Bildungswertschöpfung

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Bildungswertschöpfung
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Walter Schöni

Bildungswertschöpfung

Zur politischen Ökonomie der berufsorientierten Weiterbildung

ISBN Print: 978-3-0355-0733-1

ISBN E-Book: 978-3-0355-0737-9

1. Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

Vorwort

VORWORT

Weiterbildung ist tätige Auseinandersetzung mit der Welt, Wissenserwerb und Subjektbildung. Sie ist andererseits »Produkt«, sie ist Marketing und Konsum. Weiterbildung verspricht Prestige, verleiht symbolische Macht und wird zum Fetisch.

Mit solchen Phänomenen befasst sich die vorliegende Studie. Einen ersten Zugang bietet die Weiterbildungswerbung, die Erfolg und Wachstum verspricht und manchmal seltsame Blüten treibt. Einige davon sind als Zitate in das Buch eingestreut. Sie zeichnen ein Bild bunten Markttreibens, in dem innovative Lernangebote um motivierteste Lernende konkurrieren und zu besten Lernleistungen anspornen. Aber: Treiber des Weiterbildungsbooms sind weniger die Lernmotive als die Marktstrategien der Anbieter. Ihnen gilt die Aufmerksamkeit dieser Studie. Ebenso der Frage, wie man (außerhalb der Welt des Marketings) die Wertschöpfung der Weiterbildung in Wirtschaft und Gesellschaft fassen könnte.

Der Autor, seit Jahren als Dozent und Bildungsanbieter tätig und dem bunten Treiben nicht fern, unternimmt hier den Versuch einer Analyse. Er betrachtet die Weiterbildung mit theoretisch begründeter Skepsis: Weder ihr unbändiges Kommerzstreben noch die Gegenbewegung, die sie dem Markt entreißen möchte, können überzeugen. Beide übersehen die strukturelle Macht, die in die Weiterbildung eingewoben ist, aber auch ihr emanzipatorisches Potenzial, Machtverhältnisse infrage zu stellen. Die Studie möchte zur Analyse der Verhältnisse beitragen. Und sie liefert Impulse und Instrumente für die Praxisdiskussion.

Das Buch ist über eine längere Zeitspanne entstanden. Theoriearbeit und Weiterbildungspraxis in Bildungsinstitutionen und Unternehmen wechselten sich ab. Der Autor dankt allen, mit denen er sich in diesen Jahren fachlich austauschen durfte und die ihn zu dem Vorhaben ermunterten, ganz besonders Elke ­Tomforde, Lehrentwicklung und -technologie, ETH Zürich. Susanne Gentsch vom hep verlag sei herzlich gedankt für die wertvollen Hinweise und die gute Zusammenarbeit.

Walter Schöni

Basel, im Dezember 2016

Übersicht

ÜBERSICHT

Einleitung

Paradoxien der Weiterbildung

Fragestellungen und Zielsetzung der Studie

Themen und Argumentationslinien

Teil I

Entwicklungsdynamik der berufsorientierten Weiterbildung

1 Strukturwandel der Arbeit und der Bildung

2 Weiterbildungspolitik und Weiterbildungsmärkte

3 Gesellschaftliche Wirksamkeit des Weiterbildungssystems

Teil II

Wertschöpfung der berufsorientierten Weiterbildung

4 Bildung als Dienstleistung

5 Die Wertschöpfung von Bildungsdienstleistungen

6 Bildungswertschöpfung in Wirtschaft und Gesellschaft

7 Erweiterte Analyse der Wert­schöpfung von Bildungs­dienstleistungen

Teil III

Leistungsprozesse der berufsorientierten Weiterbildung

8 Prozessorganisation von Bildungsdienstleistungen

9 Controlling der Prozesse von Bildungsdienstleistungen

Teil IV

Märkte, Diskurse und Politik der berufsorientierten Weiterbildung

10 Die Legitimität der Weiterbildung

11 Ansatzpunkte und Kontroversen der Weiterbildungspolitik

Anhang

Literatur

Abkürzungen

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG PARADOXIEN DER WEITERBILDUNG

Fragestellungen und Zielsetzung der Studie

Themen und Argumentationslinien

TEIL I ENTWICKLUNGSDYNAMIK DER BERUFSORIENTIERTEN WEITERBILDUNG

1 Strukturwandel der Arbeit und der Bildung

1.1 Arbeitsverhältnisse unter Marktdruck

Bewirtschaftung von Arbeitsverhältnis und Arbeitskraft

Marktanbindung der Arbeitskraft – und ihres Umfelds

»Unternehmerische« Arbeitskraft, ungleiche Entwicklungschancen

1.2 Arbeitsmarkt – Deregulierung und ihre Folgen

Öffnung der Arbeitsmärkte

Neue Qualifikationsordnungen, neue Inflexibilitäten

Segmentierung und soziale Selektivität

1.3 Bildungssystem im Fokus der Politik

Reformen im Zeichen von Kohärenz und Durchlässigkeit

Internationale Regulierung und Steuerung von Bildung

Kohärenz der Bildung aus gesellschaftspolitischer Sicht

2 Weiterbildungspolitik und Weiterbildungsmärkte

2.1 Weiterbildungspolitik in der Schweiz

Ursprünge und Professionalisierungsschritte

Traditionen: Marktliberalismus, Korporatismus, schwache Regulierung

Neues Weiterbildungsgesetz: Marktfreiheit plus Wirtschaftsförderung

Fazit: Geschäftige Weiterbildungsbranche, konzeptlose Politik

2.2 Strukturen und Trends in der Weiterbildungsbranche

Gliederung des Weiterbildungsangebots

Marktvolumen und Trendeinschätzungen der Branche

2.3 Dynamik der Angebotsentwicklung

Pfadabhängigkeit, Expansion und Ausdifferenzierung

Funktionsbezug der berufsorientierten Weiterbildung mit Abschluss

Volatilität der allgemeinen berufsorientierten Weiterbildung

Fazit: Heterogene Angebotsstrukturen, schwierige Orientierung

3 Gesellschaftliche Wirksamkeit des Weiterbildungssystems

3.1 Deckung von Qualifizierungsbedarf

Begriffsklärung: Qualifizierungsbedarf, Bedarfsdeckung

Wie die Weiterbildung Bedarf und Angebot »zur Deckung« bringt

Implikationen unzureichender Ausrichtung am Qualifizierungsbedarf

 

3.2 Kohärenz von Angebot und Bildungswegen

Begriffsklärung: Kohärenz im System der Weiterbildung

Systemmerkmale der Weiterbildung beeinträchtigen die Kohärenz

Implikationen unzureichender Kohärenz

3.3 Regulierungs- und Steuerungsfähigkeit

Begriffsklärung: Regulierung und Steuerung

Defizite der Regulierung und Steuerung schwächen die Wirksamkeit

Implikationen unzureichender Regulierung und Steuerung

3.4 Egalisierung der Bildungschancen

Begriffsklärung: Weiterbildung und Chancenausgleich

Das Weiterbildungssystem verstärkt die Ungleichheit der Chancen

Implikationen eines unzureichenden Chancenausgleichs

3.5 Fazit: Wirksamkeits- und Orientierungsdefizite der Weiterbildung

Ergebnisse der Wirksamkeitsanalyse

Ansatz der Bildungswertschöpfung als Orientierungsrahmen

Von der Ökonomisierungskritik zur Kritik des Bildungsgeschäfts

TEIL II WERTSCHÖPFUNG DER BERUFSORIENTIERTEN WEITERBILDUNG

4 Bildung als Dienstleistung

4.1 Dienstleistung und Güterproduktion

4.2 Merkmale von Bildungsdienstleistungen

Das konstruierte Setting der Leistungserbringung

Klärung der Leistungsmerkmale im Dienstleistungskonzept

4.3 Fremdorganisation versus Selbstorganisation von Lernen

Selbstorganisiertes Lernen als (hypothetische) Alternative

Nutzenkalkül der Weiterbildungsinteressierten

Selbst- und fremdorganisiertes Lernen sinnvoll verbinden

4.4 Kundenbeziehungen und »Kundenorientierung«

Analyse der Kundenbeziehungen

Was heißt Kundenorientierung in der Weiterbildung?

4.5 Fazit: Weiterbildung als Dienstleistung verstehen

5 Die Wertschöpfung von Bildungsdienstleistungen

5.1 Grundlagen der Wertschöpfungsdiskussion

Betriebswirtschaftliche Definitionen von Wertschöpfung

Anbieter- und kundenbezogene Wertschöpfung in der Weiterbildung

Die »Gleichwertigkeit« von monetären Werten und Gebrauchswerten am Bildungsmarkt

Wertschöpfung in der betrieblichen Weiterbildung

Fazit: Wertschöpfungsbegriffe und ihre Anwendung in der Bildung

5.2 Wertschöpfungskonzepte für Industrie und Dienstleistungen

Das Modell der industriellen Wertkette

Elemente der Wert- und Kostenanalyse

Wertschöpfungsmodelle für Dienstleistungen

Fazit: Konzepte und Modelle der Wertschöpfung

5.3 Wertschöpfungskonzepte für Bildungsdienstleistungen

Konzept 1: Wertkette für Kursangebote und Programme

Konzept 2: Wertshop für Bildung, Beratung, Begleitung

Konzept 3: Wertnetzwerk für intermediäre Dienstleistung

Dienstleistungstrends am Bildungs- und Beratungsmarkt

5.4 Analyse der Wertschöpfung von Bildungsdienstleistungen: Vorgehen und Fallbeispiel

Vorgehen der Wertschöpfungsanalyse

Fallbeispiel: Förderungsprogramm für Führungskräfte

Fazit: Analyse der einzelwirtschaftlichen Wertschöpfung

6 Bildungswertschöpfung in Wirtschaft und Gesellschaft

6.1 Bezugssysteme der Bildungswertschöpfung

Die Systematik: Wertschöpfungs- und Verwertungssysteme

Wertbeitrag der Weiterbildung und seine symbolische Anerkennung

Vereinnahmung durch hegemoniale Diskurse

6.2 Wertschöpfungssysteme der Wirtschaft und der Bildung

Wertschöpfungssysteme der Wirtschaft

Mehrstufige und einzelwirtschaftliche Wertschöpfung

Wertschöpfungssysteme der berufsorientierten Weiterbildung

Stabilisierende Funktionen des Weiterbildungssystems

6.3 Verwertungssysteme der Gesellschaft

Anerkennung von Leistungen der Weiterbildung

Verwertung von Leistungen der Weiterbildung

Verwertung im Kontext »Arbeitsmarkt«

Verwertung im Kontext »Betrieb«

Verwertung im Kontext »Wirtschaftsstandort«

6.4 Fazit: Paradoxe Effekte systemischer Wertschöpfung

Wertschöpfungssysteme ermöglichen und neutralisieren Bildungswerte

Verwertungssysteme anerkennen und vereinnahmen Bildungswerte

Folgerungen für die erweiterte Analyse der Wertschöpfung

7 Erweiterte Analyse der Wert­schöpfung von Bildungs­dienstleistungen

7.1 Grundlagen und Zielsetzung der erweiterten Analyse

Variante 1: Quantitative Analyse des Wertschöpfungspotenzials

Variante 2: Qualitative Analyse der Kohärenz der Wertschöpfung

Entscheidung für das qualitative Analyseverfahren

7.2 Gegenstand und Verfahren der Analyse

Ebene A: Einzelwirtschaftliche Analyse

Ebene B: Systembezogene Analyse

Ebene C: Gesellschaftsbezogene Analyse

Bilanz des Wertschöpfungspotenzials und Folgerungen

7.3 Leitfaden »Erweiterte Wertschöpfungsanalyse«

1 Leistungsangebot, Märkte, Kundenbeziehungen

2 Wertschöpfungskonzept(e)

3 Wertschaffende Aktivitäten und Schnittstellen

4 Wert- und Kostentreiber, Wertschöpfungspotenzial

5 Integration in Wertschöpfungssysteme

6 Positionierung in Verwertungssystemen

7 Beitrag zur gesellschaftlichen Qualifizierung

8 Bilanz des gesamten Wertschöpfungspotenzials

9 Folgerungen für die Angebotspolitik im Bildungssegment

7.4 Fallbeispiel: Förderungsprogramm für Führungskräfte

Integration in das Wertschöpfungssystem der Verwaltung

Positionierung im Verwertungssystem der Verwaltung

Wandel in der öffentlichen Verwaltung schafft Handlungsbedarf

Beitrag zur Qualifizierung für gesellschaftliche Anforderungen

Bilanz des gesamten Wertschöpfungspotenzials und Folgerungen

 

7.5 Fazit zur erweiterten Wertschöpfungsanalyse

TEIL III LEISTUNGSPROZESSE DER BERUFSORIENTIERTEN WEITERBILDUNG

8 Prozessorganisation von Bildungsdienstleistungen

8.1 Dimensionen und Bezugsgrößen der Prozessorganisation

Dimensionen der Prozessorganisation: Aktivitätenfolge, Interaktion

Konfigurationen der Prozessorganisation im Weiterbildungsgeschäft

Externe Bezugsgrößen der Prozessgestaltung in der Weiterbildung

8.2 Modellierung und Inszenierung von Dienstleistungs­prozessen

Prozesse und ihre Inszenierung bei Dienstleistungen

Inszenierung bei Bildungsdienstleistungen: Lernwelten

8.3 Prozessorganisation bei Bildungsdienstleistungen

Einfaches Prozessschema: Kernaktivitäten aus Anbietersicht

Erweiterte Prozessorganisation: Einbezug von Prozessfokussen

Prozessfokus »Kundenprozesse/Teilnahme«

Prozessfokus »Angebotsmanagement«

Prozessfokus »Service- und Supportprozesse«

8.4 Fazit: Anforderungen an eine wertschöpfungsorientierte Prozessorganisation

9 Controlling der Prozesse von Bildungsdienstleistungen

9.1 Schritte der Operationalisierung von Leistungsmerkmalen

1 Zuordnung des Wertschöpfungskonzepts

2 Darlegung der Prozessorganisation, Wahl des Prozessfokus

3 Identifikation der zentralen Leistungsparameter

4 Operationalisierung der Leistungsparameter

9.2 Systematik des Controllings: Fokusse und Parameter

Selektivität als methodisches Prinzip

Controlling im Fokus »Kundenprozesse/Teilnahme«

Controlling im Fokus »Angebotsmanagement«

Controlling im Fokus »Service- und Supportprozesse«

9.3 Der operative Controllingzyklus: Auslöser, Ablauf

Controlling heißt messen, planen und steuern

Der operative Controllingzyklus

9.4 Fallbeispiel: Programmangebot »Deutsch im Arbeitsteam«

Ausgangslage

Das Wertschöpfungskonzept

Die Prozessorganisation

Leistungsparameter und ihre Messung

Probleme im Geschäftsfeld und Einleitung eines Controllingzyklus

Optimierung der Leistungsprozesse

Über die Prozessoptimierung hinaus

9.5 Fazit zum Prozesscontrolling bei Bildungsdienstleistungen

TEIL IV MÄRKTE, DISKURSE UND POLITIK DER BERUFSORIENTIERTEN WEITERBILDUNG

10 Die Legitimität der Weiterbildung

10.1 Wirksamkeit und Wertbeitrag des Weiterbildungssystems

Die gesellschaftliche Wirksamkeit des Weiterbildungssystems

Das Wertschöpfungspotenzial der Weiterbildungsbranche

Fazit: Funktionsdefizite des Weiterbildungssystems

10.2 Die symbolische Ordnung der Weiterbildungsmärkte

Äquivalenz als diskursives Schlüsselelement

Grundlagen der Äquivalenzbeurteilung am Markt

Der kognitive Horizont der Äquivalenzbeurteilung

Fazit: Zur Stabilität der symbolischen Marktordnung

10.3 Steuerung von Kosten und Nutzen durch die Anbieter

»Marktsignale« und andere Vorgaben für das Bildungsmarketing

Strategien der Kostensteuerung und des Nutzenmarketings

Marketing in den Angebotssegmenten

Fazit: Strategien des Marketings an den Weiterbildungsmärkten

11 Ansatzpunkte und Kontroversen der Weiterbildungspolitik

11.1 Analyse, Bewertung und Steuerung von Weiterbildung

Analyse und Bewertung von Weiterbildungsprogrammen

Politische Aushandlung und Steuerung von Weiterbildung

11.2 Themen und Kontroversen künftiger Weiterbildungspolitik

»Stellenwert des Marktes in der Weiterbildung«

»Weiterbildung als Konsumgeschäft«

»Nutzenversprechen der Weiterbildung«

Fazit: Die Verantwortung der Weiterbildungspolitik

ANHANG

Literatur

Abkürzungen


Kein anderer Bereich unserer Gesellschaften erfährt wohl so breite Zustimmung wie die Bildung. Über Chancen, Wege und Titel wird gestritten, als gesellschaftliche Institution wird Bildung aber kaum infrage gestellt. Der Begriff steht für individuelle und gesellschaftliche Entwicklung schlechthin. Selbst soziale Ungleichheiten und Entwicklungsblockaden, die von der Bildung mitverantwortet werden, vermögen ihrer Legitimität wenig anzuhaben. Vielmehr gelingt es ihren Diskursen, soziale Ungleichheit als Resultat ungleicher Bildungsanstrengungen zu deuten und zu rechtfertigen. Und wo Chancen auf Bildung unleugbar schief verteilt sind, verspricht Weiterbildung eine »zweite Chance«, nachzuholen, was vorher in der formalen Bildung verpasst wurde. Zu fragen ist dennoch, wie weit solche diskursiven Versprechen in der Praxis eingelöst werden.

Diese Studie untersucht die berufsorientierte Weiterbildung, und zwar so­­wohl ihre Selbstdarstellung als auch die faktische Einlösung ihrer Leistungsversprechen. Dass beides auseinanderlaufen kann, hat mit der widersprüchlichen Rolle der Bildung in kapitalistischen Gesellschaften zu tun: Sie ist Entwicklung, sie ist aber auch Geschäft. Der ersten Bedeutung zufolge meint Bildung Lernen, also Horizonterweiterung, beruflichen Kompetenzerwerb, soziale Innovation. Bildung verschafft Autonomie, sie »gehört« jenen, die sie erarbeiten, sie ist individuelles und gemeinschaftliches Gut. In der zweiten Bedeutung ist Bildung wirtschaftliche Aktivität, eine Dienstleistung: Bildungsanbieterinnen und -anbieter unterstützen Lernende mit Schulung, Abklärung, Beratung und anderen Leistungen. Bildung präsentiert sich an Märkten und schafft Nutzen gegen Bezahlung – sofern ihr Angebot zahlungsbereite Kundinnen und Kunden findet.

Beide Bedeutungen von Bildung sind in der gesellschaftlichen Praxis un­­trennbar verbunden. Autonom motiviertes Lernen ganz außerhalb von marktgängigen Bildungsdienstleistungen ist vorstellbar, findet aber keine gesellschaftliche Anerkennung. Umgekehrt können Bildungsdienstleistungen losgelöst von autonomen Lernmotiven der Teilnehmenden nicht erbracht werden. Selbst in der kapitalistischen Wirtschaft ist Bildung keine Ware, die man auf Vorrat herstellt und dann als Konsumgut absetzt. Die Inanspruchnahme einer Bildungsdienstleistung setzt voraus, dass Adressatinnen und Adressaten die vom Anbieter deklarierten Bildungsziele als sinnhaft erachten, dass sie seine Kompetenz, sein Leistungsversprechen akzeptieren und bei der Durchführung aktiv mitwirken. Eine Bildungsdienstleistung erbringen heißt sie auf die Handlungsfelder der Lernenden ausrichten, verbindliche Beziehungen eingehen und in der Zusammenarbeit lernen.

Die kooperative Leistungserbringung wird jedoch für das boomende Weiterbildungsgeschäft zum Hindernis. Weiterbildungsmärkte funktionieren wie andere Märkte nach der Logik des Wachstums, der Marktbeherrschung und der Verdrängung von Konkurrenten. Im Kampf um Themenführerschaft und Marktanteile, um Rankingpositionen und Renditeziele geraten soziale Beziehungsstrukturen des Lernens aus dem Blick. Die Weiterbildungsbranche ist bestrebt, für beliebige Veränderungen im Geschäftsfeld »Arbeitswelt« passende Bildungs- und Beratungsangebote bereitzuhalten, die Nachfrage zu lenken und die Geschäfte voranzutreiben; ihren Fokus hat sie längst auf das »Produkt« und seinen Absatz verlagert. Weiterführende Ziele der Zusammenarbeit, der Befähigung und gesellschaftlichen Entwicklung verlieren an Bedeutung. Je mehr aber Bildungsanbieter den Marktanteil und die Nachfragenden das Abschlusszertifikat ins Zentrum stellen, desto wichtiger wird das Preis-Leistungs-Verhältnis dieses Produkts, und desto austauschbarer werden seine Inhalte und Prozesse.

Der Primat des Produktabsatzes prägt das Geschäftsverhalten. Öffentlich-rechtliche und privatwirtschaftliche Bildungsanbieter scheinen in ihrer Marktoffensive zu »vergessen«, dass die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wertbeiträge, mit denen sie werben und ihr Angebot rechtfertigen, verpflichtend sind: dass selbst das trendigste Angebotssortiment ein Leistungsversprechen darstellt; dass das Angebot seinen Gebrauchswert nur in kooperativen Prozessen realisieren kann; und dass der Gebrauchswert einem gesellschaftlichen Bildungsauftrag entsprechen und Anerkennung finden sollte. Diese Verpflichtungen werden öffentlich zwar kaum bestritten, durch die Praxis aber konterkariert. Vom Anbieter vororganisierte und kontrollierte Lernsettings bestimmen die Abläufe des Lehrens und Lernens. Wirtschaftlichkeitsvorgaben beschränken den Spielraum, den das Fachpersonal erhält, um Lernvoraussetzungen zu klären, Lerntransfer zu begleiten und wertschätzenden Service zu erbringen, kurz: um den Gebrauchswert des Lernens zu sichern.

Die Weiterbildung verantwortet diese Prioritätensetzung nicht allein, sie ist aber zum Treiber der Absatzorientierung geworden, mit qualifizierungspolitisch fragwürdigen Folgen. Einseitig funktional interpretierte Bildungsbedarfe und kurzlebige Trends geben heute die Richtung der Angebotsentwicklung vor; und die Leistungserbringung hat formale Ziele des Umsatzes, der Wirtschaftlichkeit und Kundenzufriedenheit zu erfüllen. In vielen Angebotsbereichen, selbst bei öffentlichem und gemeinnützigem Leistungsauftrag, entscheidet die Marktgängigkeit über das Angebot. Marketingmethoden der Konsumwirtschaft werden auf die Bildung übertragen. Was nicht unbedingt dem Marketing anzulasten ist, schon eher dem kommerzialisierten Selbstverständnis vieler Anbieter und Programme der Weiterbildung.

Umso grundsätzlicher ist zu fragen: Nach welchen markt- und anbieterunabhängigen Kriterien ließen sich Leistungsangebot und Wertbeiträge der Weiterbildung beurteilen? Wie wäre das Leistungsangebot weiterzuentwickeln, welche weiterbildungspolitischen Folgerungen wären möglich? Im Gesamtsystem der berufsorientierten Weiterbildung fehlen heute die Grundlagen für eine Beantwortung dieser Fragen. Zum einen sind die Bildungsaufträge seitens der Wirtschaft und der Gesellschaft, an denen das Leistungsangebot zu messen wäre, in der Geschichte der Weiterbildung schon frühzeitig abhandengekommen. Zum anderen mangelt es der Branche an eigenen weiterführenden Visionen, die den spezialisierten Bildungswegen und Bildungsgängen heute Orientierung geben könnten.

Gesucht sind daher wissenschaftlich fundierte Ansätze, nach denen wir die von der Weiterbildung erbrachten Leistungen und geschaffenen Werte kategorisieren, objektivieren und vergleichend bewerten können. Wertkategorien der Weiterbildung sind etwa monetäre Anbietererträge, qualifikatorische Fortschritte von Lernenden und Abnehmern, ferner Wertbeiträge an die Wirtschaftsregion, an die Lösung sozialer Probleme, an gerechtere Sozialsysteme. Wertschöpfung und Wertbeiträge von Bildungsdienstleistungen zu beurteilen, setzt allerdings voraus, dass wir einen für die Bildung tauglichen Wertschöpfungsbegriff besitzen und Wertgrößen methodisch verlässlich erfassen können.

Die begrifflichen und methodischen Grundlagen gilt es zu erarbeiten. Anregung dafür finden wir unter anderem in den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere bei der Wertschöpfungstheorie und dem Dienstleistungsmanagement. Sie machen darauf aufmerksam, dass Wertschöpfung an Voraussetzungen gebunden ist und Standards zu beachten hat. Bei Dienstleistungen sind die Kundenanforderungen genau abzuklären, damit die Kundinnen und Kunden im ganzen Leistungsprozess eine produktive Dienstleistungshaltung erkennen können. Welche Werte dabei geschaffen werden, wie sie objektiviert und beurteilt werden, ist Gegenstand der Wertschöpfungsanalyse. Diese Aspekte sind auch für die Bildungsdienstleistung überlegenswert. Die Auseinandersetzung damit hilft, die oft ungenau formulierte Kritik an der Ökonomisierung der Bildung zu schärfen.

Die vorliegende Studie findet konzeptuelle Anregung somit auch außerhalb der Bildungswissenschaften. Sie macht wirtschaftswissenschaftliche Konzepte für die Wertschöpfungsdiskussion in der Weiterbildung nutzbar. Sie bezieht sich zudem auf soziologische Dimensionen, um die Wirksamkeit des Weiterbildungssystems einzuschätzen. Und sie rekonstruiert mit diskursanalytischen Mitteln die symbolische Ordnung der Weiterbildungsmärkte, die bislang verhindert, dass der Wertbeitrag des Weiterbildungsgeschäfts unter die Lupe genommen wird. Die Auseinandersetzung mit solchen »bildungsfremden« Ansätzen bringt neue Impulse für die Weiterbildungsdiskussion. Sie macht eine theoretische Integration zwar nicht einfach, führt aber zu alternativen Konzepten, die Anbieter und Bildungsfachleute in ihrer Praxis unterstützen, ihre Leistungen zu analysieren und zu verbessern.