Eine Gräfin und ihr verlassenes Glück

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Eine Gräfin und ihr verlassenes Glück
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Walter Brendel

Eine Gräfin und ihr verlassenes Glück

Eine Gräfin und ihr verlassenes Glück

Walter Brendel

Gräfin Cosel. Ein Frauenschicksal im 18. Jahrhundert

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Verlag: Das historische Buch, 2021

Mail: walterbrendel@mail.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Statt einer Einleitung

Die Kindheit

Jugend und Heirat

Begegnung mit dem König

Der Aufstieg

Frau Gräfin

Feinde am Hof

Die Gräfin in Pillnitz

Die Flucht

Verhaftung

In Stolpen

Das Wiedersehen

Die letzten Jahre

Nachbetrachtung

Quellen

Statt einer Einleitung

„Hoym!" rief jetzt August und heftete seinen Blick auf den Nachbar Fürstenbergs, einen Mann von schönem Körperbau, dessen Gesicht mit den kleinen, listigen, stechenden Augen jedoch nicht besonders anziehend war. „Hoym, jetzt ist die Reihe an dir, zu erzählen. Wir lassen keinerlei Ausflüchte gelten. Du bist, was die Weiber betrifft, ein feiner Kenner, und Glück hast du bei den Frauen wie kein anderer. Auch wissen wir alle, dass dir galante Abenteuer zum Bedürfnis geworden sind. Erzähle uns also eine lustige Geschichte. Beichte, Hoym, beichte! Du weißt ja, dass das, was an diesem Ort zur Sprache kommt, nie ausgeplaudert wird."

Hoym lachte vergnügt und blinzelte die Gäste der Reihe nach an. Die Bewegungen seines Kopfes, der bald nach dieser, bald nach jener Seite fiel, sein gezwungenes Lächeln, seine glühenden Wangen, kurz, alles an ihm verriet, dass er betrunken war.

Sowohl dem König wie seinen Gefährten war es angenehm, dass sich der Finanzminister Hoym in einem Zustand befand, in dem sich die Zunge nicht durch den Verstand im Zaum halten lässt. Sie hofften, die ergötzlichsten Geschichten aus dem Mund des Betrunkenen zu vernehmen. Hoym stand im Ruf eines Don Juan. Es hieß zwar, dass er seit einigen Jahren einen gesetzteren Lebenswandel führe, weil er sich verheiratet habe, jedoch wusste so mancher, dass er noch immer seinen galanten Abenteuern nachging, dass dies allerdings jetzt im geheimen geschah, während er früher aus seinem Glück bei den Weibern kein Hehl gemacht hatte. Seine Gattin sah man nie. Es hieß, dass Hoym sie irgendwo auf dem Lande verborgen halte.

Auf ein Zeichen des Königs füllte Kyau den Becher des Finanzministers. Dieser nahm den Pokal und trank den ambrosischen Wein mit jener unbewussten Gier, welche den Betrunkenen, die der Nachdurst verzehrt, eigen ist. Sein Gesicht wurde feuerrot.

„Meine Mätresse soll ich schildern?" lallte Hoym. „Wie wäre das möglich, da ich gar keine Mätresse besitze. Wozu auch? Ist doch meine Frau schön wie eine Göttin." Auf diese Worte folgte allgemeines Gelächter. Nur der König blieb ernst und blickte Hoym unverwandt an. „Warum lacht ihr?" fragte Hoym mit schwerer Zunge, „Glaubt ihr, was ich gesagt habe, sei nicht wahr? Oh, wer meine Frau nicht gesehen hat, weiß nicht, wie Venus aussah. Ja, ich bin überzeugt, dass Aphrodite neben ihr für eine Waschfrau gehalten würde. Haha! Wie wäre es möglich, sie zu schildern? Ihre Augen sind von unwiderstehlicher Gewalt, ihre Formen von klassischer Schönheit, ihr Lächeln... ah, dieses einzige Lächeln!..."

Die einen zuckten die Achseln, die anderen lächelten ungläubig. August aber schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: „Weiter, weiter! Und seufze nicht so oft; schildere rascher und besser! Wir wollen ein anschauliches Bild von diesem unvergleichlichen Geschöpf haben."

„Ihr Lächeln ist unbeschreiblich", fuhr der Finanzminister in fast unverständlichem Lallen fort. „Leider lächelt sie nur selten, denn meine Göttin ist streng, ja furchtbar!" Er hielt inne.

„Fahre fort!" herrschte ihn August an. „Beschreibe uns ihre Schönheit."

„Wer vermöchte die Vollkommenheit zu schildern?" lallte Hoym und starrte zur Decke des Saales empor.

„Ich fange an zu glauben, dass seine Gattin in der Tat schön ist", bemerkte Lagnas-co.

„Liebt er sie doch seit drei Jahren", rief ein anderer Edelmann. „So lange ists, dass er auf fremdem Gebiet nicht mehr jagt."

„Bah, er übertreibt!" meinte Fürstenberg. „Er ist ja betrunken. Schöner als die Teschen-Lubomirska kann seine Frau nicht sein."

Hoym warf einen scheuen Seitenblick auf den König. Dieser fragte in ruhigem Ton, ob seine Gattin wirklich schöner sei als Lubomirska, seine, Augusts Geliebte. „Sei aufrichtig", fügte August hinzu. „Hier braucht man nichts zu berücksichtigen als die Wahrheit."

„Oh, mein Fürst!" rief Hoym in heller Verzückung. „Die Prinzessin ist schön, ich weiß es; meine Frau aber ist bei weitem die Schönere von beiden, ja, ich behaupte, dass der Hof, die Stadt, ganz Sachsen, ganz Europa nicht ihresgleichen aufzuweisen hat. Welch ein Weib! Ein einziges Wesen!"

Hoym hielt plötzlich inne. Sein Blick war zufällig auf August gefallen, und der lauernde Ausdruck auf dessen Gesicht hatte ihn erschreckt. Der König schien keines seiner Worte, keine seiner Bewegungen verlieren zu wollen. Der Schreck ließ in Hoym die Besinnung wieder aufdämmern; er wollte seine Worte zurücknehmen, aber es war schon zu spät. Er schwieg, und ohne auf die Zurufe der Gesellschaft zu achten, die ihn bat, mit seiner Rede fortzufahren, ließ er sein Haupt auf die Brust sinken, um den seltsamsten Gedanken nachzuhängen. August aber winkte dem Freiherrn von Kyau, die Becher zu füllen. Der königliche Mundschenk gehorchte, worauf Fürstenberg einen Toast auf August-Apollo ausbrachte. Die Herren erhoben sich. Einige leerten ihre Gläser mit gebeugtem Knie, andere stehend. Hoym wankte und musste sich auf die Tischplatte stützen, um sich aufrecht zu halten. Die Trunkenheit, welche der Schreck momentan verscheucht hatte, kehrte mit verdoppelter Vehemenz zurück. Ohne zu wissen, was er tat, nahm er sein volles Glas in die zitternde Hand und trank es aus.

Hinter dem Sessel des Königs stand Fürstenberg, Augusts treuer Gefährte, der Vertraute all seiner galanten Intrigen, dem er den familiären kurzen Beinamen „Fürs-chen" gegeben hatte.

„Fürstchen", begann August-Apollo, zu seinem Günstling gewandt, in gedämpftem Ton, „der Akzisor hat die Wahrheit gesprochen. Wir müssen ihn zwingen, uns den Schatz, den er seit einigen Jahren so behutsam verbirgt, zu zeigen. Ich gebe dir car-te blanche... tu, was du willst, spare weder Geld noch Mittel, nur zeige sie mir. Ich will seine Frau sehen." Fürstenberg lächelte. Diese Laune konnte ihm und anderen Vorteile bringen. Prinzessin Teschen, die augenblickliche Geliebte des Fürsten, hatte viele Feinde, namentlich unter den Parteigängern und Freunden des Kanzlers Beichling, dessen prächtiges Palais in der Pirnaischen Gasse nach seinem Sturz in ihren Besitz übergegangen war. Zwar verteidigte Fürstenberg die Mätresse des Königs gegen alle Angriffe seitens der Damen des sächsischen Hofes, aber das hinderte ihn nicht, jetzt gegen sie aufzutreten, sie der Gefahr auszusetzen, von einem anderen Weibe verdrängt zu werden. Die etwas verwelkte Schöne mit dem sentimentalen Wesen begann August, der bei den Frauen ein heiteres, mutwilliges Naturell liebte, zu missfallen. Fürstenberg, der dies wusste, erriet den Hintergedanken seines Gebieters. Er trat zu dem Finanzminister und raunte ihm ins Ohr: „Akzisor, Akzisor, ich erröte für dich, denn du hast eine freche Lüge ausgesprochen; du hast dich über uns lustig gemacht. Vergaßest du, dass dein König zugegen ist? Wir wollen ja glauben, dass deine Frau kein gewöhnliches Weib ist, allein eine Venus, eine Göttin, eine Teschen ist sie nicht. Gestehe es nur, du hast übertrieben."

„Tausend Donnerwetter!" schrie der Betrunkene. „Ich habe nicht gelogen! Jetzt aber lasst mich in Frieden, Blitz Element!" August nahm die Heftigkeit Hoyms nicht übel. Bei den königlichen Trinkgelagen war alles erlaubt. Im betrunkenen Zustand durften die unbedeutendsten Gäste den Goliath ungestraft umarmen.

„Hoym!" rief Fürstenberg laut. „Ich wette tausend Dukaten, dass deine Frau die Schönen des Hofes an Anmut nicht übertrifft."

„Die tausend Dukaten sind mein", jubelte der Akzisor, „sie sind mein!"

„Darüber werde ich entscheiden", fiel August in ernstem Ton ein, „und zwar ohne Verzug. Hoym muss seine Gattin nach Dresden kommen lassen und sie uns beim nächsten Hofball vorstellen."

„Er soll sofort schreiben, sogleich! Der königliche Eilbote bestellt den Brief!" riefen verschiedene Stimmen. Das erforderliche Schreibzeug herbeizubringen und Hoym eine Feder in die Hand zu drücken, war das Werk eines Augenblicks.

 

Auf ein Zeichen des Königs fing der unglückliche Mann an zu schreiben, was ihm August diktierte. Sobald die an seine Frau gerichtete Aufforderung, unverzüglich nach Dresden zu kommen, zu Papier gebracht war, entriss man ihm den Brief, und einer der Höflinge stürzte mit demselben davon, um dem Eilboten des Königs den Befehl zu erteilen, das Schreiben nach Laubegast zu befördern.1

Abb.1:König August II. im Harnisch und Hermelinmantel sowie mit der Schärpe des Ordens vom Weißen Adler und dem Orden vom Goldenen Vlies, dessen Ritter er seit 1697 war (Gemälde auf Burg Stolpen)

So sollte also der Grundstein für das langjährige Verhältnis zwischen den sächsischen Kurfürsten August und Anna Constantia von Hoym gelegt worden sein. Zu schön, um wahr zu sein. Und nicht ein einziges Wort daran ist wahr. Ausgedacht hat sich das der polnische Schriftsteller Jozef Ignacy Kraszewski. Er schrieb dieses im Buch „Gräfin Cosel“, 1880 erschienen. Nun ganz allein hat er es sich auch nicht ausgedacht, sondern von Karl Ludwig Wilhelm Freiherr von Pöllnitz aus dessen Buch „Das galante Sachsen“ (erschienen 1735) einfach abgeschrieben. Plagiat ist also keine neue Erfindung. Und das es Kraszewski mit der historischen Wahrheit nie so genau nahm, ist nun hinreichend durch seine sogenannte „Sachsentrilogie“ belegt. Man denke nur an die Rolle, die er den sächsischen Premierminister Brühl zuschrieb.

Also ist Kraszewski für uns als Quelle ungeeignet, denn wir wollen ein wahres und ungeschminktes Buch über die legendäre Gräfin schreiben.

Die Kindheit

Anna Constantia von Brockdorff wurde am 17. Oktober 1680 in Depenau (heute Ortsteil von Stolpe) geboren. Sie wuchs als Tochter des Ritters Joachim von Brockdorff und seiner Frau Anna Margarethe, Tochter des reichen Hamburgers Leonhard Marselis, auf Gut Depenau auf.

Brockdorff ist der Name eines holsteinisch-dänischen Adelsgeschlechts, das dem holsteinischen Uradel entstammt. Bereits 1167 tritt Eilwardus de Bruchthorp in einer Urkunde Herzog Heinrichs des Löwen auf. Die westfälische Stammlinie - wobei der Reichskreis erst 333 Jahre später errichtet wurde und somit ein anachronistischer Hinweis ist - aus dem heute zu Liebenau gehörenden Bruchtorf (das früher „Bruchthorpe“ genannt wurde, das im Bistum Minden lag, stirbt um 1600 aus. Einer der letzten Vertreter ist der 1572 auftretende Hamburger Domherr Balthasar von Brockdorff.

Der erste urkundlich erwähnte Brockdorff in Holstein ist Hildelevus de Bruchtorp im Jahre 1220, Gründer des Dorfes Brokdorf, das heute noch in seinem Wappen das Wappen der Familie zitiert. Das Adelsgeschlecht war mit den Edlen Herren von Schauenburg als Grafen von Holstein und Stormarn (wahrscheinlich Adolf III.) vor 1200 in die Wilstermarsch eingewandert; zuvor war es im östlichen Holstein (zum Beispiel Hostholt bei Röbel) beheimatet. Ein weiterer Hildelevus de Bruchdorpe erscheint am 11. Dezember 1302 als Zeuge der Grafen von Holstein. Die Stammreihe beginnt 1336 mit dem Ritter Marquardt von Brockdorff. Am 12. September 1691 wurde ein Zweig des Adelsgeschlechts zu dänischen Freiherren erhoben. Die genealogisch gesicherte Stammreihe beginnt mit Detlev Siwertssohn († 1538) zu Windeby, sein Enkel Detlev Heinrichssohn († 1628) zu Windeby und Trittau ist der Stammvater aller noch existierenden Linien.

Joachim von Brockdorff wurde am 2. April 1643 als ältester Sohn von Detlev von Brockdorff (1600 – 1670) und Oelgaard Catharina Rantzau (1625 – 1675) geboren. Er hatte noch 11 jüngere Geschwister. Er war von 1660 bis 1670 Kammerjunker bei Christian Albrecht, Herzog von Gottorf. Er immatrikulierte sich 1666 an der Universität von Siena, die aus dem 13. Jahrhundert stammt, da man hier ein perfektes Italienisch erlernen konnte. Er hatte einen aufbrausenden und jähzornigen Charakter. Am 6. Oktober 1672 tötete er im Duell seinen Verwandten, den Kammerjunker Leopold Joachim Rantzau durch zwei Kopfschüsse. Erst später bekam er dafür den Pardon des Herzogs von Gottorf, da Duelle verboten waren.

Nach dem Tod seines Vaters Detlev gehörten die Güter Rixdorf und Depenau der Erbengemeinschaft der 12 Kinder und der Mutter Oelgaard Catharina Rantzau. Detlev hatte mit seiner Familie in großem Aufwand gelebt und Schulden angehäuft. Joachim bekam Depenau und Bruder Gerhard Rixdorf zur Verwaltung. In den Kriegen wurde Rixdorf von Soldaten verheert und angezündet.

Am 1. Oktober 1672 heiratete er in Hamburg die reiche Hamburger Kaufmannstochter Anna Margrethe Marselis verw. Berns. Es war eine Liebesheirat, selten in jenen Jahren, wenn auch die Ehe als unstandesgemäß galt.

Die Marselis waren eine Familie mit langer Tradition und entsprechend stolz. Sie handelten mit Salz und Getreide, Spitzen und Instrumenten, pflegten beste Bezie-hungen zu den wichtigen Höfen Europas und wussten immer, was dort fehlte oder gewünscht wurde. Obwohl bürgerlicher Herkunft, lebte die inzwischen weitver-zweigte Kaufmannsfamilie wie die Adligen.

Dann kam der Dreißigjährige Krieg. Mit Geschützen, Kugeln und Schießpulver war sehr viel Geld zu verdienen, und bald galten die Marselis als wahrhaft gemachte Leute.

Anna Margarethe kam im letzten Jahr dieses für ihre Familie so überaus einträglichen Krieges in Hamburg zur Welt.

Im Sommer 1668 heiratete die knapp zwanzigjährige Anna Margarethe Marselis ihren Vetter Albert Berns. Die Hochzeit machte sie zur Herrin auf Schloss Wandsbeck. Ein Jahr und wenige Monate währte das Glück des jungen Paares, da erlag Albert einer tödlichen Krankheit.

Margarethe Berns war keine zweiundzwanzig Jahre alt, verwitwet, sehr schön und sehr reich. Männer aus den ersten Familien der Umgebung warben um die hübsche, selbstbewusste junge Frau, doch die hatte ihre Wahl schon getroffen.

Ritter Joachim von Brockdorff, fünf Jahre älter als seine Braut, hochgewachsen, ungestüm, stolz und klug, aber bedauerlicherweise von verarmtem Adel, war kei-neswegs nach Wunsch und Willen der Marselis-Familie, die eine lukrativere Ver-bindung bevorzugt hätte. Da zählte nicht der alte Ritteradel und nicht die Verwandt-schaft mit allem, was in der Region Rang und Namen hatte. Die Marselis waren überzeugt: Die beste Verbindung mit Geld war und blieb Geld.

Auch der Bräutigam hatte vor der Heirat große Widerstände zu überwinden. Familie von Brockdorff war nicht gewillt, eine Bürgerliche an seiner Seite zu dulden. Dieser Hürde gewahr, entschied er sich für eine Schwindelei, gab Margarethe von vornhe-rein als Gräfin Marselis aus und ersparte sich und ihr damit den drohenden Ärger von seiner Sippe.

Zwei Güter - Dueholm in Nordjütland und Semb in Norwegen - brachte Margarethe als Mitgift in die Ehe und außerdem eine erhebliche Barschaft von 47 000 Talern. Das Geld wurde dringend gebraucht und verschwand mit rasanter Geschwindigkeit. Ritter Joachim Brockdorff hatte nicht weniger als elf Geschwister, die es auszuzahlen galt, um wenigstens das Brockdorffsche Gut Depenau in Besitz nehmen zu können.

Depenau mit seinen Ländereien, Bauern und Unfreien wurde der Wohnsitz des Paares. Und hier gebar Margarethe von Brockdorff ihre Kinder.

1675 avancierte Joachim Brockdorff zum Leutnant zu Pferd im Leibregiment des dänischen Königs Christian V. 1676 wurde er zum Rittmeister im vierten jütländischen Reiterregiment ernannt. Am 4. Dezember 1676 wurde er in der Schlacht von Lund in Schonen verwundet. Die Schonischen Kriege gegen Schweden gingen von 1674 bis 1679.

1681 ging die Erbengemeinschaft über Rixdorf und Depenau in Konkurs. Joachim von Brockdorff kaufte aus der Mitgift der Mutter für 47 000 Taler Gut Depenau. 1683 wurde er zum Oberst einer geworbenen Schwadron ernannt. 1685 reüssierte er als Oberst zu Holstein im Generalstab von Christian Albrecht, des Herzogs von Schleswig-Holstein-Gottorf.

Die Kriege seines Königs Christian V. von Dänemark und die darauf erhobenen Sondersteuern ließen den Reichtum seiner Frau dahinschmelzen. Zudem zog Christian V. die Güter von Anna Margrethe Marselis, Dueholm in Nordjütland und Semb in Norwegen, zwecks Ausstattung seiner Kriegskasse ein.

Derweil versuchte Joachim von Brockdorff aus Gut Depenau ein modernes Gut zu machen und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Jedoch brachte er in seiner brutalen Art, durch Bauernlegen und ständiger Erhöhung der Hofdienste die Bauern dergestalt gegen sich auf, dass sie sich regelmäßig gegen ihn erhoben.

Abb. 2: Heutiges Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert

1707 erschoss er bei einem dieser Aufstände einen Hufner und verletzte andere schwer. Er floh nach Kopenhagen. Zur Strafe wurde eine Kommission unter Oberst Petrejus eingesetzt, und er anschließend von der Verwaltung seines Gutes entbunden. Mehrfach musste das Militär die Aufstände niederschlagen. Auch dieses Zerwürfnis mit den Gutsangehörigen führte dazu, dass die Wirtschaftlichkeit des Gutes immer weiter abnahm.

1712 konnte er die Sondersteuern an den dänischen König Frederik IV. nicht mehr bezahlen. Seine Tochter Anna Constantia verwendete sich später als Gräfin Cosel für ihn bei Frederik IV., damit ihre Eltern nicht auch noch Depenau verlieren sollten.

Joachim von Brockdorff verstarb am 14. Juni 1719 nach langjähriger Krankheit in Depenau.

Der ältere Bruder von Anna Constantia, Christian Detlev von Brockdorff, wurde am 16.1.1675 geboren.

Seine beiden nächstjüngeren Schwestern Alette Catharine und Catherine Hedewig wurden nur 3 Monate resp. 1 Tag alt. Und auch die jüngste Schwester Margrethe Dorothea überlebte das Kleinkindalter nicht. Der jüngere Bruder Joachim starb im Alter von 26 Jahren. So blieben nur Christian Detlev und seine jüngere Schwester Anna Constantia, am Leben.

Christian Detlev war als ältester Sohn der vorgesehene Hoferbe. Er wurde zusammen mit Bruder Joachim durch einen Hauslehrer in Latein, Französisch, Italienisch, sowie Mathematik und in den schönen Künsten unterrichtet. Ein Tanzmeister kam ins Haus, um die Kinder im feinen Umgang und im Tanz zu belehren.

Als Sohn eines Ritters lernte er aber auch sehr gut Reiten, Fechten, das Schießen mit der Pistole, sowie das Springen, Laufen, Schwimmen und Ringen.

Mit 17 Jahren trat er seine so genannte Kavalierstour an. In dieser Zeit sollten die jungen Ritter die Welt kennenlernen, sich an Höfen und in Kunstkammern umsehen. Als er diese 1694 mit 19 Jahren beendet hatte, schrieb er sich an der Christian-Albrechts-Universität zum Studium ein, an der Juristischen Fakultät.

Abb. 3: Neues Herrenhaus

Als er 1702 nach vollendetem Studium mit einem glänzenden Abschluss nachhause kam, um Herzog Friedrich IV., Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf zu dienen, war dieser tot, in der Schlacht bei Klissow gefallen.

Später holte Anna Constantia ihn und ihren Bruder Joachim nach Sachsen. Wir kommen später noch einmal auf den weiteren Lebensweg von Christian Detlev und Joachim zurück.

Die junge Anna Constantia wuchs im Herrscherhaus auf. Über die Geschichte des heutigen Herrenhauses Depenau gibt es unterschiedliche Angaben. Eine Quelle nennt das Jahr 1779 als Baujahr, und müsste demgemäß von Graf Sigismund von Cosel bzw. seiner Mutter Christine Friederike erbaut worden sein. Der Graf war der Enkel der Gräfin Anna Constantia von Cosel. Nach dieser Version wäre Anna Constantia von Brockdorff in der ursprünglichen Wasserburg geboren worden, die Graf Nikolaus von Luckner 1783 abreißen ließ. In anderen Quellen, auch im Museum der Burg Stolpen, wo die Gräfin von Cosel 49 Jahre gefangen gehalten wurde, wird das neue Herrenhaus als Geburtshaus der Gräfin Cosel benannt.

Nach dieser Version, und die deckt sich mit den Angaben der Familie Hammerschmidt, ist das neue Herrenhaus ca. 450 Jahre alt, wurde also um 1550 erbaut und wäre damit das älteste noch erhaltene Gebäude des Gutes. Dafür sprechen die Balkenkonstruktionen und die handge-schmiedeten Nägel. In jedem Fall diente das Haus als Herrensitz.

Das alte Herrenhaus Depenau mit seinem romantischen Walmdach wirkte auf den ersten Blick wie ein Plätzchen im Paradies Holstein. Umgeben von einem schüt-zenden Wassergraben war es nur über die mächtige Zugbrücke zu erreichen. Im Sommer schmückten bunte Blumen Fassade und Auffahrt; im Winter bogen sich die Äste der hohen Bäume unter glitzerndem Schnee.

Im Haus, in der großzügigen Diele, gab es einen Kamin von enormen Ausmaßen. Das lodernde Feuer beheizte auch die rechts und links abgehenden Kammern und den ersten Stock. Ein kleiner Raum war noch beheizbar, der als Bad genutzt wurde. In der Mitte befand sich ein großer Zuber. Einmal wöchentlich wurde er mit heißem Wasser gefüllt.

 

Nicht weit vom Bad befand sich die Küche. Köchin und Mägde waren den ganzen Tag beschäftigt, den Anweisungen der Hausherrin, die ein strenges Regiment führte, Folge zu leisten. Constantia wurde schon frühzeitig von ihrer Mutter zur Haus- und Küchenarbeit angehalten. Dennoch liebte sie Stunden, in denen sie ihre Mutter ganz für sich allein hatte und war eine gelehrige Schülerin. Auch in das kleine Steinhäuschen, das rechts von der Zugbrücke stand, wurde sie mitgenommen. Hier braute Margarethe von Brockdorff Bier, brannte Schnaps und destillierte Wasser zur täglichen Gesichtspflege.

Die Diele war das Lebenszentrum der Familie. Vor allem im Winter fand hier der Alltag statt. Hier taten die Kinder ihre ersten Schritte, las die Mutter aus der Bibel vor und auch der Unterricht der Kinder durch verschiedenen Hauslehrer fand hier statt. Das Erbe aus dem Haus Marselis war längst aufgebraucht und die Zeiten waren hart. Margarethe von Brockdorff wirtschaftete sparsam, aber den Kindern fehlte es an nichts.

Christian zeigte nicht nur Begabung, sondern auch außergewöhnlichen Fleiß, wenn es darum ging, lateinische und französische Vokabeln, die italienische Grammatik, mathematische Formeln und Grundzüge in Kunst und Geschichte zu lernen. Margarethe von Brockdorff lehrte ihn, Dänisch zu sprechen, die Bibel zu lesen und fehlerfrei zu schreiben. Die vierjährige Constantia lauschte auf einem Schemel neben dem Kamin, wenn der Herr Hauslehrer Unterricht erteilte. Gespannt verfolgte sie die Lektionen und schnappte im Laufe von Wochen und Monaten viel auf. Das Ehepaar Brockdorff beschloss daher, ein Fräulein zu engagieren, das mit Constantia nur Französisch sprechen sollte. Constantia verlebte mit ihr zwei wundervolle Jahre.

Für ein Mädchen der Barockzeit erhielt Anna Constantia eine ungewöhnlich umfassende Ausbildung: Sie lernte mehrere Sprachen, erhielt Unterricht in Mathematik und in klassischer Bildung, ritt im Damen- und Herrensattel und besaß eine Leidenschaft für die Jagd. Sie galt aber auch als ungestüm und eigensinnig. Man sagte, dass sie Pfeife rauchte und sehr gut mit Gewehren umgehen konnte.

Aber nicht nur das: Sie konnte Bier brauen, sowie Branntwein brennen und kannte sich im Umgang mit Kräutern aus.

Doch die Kindheit war auch überschattet, von Unruhen und Auseinandersetzungen zwischen den leibeigenen Bauern und dem Schlossherren. Um über immer mehr Land verfügen zu können, fingen die Grundherren mit dem „Bauernlegen“ an, das heißt, sie vertrieben ehemals freie Bauern von ihren Höfen. Durch das Kieler Privileg von 1524 hatten die Ritter die Obergerichtsbarkeit über ihre Güter erhalten. Damit zwangen sie immer mehr Bauern in die Leibeigenschaft. Der Leibeigene gehörte dem Gutsherrn wie das Land. Er durfte die Scholle nicht verlassen, er musste einen festgelegten Teil seiner Arbeit für den Gutsherrn entrichten. Nicht einmal heiraten durfte er ohne die Erlaubnis des Grundherrn.

Abb. 4: Bauernfamilie beim Gebetl

Die Pflicht des Gutsherrn war wiederum, seine Leibeigenen bei Katastrophen und Missernten zu ernähren und vor dem Tod durch Erhungern zu retten. Ihm war per Gesetz die Sorge für die Menschen auf dem Gut anvertraut. Doch nicht alle Gutsherren hielten sich an ihren Teil der Pflichten.

So geschah es auch auf Gut Depenau in der Zeit des Gutsherrn Joachim von Brockdorff, der die Leitung des Gutes 1681 übernahm. Joachim von Brockdorff antwortete mit noch größerer Härte, sperrte die Rädelsführer ins Gefängnis des Gutes. Er ging sogar so weit, einen Mann zu töten und mehrere schwer zu verletzen.

Dies ging dem dänischen König zu weit. Er entsandte einen Beamten, der die Beschwerden beider Seiten überprüfen sollte. Der Bericht fiel entsprechend negativ für von Brockdorff aus. Er musste eine Strafe von insgesamt 6000 Reichstalern zahlen. Ihm wurde eine Zeitlang die Verwaltung des Gutes entzogen. Er versprach Besserung, aber als er auf das Gut zurückkehrte, änderte sich nichts.

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