Loe raamatut: «Erinnerungswürdig», lehekülg 5

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JOSEF WESSICKEN
1837–1918
Schloss-Baumeister des Pinzgaus und Gestalter des Manhattans der Alpen

Der Architekt Josef Wessicken hinterlässt im Bundesland Salzburg deutliche Marksteine seines Schaffens im neugotischen Baustil. Zu seinen wichtigsten Werken zählen der Bau der Andräkirche, die Neugotisierung des Turms der Franziskanerkirche in Salzburg und die beinahe gesamte architektonische Silhouette des weltberühmten Kurortes Bad Gastein. Im Salzachpongau dominiert die zweitürmige Dekanatskirche auf der Terrasse des St. Johanner Obermarkts als „Pongauer Dom“ die Landschaft zwischen Schwarzach und Bischofshofen. Aber auch im Pinzgau hat er prägende architektonische Wahrzeichen hinterlassen. So kann er als der „Schloss-Baumeister“ des Pinzgaus bezeichnet werden, zählen doch das Schloss Fischhorn in Bruck an der Glocknerstraße und das Schloss Grubhof bei Lofer zu seinen planerischen Meisterleistungen.

Josef Wessicken wird als ältestes von acht Kindern des gleichnamigen Salzburger Tischlermeisters in der Salzburger Griesgasse geboren. Die Familie entstammt einer westfälischen Tischlerdynastie. Nach der Ausbildung im Realgymnasium absolviert er noch eine Tischlerlehre im väterlichen Betrieb und besucht anschließend die Modellier- und Zeichenschule München. Schließlich studiert er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei den Professoren August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll, den beiden Erbauern der Wiener Staatsoper. Erstmals kommt er für einen zweiwöchigen Ferienaufenthalt zwischen 27. August und 5. September 1859 nach Bad Gastein, wo sein Onkel Alois als Pfarrer tätig ist. Der Wiener Dombaumeister Friedrich von Schmidt nimmt ihn nach Studienabschluss unter seine Fittiche und beschäftigt ihn bei der Planung des fürsterzbischöflichen Liechtenstein’schen Schlosses Fischhorn in Bruck.

Von der topografischen Position an der Schnittstelle zwischen dem Zeller Becken und dem Salzachtal ist Schloss Fischhorn nicht als eine Burg im Sinne einer Befestigungsanlage konzipiert, sondern seit jeher als Schloss. Erstmals gibt es eine urkundliche Erwähnung eines Ulricus de Vischarn um 1233, im Jahr 1273 sodann eine Beurkundung von „Vischarn“ durch den Bischof Heinrich von Chiemsee. Im Bauernkrieg von 1525/26 wird das Schloss von den aufständischen Bauern angezündet. 1859 gelangt es im Versteigerungswege an den Postmeister Embacher von Taxenbach, bis es schließlich von Sophie Fürstin Löwenstein, einer geborenen Prinzessin Liechtenstein angekauft wird. Sie ist es auch, die den Wiener Dombaumeister von St. Stefan, Friedrich von Schmidt, beauftragt, das Schloss im neugotischen Stil umzubauen. Schmidt holt sich den Architekten Josef Wessicken, der die Detailpläne anfertigt und später auch das Ökonomiegebäude nördlich des Schlosses errichtet. Im September 1862 beginnt Wessicken mit der Bestandsaufnahme des Schlosses und den Vermessungen.

Da aber Preußen im Jahr 1866 Österreich den Krieg erklärt, muss der Bau des Schlosses unterbrochen werden und wird erst in den frühen Siebzigerjahren wieder fortgesetzt. Das Schloss Fischhorn ist in der von Wessicken ausgeführten Form zwar eine neu konzipierte, aber dem neugotischen Stil angepasste mittelalterliche Burg, die zu Wohnzwecken für eine fürstliche Familie errichtet wird. Fürstin Sophie und ihr Gatte, Fürst Carl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, erweitern ihren Besitz ständig, sodass daraus schließlich der damals größte private landwirtschaftliche Besitz des Landes Salzburg entsteht.

Im Jahr 1920 wird das Schloss durch einen Brand bis fast auf die Grundmauern zerstört. In der Folge verliert die Fürstenfamilie Liechtenstein das Interesse an dem Schloss und verkauft es an die Familie Gildemeister. Heinrich Gildemeister, geboren in Peru, ist zwischen 1931 und 1942 Botschafter der Republik Peru in Deutschland. Er lässt Fischhorn durch den Architekten Karl Wolters wieder aufbauen. Damit geht aber der von Josef Wessicken praktizierte neugotische Baustil weitgehend verloren, weil viele architektonische Formmuster vereinfacht werden. Als im Jahr 1942 die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Peru abgebrochen werden, verlassen die Gildemeisters das Gut Fischhorn und reisen nach Peru. Die Nationalsozialisten beschlagnahmen nun das Schloss und unterstellen es den Parteiorganisationen der NSDAP. Es wird ein SS-Remonte-Amt, um Jungpferde zur Ergänzung des militärischen Pferdebestandes auszubilden. Es wird auch als eines der zwei Pinzgauer Nebenlager des KZ Dachau verwendet, wofür 150 Häftlinge für Bauarbeiten herangezogen werden. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wird das Schloss als Beutelager für die Kunstschätze Hermann Görings, die unter Federführung des Pinzgauers Kajetan Mühlmann in Polen und der Ukraine geraubt wurden, herangezogen. Darunter befindet sich auch ein wertvolles Kreuz aus Limoges, das sechzig Jahre nach dem Krieg durch einen Zufall auf einem Müllsammelplatz des Zeller Stadtteils Thumersbach gefunden wird. Lange Zeit geistert auch das Gerücht durch den Pinzgau, das berühmte Bernsteinzimmer aus dem Schloss Königsberg sei im Bereich des Schlosses Fischhorn versteckt worden. Nicht weniger ereignisreich, aber von geringeren Phantasmen umnebelt, ist die Geschichte des Schlosses Grubhof in St. Martin bei Lofer. Im Jahr 1890 wird Josef Wessicken als der damals herausragendste Architekt des Landes Salzburg beauftragt, Schloss Grubhof architektonisch neu zu gestalten. Das Schloss wird urkundlich erstmals um 1300 als „Hof zu Grub in der Louer“ als erzbischöfliches Lehen erwähnt. Später gelangt es dann in den Besitz des königlich-bayerischen Hauptsalzamtes in Reichenhall, bis es im Jahr 1868 von der Familie des Josef Faistauer erworben wird. In diesem Schloss erblickt der berühmte österreichische Maler Anton Faistauer im Jahr 1887 das Licht der Welt. Die Faistauers verkaufen den großen Ansitz jedoch im Jahr 1890 an den deutschen Kunstdüngerfabrikanten Hermann Schmidtmann. Schmidtmann, als Sohn armer Eltern im thüringischen Schmalkalden geboren, hat in den USA durch die Produktion von Kunstdünger ein Vermögen erwirtschaftet und kann damit nicht nur den alten Adelssitz Schloss Grubhof, sondern auch zahlreiche Bauerngüter in den Hohlwegen bei Saalfelden und in Hinterthal bei Maria Alm ankaufen (s. Kap.: Hermann Schmidtmann).

Schmidtmann beauftragt nun den in Salzburg mittlerweile äußerst gefragten Architekten Wessicken und den Baumeister Jakob Ceconi, den Ansitz im Stil einer überdimensionierten Gründerzeitvilla umzubauen.

Dieses in einem großen Park gelegene Schloss wird allerdings in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts durch touristische Apartementhäuser völlig zugebaut. In den Achtziger- und Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts wird Josef Wessicken zum Gestalter des mondänen Weltkurortes Bad Gastein, das lange Zeit als das „Monte Carlo der Alpen“ oder als „Wolkenkratzerdorf in den Bergen“ gekrönte Häupter und berühmte Künstler sowie das reiche Wiener Bürgertum zu den heilenden Thermalquellen anlockt. Wessicken wird in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Bauunternehmer Angelo Comini zum prägenden Gestalter der Hoteltürme und privaten Villen rund um den berühmten Wasserfall. Comini ist ursprünglich ein Schüler Wessickens, der dessen handwerkliche Qualitäten beim Bau des Schlosses Fischhorn kennengelernt hatte. Der aus dem Friaul stammende Comini kann sich mehr als 40 Jahre als bevorzugter Baumeister Bad Gasteins etablieren und beschäftigt in der Glanzzeit des Baugeschehens bis zu 400 friulanische Maurer. Die Kombination von wildromantischer alpiner Naturkulisse mit modernsten Hotelbauten ist der Grund für die touristische Faszination des Kurortes. In den Jahren 1880 bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges prägen die Arbeiten des Zweigespanns Wessicken-Comini das historistische Antlitz Bad Gasteins, eine Form der „Dekorationsarchitektur“ im Stil der Gründerzeit.

Zu den Glanzstücken der Hotelbauten Wessickens zählen das Hotel de l’Europe, der Elisabethhof Alois Windischbauers (heute: Arcotel), der im Jahr 1867 mit nur 60 Gulden in der Tasche nach Bad Gastein kam und sich dort ein Hotelimperium baut, sowie das „Haus am Wasserfall“ der Familie Straubinger. Den Kontakt zur Familie des Bürgermeisters Carl Straubinger hatte der rührige Architekt bereits während seiner Zeit als Dombaumeister von Mainz geknüpft, als er für drei Wochen in Gastein zur Kur weilte. Weitere Hotelbauten Wessickens sind das Kurhotel Austria, das Hotel Weismayr, das Kurhaus Quisisana, das Hotel Mühlberger und das Kurhaus Goldeck.

Aber auch die wohlhabenden Gasteiner Bürger und bevorzugt die gut bemittelten Kurärzte bedienen sich Wessickens als Gestalter ihrer noblen Villen. Die Kurärzte Dr. Anton Wassing, Dr. Eduard Schider und Dr. Josef Weingerl lassen sich ihre Privathäuser im Wessicken-Stil erbauen, der sich durch die charakteristischen Wessicken-Türmchen auszeichnet. Bei den Hotelbauten verzichtet Wessicken auf dieses architektonische Beiwerk. Die von Wessicken konzipierten Villen erzeugen alle den Eindruck einer Mischung von Burg- und Landhausstil.

Vom Grafen Rudolf von Czernin bekommt Wessicken gleich zweimal den Auftrag, ein Jagdschlösschen in Böckstein neben der Wallfahrtskirche zu planen. Da das erste Schlösschen sehr bald durch einen Brand zerstört wird, erhält Wessicken ein zweites Mal den Planungsauftrag.

Die Monumentalbauten der Gründerzeit zwischen 1880 und 1910 finden allerdings nicht die Zustimmung aller Zeitgenossen, da sie die romantische Topografie rund um den Wasserfall und das ländliche Idyll des Gasteinertals zum Großstädtischen hin verändern. So klagt der damalige Volksschullehrer Wilhelm Winkler, dass bis auf den Pfarrhof fast alle Häuser dem Erdboden gleichgemacht und durch den dem alpinen Baustil völlig unangepassten großstädtischen Architekturstil ersetzt worden seien. In seinem Buch „Bad Gastein“ bedauert der Gasteiner Badearzt Karl Gager den Verlust des eigentümlichen und urwüchsigen Zaubers von Gastein […] Für Maler und Naturfreunde ein schmerzlicher Abbruch“.

Josef Wessicken heiratet 1916 Rosina Buchta, geborene Bühlmayr, deren Vater ein berühmter Vergolder in der Biedermeierzeit war. Seine Frau bringt fünf Kinder (3 Söhne, 2 Töchter) in die Ehe mit. Zwei der Söhne werden von Wessicken adoptiert, um seinen Namen zu erhalten.

Wessicken stirbt am 19. Oktober 1918, also wenige Tage vor dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie. Er wird in der Familiengruft am Salzburger Kommunalfriedhof begraben. Sein Name ist in der Erinnerung der Pongauer Bevölkerung weitgehend vergessen, der Pongauer Dom, die Gasteiner Wolkenkratzer-Silhouette, das Schloss Fischhorn bei Bruck und das Schloss Grubhof in St. Martin bei Lofer bleiben aber als seine besonderen architektonischen Wahrzeichen bestehen.

HANS MAKART
1840–1884
Der Maler der Sinne und der Dekadenz prägte ein Vierteljahrhundert

Es geht ihm wie vielen Künstlern in Österreich. Sein Talent wird nicht erkannt, doch in München avanciert er zum begehrten Porträtisten. Mit seinen von barocker Sinnlichkeit, Erotik und Dekadenz geprägten großformatigen Gemälden der Wiener Ringstraßen-Epoche und seinem Talent als geschickter Selbstvermarkter wird der erst 28-jährige Salzburger Künstler mit dem schwarzen Rauschebart zum umjubelten Skandalmaler und prägt den Lebensstil eines Vierteljahrhunderts. Hans Makart empfängt Kaiserin Elisabeth in seinem Atelier. Für den Adel und das Wiener Großbürgertum ist es ein „Must-have“, ein Porträt von ihm malen zu lassen. Um Makart entsteht ein Star-Kult, wie ihn Österreich bisher noch nicht erlebt hat. Nach seinem Tod allerdings wird er zum verspotteten Erotik- und Historienmaler, doch sein Einfluss auf Gustav Klimt ist nicht zu unterschätzen.

Hans Makart wird am 29. Mai 1840 als Sohn des Schlossverwaltungs-Kontrollors und Zimmeraufsehers Johann und seiner Frau Maria Katharina (geb. Rüssemayer) geboren. Der Vater hatte sich bereits als Maler versucht, stirbt allerdings, als der Bub 9 Jahre alt ist. Der kunstsinnige Onkel Rüssemayer erkennt Makarts Talent und gewinnt den Salzburger Erzbischof Maximilian von Tarnóczy als Mäzen. Als 18-Jähriger geht Makart an die Akademie der bildenden Künste nach Wien. Doch das Kopieren von Gipsbüsten bereitet ihm kein Vergnügen, allerdings kommt er in der Kaiserlichen Gemäldegalerie mit den alten Meistern in Berührung. Ob er wegen „fehlenden Talents“ von der Akademie entlassen wird oder von selbst dem musealen Kunsttempel entflieht, ist umstritten.

Daraufhin studiert er bei seinem Verwandten Josef Schiffmann in München, wechselt aber 1860 an die Königliche Kunstakademie zu Professor Karl Theodor von Piloty, einem der wichtigsten Vertreter der realistischen Historienmalerei. Mitschüler Makarts an der Königlichen Kunstakademie in München sind Franz von Defregger (1835–1921) und Franz von Lenbach (1836–1904), die beide zu ihrer Zeit zu den bekanntesten Malern im deutschen Sprachraum werden sollten. Piloty erkennt Makarts vielversprechendes Talent, vor allem seine eindrucksvolle koloristische Farbgestaltung. Er leiht Makart Geld, um Studienreisen nach Italien, London und Paris unternehmen zu können. Vor allem die Kunst des Venezianers Paolo Veronese, des Meisters der Spätrenaissance, begeistert den jungen Künstler wegen der leuchtenden Farben und deren dekorativer Wirkung.

Während er 1867 auf der Pariser Weltausstellung noch wenig Beachtung findet, gelingt ihm bereits mit 28 Jahren der künstlerische Durchbruch. Vor allem das Bild „Pest in Florenz“ erregt das kunstsinnige Münchner Publikum, das ihn nun mit Aufträgen überhäuft. Mit seiner Maltechnik, die eine unerhörte Leuchtkraft entfaltet, begeistert er die Kunstwelt. Denn Makart eignet sich bereits in seiner Münchner Zeit eine eigene Technik an, indem er mithilfe von Asphalt-Lasuren seine Farben zu grellem Leuchten, geradezu zum Glühen bringt. Das Jahr 1869 wird für ihn zum Schicksalsjahr, denn er heiratet die Münchnerin Amalie Franziska Roithmayr, die aber bereits vier Jahre später stirbt. Im selben Jahr beruft ihn Kaiser Franz Joseph nach Wien, wo er ihm auf Staatskosten ein Atelier in der Gusshausstraße im 4. Bezirk einrichtet. Denn der Wiener Hof erwartet von ihm eine künstlerische Ergänzung der Ringstraßenarchitektur.

Die Presse beschreibt ihn als den „kleinen Mann mit den glühenden Augen, der in seinem Atelier wahre Zauberkunststücke der Malerei“ vollbringe. Einigen Malern stellt Makart zeitweise den kleineren Teil seines Atelierhauses monatelang zur Verfügung, so Franz von Lenbach, Leopold Carl Müller (1834–1892) und Emil Jakob Schindler (1842–1892). Der Künstler gelangt sehr rasch zum Höhepunkt seiner Anerkennung, seine Gemälde erzielen Preise, wie sie kein anderer lebender Künstler erreicht. Er gilt als der „Malerfürst“ schlechthin. Er beeinflusst die Mode, die Wohnungsausstattungen, die Gebäudedekorationen und den ganzen Lebensstil seiner Zeit, die nach ihm als Makart-Epoche benannt wird.

Doch der große Börsenkrach vom 9. Mai 1873 bewirkt den Zusammenbruch vieler Unternehmen und Banken, wodurch das Wirtschaftsgefüge arg in Bedrängnis gerät. Der Untergang von Bauunterfirmen, die an der Gestaltung der Ringstraße beteiligt waren, reißt viele andere Wirtschaftsbereiche mit sich. Dies wirkt sich auch auf die Auftragssituation für den Künstler aus. Doch Makart erhält weiterhin Porträtaufträge vom Adel und von reichen Bürgerfamilien, die ihm sein fürstliches Leben ermöglichen.

Die Wintermonate 1875/76 verbringt Makart, der in Wien zur gefragtesten Malerpersönlichkeit aufgestiegen ist, mit seinen Kollegen Carl Rudolf Huber und Leopold Carl Müller, dem bedeutendsten österreichischen Orient-Maler, in Ägypten, wo er auch mit seinem Studienkollegen Franz von Lenbach zusammentrifft. Nach seiner Rückkehr wird er Professor an der Akademie in Wien, zwei Jahre später Leiter der dortigen Spezialschule für Historienmalerei. Er malt seine berühmtesten Historienbilder „Kleopatra auf dem Nil“ und „Einzug Karls V. in Antwerpen“ sowie eine Fülle von Porträts, überwiegend von Damen aus der Wiener Gesellschaft. Für die Silberne Hochzeit des Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth organisiert er am 24. Juli 1879 einen Festzug, bei dem Hunderte Personen als Gestaltende mitwirken. Makart entwirft dafür auch die Kostüme: für die Abordnungen der Bürger Renaissancekostüme, für die Künstler Barockkostüme. Makart selbst reitet, in ein Renaissancekostüm gekleidet, auf einem Pferd mit. Der pompöse Huldigungsfestzug findet auf der Ringstraße statt, Zehntausende Wiener aller Schichten wohnen den Reverenzbezeugungen der Berufsgruppen, Industriemagnaten und Adeligen gegenüber dem Kaiserpaar bei.

Makart ist wahrscheinlich der erste große Marktstratege unter den bildenden Künstlern, der die üppige Ausstattung seines Ateliers in der Gusshausstraße und seine Skandale als Werbemittel geschickt einsetzt. Sein Atelier gleicht einem verlockenden Sündenbabel mit kostbaren Orientteppichen, teuersten Antiquitäten, Tierfellen, Samtvorhängen und großzügigen Blumenarrangements. Im Atelier feiern Makarts Gäste in historischen Kostümen pompöse Feste. Seine Lebensart und seine Inszenierungskunst erfassen die ganze Stadt: Makart-Rosen werden gezüchtet, Damen tragen den typischen Makart-Hut. Sein Atelier wird zur Pilgerstätte, die täglich gegen Eintrittsgeld besichtigt werden kann, und zum Vorbild vieler bürgerlicher Salons.

Makart wird aber auch vom Kaiserhaus als eine Art künstlerischer Innenraumgestalter herangezogen. Für das Schlafgemach der Kaiserin in der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten liefert er Entwürfe für Wandmalereien aus Shakespeares „Sommernachtstraum“. Die Idee dazu soll von der Kaiserin höchstpersönlich stammen, die sich gerne als „Titania“ bezeichnet. Als Innenausstatter wird er auch für seinen Mäzen, den Industriellen Nikolaus Dumba, tätig, wobei sein Atelier als Modell dient. Das so genannte Dumba-Zimmer, bei dessen Gestaltung sich sowohl das dekorative als auch das malerische Talent Makarts künstlerisch vereinen, wird in der Kunstgeschichte als eine Art Vorstufe zur Secession gesehen.

Makarts Lebensweise und sein Stil machen ihn zur Ikone. An seinem Werk und seiner Selbstinszenierung, seiner außerordentlichen Verflechtung mit dem Kaiserhaus und der großbürgerlichen Gesellschaft sowie seinem Talent zur Selbstinszenierung wird erstmals der Starkult sichtbar. Er versteht es wie kein Zweiter, sich ständig in Szene zu setzen, die Aufmerksamkeit gekonnt auf sich zu ziehen und auf dem Parkett Wiens in der Blüte der Habsburgermonarchie zu glänzen. Makart wird so zum Markenzeichen Wiens in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts. Doch es gibt auch Kritiker wie Anselm Feuerbach, die ihm vorwerfen, dass er „mit brillanter Farbe die Unkenntnis des menschlichen Körpers bedecke“. Dieser apostrophiert sein Atelier sarkastisch als „asiatische Trödlerbude“. Anfang der Achtzigerjahre schwächt der Ruhm Makarts deutlich ab. Friedrich von Schmidt, der Erbauer des Wiener Rathauses, beantragt, dass die malerische Ausgestaltung des Festsaals Makart übertragen werden solle. Die Befreiung Wiens von den Türken, der Hochquellenleitungsbau, die Donauregulierung, der Bau des Rathauses und weitere für Wien bedeutende Ereignisse sollen vom Malerfürsten in großen Fresken gestaltet werden. Doch Makarts Forderung von 120 000 Gulden schreckt die Verantwortlichen ab.

Makarts gesellschaftliche Stellung erfährt einen gewaltigen Dämpfer durch seine zweite Eheschließung. Am 31. Juli 1882 heiratet der Malerfürst in der Pfarrkirche Maria Hietzing unter Ausschluss der Öffentlichkeit um 6 Uhr früh die ehemalige Primaballerina Bertha Linda. Makarts Freundeskreis und ein großer Teil seiner bisherigen Auftraggeber heißen die Heirat wegen ihrer Schönheitstänze auf Berliner Bühnen und ähnlicher Auftritte in Kairo nicht gut. Sein Atelier ist fortan nicht mehr Treffpunkt der feinen Wiener Gesellschaft und es finden dort auch keine Feste mehr statt. Nur Franz von Lenbach hält ihm bis zu seinem Tod die Treue.

Nachdem er im Sommer 1881 wegen einer Nervenentzündung eine Schaffenspause einlegen muss, erhält er im September nochmals einen großen Auftrag, nämlich ein großes Deckengemälde im neuen Kunsthistorischen Museum zu schaffen und das Stiegenhaus mit Lünetten (Bogenfelder über Fenstern und Türen) und Interkolumnienbildern (Bilder zwischen den Bögen und Säulen) auszugestalten. Ein Teil der Lünetten wird später vom Brüderpaar Ernst und Gustav Klimt gemalt.

Zwei Jahre später stirbt er am 3. Oktober 1884 an einer syphilitischen Gehirnhautentzündung, die er sich vermutlich während seines Ägyptenaufenthalts zugezogen hat. Der Trauerzug über die Ringstraße mit 200 Fackelträgern zieht Tausende an. Die Polizei muss eine Gehordnung einrichten und Randalierer verhaften. Makart, schon immer gut für Emphase und Pomp, erfüllt den Wienern den Wunsch nach einer „schönen Leich“. Doch die Vertreter des Kaiserhauses fehlen, wohl weil sie die zweite Frau Makarts ablehnen. Bertha Makart erweist sich allerdings als sehr großzügig, indem sie den ihr aus dem Erbe gebührenden Pflichtanteil den Kindern Makarts überlässt. Sie heiratet vier Jahre später den Grafen Karl Josef von Strachwitz und nach dessen Tod den Garderittmeister Géza von Udvarlaky, der 1920 Suizid begeht. Sie selbst stirbt 79-jährig im Jahr 1928.

Makarts zeitgenössische Malerkollegen beurteilen seine Werke durchaus zwiespältig. Die einen verachten seine Bilder, weil in seinen Fantasieszenen die Natur überhaupt keine Beachtung findet und die Historienbilder eigentlich als „koloristische Theaterstücke“ zu verstehen seien, denn immer wieder drängen sich Vergleiche mit Massenszenen aus Operetten auf. In den Porträts, die überwiegend Damen aus der großbürgerlichen Gesellschaft darstellen, werden diese in einer Scheinwelt gezeigt. Übereinstimmend wird jedoch seine virtuose Maltechnik bewundert, vor allem die beeindruckende Wirkung seiner Farben. Der Malerfürst aus Salzburg ist der repräsentativste Künstler der Ringstraßenepoche und gleichzeitig ein Vertreter der Decadence der Siebziger- und Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts. Seine Gemälde gelten beim aufstrebenden Bürgertum des Industriezeitalters als Gradmesser der gesellschaftlichen Reputation.

Doch schon bald nach seinem Tod beginnt sich sein Ruhm zu verflüchtigen und sich die pompöse Historienmalerei ihrem Ende zuzubewegen. Während Makart in seiner Zeit als Gesamtkunstwerk gilt, wird sein schwelgerischer Malstil nun zum Gespött in der Kunstwelt. Er wird nicht mehr als grandioser Maler, sondern als Verfechter eines überholten ausschweifenden Lebensstils bewertet. Nur Adolf Hitler, für den das späte 19. Jahrhundert als eine der größten Kulturepochen der Menschheit gilt, rangiert Makart an der Spitze europäischen Künstlertums. Dann wird es wieder ruhig um den Malerfürsten der Ringstraßen-Zeit. Erst in jüngster Zeit haben sich das Wien Museum, das Belvedere und das Salzburg Museum des großen Historienmalers wieder angenommen und repräsentative Werkausstellungen gezeigt.

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