Schicksal des Peter Stern

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Schicksal des Peter Stern
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Wilhelm Tramitzke

SCHICKSAL DES

PETER STERN

Geschichte einer Flucht im Jahre 1945

aus der Ostslowakei

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelbild: Das alte Pressburg

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Schicksal des Peter Stern

Hallo Peter! Was machen deine Tiere im Wald? Du als Jäger und Förster musst dich ja auskennen. Ich werde dir eine Frage stellen, welche du bestimmt nicht antworten kannst, sagte ein Gemeinderatsmitglied unseres Ortes und lachte.

Immer zu mein Freund, immer zu, antwortete unser im Ort wohnende und beliebte Förster, Peter Stern, denn alle kannten ihn als sympathischen und tierliebenden netten Zeitgenossen, welchen man immer nur höflich und freundlich sah.

Frage: Wie weit läuft der Hase in Wald?

Der Förster antwortete: wenn er nicht vorher erschossen wird, läuft er bis in die Mitte des Waldes, ab dann läuft er aus dem Wald, du Dussel. Zufrieden? Daraufhin ging unser Schlauberger von Gemeinderat, ohne zu antworten, weiter

Peter Stern war kein Einheimischer unserer Gemeinde. Er kam nach dem Krieg, heiratete eine einheimische Maid und lebte glücklich mit ihr, bis sie durch einen tragischen Unfall von seiner Seite gerissen wurde. Peter konnte seinen Schmerz nicht überwinden, und seitdem hat sich Peter Stern nie wieder gebunden, und lebte nur noch sein einsames Leben im Wald mit seinen Tieren. Er hat sich als Mäzen hervorgetan und spendete oft an kulturelle Einrichtungen, aber auch für bedürftige Einzelpersonen hat er ein Herz.

Alles in Allem: in unserem Ort ist er beliebt, obwohl er von manchen Bürgern als komischer Kauz angesehen wurde. Unser Förster stand kurz vor seiner Pensionierung, doch seine Zukunft machte ihm keine Sorgen, denn Peter Stern hatte Zeit seines Lebens sparsam gelebt und schaffte sich ein Reichtum an, was sich sehen lassen konnte. Doch die Wenigsten wussten davon, außer der Bankier Müller, doch dieser schwieg.

Wer ist Peter Stern? Woher kommt er?

Gehen wir zurück in die Zeitgeschichte.

Als die K. u. K. Monarchie, Kaiserliche und Königliche Monarchie Österreich-Ungarn noch existierte, also, vor dem 1. Weltkrieg, lebte der Vater von Peter Stern in dem Ort, Michalovce, auf Deutsch, „Großmichel“ und auf Ungarisch „Nagymihály.“ Dort hatte er seinen Beruf als Forstwirt und Jäger, unter der staatlichen Führung, die Aufsicht über alle staatlichen Liegenschaften, darunter auch beträchtliche Wälder.

Nach dem Zerfall der Doppelmonarchie (1918) wurde der Staat „Tschechoslowakei“, mit Genehmigung der alliierten Siegermächte gegründet.

Die Familie Stern stammte aus dem Schwäbisch-Alemannischen und die Vorfahren waren bereits seit Jahrhunderten dort angesiedelt. Für Vater Stern gab es keine Zweifel, dass sein Sohn Peter, übrigens der Einzige, in seine Fußstapfen treten wird. Er studierte ebenfalls Forst- und Landwirtschaft, wie sein Vater, und schloss sein Examen mit „Gut“ ab.

Die tschechoslowakische Regierung unter Staatspräsident Benes unternahm alles, um die deutsche Bevölkerung aus ihren Siedlungsgebieten zu vertreiben. Vor allen Dingen ging es um die Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer angestammten Heimat

Die deutschstämmige Bevölkerung in der Slowakei blieb vorläufig ungeschoren, soweit sie nicht bereits schon geflüchtet waren.

Peter Stern, welcher die Stellung seines Vaters übernommen hatte, versah seinen Dienst zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten der Stadt Michalovce, Ostslowakei. Alles lief in besten Bahnen, bis die Bombe platzte und das Deutsche Reich sich das Sudetenland einverleibte. Anschließend marschierten die deutschen Truppen auch in die Tschechei ein und zerschlugen somit die 1918 gegründete Tschechoslowakei.

Im August 1944 brach als Reaktion auf den Einmarsch deutscher Truppen eine Rebellion der slowakischen Armee gegen die deutsche Okkupationsmacht aus.

Bei all diesen Kriegswirren hatte Peter Stern seine Arbeit bei der Behörde in Michalovce aufgegeben, obwohl er bereits verheiratet war und einen Sohn von drei Jahren hatte. Seine Familie konnte ihn nicht verstehen, aber er meinte, etwas zum Sieg des Reiches beitragen zu müssen, wie er sich ausdrückte. Man soll es nicht glauben, aber er meldete sich nicht als Kriegsfreiwilliger zum Militär, sondern er nahm eine Stelle als Dolmetscher beim Geheimdienst an, so dass er seine Familie nicht verlassen musste. Peter Stern war ein Trilinguist (dreisprachig: Deutsch, Slowakisch, Ungarisch) Seine Arbeit machte ihm viel Spaß, aber was in den Kellern oder sonst wo bei den Verhören durch die Geheimpolizei passierte, bekam er nicht mit. Die Sternfamilien wurden als Reichsdeutsche eingebürgert, und hatten somit alle Rechte und Pflichten eines Reichsdeutschen Bürgers.

In der Tatra nahmen die Kämpfe mit den Partisanen allmählich zu, und die deutsche Bevölkerung lebte bereits in Unsicherheit. Peter Stern wollte seine Familie und die Eltern ins Reich umsiedeln, aber alle Familienangehörigen wollten ihre Heimat nicht verlassen, und auch die deutschen Behörden lehnten eine Umsiedlung gab.

Am 29. August 1944 erhob sich die slowakische Armee wegen der Besetzung der Slowakei durch die Wehrmacht, und nun hatten die deutschen Streitkräfte, nicht nur die in der hohen Tatra unauffindbaren Partisanen, auch noch die slowakische Armee gegen sich. Trotz dieses Zustandes hatte die deutsche Bevölkerung noch keine Bedenken wegen der Partisanenkämpfe, und verhielt sich ruhig.

Nach diesem Tohuwabohu hatte der Geheimdienst seine Dienstelle nach Bratislava (Preßburg) verlegt und Peter Stern musste seine Familie verlassen. Nun kam eine schwere Zeit für Peter Stern, denn auch in Preßburg rumorte es unter der Bevölkerung, und man war sich seines Lebens nicht mehr sicher. Man wusste nie, mit welchen Leuten man zusammentraf. Von Preßburg aus besuchte Peter seine Familie gerade zweimal, bis ihn eines Tages eine Hiobsbotschaft seines ungarischen Freundes aus Michalovce erreichte.

Die Kämpfe zwischen der Wehrmacht in der hohen Tatra und den Partisanen wurden immer heftiger, schon deswegen zog die Wehrmacht ihre Truppen aus der hohen Tatra ab, weil auch die slowakischen Streitkräfte zusammen mit den Partisanen in die Kämpfe gegen die Deutschen eingriffen.

Der ungarische Freund von Peter Stern berichtete ihm ausführlich von dem Geschehen in Michalovce. Es fiel ihm schwer den genauen Hergang zu schildern, aber er tat es trotzdem. Den Peter traf es wie ein Schlag mit dem Hammer und man musste aufpassen, dass er nicht durchdreht. Was sein ungarischer Freund, Tomás Szabó, (Schneider) ihm berichtete, übertraf alle Schand- und Gräueltaten, die der Mensch sich ausdenken kann.

Der Bericht trieb den Peter Stern fast zum Wahnsinn und die Leute vom Geheimdienst mussten ihn beruhigen und man war nahe dran ihn zu fesseln, dass er keine Dummheiten macht. Man holte den Arzt und der Arzt gab dem zu bedauernden Peter eine Beruhigungsspritze, welche ihn bald in einen tiefen Schlaf versetzte.

Als Peter Stern von seiner Narkose erwachte, hielt er erst seinen Kopf unter einen kalten Wasserstrahl um seine Sinne wieder zu erlangen. Man gab ihm ein gutes Frühstück, welches ihm auch mundete, doch seine Gedanken gingen nach Michalovce, und dem Peter schwirrten schreckliche Bilder in seinem Kopf und er sah, wie seine Frau und alle anderen Angehörigen mit den Partisanen kämpften. Es waren schreckliche Bilder, welche Peter sich einbildete.

Als sich alle wieder beruhigt hatten, außer Peter, ging der Alltag wie gewöhnlich weiter, doch Peter hatte keine Ruhe und beantragte Urlaub, um in seine Heimat fahren zu können. Man riet dem Peter von seinem Vorhaben ab, aber Peter Stern bestand darauf, denn es wäre seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, seine Familie zu rächen. Er war von seinem Vorhaben nicht abzubringen, und schließlich gewährte man ihm eine Woche Sonderurlaub. Peter Stern ahnte nicht, dass es kein Wiedersehen mit seiner Dienststelle mehr geben wird.

Gut getarnt als harmloser slowakischer Reisender erreichte Peter den Ort Michalovce und begab sich zu seinem Freund Tomás Szabó, welchen, beim Anblick von Peter, es fast von den Beinen gehauen hätte.

Schnell, komm rein, meinte er, denn es wäre nicht auszudenken, wenn irgend Jemand dich erkennen würde, was dann passieren wird, denn es wimmelte nur so von Partisanen in Michalovce, welche die Stadt unter ihrer Kontrolle haben. Peter ließ sich von seinem Freund genau berichten wie die Partisanen seine Familie abschlachteten.

Bei der Eroberung der Stadt durchkämmten die Partisanen alle Häuser auf der Suche nach Deutschen, und kaum jemand wurde verschont. Man stellte sie an die Wand und erschoss sie, wogegen manche erschlagen wurden, ob Mann, Frau oder Kind. Besonders dich und deine Familie hatten sie im Visier. Deine Familie wurde tagelang vernommen, denn sie wollten wissen wo du dich aufhältst. Nachdem die Partisanen eingesehen hatten, dass sie nichts erreichten, haben sie deine Frau, dein Kind und alle deine Verwanden mit Knüppeln erschlagen. Ich erzähle dir das, als ob ich selbst dabei gewesen wäre, aber diese Art von Erschießen und Totschlagen erzählten die Partisanen der Bevölkerung und brüsteten sich mit ihren Taten, besonders hoben sie die Auslöschung der Sippe Stern hervor. Damit meinten sie deine Familie.

 

Peter Stern war außer sich vor Wut und wollte sich auf den Weg machen, um so viele Partisanen wie möglich umzubringen, bis ihn selbst das Schicksal ereilen würde. Sein Freund Tomás redete ihm diesen Wahnsinn aus, doch er brauchte lange, bis er seinem Freund das klarmachen konnte. Die Rache sollte er sich für später aufsparen, wenn er bessere Aussichten und Gelegenheiten zur Rache haben wird.

Sicherheitshalber bittet Tomás seinen Freund, die Stadt Michalovce zu verlassen und zu seiner Dienststelle nach Preßburg zurückzufahren.

Schweren Herzens verabschiedete sich Peter von seinem ungarischen Freund und verließ mit äußerster Vorsicht den Unglücksort, wo man seine ganze Familie umbrachte, und fuhr nach Preßburg zu seiner Dienststelle. Als er in Preßburg ankam ging er nicht gleich in sein Zimmer, sondern er wollte sich zuerst von seinem Urlaub zurückmelden. Er hatte ein Geheimzimmer in Preßburg, welches nur er und seine Dienststelle wusste, zu welchem er später gehen wollte.

Deprimiert wie Peter war, wusste er trotzdem wie man sich tarnt, denn darin war er Meister vom Fach. Er schlenderte an seiner Dienststelle vorbei, und wunderte sich, dass alles anders war und man sah vieles verändert. Auch die Passanten gingen freudig durch die Straßen und alles schien so anders.

Peter Stern schlenderte die Straße, eine Zeitung in der Hand, auf und ab, und bei guter Gelegenheit fragte er eine ältere Passantin, ob das Haus, vor dem sie standen, leer sei? Ja, ja, sagte die alte Dame. Das war die Dienststelle des deutschen Geheimdienstes, was sich nicht so geheim anhörte, aber die sind abgehauen, als die Russen vor Bratislava standen. Auch das deutsche Militär hat die Stadt geräumt, und man sieht nur noch einzeln Partisanen, meistens aber nur Russen in den Straßen.

Peter Stern, der einen slowakischen aber gefälschten Personalausweis auf den Namen „Petr Brat“ (deutsch: Peter Bruder) besitzt, hatte ein Zimmer in der Wohnsiedlung „Biely Kriz“ (Weißes Kreuz) am Rande von Preßburg. Glücklicherweise hatte er sämtliche Diplome und sämtliche Unterlagen seines Studiums von den Universitäten, Wien, Buda-Pest und Prag immer mit sich, natürlich auch einen Ausweis auf seinen richtigen Namen „Peter Stern“. Den falschen Namen brauchte er nur um seine Identität bei seinen Wirtsleuten zu verschleiern. Nun war guter Rat teuer. Es könnte sein, dass die slowakischen Behörden oder Geheimdienste bei seiner getürmten Dienststelle noch Papiere fanden, aus welchen hervorging, wo er wohnte. Da war äußerste Vorsicht geboten.

Seine Wirtsleute wussten, dass er in Urlaub fährt, doch sie wussten nicht, wann er wiederkommt. Verkleidet schlich nun Peter Stern, alias Petr Brat durch die Siedlung Biely Kriz und beobachtete jede Kleinigkeit, welche sich nach seiner Meinung verändert hat. Er fragte Leute aus der Nachbarschaft, welche ihn nicht erkannten, und so erfuhr er, dass noch keine Durchsuchungen in irgendeiner Weise durch staatliche Institutionen stattfanden. Das ermutigte den nun gesuchten und gejagten Peter Stern und er ging bei Dunkelheit in sein Zimmer, ohne dass seine Hausleute etwas merkten. Er fand sein Zimmer unberührt, wie er es verlassen hatte, vor, und war sichtlich erleichtert.

Peter Stern hielt sich mehrere Tage in Biely Kriz auf, und erzählte seinen Hausleuten, dass er noch einige Tage Urlaub hätte und möchte nun gerne sich die Gegend der Donau und die Grenze nach Österreich ansehen. Seine Wirtsleute erzählten ihm von der schönen Donau und auch von dem Grenzfluss March.

Auch erzählten sie ihm, dass wenn man die Donau in Bratislava überquert, dann ist man nicht mehr weit von der Österreichischen Grenze entfernt. Der von Bratislava am nächsten liegende Ort in Österreich heißt Wolfsthal, ca. 11 Km von Bratislava entfernt. Peter notierte alles in seinem Gedächtnis und erkundete die nächsten Tage die Grenze nach Österreich, genau wie seine Wirtsleute ihm erzählt hatten.

Mit viel Begeisterung erzählte Peter Stern seinen Hausleuten über die Gegenden die er besichtigt hatte und er sparte nicht an Bewunderung und lobte die Schönheit dieser Gegend. Es wäre ein großer Unterschied zwischen den Bergen in der hohen Tatra und zwischen diesen Flusslandschaften.

Wenn Peter Stern sich in der Siedlung Biely Kriz aufhielt, sah er von Zeit zu Zeit zwei uniformierte Partisanen, russische Maschinenpistolen quer über der Brust hängend, und ihre Kopfbedeckung bestand aus den bekannten Kosakenmützen, durch die Straße schlendern, was wie eine Patrouille aussah. Er mied eine Begegnung mit den beiden Partisanen. Beide waren noch sehr jung.

Immer wenn Peter Stern von seinen Exkursionen aus dem Grenzgebiet nach Hause kam, wurde er stets von seinen Hausleuten zu einem Plausch, und zu einer Tasse Kaffee eingeladen. Sein Enthusiasmus von dem Grenzgebiet kannte keine Grenzen, und das freute seinen Hausleuten sehr. Bei dieser Gelegenheit erwähnte er so nebenbei die beiden Partisanen, und seine Hauswirtin erzählte ihm, dass beide Partisanen in der hohen Tatra gegen die Deutschen kämpften. In welcher Gegend konnte sie ihm nicht sagen. Dann erzählte sie ihm, dass sie sich öfters mit den Beiden unterhält, und sie beklagten sich oft bei ihr, dass, wenn sie gewusst hätten, wie die Russen sind, wären sie keine Partisanen geworden. Die Reue kam zu spät!

Am liebsten hätte Peter Stern die beiden Partisanen in die Hölle geschickt, aber in plagten andere Sorgen. Er grübelte und überlegte wie er seine Flucht nach Österreich ausführen konnte. Peter konnte sein auf der Bank befindliches Guthaben nicht abheben, denn das Risiko wäre zu groß gewesen. Peter besaß noch eine beträchtliche Summe, und nebenbei hatte er viele Goldmünzen, und Schmuck, welches er zur Not umtauschen könnte. Seine Wirtsleute kannten Peter als Slowake, den Petr Brat aus Michalovce. Sie hatten keine Ahnung, dass Peter Deutscher ist.

Die angebliche Urlaubszeit ging langsam zu Ende und es war höchste Zeit, dass Peter Stern sein Vorhaben in Angriff nahm. Immerhin war es kein Spaziergang, aber Peter Stern war guter Zuversicht, denn er hatte eine Schwachstelle an der Grenze entdeckt, wo er gefahrlos die Grenze überschreiten kann.

Die Wirtsleute von Peter, nennen wir sie, Jan und Maria Mlinár (Müller) wunderten sich, dass Peter nicht zum Frühstück kam. Frau Mlinár schaute nach, und fand das Zimmer leer. Sie rief ihren Mann und zeigte mit weit aufgerissenen Augen auf einen Zettel sowie auf einen Geldbetrag auf dem Tisch. Eigenartig, sagte Herr Mlinár zu seiner Frau, eigenartig. Das ist doch nicht seine Art sich auf Englisch zu verabschieden, meinte Herr Mlinár.

Als sie die Nachricht lasen, staunten sie, dass ihr Petr Brat sich als Deutscher zu erkennen gab, und der Name Brat nicht sein richtiger Name wäre. Die Mlinárs erfuhren nie, wie ihr Petr Brat wirklich hieß.

Er schrieb.

Liebe Frau und Lieber Herr Mlinár,

ich möchte mich entschuldigen, dass ich bei Nacht und Nebel euch verlassen habe ohne mich bei Ihnen zu verabschieden. Meine Situation verlangte es, denn wahrscheinlich werde ich vom slowakischen Geheimdienst gesucht. Meine Familie wurde von Partisanen in Michalovce brutal erschlagen. Sie töteten meine Frau, meinen dreijährigen Sohn. Auch meine Eltern und die Eltern meiner Frau töteten sie auf die gleiche bestialische Weise. Bevor man sie tötete, quälte man sie, um herauszubekommen wo ich mich befinde. Sie werden verstehen, dass ich mich durch Flucht retten muss. Ich bedanke mich für all ihre Güte die Sie mir entgegen brachten, und ich wünsche Ihnen viel Glück und noch viele gesunde Lebensjahre miteinander.

Das Schreiben endete mit: „Do videnia“ (auf Wiedersehen) obwohl es wahrscheinlich kein Wiedersehen geben wird.

Peter Stern nahm sich Zeit die Strecke Bratislava nach Wolfsthal zu gehen, denn er wanderte mit aller Vorsicht, nicht, dass er eventuell einer Grenzpatrouille, ob slowakisch oder russisch, in die Hände fällt. Er besaß nur einen Koffer, worin er seine wenigen Habseligkeiten hatte. Innerhalb drei Stunden befand sich Peter Stein bereits in Österreich, doch er ließ Wolfsthal hinter sich, denn die Ortschaft lag ihm zu nahe an der Grenze. Geographisch kannte sich Peter Stern gut aus, und so steuerte er die Ortschaft Hundsheim, za. 7,6 Km von Wolfsthal entfernt, an.

Nun begann das Schicksal von Peter Stern mit all seinen Facetten, seinen Sorgen und seiner Traurigkeit. Das Schicksal meinte es gut mit ihm.

Lasst ihn selbst erzählen.

Und Peter erzählte.

Todmüde erreichte ich den Ort Hundsheim und klopfte beim erstbesten Winzer an, und bat um ein Plätzchen wo ich mich ausruhen könnte. Bei dieser unsicheren Zeit kommt man bei den Bauern nicht so einfach an. An meinen Hunger hatte ich nicht gedacht, doch wie staunte ich, als der Winzer meine Geschichte hörte und ich ihm meine Papiere zeigte, spontan zu mir sagte: kommen Sie herein und essen Sie etwas, bevor Sie sich zur Ruhe legen.

Der Winzer, ein gestandener Mann von za.65 Jahren, kredenzte mir ein schmackhaftes Brot mit Wurst und Butter, dazu gab es einen einheimischen Wein, der an Qualität nicht zu übertreffen ist.

Danach schlief ich den Schlaf des Gerechten wie in einem Himmelbett, denn der Winzer legte mich in ein Bett, was seinem Sohn gehörte.

Das erfuhr ich erst am nächsten Tag, als der Winzer und ich beim Frühstück saßen und uns über mich und dem Schicksal seines Sohnes unterhielten

Es ist menschlich zu verstehen, aber ich glaubte, dass der Winzer in seinen Gedanken nicht mit mir, sondern mit seinem Sohn frühstückte.

Er hatte den Tisch mit Brot, Honig, Marmelade Wurst und Käse gedeckt, servierte einen Zichorienkaffee, welchen ich nicht kannte.

Nun saßen wir beide am Frühstück und erzählten uns unser Schicksal und unsere Wünsche. Mein Schicksal war soweit dem Winzer bekannt. Sein Schicksal war nicht von Relevanz, meinte er, aber sein Wunsch wäre, dass sein Sohn aus russischer Gefangenschaft bald heimkäme.

Nun erzählte mir der Winzer, dass die neue österreichische Regierung mit der Sowjetregierung, man sprach in der Bevölkerung immer nur mit Stalin, eine Vereinbarung getroffen hätten, dass die österreichischen Gefangenen sofort nach und nach entlassen werden sollen. Das war nun dem Winzer seine große Hoffnung, dass sein Sohn bald nach Hause kommt.

Mir schickte der Himmel einen Engel in Form eines Winzers. Mein Schöpfer muss einen Narren an mir gefressen haben, denn nicht nur, dass ich vom Winzer betreut wurde, als wäre ich sein Sohn, sondern der Winzer erklärte mir meinen weiteren Weg, als wäre er Hellseher. Der Winzer duzte mich. Weißt du Peter, sagte er, nachdem er wusste, dass ich meine Reise fortsetzen wollte. In Bruck an der Leitha gibt es ein Schloss, welches einer Familie Harrach gehört. Ich kenne den Schlossverwalter, denn wir Winzer beliefern das Schloss mit unserem vorzüglichen Wein. Das ist aber nicht die Frage, lieber Peter, denn der Schlossbesitzer verfügt über einen riesigen Park, genannt „Harrach Park“, doch meines Wissens ist der Park von der Stadt Bruck an der Leitha gepachtet worden und ist der Öffentlichkeit zugängig. Das wäre für dich, mit deinen Kenntnissen, die Gelegenheit, bei der Gemeinde um einen Arbeitsplatz nachzufragen, oder? sagte der Winzer.

Wenn das so ist, sagte ich dem Winzer, werde ich Ihrem Rat folgen, denn ich siezte den Mann, was er nicht wahrnahm. Der Winzer schlug es ab, von mir für seine Gastfreundschaft bezahlt zu werden. Mit vielen „Danke schön“ und herzliche Umarmungen verabschiedeten wir uns, und ich hatte den Eindruck, dass der Winzer seinen Sohn im Arm hielt, denn er weinte.

Ich machte mich auf den Weg nach Bruck an der Leitha, doch dieses Mal konnte ich auf Anraten des Winzers mit dem öffentlichen Verkehrsmittel (Bus) nach Bruck fahren.

Traurig und niedergeschlagen fuhr ich der Stadt Bruck entgegen, nichtwissend was mir das Schicksal noch bringt. Meine Gedanken waren oft in Michalovce.

 

Wie war die Lage in Europa, nachdem der Krieg zu Ende war und Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte?

Was für Nationalitäten konnten groß festgestellt werden? Es ist kaum zu glauben, aber fast ganz Europa war daran beteiligt.

Wollen wir nur Österreich in unsere Kalkulation reinnehmen.

Österreich hatte seine „ABFR“ Zonen, und Wien seine „ABFR“ Sektoren. So spaßig nannten die Österreicher ihre, Amerikanische, Britische, Französische und Russische Zone, und in Wien die Sektoren.

Und von diesen Zonen schauen wir uns nur die russische Zone an. Fast in allen größeren Orten gab es Lager, wo man die entwurzelten erstmals einpferchte um sie zu registrieren und nach Nationalität zu trennen. Es gab Menschen aus fast allen Ländern Europas, und die Russen hatten schnell aus einem Litauer, oder aus einem Pole, einen Russen gemacht. Die Behörde registrierte: ehemalige verschleppte oder auch nicht verschleppte Sowjetbürger, Menschen aus den Baltenstaaten, Esten Letten und Litauer. Es folgen: Polen, Rumänen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, Bulgaren, Griechen, Albaner, Italiener, Franzosen, Belgier, Niederländer, doch selten Schweizer oder Skandinavier. Die Deutschen sind nicht zu vergessen.

Dieser Situation der großen Völkerwanderung wollte Peter Stern aus dem Wege gehen, und eigenmächtig seinen Weg nach Westen in die amerikanische Zone antreten, denn irgendeinen Grund musste er ja haben.

Peter Stern wurde in Bruck an der Leitha sehr enttäuscht, denn so gut es auch der Winzer aus Hundsheim meinte, er konnte ja nicht wissen, dass die Russen nun das Regiment führten und die Stadt Bruck sowie das Schloss Harrach unter Kontrolle haben.

Peter Stern erzählte weiter.

Ich schaute mich vorsichtig im Stadtpark um und traf dort mehrere Parkarbeiter, welche den Stadtpark säuberten. Ich setzte mich in ihrer Nähe auf eine Bank, holte eine belegte Brotschnitte aus meinem Esswarenbeutel, und biss kräftig zu. Ich tat desinteressiert, doch mein Scharfsinn war hellwach. Ich wusste ja nicht, mit was für Menschen ich es zu tun haben werde, wenn ich sie ansprechen würde. Wie gerne hätte ich mit dem Einen oder Anderem gesprochen. Da der Bürgermeister von den Russen eingesetzt wurde, war anzunehmen, dass die Stadtarbeiter ausgesuchte Kommunisten, zumindest Sympathisanten sind, welchen man nicht über den Weg trauen darf.

Wahrscheinlich hatten die Arbeiter zu dieser Zeit auch Vesperzeit, denn sie stellten plötzlich ihr Arbeitswerkzeug an einen Baum, kamen lachend zu mir, denn da standen zwei Bänke nebeneinander, und zwei Mann setzten sich neben mich, wogegen die Anderen die zweite Bank besetzten. Mein Körper zitterte, doch die neben mir Sitzenden merkten nichts. Sie unterhielten sich, während sie ihre Brote aßen. Ihre Sprache war österreichischer Dialekt, was sehr lustig anzuhören war. Ich beruhigte mich allmählich und tat so, als ob mich ihre Unterhaltung nichts anginge, obwohl meine Sinne auf Alarmstufe 1 standen. Als die Arbeiter mit ihrer Jause, so nannten sie es. fertig waren, wandte sich mein Nachbar an mich und fragte: „San Sie a Reisender in Feuersteine für Feuerzeuge, weil Sie nur einen Koffer bei sich haben“. Er sagte es nicht bösartig, sondern lustig, um mit mir ins Gespräch zu kommen. Nein, erwiderte ich, das bin ich nicht, aber ich bin auf der Durchreise, ich komme aus der Ostslowakei, dort wurde ich ausgewiesen, weil ich Deutscher bin. Do schau her, kimmt a Deitscher aus der Slowakei, wie früher unsere Vorfahren im Türkenkrieg aus Kroatien kamen, und uns, die wir nun Österreicher als ihre Nachfahren sind, nennt man Burgenlandkroaten. Sei herzlich willkommen, Leidensgenosse.

Alles hat Peter Stern erwartet nur das nicht. Die österreichischen Kroaten, alle waren Kroaten, umarmten ihn als ob ein Bruder in seine Familie zurückgekehrt ist. Er erzählte ihnen über das Schicksal seiner Familie, und dass er nun, bevor ihn die Slowaken einsperrten oder gar töteten, auf der Flucht wäre und möchte nach Westdeutschland in die französische Zone, weil seine Vorfahren von dort kamen. Die Kroaten hatten Verständnis, und es schien, als ob Peter Stern doch einen Schutzengel hat.

Als die Parkarbeiter Feierabend machten, nahmen sie Peter Stern mit nach Hause, wo er vor einer Gefahr, entdeckt zu werden, sicher war. Es gab viel zu erzählen und die Kroaten hatten viele gute Ratschläge, wie er nach Westdeutschland, in die französische Zone, gelangen kann. Diese, man kann schon sagen, gute Freunde von Peter Stern, entpuppten sich als eine verschworene Clique, welche irgendwie gute Verbindungen nach Ungarn und der Slowakei hatten. Verbindungen nur auf Schleichwege für ihre besonderen Zwecke, glaubte Peter zu wissen. Man kann sagen: Konterbande!

Mir konnte nichts Besseres passieren, meinte Peter Stern, solche Freunde zu haben. Ich unterhielt mich lange mit den Kroaten über meine Weiterreise, und da kam mir die Idee, mit einem Fahrrad in Österreich von Dorf zu Dorf zu fahren, bis ich mein Endziel erreicht habe. Ich erwähnte auf keinen Fall, dass ich ihre Machenschaften durchschaut hatte, warum auch? Ich erläuterte meinen Freunden meinen Plan, was ich vorhabe, und bat sie, ob sie mir nicht ein einigermaßen stabiles Fahrrad besorgen könnten. Ich kam wieder ins Staunen, denn der Wortführer der Kroaten sagte: Unser lieber Freund Peter braucht sich keine Sorgen zu machen, denn wir haben schon alles für dich arrangiert, haben deinen Fluchtplan bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, und haben alle notwendigen Mitteln schon besorgt. Wir wissen, dass du noch slowakische Kronen hast (Koruna Slovenska = Ks) und du kannst sie uns ruhig anvertrauen, wir werden deine Kronen in österreichische Schilling umtauschen, und nach Abzug eines Fahrrades, einen kleineren Koffer, und alle noch dazugehörigen Werkzeuge für das Fahrrad, verbleiben dir noch so viel Schillinge, dass du unbesorgt dein Ziel erreichen kannst.

Als Peter Stern von seinem Staunen erwachte, sagte er nur: vielen Dank, liebe Freunde, ich weiß nicht wie ich es jemals wieder gut machen kann. Keinen Grund zur Panik, meinte einer der Kroaten, wir wissen was Not ist, und wir wissen auch, wem man helfen muss, und wem nicht.

Ich war wie in Narkose, sagte Peter, als er mitbekam, was die Kroaten alles für ihn vorbereiteten.

Bei uns sagte man, wenn man einen Besuch loshaben wollte: gehe mit Gott, aber gehe!

Ich glaube nicht, dass die Kroaten zu mir sagen würden, gehe mit Gott, sondern Gott war bei mir und befahl insgeheim meinen Rettern, dass sie das tun, was sie für mich taten.

Ich war wie vor den Kopf gestoßen, als ich sah, mit welcher Präzision sie meine Reise nach Deutschland organisierten. Ich konnte nicht anders tun, als mich nach ihrer Art ausstaffieren zu lassen, und das war gut so. Mir war so wohl ums Herz, dass ich bald sagen möchte, ich wünsche mir nichts weiter, als bei meinen Freunden zu bleiben. Leider kann man seinem Schicksal nicht entgehen, und so fügte ich mich meinem Schicksal und tat akkurat das, was mir meine Freunde rieten.

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