon verhängt und von der Pythia in Delphi in dessen Auftrag verkündet worden. Stellen wir uns vor, Sisyphos ist gar nicht von Zeus dazu verdammt worden, einen großen Felsen immer wieder den Berg hinauf zu hieven, wissend, dass der Stein anschließend den Berg hinunter rollen wird. Keine Frage: Das können wir uns moderne Menschen sehr gut vorstellen, denn bekanntlich haben Apollon und Zeus nie existiert und keiner von uns glaubt an Zeus und Apollon oder andere griechische Götter. Ödipus und Sisyphos müssen also selbst mit ihrem harten Schicksal zurechtkommen.

‚Ödipus’ und ‚Sisyphos’ sind ihrerseits lediglich literarische Gestalten: Auch sie haben historisch nie existiert. Aber literarische Gestalten sind Sinnbilder für menschliche, im Fall von Ödipus und Sisyphos, tragische Schicksale. Ödipus ohne Apollon und Sisyphos ohne Zeus sind also Menschen, die ohne Gott mit ihrem Leben auskommen, ihr Schicksal bewältigen müssen.

Den literarischen Vorgang, aus den mythischen Erzählungen die Wirkung der Gottheit zu tilgen, nennt man Entmythisierung: Die Handlungen der literarischen Texte deutet man ohne Gottes Einwirkung in der mythischen Geschichte. Aus dem Libretto des Mythos streicht man die Rolle der Götter.

 

Für den Vorgang, die Geschichte der Erde, sogar das eigene Leben ohne Gottes Wirkung verstehen und meistern zu wollen oder gar zu müssen, gibt es noch keine passende Bezeichnung, denn die Menschen versuchen immer wieder, irgend einen Gott als Beistand zu gewinnen und als Erklärung für die noch offenen Fragen zu finden. Zu diesen Einsichten verhelfen uns Freud und Camus, die sich mit den Mythen vom König Ödipus und von Sisyphos befasst haben.

Die Mythen ohne Götter verlieren allerdings ihren literarischen und sonstigen Reiz, sie wirken plötzlich banal wie der sonstige Alltag. Ein Leben ohne Gott bedeutet für viele auch eine Entzauberung. Ehrlicherweise ist man allerdings genötigt, auf Gott als Erklärung und Beistand zu verzichten, weil man zugeben muss, dass man letztlich nicht weiß, wer Gott ist und ob es ihn überhaupt gibt. Viele Menschen ziehen daraus die Konsequenz, ohne die Gotteshypothese zu leben, ihren Alltag ohne seine Hilfe zu meistern.

„Gott ist nicht“ ist eine der Überschriften gegen Ende dieses Buches. Der Satz stammt aus der ‚negativen Theologie’, aus der theologischen Meinung, dass man über Gott nur in der negativen Satzform reden kann, weil der Mensch außerstande ist, Gott zu erkennen und also auch definitiv zu wissen, ob es ihn gibt oder nicht.

So sind auch wir, wie Ödipus und Sisyphos, gott-los, ohne die liebevolle oder rächende Begleitung einer Gottes auf Erden.

Dieses Buch beschäftigt sich trotzdem mit dem Thema Gott. Man kann feststellen: Je länger man sich mit diesem Thema befasst, desto fremder kommt einem Gott vor. Zwischen der Theologie und der Religion klafft diesbezüglich ein gewaltiger Hiatus, ein riesiger Spalt: Die Theologie lehrt, Gott sei der ganz Andere, und gibt deshalb volens nolens (ungern) denen Recht, die behaupten, Gott, wenn es ihn gibt, ist ihnen vollkommen fremd. Die Religion will aber den Menschen dazu verleiten, diesen Gott anzubeten und sich von ihm, den wir nicht kennen können, leiten zu lassen. Fest steht allerdings: Wir kennen Gott nicht. Und je länger wir ihn suchen, desto nebulöser wirkt er auf uns.

Götter kennen wir hingegen haufenweise. Es sind die unzähligen und unseligen Gottesbilder aus der eigenen Werkstatt der Menschheit, die von verschiedenen Kulturen und Religionen stammen. Auch wenn wir unmöglich alle Götter und Gottesbilder kennen können - die, die wir kennen, könnten genügen, um zu dem Schluss zu kommen, dass sie mit dem echten Gott, wenn es ihn gibt, eigentlich nichts zu tun haben.

Gottesbilder sind Ausdruck unserer Wunschvorstellungen. Das zeigt sich, wenn man die Inhalte der religiösen Sprache analysiert. Religiöse Aussagen über Gott verraten die Interessenlage einzelner Menschen oder das Anliegen von Interessengemeinschaften eher als Eigenschaften eines uns unbekannten Gottes. Unterschiedliche Bedürfnisse erzeugen unterschiedliche Gottesvorstellungen und unterschiedliche religiöse Glaubensrichtungen.

Die Theorie, dass Aussagen über Gott nur Projektionen menschlicher Bedürfnisse seien, ist nicht neu. Feuerbach, Nietzsche, Freud und Camus sind nur einige der bekannten Verfechter dieser These und sie verhelfen uns zu interessanten Einsichten. Sie werden in diesem Buch gebührend gewürdigt, zum Teil im Zusammenhang mit der Deutung wichtiger Mythen der Menschheit. Aber es werden hier auch viele Texte aus der Bibel und dem Koran hinterfragt: Sie alle – nicht nur die Mythen, sondern auch die sogenannten ‚Offenbarungstexte’ – zeigen unmissverständlich, dass sie menschliche Wortschöpfungen sind.

Das aktuelle Buch setzt sich besonders mit den drei monotheistischen Religionen auseinander, hauptsächlich mit dem Christentum, in dem die meisten potentiellen Leser aufgewachsen und beeinflusst worden sind, aber auch mit dem Judentum und dem Islam, weil diese Religionen unsere Kultur maßgeblich geprägt haben und den Anspruch erheben, jeweils den richtigen Gott zu verehren.

Dieses Buch ist zum Teil auch die Fortsetzung meiner eigenen Auseinandersetzung mit der Thematik. Bereits mein erstes Buch Gott Götter und Idole. Und der Mensch schuf sie nach seinem Bild brachte es auf den Punkt, der im Untertitel formuliert ist: Die Menschen haben die Gottesbilder erschaffen und auch die Götter und Idole, die diese Bilder vergegenständlichen. Ihr ‚Gott’ ist nicht anderes ist als ein Sammelbegriff, ein Namen für ein Sammelsurium der von ihnen produzierten Gottesbilder. In den zwei weiteren Büchern von mir - Wir sterben und wissen nicht wohin und Die letzte Beichte von Maria Magdalena - wurde diese These zu einer tiefer gehenden Überzeugung. Allerdings hatte ich die praktischen Folgen aus der Theorie bisher nicht ausführlich formuliert. Ich denke, dass es mir in diesem Buch besser gelingt.

Das Buch hat also mitunter einen persönlichen Charakter, und die Leser die sich bis hierhin verirrt haben, werden es mir verzeihen, wenn dann und wann der Schreibstil von der unpersönlichen Sachargumentation in den Ich-Stil wechselt.

Bei mir hat es lange gedauert, bis ich der logischen Einsicht auch psychologisch Folge leistete. Es war eher ein Prozess als eine Wende. Süchtig nach religiöser Praxis bin ich zwar nie gewesen. Die Freude, die auch ich zu früheren Zeiten in den Gottesdiensten spürte, machte zunächst der Gleichgültigkeit, dann der Unlust, zuletzt dem Unverständnis Platz, wie der Kultvorsteher so fröhlich sicher über Gott faseln kann und wie die Kultteilnehmer sich vor einem Wesen, das sie nicht kennen, das möglicherweise überhaupt nicht zugegen ist, bücken können.

Existiert Gott? Vielleicht. Wir werden es aber vermutlich nie erfahren. Deshalb plädiert das Buch für ein Leben ohne die Gotteshypothese: „Etsi deus non daretur“, schrieb Bonhoeffer.

Leben unter einem Himmel ohne Götter ist gar nicht so schwer, es kann sogar eine große Erleichterung sein.

Ein erster Blick auf das Buchcover: Der Text „Der liebe Gott Allahu akbar“ in der gebrochenen Cracked-Schrift könnte man durchaus als Grafik, als Bild- und Schmuckelement zu der leicht lesbaren drunter stehenden Textzeile verstehen. Gemeint ist es aber anders. Der Dreizeiler ‚Der liebe/Gott Allahu/akbar’ ist der Haupttitel und spiegelt semantische Valenzen wider, die die einzelnen Wörter in der gewollt ungewöhnlichen Trennung neu bekommen. So gerät der heute allzu häufig missbrauchte Ruf Allahu akbar, der in den Ohren der Christen, aber auch vieler Muslime, furchterregend klingt, in unmittelbare Nachbarschaft zum lieben Gottes. Allahu akbar bedeutet aber ursprünglich, „Gott ist größer“ als alle anderen Götter oder Wesen und wird zu Beginn des muslimischen Gebetes gesprochen. Und der liebe Gott - ist er immer lieb und zu allen? Durch diesen grafisch gestalteten Text wird suggeriert, dass Gott einen Januskopf besitzt. Der Januskopf ist ein menschlicher Kopf, der in zwei Richtungen schaut. Er muss sich nicht mal verrenken, um zweiseitig, zwiespältig und schizophren zu sehen. Er hat zwei Gesichter, die in zwei gegensätzliche Richtungen sehen.

Zudem ist die Grafik nicht sehr gut lesbar. Das ist auch beabsichtigt: Die Liebe Gott Allahu Akbar ist auch nicht ganz zu verstehen.


Der janusköpfige Gott
Der liebe Gott, Allahu akbar, Gott mit uns

Der charismatische Pastor war es gewohnt, dass die Menschen gerne zu seinen Gottesdiensten kamen, und er genoss deren Anwesenheit in der gleichwohl selten überfüllten Kirche. Die Gläubigen waren von seinen Predigten begeistert, nicht weil er besonders tiefe theologische Interpretationen der biblischen Texte geben würde, sondern weil er stets vom lieben Gott sprach und dabei seine Zuhörer anlächelte und aufmunterte: Der liebe Gott mag uns, er hat uns gern, er lässt uns nicht allein, wiederholte er in seinen Ansprachen überzeugt und überzeugend.

Er selbst war von diesen Aussagen nicht nur überzeugt, er wurde davon getragen: Er setzte in seiner Stadt viele Initiativen in Bewegung, um im Namen des lieben Gottes, sozusagen als dessen sichtbare rechte Hand, Benachteiligten zu helfen.

Er war das spirituelle und soziale Herz seiner Stadt, und die begeisterte Zuneigung machte mit der Zeit viele Menschen zu richtigen Fans von ihm. Nach seiner Pensionierung, um die Bedürfnisse seiner Anhängerschaft, aber auch seine persönlichen, zu befriedigen, zog er sich nicht ganz zurück, sondern richtete sich in einer Nebenkapelle in der gleichen Pfarrei ein und feierte dort für seine eigene Gemeinde, inbrünstig und menschennah wie immer, den Gottesdienst, obwohl in der Zwischenzeit in der Pfarrkirche ein Nachfolger tüchtig das Weihrauchfass schwenkte: Die große Pfarrkirche ohne ihn schien für seine Fans nicht mehr attraktiv und sie wanderten lieber zur Nebenkapelle. Er wurde lange noch nach seiner Pensionierung gebeten, Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen zu übernehmen. Übernahm er sie, was oft und gern auch geschah, waren die Menschen, sehr mit ihm, mit sich selbst und dem lieben Gott zufrieden. Gegenüber seinen Nachfolgern wollte sich keine richtige Begeisterung einstellen, und man dachte nostalgisch an die früheren Zeiten zurück.

Bei dieser Schilderung kommen verschiedene Aspekte zur Sprache, die für das religiöse Phänomen typisch sind: die wohltuende Überzeugung, dass Gott die an ihn glauben, liebt und zu ihnen steht, die charismatische Anziehungskraft eines Kultvorstehers, der die zentralen Überzeugungen des Glaubens vermittelt und sie selbst persönlich so vertritt, dass er zu einer Art Guru der Gemeinde wird, und die Bildung einer Gemeinde von Anhängern, die sich, nicht selten, sich sogar zu echten Fans entwickeln.

Diese Deutung mag einseitig sein und zu kurz kommen. Der Mann, der ‚Gottesmann’, von dem hier die Rede ist, hat tatsächlich seinen Glauben mit Überzeugung gelebt, und sein soziales Werk überdauerte ihn.

Es stellt sich allerdings doch die Frage, ob die Tatsache, dass dieser Mann so gelebt hat, wie er glaubte und predigte, beweist, dass Gott wirklich lieb ist und uns gern hat. Man kann auch im eigenen Leben persönlich erfahren, dass Gott gelegentlich auf eine Art und Weise lieb ist, die dem Menschen wenigstens vordergründig gar nicht hilft. Allzu oft kann man beobachten, dass der liebe Gott mit seiner Liebe sehr wählerisch ist, dem einen Liebe schenkt, dem anderen keine. In der Welt und im Leben der Menschen ist eine andere Seite der Realität zu beobachten, die in der Liturgie nicht oft gepriesen wird. Das Leben bringt vielen Menschen oft dazu, mit dem lieben Gott zu hadern.

Allahu akbar! Keine Angst, es wird hier nicht zu einer Schlacht gerufen. Allahu Akbar ist originär auch kein Schlachtruf, möge es heute vielen so vorkommen.

„Allahu Akbar“ ist ein zentraler Begriff im Islam und wird auf verschiedene Weisen und zu verschiedenen Anlässen verwendet. Der Spruch hat eine ähnliche Bedeutung wie der deutsch-christliche Begriff vom lieben Gott: Allahu Akbar rufen die Muslime zu Beginn des Gebetes, das sie daran erinnert, dass sie in Demut leben sollen und nur die Größe Allahs anbeten dürfen. Allahu Akbar rufen gläubige Muslime, wenn bei einem Unglück oder einem Erdbeben oder einer Bombenangriff verschüttete Menschen, besonders Kinder, geborgen werden. Denn Gott erweist dabei den Menschen seine Gnade.

„Allahu Akbar“, ein zentraler spiritueller Begriff des Islams, es heißt: Gott ist groß. Auch die Christen sind davon überzeugt, dass Gott, ihr Gott, groß ist: ‚Großer Gott!’, so beten ihn die Christen an. Eigentlich bedeutet Allahu Akbar sogar: ‚Gott ist größer’, größer als alle Idole.

Das ist die eine Seite Allahs, der die an ihn glauben segnet und im Leben begleitet.

Leider wird Allahu Akbar besonders in den letzten Jahren als religiöse Legitimierung von Gewalttaten verwendet: Gott will, dass man die Ungläubigen tötet, und wer gegen das Töten von Ungläubigen ist, ist gegen Allah.

Im Namen Gottes wurde in der Menschheitsgeschichte oft getötet. Heute geschieht dies am häufigsten im Namen Allahs. Die meist religiös motivierten muslimischen Dschihadisten rufen ‚allahu akbar’, bevor sie Menschen erschießen oder ihnen die Kehle durchschneiden.

„Allah ist Groß“ rufen sie, und ihr Herz fühlt sich dem großen Allah sehr nah. Sie selbst sind bereit, für Allah zu sterben, seine Märtyrer zu werden. Sie sind sicher, dass nach ihrem gewaltsamen Tod im Krieg gegen die Ungläubigen das Paradies auf sie wartet.

Dass einige Muslime „Allahu Akbar“ als Schlachtruf gegen die Feinde benutzen, lässt uns, angesichts der Morde, die in diesen Zeiten im Namen Allahs geschehen, nicht unberührt. Wir wollen aber nicht nur auf die Muslime zeigen. Die Christen haben im Namen ihres Gottes selber Schlimmes angestellt.

 

„Gott mit uns“ ist der Ruf der martialisch überzeugten Christen, der sie etwa vor etwa tausend Jahren in die Kreuzzüge gegen, man stelle es sich vor, die Muslime, führte. ‚Deus lo vult’ (Gott will es) war der Schlachtruf des Papstes Urban II., der den ersten Kreuzzug in Gang setzte, und viele folgten ihm. Wundert es einen, wenn heutige gutgläubige oder zynische muslimische Terroristen die Christen an ihre Kreuzzüge erinnern und sie als ‚Kreuzzügler’ bezeichnen? „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ würde Jahwe dazu sagen.

Aber nicht nur das: ‚“Gott mit uns“ war der Wahlspruch des preußischen Königshauses, und bis 1945 zierte der Spruch das Portal vieler deutscher Villen, so wie der Ruf Allahu Akbar die Fahnen verschiedener muslimischer Staaten ziert.

Während des Dreißigjährigen Krieges wählte der schwedische König Gustav II. für seine Soldaten den Schlachtruf „Gott mit uns“. Der Dreißigjährige Krieg ist in der Geschichte als Religionskrieg berühmt geworden. Auch wenn das nur eine Seite der Geschichte ist – die andere ist die Durchsetzung von Machtinteressen der verschiedenen Kriegsparteien -, zeigt auch dieser Krieg, dass der Mensch in Namen Gottes die schwersten Gräueltaten rechtfertigt.

Die Wehrmachtsoldaten trugen auf ihren Gurtschnallen auch den Spruch „Gott mit uns“, und vor der Schlacht um Stalingrad während des von Hitler angezettelten zweiten Weltkriegs erinnert ein Seelsorger die deutschen Soldaten an den Spruch auf ihrer Gürtelschnalle.

Das Elend, das der ‚Gott mit uns’ bei jeder Gelegenheit hinterlassen hat, lässt sich nicht ermessen. Mann muss zugeben: Nichts Neues unter der Sonne.

Ist dieser blutige Teil der Geschichte der Christen ein Beweis, dass Gott es so gewollt hat? Natürlich nicht. Genauso wenig wie Allah die Morde, die in seinen Namen geschehen, gutheißen kann, vorausgesetzt, der christliche Gott und Allah sind in der Lage, etwas zu wissen oder zu wollen. Aber diese beiden Narrativen sowie die Preisung der Liebe Gottes für die Menschen gehören zum breiten Phänomen der Religion. Beide Seiten – und das sind längst nicht die einzigen, die man erzählen könnte – sind ein Ausdruck der Religiosität Gläubiger Menschen.

Jedenfalls zeigen diese unterschiedlichen Narrativen, dass religiöse Sprache, wenn sie von Gott redet, nicht eindimensional ist, sondern perspektivisch. Wie ein Januskopf schaut das Gottesbild wenigstens in zwei Richtungen, wenn er sich entscheiden muss, ob er den einen Menschen oder den anderen lieben, das eine oder das andere Volk auserwählen soll. Aber das Gottesgesicht ist viel wendiger als ein Januskopf, er kann sich in alle Richtungen drehen, manchmal sehr schnell.

Der Verdacht, dass nicht unbedingt Gott, sondern der Mensch die Ursache dieser Ambivalenz Gottes ist, ist berechtigt: Je nach dem, wie der Mensch geartet ist, so ändert sich Gott in seinen und in unseren Augen.

Wir reden von der religiösen Sprache, von einer Sprache, die vorgibt, über Gott einiges oder gar vieles zu wissen, über ihn reden zu können, Auskünfte über ihm geben zu können. Wenn man die Aussagen der religiösen Sprache vergleicht, stellt man fest, dass sie sehr unterschiedlich ausfallen. Die religiöse Sprache macht verschiedenartige Aussagen über Gott, weil sie die Sprache von Menschen ist, die unterschiedliche Interessen haben.