Loe raamatut: «Ein König und seine Frauen»

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Walter Brendel

Ein König und seine Frauen

Heinrich VIII.

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel

Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

gunter.50@gmx.net

Inhalt

Impressum

1. Teil: Aufstieg eines Prinzen

Einleitung

Der edle Prinz

Tod von Arthur und Aufstieg von Heinrich

Der junge König

2. Teil: Die Ehefrauen des Königs

Katharina von Aragon

Anne Boleyn

Jane Seymour

Anna von Kleve

Katherina Howard

Katherine Parr

3. Teil: Abgesang

Das lange Sterben

Fazit

Zusammenfassung

Quellen

Inhalt

1. Teil: Aufstieg eines Prinzen
Einleitung

London, 1509. Vier Tage vor seinem 18. Geburtstag wird Heinrich VIII. zum König gekrönt. Vorüber ist die sparsame, bedachte Herrschaft Heinrichs VII. Sein Sohn sollte sich eher durch Opulenz, Dekadenz und Grausamkeit einen Namen machen. Generationen von Historikern haben sein Leben erforscht, jeden bedeutenden Aspekt. Aber erst heute rücken verstärkt die Männer in den Fokus, die seine Kindheit, Jugend und Regierung prägten. Und das in einem Ausmaß, welches häufig unterschätzt wird.

Der Versuch seines Vaters, ihm zu einem König nach seinem Bilde zu formen, ist gescheitert. Der junge König hat sich andere Männer zum Vorbild genommen. Die Ursachen dafür reichen weit zurück, bis in die Zeit vor seiner Geburt.

England im Jahre 1485. Seit über 18 Jahren kämpfen zwei Seitenlinien des Herrscherhauses um den Thronanspruch. Ein König aus der Dynastie der Plantagenet trägt die Krone, Richard III. Er war der letzte englische Herrscher aus dem Haus Plantagenet und zugleich der letzte, der auf einem Schlachtfeld fiel. Den Anspruch der Tudors will Heinrich VII. durchsetzen, mit der Schlacht von Bosworth am 22. August. Hier soll die Entscheidung fallen, wer König wird. Es wird für die Tudor-Linie ein genialer Sieg.

Mit Tod von Richard III. endete die Epoche der sogenannten Rosenkriege, in der zwei Nebenlinien der Plantagenets, die Häuser York und Lancaster, einen jahrzehntelangen Machtkampf gegeneinander ausgetragen hatten, und das entfernt mit den Lancasters verwandte Haus Tudor gelangte auf den Thron.

Richards Leichnam wurde geschändet, nackt im Wirtshaus The New Wake in Leicester ausgestellt, auch um seinen Anhängern zu beweisen, dass die Sache der Yorkisten verloren war, und schließlich in der Greyfriars Church des dortigen Franziskanerklosters bestattet.

Richard III. - Heinrich VII.

Heinrich VII. begann die Ära des Tudor-Königtums. Heinrich Tudor ließ alle Zweifel an seinem Anspruch auf den Königstitel im November 1485 durch das Parlament beseitigen. Dieses stellte kurzerhand fest, dass er der rechtmäßige König von England sei, da er den Thron faktisch innehabe. Außerdem wurde der Beginn von Heinrichs Herrschaft auf den Vorabend von Bosworth zurückdatiert, sodass man Richard III. und 28 seiner Hauptanhänger zu Hochverrätern erklären konnte.

Der Sieger heiratet Elisabeth von York, die Erbin der Thronansprüche des Hauses York. Dies führte zu einer Vereinigung beider verfeindeter Häuser. Dieser Kampf zog sich über den größten Teil des 15. Und 16. Jahrhundert hin und gerade als alles geregelt schien, kommt es zu neuen Turbolenzen. Diese Kriege um den Thron, die politischen Intrigen, die das Land jahrelang fest im Griff hatten, all das lag wie ein Schatten über Heinrichs Herrschaft. Es gab Unruhen, Rebellionen in Schottland. Einige wenige Adlige, die einen Anspruch auf die Krone erheben konnten, waren nach den Rosenkriegen noch am Leben. Mögliche Prätendenten wie Perkin Warbeck, die durch unzufriedene Adlige unterstützt wurden, waren ihm ein Dorn im Auge. Heinrich sicherte seine Macht durch erhebliche Geldzuwendungen an die Adligen, hauptsächlich jedoch spaltete er die Adelsschicht und sorgte somit für deren Entmachtung.

Heinrich Tudor wurde von vielen als Thronräuber gesehen, sein ererbter Anspruch war nur schwach. Viele machten ihm die Krone streitig. Um seine Dynastie zu sichern, war ein männlicher Erbe notwendig. Und das sollte nicht lange dauen.

Am 24. September 1486 waren die die Straßen in Winchester von Menschenmassen gesäumt. Alle versuchten einen Blick auf das wichtigste Baby Englands zu erhaschen. Die Kathedrale von Winchester war Schauplatz von Beerdigungen, Hochzeite, Krönungen und Taufen vieler englischer Herrscher, aber am 24. September sollte hier die Taufe eines zukünftigen englischen Königs seit fast 1000 Jahren stattfinden. Die Taufe des Thronerben von Heinrich VII. Tudor und der Elisabeth of Yorks. Die Geburt dieses Sohnes festigte die Herrschaft von Heinrich VII. schlagartig. Ein Priester salbte den Jungen und verkündete den versammelten Adel seinen Namen: Arthur.

Das Heinrich VIII. einmal König sein würde, war damals nicht vorhersehbar. Der älteste Sohn erbte den Thron und das war Arthur. Diesen Namen hatte sein Vater aus Mythen, Legenden und Ritterromanen vergangener Zeit entnommen. Heinrich Tudor konstruierte sogar einen Stammbaum der Tudor-Dynastie, der sein Haus direkt auf König Artus (später Arthur) und die Ritter der Tafelrunde zurückführte.


Die Ritter der Tafelrunde

Die Mythen um Artus waren den meisten Menschen, zu mindestens dem Adel, ein Begriff, weil die Tafelrunde und die Suche nach dem Heiligen Gral zum Erziehungsprogramm des Adels gehörte. Deshalb die Namensgebung durch Heinrich VII., um das glorreiche Zeitalter Camelots zu erneuern. Und deshalb auch die Taufe in Winchester, denn dort sah man die Stadt, wo einst das sagenhafte Camelot gelegen haben soll.


Camelot auf einer Illustration aus Gustave Dorés „Idylls of the King“, 1868

Und wurde Heinrich VIII. ältester Bruder der Erbe des englischen Throns, als Wiedergeburt einer alten Legende, freilich ohne historisches Fundament. Denn genau wie die Sage um Robin Hood ist auch die um König Artus nur eine schöne fiktive Legende.

Arthur mit 11 (l.) und 15 Jahren

Der edle Prinz

Im Schatten dieses Erben von Camelot sollte fünf Jahre später Prinz Heinrich geboren werden, ein Prinz in Reserve. Aber Heinrich VII. war zunächst entschlossen, Arthur als König und Nachfolder zu erziehen. Allerdings, gesichert war die Tudor-Dynastie damit noch lange nicht. Andere hatten besser begründete Ansprüche. Heinrich Tudors Rivalen warteten nur darauf, die Macht an sich zu reißen.

Die Kindersterblichkeit war hoch in dieser Zeit und deshalb brauchte der Tudor-Häuptling deinen weiteren Sohn, um seinen Feinden eine strake Botschaft zu senden. Heinrich war deshalb überglücklich, als Elisabeth am 28. Juni 1491 in Greenwich einen weiteren Sohn zur Welt brachte. Es sollte der zukünftige König Heinrich VIII. sein.


Elizabeth of York, die Mutter Heinrichs VIII.

Anders als beim Erstgeborenen wurde die genaue Uhrzeit der Geburt nicht aufgezeichnet. Nur das Datum wurde festgehalten und selbst das musste später korrigiert werden. Bei seiner Taufe wurde der Junge nun nach seinen Vater Heinrich benannt, der nun endlich den ersehnten Reserveerben hatte.

Aber kaum war man aus der Kirche herausgetreten, schwand das Interesse des Vaters. Die Erziehung des Prinzen wurde seiner Mutter Elisabeth überlassen. Fernab vom Hof verbrachte Heinrich einen Großteil seiner Kindheit im abgelegenen Schloss auf Eltham Palace im Südosten Londons. Heute ist nur noch die große Halle davon erhalten. Obwohl es kaum Aufzeichnungen über Heinrichs früherem Jahre gibt, wissen wir, dass er hier eine angenehme, sogar verwöhnte Kindheit verbrachte.


Die Große Halle gehört noch zur Bausubstanz des historischen Eltham Palace

Das Personal dieses königlichen war überwiegend weiblich. Aber es gab von Anfang an eine einflussreiche männliche Persönlichkeit in seinem Leben. Arthur Plantagenet, den unehelichen Halbbruder seiner Mutter Elisabeth. Er hatte den Ruf eines Mannes von Integrität und Bildung. Nach allem was man weiß, war er eine sanfte Persönlichkeit. Elisabeth könnte sich darauf verlassen, dass ihr Halbbruder Heinrich eine zeitgemäße ordentliche Erziehung gab. Allerdings erzog Arthur den Prinzen nach eigenen Vorstellungen, die denen Heinrich Tudors nicht entsprachen. So brachte er seinen Neffen das Lanzenstechen bei, von dem Heinrich begeistert war. Der fühlte sich als Ritter. So wollte er auch werden, wenn er einmal groß ist. Ritter waren die Stars dieser Epoche, überall gefeiert. Schon als kleiner Junge hatte Heinrich versucht, dem Ritterstand nachzuahmen. Sein Pony besteigen, eine Lanze zu packen und sich mit den Großen zu messen. Davon träumte er. Später als König sollte Heinrich weiterhin derartige Aktivitäten leidenschaftlich verfolgen, die ihm sein Bastardonkel nah gebracht hatte. Er liebte den Onkel mehr als seinen Vater, den er nur selten sah. Die Zeit, die sein Vater neben den Regierungsgeschäften mit seiner Familie verbringt, widmet er fast ausschließlich dem Prinzen Arthur, seinem Thronfolger.

Der Hofstaat von Heinrich VII. zog von Ort zu Ort, um seine noch ungesicherte Herrschaft zu stützen. Die Kinder Arthur und Heinrich waren für verschiedene Positionen bestimmt. Der erstgeborene war der Erbe und wurde für den Thron streng erzogen. Prinz Heinrich dagegen war für die Kirche bestimmt und sollte Erzbischof von Canterbury werden. Historisch ist das allerdings unbestimmt, denn dagegen spricht Heinrichs Erhebung zum weltlichen Titel des Duke of York, der mit erheblichem Landbesitz einherging und seine Ausbildung an den Waffen. Er wurde aber viel akademischer ausgebildet.

Wie jeder Junge wollte aber auch Prinz Heinrich oft seinen Vater sehen und Zeit mit ihm verbringen. Aber wie erwähnt, war das nur selten möglich, denn Arthurs Erziehung zum Herrscher und die Sicherung der Tudor-Herrschaft hatte Vorrang. Es kann durchaus sein, dass der junge Prinz sich als Reserveerbe ungeliebt fühlte. Vielleicht beeinträchtigte dieses auch sein Selbstvertrauen. Doch es war allgemein auch üblich, dass Königskinder ihre Eltern oft sehr wenig sahen. Doch bald sollte Heinrich Gelegenheit haben, das besser einzuordnen und seine Familie zu sehen. Berichte darüber sind bis heute erhalten geblieben. Diese zeigen, dass die Familientreffen großen Eindruck auf den kleinen Heinrich machten.

Der junge Prinz war im Jahre 1494 drei Jahre alt, als er zum Herzog of York ernannt wurde. Sein erster großer öffentlicher Auftritt, zeitlebens wird er das in Erinnerung behalten. Endlich wurde er von seinen Vater beachtet, zuvor durfte er nur dessen Serviette zum Malen benutzen. Es bedeutete ihm wirklich unglaublich viel. Dieser Prinz, der seine bisherige Kindheit im Schatten Arthurs verbrachte, genoss den kurzen Moment im Rampenlicht.

In öffentlichen Auftritten scheinen alle Tudors bereits in den jungen Jahren geschickt zu sein. Heinrich VIII. ist da keine Ausnahme. Es muss schon für ihn sehr interessant gewesen zu sein, von der Frauenseite der Kinderstube in die Welt der Männer und der Politik zu kommen. Von Anfang an scheint er Aufsehen zu erregen, selbst als dreijähriger. Doch leider war es damit bald wieder vorbei. Heinrich wurde zurück nach Eltham Palace gebracht und die Aufmerksamkeit seines Vaters richtete sich wieder ausschließlich auf seinen älteren Bruder. Nur Arthur sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten.

Das ganze Gewicht der Dynastie lastete auf Arthurs Schultern, sein Leben wurde durch den Vater streng kontrolliert. Schon früh führte er Arthur in die Regierungskunst ein. Heinrich dagegen wurde verwöhnt, vergöttert von seiner Mutter und seiner Großmutter, Margaret Beaufort. Einen Lebenszweck hatte er in diesen frühen Jahren nicht, denn er schließlich nur für die Kirche bestimmt. In dieser Vorbereitung auf eine hohe Position im Klerus mangelte es Heinrich an einer Sache nicht: Bücher. Deren Verfasser sollten einen gewissen Einfluss auf seinen späteren Regierungsstil haben. Begeistert haben ihm besonders die Ritterromane, in denen er geschmökert hat. Geschichten von Königen, wie etwa Heinrich V. Darüber hinaus wurde er beeinflusst von Männern wie Erasmus von Rotterdam. Erasmus war der berühmteste internationale Gelehrte seiner Zeit. Seine humanistischen Schriften über die Fähigkeiten des Einzelnen, sich durch Bildung zu erziehen, beeinflussten das Europa der Renaissance.


Erasmus porträtiert von Hans Holbein dem Jüngeren (1523)

Heinrich lernte Erasmus persönlich kennen, als dieser im Jahre 1499 Eltham Palace besuchte. Augenscheinlich waren die beiden voneinander beeindruckt. Diese persönliche Beziehung und einige Werke von Erasmus beeinflussten Heinrich sehr.

Der Gelehrte zeigte sich beeindruckt vom Können Heinrichs. Er schrieb: „Als wir in die Halle kamen, war alles Gefolge versammelt […]. In der Mitte stand Heinrich, neun Jahre alt, bereits mit einem gewissen königlichen Auftreten ausgestattet, ich meine einer Geistesgröße, kombiniert mit erstaunlicher Höflichkeit“.

Heinrich sollte dieses Treffen nie vergessen. Beide führten eine umfangreiche Korrespondenz in lateinischer Sprache, die den Intellekt des jungen Prinzen viele Jahre prägen und stimulieren sollte.

Außer Heinrich waren in Eltham Palace auch seine Geschwister Margaret, die später Jakob, König von Schottland, ehelichte, Mary und Edmund.


Heinrich und seine Schwester Margaret beim Besuch von Erasmus (moderne Darstellung des 19. Jahrhunderts in Westminster Hall)

Heinrichs erster Lehrer war ab 1496 der Hofpoet John Skelton, von dem er die typische Renaissanceausbildung der Zeit erhielt, mit besonderem Augenmerk auf Latein, Geschichte und antike Autoren neben Musik und Poesie. Später setzte Heinrich seine Ausbildung mit einem anderen Lehrer, William Hone, fort, zu dem sich noch der Französischlehrer Giles Duwes und ein Musik- und Waffenlehrer gesellten. Mit dieser Ausbildung wurde der junge Prinz später der erste König Englands mit einer umfassenden humanistischen Bildung, der fließend Latein und Französisch sprach, Musik komponierte und Gedichte verfasste.

Tod von Arthur und Aufstieg von Heinrich

Arthur unterdessen entwickelte sich zum Ebenbild des Vaters. Der Kronprinz lebte in einem eigenen Haushalt in Ludlow in Wales. Sein Vater war schon auf Brautschau gegangen, um die nächste Generation der Tudors zu sichern. In Spanien wurde er fündig. Das Ziel war der Abschluss eines Paktes mit Spanien. Dazu sollte Arthur nun Katharina von Aragon heiraten.

Um deren Eignung zu prüfen, traf Heinrich Tudor die zukünftige Braut seines Thronerben bei ihrer Ankunft im Oktober 1501. Das erste Treffen gestaltete sich zwar etwas unbeholfen, weil keiner die Sprache des anderen verstand, aber zufrieden war Heinrich dennoch.

Die künftige Mutter vieler Tudors hatte gerade ihren 16. Geburtstag gefeiert. Ausnehmend hübsch ist sie gewesen. Mit erdbeerblonden Haar und einen farbig blassen Teint. Ihr Name war Katharina von Aragon. Sie war die Tochter der katholischen Majestäten Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien. Ihre Urgroßmutter, Katharina von Lancaster, nach der sie benannt wurde, war eine Enkelin des englischen Königs Eduards III. Sie war ein unglaublicher Fand, den die Tudors dringend brauchten und die den englischen Thronfolger Arthur heiraten sollte.

An ihren Hochzeitstag sahen tausende Menschen eine der prächtigsten Prozessionen in der Geschichte der englischen Krone auf Londons Straßen.


Flämischer Wandteppich, Katharina und Arthur bei ihrer Hochzeit, ca. 1500

Und nicht nur die Braut trug ein cremefarbiges Kleid, auch Prinz Arthur war im hellen Gewand gekleidet, als Symbol für seine Jugend und Reinheit. Für Heinrich Tudor war es die perfekte Verbindung, denn diese Ehe festigte das Verhältnis zwischen England und Spanien und sicherte sein Haus.

Für Prinz Heinrich dagegen war es eine weitere Gelegenheit, an einer öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Er war gerade zehn Jahre alt bei der Hochzeit seines Bruders und wie jeder kleine Bruder wirkte er wie ein frühreifer Gentleman und wollte etwas von der Aufmerksamkeit haben. Praktisch stahl er dem Brautpaar die Show. Ganz Europa blickte zu diesem Zeitpunkt auf England.

Wir wissen heute, dass Heinrich ein geborener Schauspieler war, eigentlich ein Angeber. Körperlich gut gewachsen zeigte er sich gern beim Tanz und war sehr gut darin. Es gibt Hinweise dafür aus der Zeit von Arthurs Hochzeit, wo er sich in den Vordergrund spielte. Er zieht seine luxuriöse Robe aus und tanzt einfach in seiner Strumpfhose und den Wams vor König und Königin, zusammen mit seiner Schwester Margaret und alle erfreuen sich an diesen charmanten jungen Mann.

Heinrichs Begeisterung steht im krassen Gegensatz zu seinem Bruder Arthur, den die Feierlichkeiten bald langweilen. Ob Arthur über seinen jüngeren Bruder so erfreut war, plötzlich im Schatten zu stehen, bleibt dahingestellt. Arthurs Hochzeit hatte seinen kleinen Bruder vorübergehend ins Rampenlicht gerückt, aber das war gar nichts, was bald darauf geschah.

Nach dem anschließenden Gelage wurde das Brautpaar am Abend von einem großen Gefolge, zeremoniell zu Bett gebracht, um die Ehe zu vollziehen. „Und so beschlossen und vollzogen diese ehrenwerten Personen die Wirkung und Vervollständigung des Ehebunds.“ schrieb der offizielle Herold. Laut Zeugen, die beinahe 30 Jahre später dazu befragt wurden, befahl Arthur am nächsten Morgen seinem Diener Anthony Willoughby, ihm einen Becher Ale zu bringen, „denn ich war diese Nacht inmitten Spaniens.“ Später soll der Prinz offen gesagt haben: „Meine Herren, es ist ein guter Zeitvertreib eine Frau zu haben.“ Zunächst einmal ließen sich Arthur und Katharina am 21. Dezember auf Schloss Ludlow an der englisch-walisischen Grenze und dort erkrankte Arthur schwer.

Am Ostertag 1502, dem 27. März, erkrankte Arthur plötzlich schwer. Innerhalb weniger Tage verschlechterte sich sein Zustand. Auch Katharina soll daran erkrankt sein. Doch während sie überlebte, erholte sich der Thronfolger nicht. Die Ehe dauerte insgesamt nur vier Monate, denn am 2. April 1502 starb Arthur. Die Ursache seines Todes ist heute bei der spärlichen Quellenlage und dem unterentwickelten medizinischen Wissen der Zeit nicht mehr nachvollziehbar. Die lange gehegte Theorie, dass er an Tuberkulose starb, gilt als überholt, andere mögliche Todesursachen sind die damals gefürchtete Schweißkrankheit und die Pest, die im Frühling 1502 beide in der Umgebung von Ludlow grassierten. Laut einer Theorie des Historikers David Starkey starb Arthur dagegen an Hodenkrebs, der häufigsten Krebsart bei 15- bis 19-jährigen Jungen. Gerade einmal 15 Jahre war er alt geworden.

Heinrich Tudor war erschüttert. Er hatte nicht nur ein Kind verloren, auch seine klugen Pläne waren zunichte gemacht. All das spiegelt die heikle Lage wieder, in der sich die Tudor-Dynastie befand. Sie hatten nicht ihren Sohn, sondern auch ihren Erben verloren. Das war der Junge, in dem Heinrich investiert hatte, alles war auf Arthur ausgerichtet. Jetzt mussten sie neu anfangen.

Zu Lebzeiten von Arthur wurde wenig Einfluss auf den jungen Heinrich ausgeübt. Erst dieser unzeitige Tod sollte Prinz Heinrichs Leben tiefgreifend verändern. Der zehnjährige Prinz war jetzt der Erbe des Throns.

Mit großer Sorgfalt hatte Heinrich Tudor den Erstgeborenen auf seine Position als zukünftigen König vorbereitet. Mit einem Schlag lag jetzt die Zukunft seiner Dynastie in den Händen seines Sohnes Heinrich, der dafür nie erzogen worden war. Man darf nicht vergessen, dass Heinrich VII. alles auf Arthur gesetzt hatte, der in der Kunst des Regierens ausgebildet wurde. Jetzt richteten sich alle Augen auf dem Reserveprinz, den verwöhnten Heinrich. Sollte dieser kleine Junge jemals König werden?

Zehn Jahre lang hatte Heinrich Tudor seinen jüngeren Sohn praktisch ignoriert. Doch jetzt musste der kalte Vater-König den Versuch unternehmen, den sorglosen Prinzen zu seinem klugen Ebenbild zu formen.

Trotz ihrer Differenzen ließ sich alles zunächst gut an. Sofort nach Arthurs Tod begannen Verhandlungen mit Katharinas Vater, um sie an den neuen Thronfolger zu transferieren. Heinrich selbst schien einzuwilligen. Eine schöne spanische Prinzessin zu heiraten, gefiel ihm sehr. Der nächste Schritt seines Vaters kam bei Heinrich ebenfalls gut an. Es kamen mehr Männer in das Gefolge des nun Elfjährigen. Dieser war froh, nun ein paar Männer um sich zu haben. Identifikationsfiguren, den er nacheifern konnte.

War dies alles bei seinem Sohn hoch willkommen, zeigte Heinrich Tudor allerdings sein wahres Gesicht kurz darauf. Boten des Königs brachten im Februar 1503 eine furchtbare Nachricht. Seine Mutter Elisabeth war gestorben. Da sein Vater ihm nicht persönlich vom Tod seiner Mutter unterrichtet hatte, musste den jungen Prinzen sehr verletzt haben. Von da an sollte sich die Beziehung der beiden verschlechtern.

Die Nachricht vom Tod seiner Mutter wurde ihm auf so unpersönliche Weise überbracht und das sprach Bände über ihre Beziehung und zeigte, wie fremd sich Vater und Sohn waren. Ein Gemälde ist das Einzige, was Heinrichs Verletzbarkeit zeigte. Weinend über das Bett gebeugt, trauert er um seine Mutter.


Elisabeths Tod bedeutete allerdings auch, dass Heinrich Tudor keine Erben mehr zu erwarten hatte. Seine Furcht um den Fortbestand der Tudors identifizierte das nur und die Aufmerksamkeit, die er Heinrich entgegenbrachte. Plötzlich wird jeder Schritt des Thronfolgers kontrolliert, ist er von Männern umgeben, die ihn gängeln und mit der Vorbereitung auf sein Regierungsamt langweilen. Doch wie Heinrich VII. bald herausfinden sollte, hatte sich der Prinz längst an ein sorgenfreieres Leben gewöhnt.

Alles ruht nun auf diesen einzigen Sohn. Die ganze Dynastie. Alles, wofür Heinrich VII. gekämpft hat, ruht auf dem Kind. Heinrich Tudor fühlt sich zu dieser Zeit wohl verwundbarer, als je zuvor. Seine Welt entgleitet ihm und Prinz Heinrich, der zukünftige Heinrich VIII. bedeutet jetzt alles. Sein Sprössling sollte bald mehr Aufmerksamkeit bekommen, als ihm lieb war.

Als Heinrich mit 13 Jahren mündig wird, weißt sein Vater ihn an, seinen bisherigen Wohnsitz zu verlassen und an den Hof in Richmond Palace zu kommen.


Richmond Palace

Von diesem einst prächtigen Palast, den Heinrich Tudor nach seiner Thronbesteigung erbaute, ist heute nur noch das Torhaus erhalten. Hier wohnten Vater und Sohn zum ersten Mal in ihrem Leben Tür an Tür zusammen. Für beide hätte es nun die Gelegenheit gegeben, einander näher zu kommen. Aber anstatt seinen Sohn Wärme und Trost nach dem Tod der Mutter zu schenken, konzentrierte sich Heinrich Tutor auf den Fortbestand der Dynastie.

Die gegensätzlichen Charaktere treten immer deutlicher zutage. Heinrich VII. war ein sehr gewissenhafter und umsichtiger Administrator. Ein strenger, sorgfältiger König mit sehr viel Liebe zum Detail. Persönlich hat er Rechenschaftsberichte unterzeichnet. Sein Sohn aber war das glatte Gegenteil, ein Angeber, der Anerkennung suchte. Der Prinz hatte eine kurze Aufmersamkeitsspanne. Ordentliche Verwaltungsarbeit fand er langweilig.

Prinz Heinrich und seine Vater sind so verschieden, wie Tag und Nacht. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Man fragt sich, ob sie sich überhaupt gegenseitig gemocht haben. Prinz Heinrich hatte aus seiner Perspektive nicht nur mit seinen Vater zu kämpfen, sondern auch mit dessen Ratgebern. Unter ihnen Sir Richard Empson und Sir Edmund Dudley, die für Steuern und Finanzen zuständig waren. Unnötig zu sagen, dass man sich nicht besonders gut verstand. Für Historiker gelten sie als dunkle Gestalten. Der eine ist Anwalt und der andere Beamter eines Londoner Verwaltungsbezirks. Beide zeigen sich überaus geschickt darin, Geld aus der Stadt, den Bürgern und den Hochadel herauszupressen.

Beide haben sich unbeliebt gemacht, als Steuereintreiber, als Vollstrecker königlicher Regeln. Sie knöpften der ohnehin schon gebeutelten Bevölkerung jeden einzelnen Groschen ab. Es gibt viele Steuereintreiber in der englischen Geschichte, die sich bei der Bevölkerung extrem unbeliebt gemacht haben.


Sir Richard Empson (links), mit Heinrich VII. und Sir Edmund Dudley.

Prinz Heinrich weiß, wie wichtig sie sind, aber er weiß auch, dass sie eine Menge Leute sehr verärgert haben. Der Kontakt mit Empson und Dudley gab Heinrich Einblick in weniger erfreuliche Aspekte der Herrschaft seines Vaters. Allerdings hat Heinrich Tudor seinen Sohn auch mit einem Mann bekannt gemacht, der mehr nach dem Geschmack des Thronfolgers war. Einer der jungen Männer, die sein Vater mit Heinrichs Betreuung beauftragte, war Charles Brandon, sieben Jahre älter als der Thronfolger. Er ähnelte aber Heinrich so sehr, dass man Charles Barstadtbruder von Heinrich nannte. Rasch wurde er zu einem Favoriten des Thronfolgers.


Charles Brandon

Charles Brandons Vater war Fahnenträger in der entscheidenden Schlacht von Bosworth gewesen und hatte sein Leben im Dienst Heinrich Tudors verloren. Heinrich Tudor war überzeugt, dass Charles loyal zu ihm stand und seiner Gunst würdig sei und so stellte er ihm als Vorbild an die Seite des jungen Prinzen.

Charles Brandon war allerdings nicht der Mann, für den ihn Heinrich VII. ihn gehalten hatte. Vielleicht war dem König nicht klar, was für ein Typ Charles Brandon war. Er war ein Raufbold, ein Trinker, ein Schürzenjäger und vermutlich hatte er das, was man einen unheilvollen Einfluss auf junge Prinzen nennen konnte. Er war der Busenfreund des jungen Heinrich. Heinrich Tudor sollte noch feststellen, mit wem er seinen hoffnungsbeladenen Sprössling zusammen gebracht hatte. Sein Sohn jedenfalls war von so einer anrüchigen Gesellschaft nicht schockiert. Ganz im Gegenteil. Heinrich vergötterte Charles.

Wie der Sohn mit einem dominant agierenden Vater wollte Heinrich rebellieren. Er war sicherlich auch frustriert, dass er jetzt von seinen Vater und dessen Ratgebern bevormundet wurde und zwar aus seiner Sicht nur, weil sein Bruder gestorben und er der künftige Thronerbe war. Schon bald blieb Heinrich mit Brandon und den anderen jungen Männern des Hofes auf, trank und tanzte. Leider bekam sein Vater bald Wind davon. Er und seine Minister beendeten darauf die Aktivitäten des Prinzen und seiner Favoriten.

Charles sollte jedoch eine Schlüsselrolle im Leben des zukünftigen Herrschers spielen. Das erstickende Protagonistmus seines Vaters erreichte seinen Höhepunkt, als er Prinz Heinrich das lebensgefährliche Lanzenstechen untersagte. Heinrich, der sehr gut darin war, wollte bewusst dieses Risiko eingehen. Darum das väterliche Verbot. Arthur hätte getan, was ihm gesagt wurde, wäre einsichtig gewesen, aber Heinrich ist viel temperamentvoller als sein Bruder.

Und dann Katharina von Aragon. Heinrich Tudor beabsichtigte, Katharina selbst zu heiraten, um sich ihre Mitgift zu sichern. Prinz Heinrich war noch zu jung. In diesen Jahren wurde Heinrich Tudor bei seinem Volk immer unbeliebter. Von der Beliebtheit seines Sohnes ganz zu schweigen. Man freute sich auf eine Zukunft ohne ihn. Den 16jährigen Prinzen sah man längst als Hoffnungsträger an. Er präsentierte eine junge majestätische Alternative zu seinen sauertöpfischen Vater und dessen habgierigen Gehilfen, die nach wie vor die Steuerpflichtigen gnadenlos auspressten.

Der pubertierende Heinrich wird immer selbstbewusster. Er ist unbändig und zeigte schon bald die extrovertierte charismatische Art, die er während seiner gesamten Regierungszeit an den Tag legen wird. Heinrich Tudor ist nach unseren Maßstäben nicht besonders alt, aber durch seine unablässigen Bemühungen England unter Kontrolle zu bringen, ziemlich ausgelaugt. Man hält ihm für knauserig und misstrauisch.

Das Verhältnis dieses vernunftgeleitenden Vaters zu seinem lebenslustigen Sohn ist angespannt. Schaut der Thronfolger etwa erwartungsvoll in eine Zukunft ohne seinen Vater? Am 21. April 1509, um 11 Uhr Abends, war Prinz Heinrich diesen kontrollierenden Vater für immer los. König Heinrich VII. starb und bald wurde deutlich, dass die Versuche des alten Königs, den 17jährigen Nachfolger nach seinen Vorstellungen zu formen, wirkungslos geblieben waren. Zwar trugen beide denselben Namen, doch damit enden die Gemeinsamkeiten.

Der 17jährige Prinz Heinrich war über Nacht König Heinrich VIII. geworden. In den nächsten 37 Jahren sollte sich der liebenswürdige Prinz als tyrannischer König entpuppen. Ein König, wie es Heinrich VII. niemals war.

Der neue König liebte Prunk und Pracht im Stil eines Renaissancefürste. Er würde sechs Mal heiraten, die englische Kirch von Rom loslösen und unzählige Menschen aufs Schafott schicken. Was sich aber auch zeigen wird ist, wie bedeutsam die Männer des Königs waren, für das was sich entfaltete. Sie würden nicht nur seine Wünsche erahnen und seine Befehle ausführen, sondern auch seine Ansichten formen, insbesondere in sein Leben eingreifen, seine turbulente Herrschaft lenken. Heinrich im Gegenzug würde ihnen vertrauen, sie mit Ehren überhäufen und reich belohne. Aber wenn sie ihren Zweck erst einmal erfüllt hatten, würde er sie gnadenlos fallen lassen.

Lange dauerte es nicht, bis diese grausame Seite zum Vorschein kam und einmal geübt und entfesselt sollte aus ihm nach kurzer Zeit der brutale Tyrann werden, als der er bis heute in Erinnerung geblieben ist. Von Anfang an zeigte Heinrich deutlich, dass er nicht wie sein Vater war.

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138 lk 31 illustratsiooni
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9783966511223
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