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Loe raamatut: «Namenlos», lehekülg 27

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III
Nora an Magdalene

(Uebersendet mit den beiden folgenden Briefen an das Postamt Birmingham)
Kensingtom Westmoreland – House,
den l. Juli 1847.
Innig geliebte Magdalene!

Wenn Du Deinen nächsten Brief schreibst – und ich bitte Dich, schreibe bald! – so sende denselben unter meiner Adresse an Miss Garth.

Jetzt, wo Alles vorbei ist, darf ich Dir gestehen, daß ich nicht glücklich war. Ich bemühte mich so sehr als möglich die Zuneigung der beiden kleinen Mädchen, die ich zu unterrichten hatte, zu gewinnen; allein sie konnten mich wohl von Anfang an nicht leiden, scheint es; warum? weiß ich nicht. Ueber ihre Mutter habe ich keinen Grund zu klagen. Allein ihre Großmutter, welche in der That die Hauptrolle im Hause spielte, machte mir das Leben recht schwer. Meine Unerfahrenheit im Unterrichtgeben war der beständige Gegenstand ihrer bitteren Bemerkungen, und sie betrachtete meine Plage und Noth mit den Kindern so, als wenn ich mir dieselbe z eigenem Gefallen bereitete. Ich erzähle Dir Dies, damit Du nicht denkst, daß ich bedaure, meine Stelle aufgegeben zu haben. Weit entfernt davon, meine Liebe, bin ich vielmehr herzlich froh, aus jenem Hause fort zu sein.

Ich habe mir etwas Geld gespart, Magdalene, und ich möchte es, ach! so gern dazu verwenden, ein paar Tage bei Dir zuzubringen. Mein Herz verlangt nach dem Anblick der Schwester; meine Ohren sehnen sich nach dem Klange ihrer Stimme. Ein Wort von Dir, das mir sagt, wo ich Dich treffen kann, Das ist Alles, was ich brauche. Ueberlege es Dir, ich bitte Dich, überlege es Dir.

Glaube ja nicht, daß ich durch dies erste Mißglücken entmuthigt bin. Es gibt noch manche gute Menschen auf der Welt, und ein paar davon werden mich schon nächstens in Dienste nehmen. Der Weg zum Glücke ist oft sehr schwer zu finden, schwerer, denke ich, für Frauen, denn für Männer. Doch wenn wir nur geduldig streben und lange genug streben, so erreichen wir ihn endlich doch – im Himmel, wenn auch nicht auf Erden. Ich denke, daß mein nächster Weg jetzt der zu Dir, zu einem Wiedersehen mit Dir ist. Vergiß Das nicht, meine Liebe, das nächste Mal, wenn Du gedenkest

Deiner
Nora.

IV
Miss Garth an Magdalene

Westmoreland-House, den l. Juli 1847.
Liebe Magdalene!

Fürchten Sie nicht, nutzlose Vorwürfe zu lesen, wenn Sie meine Handschrift erblicken. Der einzige Zweck dieser Zeilen ist, Ihnen Etwas mitzutheilen, was Ihre Schwester ihrerseits Ihnen gewiß nicht sagen wird. Sie weiß kein Wort davon, daß ich an Sie schreibe. Sagen Sie ihr auch Nichts davon, wenn Sie ihr unnöthige Besorgniß und mir unnöthigen Kummer ersparen wollen.

Noras Brief meldet Ihnen ohne Zweifel, daß sie ihre Stelle ausgegeben hat. Ich halte es für meine traurige Pflicht, hinzuzufügen, daß sie dieselbe um Ihretwillen aufgegeben hat.

Die Sache ging so zu; Die Herren Wyath Pendril und Gwilt sind die Sachwalter desjenigen Herrn, in dessen Familie Nora ihre Stelle hat. Der Lebensberuf, den Sie sich gewählt haben, ist bereits seit letztem December allen drei Herren bekannt. Sie wurden bei einer Vorstellung zu Derby von der Person entdeckt, welche Sie in York hatte suchen sollen, und diese Entdeckung wurde vor einigen Tagen von Mr. Wyatt Noras Principal mitgetheilt als Antwort auf eine directe Anfrage über Sie von Seiten jenes Herrn. Seine Gattin und seine Mutter (welche bei ihm lebt) hatten ausdrücklich gewünscht, daß er jene Nachforschungen anstelle, da sie durch Noras ausweichende Antworten auf alle ihre Schwester betreffenden Fragen argwöhnisch geworden waren. Sie kennen Nora zu gut, um sie darob zu tadeln. Ausflüchte waren der einzige Ausweg, den ihr Ihr gegenwärtiges Leben übrig ließ, um nicht eine grobe Unwahrheit zu sagen.

Denselben Tag ließen die beiden Damen des Hauses, die ältere und die jüngere, Ihre Schwester vor sich kommen und sagten ihr, daß sie erfahren hätten, Sie träten öffentlich auf und zögen unter angenommenem Namen im Lande von Ort zu Ort. Sie waren gerecht genug, um Nora nicht darob zur Rechenschaft zu ziehen, sie waren gerecht genug, anzuerkennen, daß ihre Führung untadellos sei, wie ich es ihnen verbürgt hatte, als ich ihr die Stelle verschaffte. Aber zugleich machten sie es ihr zur unerläßlichen Bedingung, falls sie länger in ihren Diensten bleiben wolle, daß sie Ihnen niemals erlauben dürfe, sie in deren Hause zu besuchen oder sie zu treffen und mit ihr auszugehen, wenn sie die Kinder bei sich hätte. Ihre Schwester, welche mit Geduld Alles hingenommen hatte, was ihr selbst aufgebürdet wurde, fühlte augenblicklich den auf Sie geworfenen schnöden Vorwurf. Sie verwies Dies ihrer Herrschaft sofort mit aller Entschiedenheit. Stolze orte folgten, und sie verließ noch denselben Abend das Haus.

Es fällt mir nicht ein, Sie dadurch unnöthig in Betrübnis; zu versetzen, daß ich Ihnen den Verlust dieser Stelle als ein Unglück darstellte. Nora fühlte sich nicht so glücklich in derselben, als ich gehofft und vorausgesetzt hatte. Unmöglich konnte ich vorher wissen, daß die Kinder ungezogen und unbändig waren, noch daß die Mutter des Eheherrn jeder Person im Hause ihre Herrschsucht fühlen ließ. Ich will gern zugeben, wie gut es ist, daß Nora aus dieser Stellung heraus ist. Aber der Kummer hört hier nicht auf. Denn nach Allem, was wir, Sie und ich, Gegentheiliges wissen, wird der Kummer fortdauern. Was in dieser Stelle vor vorgefallen ist, kann auch in einer andern vorfallen. Ihre Lebensweise —, wie tadellos Ihre Ausführung auch immer sein mag, und ich will Ihnen ja die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu glauben, daß sie tadellos ist – ist für alle anständigen Leute eine verdächtige. Ich habe lange genug in dieser Welt gelebt, um zu wissen, daß neun Zehntel der englischen Frauen in ihrem Gefühl für Anstand und gute Sitte keine Rücksicht nehmen und keine Gnade kennen. Noras nächste Herrschaft kann Sie wieder aufspüren, und Nora wird möglicherweise ihre nächste Stelle wieder aufgeben müssen, ohne daß wir uns je wieder in der Lage befinden, ihr einen Ersatz, für dieselbe schaffen zu können.

Ich überlasse Ihnen, Dies zu bedenken. Mein Kind, denken Sie ja nicht, daß ich hart gegen Sie bin. Ich bin nur besorgt für die Ruhe Ihrer Schwester. Wenn Sie die Vergangenheit vergessen und zurückkehren wollen, Magdalene, so Vertrauen Sie Ihrer alten Gouvernante, sie wird dieselbe auch vergessen und Ihnen eine Heimath bereiten, wie sie Ihr Vater und Ihre Mutter einstmals ihr selber bereitet haben.

Allezeit, meine Liebe, Ihre getreue Freundin,

Harriet Garth.

V
Francis Clare jun. an Magdalene

Shanghai in China, den 28. April 1847.
Meine liebe Magdalene!

Ich habe die Antwort auf Deinen Brief infolge meines Gemüthszustandes, der mich unfähig machte, an Dich zu schreiben, verschoben. Ich bin noch jetzt unfähig dazu, doch ich fühle, daß ich es nicht länger verschieben darf. Mein Ehrgefühl gibt mir Kraft, und ich unterziehe mich der schmerzlichen Aufgabe, diesen Brief zu schreiben.

Mit meinen Aussichten in China ist es ganz aus. Das Handelshaus, an das ich wie ein Waarenballen abgefertigt worden bin, hat meine Geduld erschöpft durch eine ganze Reihe von kleinen Beleidigungen, und ich war es der Achtung vor mir selbst schuldig, aus dessen Diensten zu treten, nachdem ich von Anfang an nicht nach Verdienst geschätzt worden war. Meine Rückkehr nach England unter solchen Umständen kommt gar nicht in Frage. Ich bin in meinem Vaterlande zu grausam behandelt worden, als daß ich – auch wenn ich könnte – dahin zurückzukehren wünschte. Ich beabsichtige mich an Bord eines kleinen Kauffahrers in diesen Gewässern zu begeben, um in der Eigenschaft eines Handlungsgehilfen meinen Weg allein zu gehen, wenn ich es vermag. Wie es enden wird, oder was mir nun begegnen wird, ich vermag es nicht zu sagen. Es kommt wenig darauf an, was aus mir wird. Ich bin ein heimatloser Pilger und ein Verbannter, und zwar ganz und gar durch Anderer Schuld. Der unbarmherzige Wunsch der Meinigen, mich loszuwerden, hat seinen Zweck erreicht. Man ist mich mit guter Art losgeworden.

Es bleibt mir nur noch ein Opfer zu bringen übrig, das Opfer der theuersten Gefühle meines Herzens. Mit keinen Aussichten vor mir, mit keiner Hoffnung, nach Hause zurückkehren zu können, wie kann ich darauf rechnen, meinen Verpflichtungen gegen Dich nachzukommen? Durchaus nicht! Ein selbstsüchtigerer Mensch, als ich bin, würde Dich fort und fort durch jene Verpflichtungen gebunden halten, ein weniger überlegender Mann, als ich, wäre im Stande, Dich Jahre lang warten zu lassen und schließlich ohne allen Zweck. So grausam man auch meine Gefühle mit Füßen getreten hat, so sind dieselben doch zu zart, als daß sie mir diese Handlungsweise gestatteten. Ich schreibe Dies mit Thränen in meinen Augen nieder: Du sollst Dein Schicksal nicht an einen Ausgestoßenen knüpfen. Nimm diese Zeilen eines gebrochenen Herzens als die Worte der Lösung seines Versprechens auf. Unsere Verbindung ist zu Ende.

Der einzige Trost; der mich aufrecht erhält, Dir Lebewohl sagen zu können, ist, daß Keines von uns anzuklagen ist. Du magst unter dem Einflusse meines Vaters schwach gehandelt haben, aber gewiß hast Du in der besten Absicht von der Welt so gehandelt. Niemand außer mir wußte, welches die verhängnißvollen Folgen meiner Vertreibung aus England sein würden: aber Niemand hörte auf mich. Ich gab meinem Vater nach, ich gab Dir nach, und Dies ist nun das Ende davon!

Ich leide zu heftig, als daß ich mehr schreiben könnte. Möchtest Du nie erfahren, was mich die Auflösung unserer Verbindung gekostet hat! Ich bitte Dich, klage Dich nicht selbst an! Es ist nicht Deine Schuld, daß alle meine Thatkraft von Anderen mißleitet worden ist – es ist nicht Deine Schuld, daß ich niemals eine gute Gelegenheit gehabt habe, im Leben vorwärts zu kommen. Vergiß den verlassenen Unglücklichen, der seine inbrünstigen Gebete für Dein Glück emporschickt und Dir alles Gute wünschen und immerdar bleiben wird Dein Freund,

Francis Clare jun.

VI
Francis Clare sen. an Magdalene

(Als Begleitbrief des vorhergehenden Schreibens.)

Ich sagte es immer Ihrem armen Vater, daß mein Sohn ein Narr sei; aber ich wußte noch nicht, daß er ein Elender war, bis die letzte Post aus China kam. Ich habe allen Grund anzunehmen, daß er seine Herren verlassen hat – unter den kläglichsten Umständen. Vergessen Sie ihn von dieser Zeit an, wie ich selbst. Als wir, Sie und ich, das letzte Mal uns gegenüber standen, benahmen Sie sich sehr gut in dieser Angelegenheit. Alles was ich jetzt zum Danke daraus sagen kann, sage ich: – meine Tochter, ich bin um Sie in Kummer und Sorge. F. C.

VII
Mrs. Wragge an ihren Mann

Lieber Herr, um Gotteswillen kommen Sie und stehen Sie uns bei Sie hatte gestern einen schrecklichen Brief ich weiß nicht welcher Art aber sie las ihn im Bette und als ich mit dem Frühstück hereinkam fand ich sie todt und wenn der Arzt nicht zwei Thüren davon gewesen wäre so würde niemand Anders sie wieder ins Leben zurückgebracht haben und sie sitzt und sieht entsetzlich aus und will kein Wort sprechen und ihre Augen entsetzen mich so sehr daß ich von Kopf bis zu Fuße zittere und bebe ach thun Sie mirs zu Liebe und kommen Sie ich habe mich beeilt so sehr als nur möglich und ich habe sie so gern und sie war immer so gut gegen mich und der Wirth sagt er fürchte sie werde sich ein Leids anthun ich wünschte ich könnte gerade schreiben aber ich zittere so sehr Ihr gehorsames Eheweib matilde wragge entschuldigen Sie die Fehler und ich bitte Sie kommen Sie und stehen Sie uns bei. Der Doktor gut Mann wird noch Einiges mit eigner Hand hinzufügen aus Furcht Sie könnten meine Schrift nicht lesen und verbleibe noch ein mal Ihr gehorsames Eheweib matilde wragge.

—–
(Nachschrift vom Doctor.)
Sir,

erlauben Sie mir Sie zu benachrichtigen, daß ich gestern in ein Nachbarhaus auf der Vauxhallpromenade gerufen wurde, um einer jungen Dame Beistand zu leisten, welche plötzlich erkrankt war. Ich konnte sie nur mit äußerster Anstrengung aus einer der hartnäckigsten Ohnmachten erwecken, welche mir in meiner Erinnerung vorgekommen sind. Seit jener Zeit hat sie keinen Rückfall gehabt, aber es besteht jedenfalls irgend ein schwerer Kummer, der auf ihrer Seele lastet und welchen es bisher unmöglich war, von ihr wegzunehmen. Sie sitzt, wie mir berichtet wird, ganz still und durchaus ohne Bewußtsein von Allem, was um sie vorgeht, stundenlang mit einem Briefe in der Hand, welchen sie sich von Niemandem nehmen läßt. Wenn dieser Zustand des Seelendruckes andauert, so können die traurigsten Gemüthsstörungen daraus folgen; und ich thue nur meine Schuldigkeit, wenn ich rathe, daß irgend eine Verwandte oder Freundin sich ihrer annehme, welche Einfluß genug über sie hat, um sie aufzurichten.

Ihr gehorsamer Diener,
Richard Jarvis,
praktischer Wundarzt

VIII
Nora an Magdalene

Den 5. Juli.

Um Gotteswillen, schreibe mir eine Zeile, um mir zu sagen, ob Du noch in Birmingham bist und wo ich Dich dort finden kann! Ich habe eben vom alten Mr. Clare Nachricht bekommen. Ach, Magdalene, wenn Du mit Dir selbst kein Erbarmen hast, habe mit mir Erbarmen! Der Gedanke, Dich allein zu wissen unter fremden Leuten, der Gedanke, daß Dir das Herz gebrochen sein muß unter diesem fürchterlichen Schlage, verläßt mich keinen Augenblick, Keine Worte können Dir sagen, was ich um Dich leide!

Meine liebe gute Schwester, gedenke der bessern Zeit daheim, bevor der elende Schurke sich in Dein Herz stahl, gedenke der glücklichen Zeit au Combe-Raven, wo wir immer beisammen waren. Ach, behandle mich doch nicht als Fremde, ja nicht! Wir stehen jetzt allein auf der Welt, laß mich kommen Dich zu trösten – laß mich für Dich mehr sein als eine Schwester, wenn ich kann. Nur eine Zeile, nur eine Zeile, um mir anzusagen, wo ich Dich finden kann!

IX
Magdalene an Nora

Den 7. Juli.

Alles was Deine Liebe für mich wünschen kann, hat Dein Brief vollbracht. Du, nur Du allein hast den Weg zu meinem Herzen gefunden. Ich konnte wieder denken, wieder fühlen, nachdem ich gelesen hatte, was Du an mich schriebst.

Laß mich durch diese Versicherung Deine Besorgnisse beschwichtigen. Mein Geist lebt und athmet wieder auf, er war todt, bis ich Deinen Brief bekam.

Der Schlag, den ich erlitten habe, hat eine seltsame Ruhe in mir hinterlassen. Ich habe ein Gefühl, als ob ich mich losgetrennt hätte von meinem früheren Ich, als ob die Hoffnungen, welche mir einst so theuer waren, allesamt weit in der Zeit hinter mir lägen. Ich kann auf das Wrack meines Lebens ruhiger hinblicken, Nora, als Du selbst es vermöchtest, wenn wir wieder beisammen wären. Ich kann mir bereits wieder soviel zutrauen, an Frank zu schreiben.

Mein Liebling, ich glaube, keine Frau weiß selbst, wie unendlich sie sich dem Manne ihrer Liebe hingegeben, bis zu dem Augenblicke, wo der Mann übel an ihr gehandelt hat. Kannst Du mir meine Schwachheit verzeihen, wen ich Dir bekenne, daß ich ein tiefes Weh im Herzen empfand, als ich in Deinem Briefe die Stelle las, wo Du Frank einen Schurken und Elenden nennst? Niemand kann mich darob so verachten, wie ich mich selbst verachte. Ich komme mir vor wie ein Hund, der zurück kriecht und die Hand seines Herrn leckt, die ihn eben geschlagen hat. Aber es ist einmal so, ich möchte es keinem Menschen außer Dir bekennen, es ist wirklich und wahrhaftig so! Er hat mich getäuscht und verlassen, er hat mir ein leidiges Lebewohl geschrieben – aber nenne ihn nur nicht einen Schurken! Wenn er bereut und zu mir zurückkehrte, so würde ich lieber sterben, als ihn jetzt noch heirathen; aber es gibt mir einen Stich ins Herz, wenn ich das Wort Schurke über ihn von Deiner Hand geschrieben sehe! Wenn er in seinen Bestrebungen schwach ist, wer stellte seine Schwäche über seine Kraft hinaus auf die Probe? Glaubst Du, daß Dies vorgekommen wäre, wenn Michael Vanstone uns nicht unser Vermögen geraubt und Frank von mir weg nach China vertrieben hätte? Binnen hier und acht Tagen wäre das Wartejahr zu Ende gewesen, und ich wäre Franks Weib geworden, wenn meine Mitgift mir nicht genommen worden wäre.

Du wirst sagen, nach Allem was vorgefallen ist, ist es gut, daß Ich Dem entgangen bin. Meine Liebe, es ist etwas Verkehrtes in meinem Herzen, welches antworten Nein! Besser, Franks unglückliches Weib sein, als das freie Mädchen, das ich jetzt bin.

Ich habe ihm nicht geschrieben. Er schickt mir keine Adresse, unter der ich an ihn schreiben könnte, auch wenn ich wollte. Aber ich mag es gar nicht. Ich will warten, ehe ich ihm mein Lebewohl zurufe. Wenn jemals eine Zeit kommt, wo ich das Vermögen habe, das ich, wie mein Vater ihm einstens versprach, ihm zubringen sollte, weißt Du, was ich damit machen würde? Ich würde Alles Frank geben, als meine Rache für diesen Brief, als das letzte Lebewohl von meiner Seite für den Mann, der mich verlassen hat! Laß mich diesen Tag erleben! Laß mich in der Hoffnung besserer Zeiten für Dich leben, Nora, das ist ja alle Hoffnung, die mir noch übrig bleibt. Wenn ich an ein hartes Leben denke, so kann ich noch ein Mal die Thränen in meinen müden Augen spüren. Ich kann fast denken, zu meinem früheren bessern Selbst zurückgekehrt zu sein.

Du wirst mich nicht für hartherzig und undankbar halten, wenn ich sage, daß wir noch ein wenig warten müssen, ehe wir uns wiedersehen können, nicht wahr? Ich möchte erst besser im Stande sein, Dich zu sehen, als ich es jetzt bin. Ich möchte erst Frank weiter von mir entfernen und Dich dafür mir näher bringen. Sind das triftige Gründe? Ich weiß es nicht – frage mich nicht nach Gründen. Nimm den Kuß, den ich für Dich hierher gedrückt habe, wo der kleine Kreis auf dem Papiere geschrieben ist, und laß uns dadurch für den Augenblick vereint sein, bis ich Dir wieder schreibe. Leb wohl, meine Liebe. Mein Herz ist Dir treu, Nora, aber ich wage Dich noch nicht zu sehen. Magdalene.

X
Magdalene an Miss Garth

Den 15. Juli.
Liebe Miss Garth!

Ich habe Sie lange auf diese Antwort warten lassen, nachdem Sie mir geschrieben; allein Sie wissen wohl, was vorgefallen ist, und werden mir verzeihen. Alles was ich zu sagen habe, kann in wenigen Worten gesagt werden. Sie können sich darauf verlassen, ich werde nimmer wieder das Gefühl für Wohlanständigkeit verletzen: ich habe die Welt genug kennen gelernt, um sie über das nächste Mal leicht selbst zu meiner Mitschuldigen zu machen. – Nora wird meinetwillen nicht wieder eine Stelle aufzugeben brauchen —: mein Leben als öffentliche Künstlerin ist zu Ende. Es war – Gott ist mein Zeuge! – harmlos genug. Ich erlebe es vielleicht, Sie vielleicht auch noch, den Tag zu beklagen, wo ich es aufgab, allein nimmer werde ich dazu zurückkehren. Es hat mich verlassen, wie Frank mich verlassen hat, wie all mein besseres Denken und Fühlen außer meinen Gedanken an Nora mich verlassen hat.

Genug über mich selbst! Soll ich Ihnen einige Nachrichten geben, um diesen Brief ein wenig heiter zu machen? Mr. Michael Vanstone ist todt, und Mr. Noël Vanstone hat das Erbe meines Vermögens und Noras Vermögens angetreten. Er ist ganz würdig dieser Erbschaft. An der Stelle seines Vaters würde er uns ebenso zu Grunde gerichtet haben, wie es sein Vater gethan hat.

Weiter habe ich Ihnen Nichts mitzutheilen, das Sie interessieren könnte. Machen Sie sich keine Sorge um mich. Ich bemühe mich, meinen Geist wieder aufzurichten, ich bemühe mich, das arme betrogene Mädchen zu vergessen, welches in der guten alten Zeit zu Combe-Raven so thöricht war, sich in Frank zu verlieben. Manchmal kommt noch ein Weh über mich, welches mir anzeigt, daß jenes Mädchen noch nicht vergessen ist, aber es kommt nicht oft.

Es war recht lieb von Ihnen, daß Sie, als Sie an ein so verlorenes Geschöpf, wie ich bin, sich selbst als »allezeit meine Freundin« unterzeichnet haben. »Allezeit« ist ein kühnes Wort, meine liebe alte Gouvernante! Es soll mich verlangen, ob Sie jemals wünschen werden, es zurücknehmen zu können? Es würde keinen Unterschied machen, wenn Sie es wirklich zurücknähmen; bin ich doch dankbar eingedenk der Mühe, die Sie mit mir gehabt haben, als ich noch ein kleines Kind war. Ich habe Ihnen diese Mühe schlecht vergolten, habe Ihnen Ihre Liebe mir auch in der spätern Zeit schlecht vergolten. Ich bitte Sie um Verzeihung, und bemitleiden Sie mich. Das Beste, was Sie für uns Beide thun können, ist, mich vergessen.

Mit inniger Liebe

Ihre
Magdalene

NS. Ich öffne das Couvert, um noch eine Zeile hinzuzufügen. Um Gotteswillen zeigen Sie diesen Brief Nora nicht!

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
04 detsember 2019
Objętość:
1102 lk 5 illustratsiooni
Õiguste omanik:
Public Domain

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