Loe raamatut: «Heiteres rund um Gottes Bodenpersonal»
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Bibliografische Information
der Deutschen Nationalbibliothek
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Das Gesamtprogramm
von Butzon & Bercker
finden Sie im Internet
unter www.bube.de
ISBN 978-3-7666-1824-5 (Printausgabe)
ISBN 978-3-7666-4251-6 (Mobipocket)
ISBN 978-3-7666-4250-9 (ePub)
Neuausgabe 2014
© 1997/2014 Butzon & Bercker GmbH, Hoogeweg 100, 47623 Kevelaer, Deutschland, www.bube.de
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlaggestaltung: Elisabeth von der Heiden, Geldern
Satz: SATZstudio Josef Pieper, Bedburg-Hau
Inhalt
Paul, der Likörbrauer
Paul als Detektiv
Paul und das Hundeviech
Paul schwärmt für frischen Wind
Paul und die Hirschhornknöpfe
Paul und der Puppentrick
Paul, der Pechvogel
Paul, das Engelchen
Paul und der Knochenbrecher
Paul und das bengalische Feuer
Paul und die toten Säuglinge
Paul, der Likörbrauer
Pfarrer Schulte-Westernkotten wurde 60 Jahre alt. Wenn das kein Grund zum Feiern war, auf welchen sollte man dann wohl warten? Die Gemeinde jedenfalls war entschlossen, ein festliches Dankeschön zu sagen. Aber davon soll hier nicht die Rede sein, sondern von der Einladung des Pfarrers an seine engeren Mitarbeiter, den Organisten Kronsalza, den Kaplan Mergentrup, die Pastoralassistentin Hildegard Herbst, die Haushälterin Fräulein Siebenbaum, Paul Drusen, Küster im Nebenamt, die Kindergärtnerinnen, die Schwestern aus dem Altenheim, kurz, alle eben, deren Namen in den kirchlichen Lohnlisten verzeichnet waren. Und weil Pfarrer Schulte-Westernkotten nicht kleinlich war, lud er Ehefrauen, Ehemänner, Verlobte und Freunde gleich mit ein.
Fräulein Siebenbaum wies den Pfarrer darauf hin, dass sie immerhin vier Jahre älter sei als er und sie eine solche Gesellschaft bestenfalls mit Fleischwurst und Brötchen verköstigen könne. Es sei denn, ihr würde bei den Vorbereitungen tatkräftig geholfen.
Das war dann auch gar kein Problem. Pauls Frau Gret bot sich an, und Hildegard Herbst stellte sich zur Verfügung. Paul erklärte sich bereit, für die Getränke zu sorgen.
„Was trinken die Damen denn?“, fragte er in der Küche des Pfarrhauses, als Gret, Fräulein Siebenbaum, Hildegard Herbst und der Pfarrer Überlegungen zum Festschmaus anstellten.
Die Frauen fanden Wein angemessen. Paul aber wusste, dass der Kaplan und auch der Organist lieber ein frisches Bier im Glase hatten, und sagte: „Wir werden Wein und Bier bereitstellen. Aber sicher sollte auch etwas Härteres angeboten werden. ‚Korn und Wein in Fülle‘, so heißt es bekanntlich in der Bibel.“
„Mit Schnaps können Sie mich jagen.“ Fräulein Siebenbaum schüttelte sich.
„Und wie steht’s mit einem Likör?“, fragte Paul.
Der Pfarrer schmunzelte und gab statt seiner Haushälterin die Antwort: „Von Ihrem Eierlikör, Paul, den Fräulein Siebenbaum an Ihrem Silberhochzeitstag probiert hat, davon hat sie noch lange geschwärmt.“
„Übertrieben!“, wehrte Fräulein Siebenbaum ab.
„Ja, der Eierlikör von Drusens“, prahlte Paul, „der ist von hervorragender Qualität.“
„Den mischt Paul nämlich selbst“, lachte Gret. „Ich wusste ja gar nicht, dass Sie auch ein Likörbrauer sind.“ Fräulein Siebenbaum schien mit einem Male interessiert. „Sie müssen mir das Rezept verraten“, bat sie.
„Das Rezept ist noch von meiner Großmutter“, sagte Paul. „Aber was heißt hier Rezept verraten. Ich schlage vor, dass wir für den Geburtstag ein paar Flaschen Eierlikör herstellen. Er hat den Vorzug, dass er nicht so hochprozentig ist. Wir machen den Likör hier in der Küche. Dann können Sie das Rezept live erleben.“
Die Zutaten waren bald eingekauft. In der Apotheke holte Paul reinen Alkohol. Die Apothekerin wusste gleich, was los war.
„Wieder unter die Giftmischer gegangen?“, scherzte sie. Dann stutzte sie und fragte: „Sagten Sie wirklich, Sie brauchen zwei Liter Alkohol?“
„Genau das“, bestätigte Paul. „Ich gehe jetzt in die Großproduktion.“
Sechzig Eier besorgte Fräulein Siebenbaum von ihrem Vetter auf dem Lande, dessen Hühner noch im Mist kratzen durften. Die Gewürze legte Gret bereit. Es konnte losgehen.
Paul band sich die Schürze um und wies die Frauen an, die Eier aufzuschlagen und das Eiweiß sehr sorgfältig vom Dotter zu trennen.
„Dann kommt das schwerste Stück Arbeit“, sagte er. „Die Eigelb müssen mit der Gabel so lange geschlagen werden, bis sie keine Fäden mehr ziehen.“
„Das ist wirklich eine Arbeit für Galeerensträflinge“, fügte Gret hinzu. „Vor unserer Silberhochzeit hatte ich vom Eigelbschlagen einen richtigen Muskelkater.“
„Haben Sie es denn noch nie mit einem Mixer versucht?“, fragte Hildegard Herbst.
Paul schüttelte den Kopf, sagte aber dann: „Warum, Gret, haben wir nicht schon längst den Mixer genommen?“
„Oma hat die Eier auch immer mit der Hand geschlagen“, antwortete Gret.
„Oma hin, Oma her. Wenn die eine Küchenmaschine gehabt hätte, sie hätte sie ganz bestimmt eingesetzt. Meine Oma war nämlich stets für neue Ideen zu haben.“
„Versuchen wir es“, sagte Hildegard Herbst.
„Es gibt nur ein Hindernis“, wandte Fräulein Siebenbaum ein, „wir haben nämlich gar keinen Mixer im Pfarrhaus. Der Pfarrer meint, man dürfe sich nicht zu abhängig machen von der Technik.“
Hildegard Herbst lachte und sagte: „Das sieht ihm ähnlich. Denn von der Technik hat er keine Ahnung. Wenn sein Auto mal streikt, dann öffnet er die Haube, schaut wütend auf den Motor und schimpft vor sich hin. Aber meist hilft das nichts.“
„Und mir wollte er sogar einen automatischen Kerzenanzünder mit Flüssiggas beschaffen“, meinte Paul verwundert.
„Wir werden es nicht daran scheitern lassen, dass unser Pfarrer die Technik aus der Küche verbannen will. Ich besitze eine sehr schöne Küchenmaschine. Meine Mutter hat sie mir vor ein paar Jahren vererbt. Ich verwende sie allerdings nur selten, denn sie ist für meinen Einpersonenhaushalt einfach viel zu groß“, sagte Hildegard Herbst.
Dann ging es los. Die Eier wurden aufgeschlagen, das Weiße vom Gelben getrennt, und alles stand schließlich bereit. Der Brauprozess konnte beginnen. Hildegard Herbst wohnte in der Nachbarschaft. Deshalb dauerte es nur ein paar Minuten, bis sie die Küchenmaschine geholt hatte. Sie keuchte ein wenig, denn die Maschine war nicht leicht. Paul begutachtete das Gerät. Auf einem Unterteil, in dem der Motor untergebracht war, stand ein ziemlich großes, trichterförmiges Glas. Das war mit einem Kunststoffdeckel verschlossen.
„Älteres Modell, wie?“, schmunzelte er. „Aber solide gebaut.“
„Stimmt. Sie läuft ganz wunderbar.“ Hildegard blätterte in dem dazugehörigen Rezeptbuch, aber von Eierlikör war nichts erwähnt.
„Ich nehme an“, sagte Paul, „wenn wir das Eigelb zwei Minuten schlagen lassen und die Maschine auf vollen Touren läuft, dann wird es gut sein.“
„Ganz bestimmt“, sagte Hildegard Herbst. „Wir haben nämlich mal Spinat darin zerkleinert. Nur eine halbe Minute hat meine Mutter das Ding laufen lassen. Der Spinat sah anschließend aus wie grüne Lackfarbe. Keiner hat davon gegessen.“
„Also los“, befahl Paul. Das Eigelb füllte das Gefäß zu zwei Dritteln. Paul setzte den Deckel auf das Glas. Der Pfarrer kam auch in die Küche, aber er brummte nur: „So, so, eine Küchenmaschine“, und schaute sich das Gerät interessiert an.
„Haben Sie gesehen, dass man den Mixer auf zwei verschieden schnelle Touren stellen kann?“, fragte er.
„Wir nehmen Stufe zwei“, entschied Paul. „Genau zwei Minuten soll die Maschine arbeiten. Ich werde auf meine Uhr schauen.“
„Geben Sie das Einsatzkommando“, sagte der Pfarrer. „Ich werde einschalten.“ Offensichtlich war er fasziniert von dem Gerät.
Paul wartete, bis der Sekundenzeiger seiner Armbanduhr auf die Zwölf zulief und rief dann: „Auf die Plätze, fertig, los!“
Der Mixer brummte, kam auf Touren und sirrte durchdringend. Das Eigelb wallte im Trichter.
„Noch keine zwei Minuten herum?“, fragte der Pfarrer ungeduldig.
„Noch nicht einmal eine Minute ist vergangen“, antwortete Paul.
„Scheint aber doch schon gut zu sein“, vermutete Fräulein Siebenbaum.
„Zwei Minuten sind ausgemacht“, gab Paul zurück, ohne den Blick von seiner Uhr zu wenden. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte zu Pfarrer Schulte-Westernkotten hinübergeschaut. Vielleicht hätte er so das sich anbahnende dramatische Ereignis noch verhindern können. Pfarrer Schulte-Westernkotten vermutete nämlich auch, dass das Eigelb längst sämig zerrührt war, wie seine Haushälterin gesagt hatte. Er wollte das näher überprüfen und hob, ehe sich irgend jemand versehen hatte, den Kunststoffdeckel von dem Glastrichter.
Starr stand er und blickte wie versteinert auf das, was sich nun ereignete. Das Eigelb wuchs in einer sich stetig verbreiternden Säule aus dem Glas, drehte sich, floss in Höhe des Küchenschranks schirmförmig auseinander, schien einen Augenblick in der Luft stillzustehen und senkte sich dann nieder auf Tisch und Stühle, auf Schrank und Bank, auf Haar und Kleid. Nichts und niemand blieb unbesprüht. In langen Fäden tropfte das Eigelb vom Lampenschirm herab.
Sprachlos schauten sich die Likörbrauer an. Der Pfarrer hielt immer noch den Deckel in der Hand.
„Schalten Sie ab“, sagte Paul. „Die zwei Minuten sind längst herum.“
Hildegard Herbst brach den Bann, schlug die flachen, klebrig gewordenen Hände gegeneinander, zog sie wieder auseinander und sagte: „Eineinhalb Minuten waren genug. Das Eigelb ist wunderbar sämig.“
Und dann begann sie zu lachen, dass die Tränen kullerten. Erst wollte der Pfarrer sagen: „Nun seien Sie doch nicht so albern.“ Aber dann fiel sein Blick auf Fräulein Siebenbaum, die sich eine Haarsträhne aus der Stirn strich und jammerte: „Gestern war ich erst beim Friseur. Und nun ist alles für die Katz.“ Aber dann kicherte auch sie, Paul und Gret ließen sich anstecken, und endlich hatte auch der Pfarrer den Schock überwunden und lachte dröhnend.
„Wir müssen alles abwaschen, bevor das Eigelb eintrocknet“, sagte Fräulein Siebenbaum, als sie wieder zu Atem gekommen war. Und so geschah es.
Beide Duschen im Pfarrhaus liefen auf Hochtouren, Fräulein Siebenbaum lieh Gret, Paul und Hildegard einen buntgeblümten Kittel, und dann gingen sie mit Lauge und Leder ans Werk. Selbst Pfarrer Schulte-Westernkotten hatte sich eine Schürze umgebunden und wischte und schrubbte. Nach fast zwei Stunden blinkte die Küche wieder, und nichts klebte mehr. Fräulein Siebenbaum verschwand für eine Weile und kehrte dann zurück. In der Hand trug sie eine Flasche Eierlikör. Nicht vom selbst gebrauten, versteht sich. Aber geschmeckt hat er doch einigermaßen.
Paul als Detektiv
Es war wirklich ärgerlich. In der Sakristei wurde gestohlen. Aus Jacken und Mänteln wurde seit Wochen Geld entwendet. Die Messdiener beklagten den Verlust eines Teils ihres Taschengeldes. Pfarrer Schulte-Westernkotten, der nie genau im Bilde war, wie viel Geld er eigentlich in seiner Geldbörse bei sich trug, vermisste eines Tages einen druckfrischen Hundertmarkschein. An den konnte er sich allerdings genau erinnern. Er hatte ihn eigens in die Tasche gesteckt, um ihn unauffällig an Frau Baum weiterzugeben. Die hatte zwar ihre drei Kinder für das Ferienlager angemeldet, aber Pfarrer Schulte-Westernkotten wusste, dass Adolf Baum seit über einem Jahr arbeitslos war.
Genau dieser blaue Schein fehlte nun nach der Acht-Uhr-Messe. Wie bei den vorhergegangenen Diebstählen war nicht das ganze Geld aus der Börse genommen worden, sondern nur ein Teil. Eben einhundert Deutsche Mark.
„Katholisch muss er sein, der Dieb“, knurrte der Pfarrer.
Paul schaute ihn groß an. Der Pfarrer als messerscharfer Krimidenker, das war ein bisher unentdeckter Zug an dem geistlichen Herrn.
„Wieso?“, fragte er also und kam sich vor wie Dr. Watson vor Sherlock Holmes.
„Der hat noch einen Rest von Gewissen. Sonst nähme er doch alles. Der muss also katholisch sein.“
Paul schüttelte den Kopf und dachte: „Ich kann verstehen, dass er sich ärgert. Ärger fördert Vorurteile. Daher also.“
Paul hatte Erfahrung mit Vorurteilen, die aus Ärger geboren wurden. Wenn sein ältester Sohn Hermann für ein kurzes Wochenende von der Universität nach Hause kam, dann ging es Paul ähnlich wie dem Pfarrer. Der Küster ärgerte sich über die Ansichten des Herrn Studenten, und wenn Hermann das Wort „Amtskirche“ benützte, dann war Paul nur zu leicht geneigt, die „Jugend von heute“ in Bausch und Bogen zu verdonnern.
„Müssten wir nicht längst die Polizei verständigt haben?“, fragte Paul.
Pfarrer Schulte-Westernkotten wies diesen Vorschlag weit von sich. „Ich meine, das sollten wir im eigenen Hause regeln. Außerdem, was sollen die Beamten da schon unternehmen?“ Er schwieg eine Weile und fügte dann hinzu: „Stellen Sie sich vor, Paul, die Herren von der Kripo fänden wirklich heraus, wer der Dieb ist, und es wäre dann einer unserer Messdiener.“
„Na, und?“, sagte Paul.
„Ich bitte Sie!“ Der Pfarrer schaute ihn empört an. „Das wäre ja ein Gemeindeskandal. Unser guter Ruf wäre ruiniert.“
„Na, und?“, murmelte Paul vor sich hin. Er wusste, dass Pfarrer Schulte-Westernkotten auf den guten Ruf seiner Gemeinde äußerst bedacht war. Schon manche krumme Sache hatte er, wie er sagte, bereits im eigenen Haus geradegebogen oder auch ganz einfach unter den Teppich gekehrt.
Zu Hause grollte Paul: „Der gute Ruf, der gute Ruf! Dabei ist das mit den hundert Mark ein starkes Stück.“
Am nächsten Morgen war der Pfarrer, der sonst meist im letzten Augenblick vor der Messe in die Sakristei stürmte, schon zeitig gekommen.
Er winkte Paul in die Ecke, weit weg von den Ohren der Messdiener, und flüsterte: „Ich habe gestern die hässliche Angelegenheit der Diebstähle mit meiner Haushälterin, Fräulein Siebenbaum, besprochen. Sie hat eine gewisse Weltklugheit, wissen Sie.“
Paul musste das anerkennen. Fräulein Siebenbaum war es zu verdanken, dass Pfarrer Schulte-Westernkotten in finanziellen Dingen nicht den Boden unter den Füßen verlor und vorzeitig in himmlische Gefilde entschwebte. „Was schlägt sie vor?“, fragte Paul.
„Fräulein Siebenbaum hat in ihrer Verwandtschaft einen Polizeikommissar. Den will sie ganz unverbindlich um Rat fragen. Sie meint, sie habe gehört, dass die Polizei in solchen Fällen ein Pulver verwendet. Kommt der Dieb mit dem Pulver in Berührung, dann färben sich seine Finger kräftig rot, und das lässt sich acht Tage lang nicht mehr abwaschen.“
„Aha“, sagte Paul interessiert. „Wir stäuben dann den Inhalt einer Geldbörse mit dem Pulver ein, und es wird sich bald herausstellen, wer der Rabe in unserem Nest ist.“
„Gut ausgedrückt“, lobte der Pfarrer. Ein Lob kam sonst selten über seine Lippen. Seine Stimmung war gut und voll Hoffnung auf kriminalistischen Lorbeer. Auch Gret fand den Plan nicht schlecht und sagte: „Das ist gar keine schlechte Strafe, wenn der Dieb immer wieder gefragt wird, woher er die roten Finger hat.“
Am Morgen fuhr Fräulein Siebenbaum in ihr Heimatstädtchen und redete mit ihrem Kommissar. Als sie am Mittwoch wieder in der Gemeinde angekommen war, trug sie in ihrer Handtasche, säuberlich in weißes Papier eingeschlagen, das besagte Pulver.
Der Pfarrer bat Paul ins Pfarrbüro. „Wie früher die Apotheker ihre Pülverchen eingepackt haben“, sagte Paul, als Pfarrer Schulte-Westernkotten das winzige Päckchen vorsichtig entfaltete. Knapp ein halber Teelöffel eines weißlich-grauen Staubes lag vor ihnen. „Mit einem weichen Wasserfarbenpinsel sollten Sie die Scheine einpudern, hat der Kommissar gesagt“, erklärte Fräulein Siebenbaum, zog sich aber dann wieder in die Küche zurück.
Paul versprach, eine ausgediente Geldbörse und den weichen Pinsel zu beschaffen. Der Pfarrer schlug vor, zwei Zehnmarkscheine, ein Fünfmarkstück und einige kleine Münzen in die Geldbörse zu legen und diese in einem Anorak am Kleiderhaken in der Sakristei zu deponieren.
„Nur Ihre Frau, meine Haushälterin und wir beide wissen von dieser Aktion“, sagte er mit Verschwörermiene. „Bald werden wir diese unangenehme Sache im eigenen Haus geregelt haben.“
Sie vereinbarten, dass sie am Samstag nach der Abendmesse die Diebesfalle aufstellen wollten. „Ab acht Uhr läuft dann der Krimi im Fernsehen, und bei uns geht es genauso“, lachte er.
Ohne Schwierigkeiten kramte Paul aus dem Keller eine geeignete Geldbörse und einen Wasserfarbenpinsel hervor.
„Manchmal ist dein Aufbewahrtick doch zu etwas nütze“, gab Gret zu.
„Wer weiß, wozu das nochmal gut ist“, war ein von Paul oft gebrauchtes Wort. Für Gret war es eine Quelle häufigen Ärgers, dass ihr Mann sich nur schlecht von „all dem alten Kram“, wie sie sagte, trennen konnte. Nach einem heftigen Streit hatten sie sich dann darauf geeinigt, dass Paul einen Kellerraum für die Gegenstände seiner Sammelleidenschaft zugesprochen bekam. Gret hatte diesen Keller seitdem nie mehr betreten. Ihr Ordnungssinn hätte sich empört, wenn sie gesehen hätte, was sich dort in Regalen, die bis an die Decke reichten, alles stapelte. Paul gab selbst insgeheim zu, dass er nur höchst selten auf das Klamottenmagazin zurückgriff; einerseits wurde nur in wenigen Fällen irgend etwas von den alten Besenstielen, den Schrauben, Zeitschriften, Flaschen, Gläsern, Blechschachteln, Zigarrenkisten, Staubsaugerteilen, Fassungen für elektrische Lampen und Brillengestellen gebraucht; andererseits förderte im Bedarfsfall selbst langes Suchen nach dem Motto „Das muss hier irgendwo liegen“ den gewünschten Gegenstand meist nicht ans Tageslicht, und Paul gab nach verbissenem Herumkramen endlich wütend auf.
Aber, wie schon gesagt, Geldbörse und Wasserfarbpinsel waren am Samstagabend zur Stelle. Zu viert saß die Sonderkommission „Sakristeiverbrechen“ um Pfarrer Schulte-Westernkottens Schreibtisch. Fräulein Siebenbaum und Gret beschränkten sich auf gute Ratschläge, die sich unter „Vorsicht mit dem Zeug“ einordnen ließen. Der Pfarrer bestäubte behutsam und gründlich die Scheine und Münzen, und Paul legte sie mit spitzen Fingern in die Börse. Während der Pfarrer schließlich den Rest des Pulvers sorgsam in das Papierchen einschlug, drückte Paul befriedigt den Verschluss der Börse zu. „Da liegt der Köder“, sagte er. „Hoffentlich beißt der Räuber an.“
Am späten Abend noch steckte Paul die Börse in die Tasche des Anoraks und hängte diesen, gut sichtbar, an den Kleiderhaken in der Sakristei.
Noch etwas später versuchte er die strahlend roten Flecken von den fünf Fingerspitzen seiner rechten Hand mit Seife und Nagelbürste abzuschrubben. Vergebens. Sein heftiges Bemühen schien die Leuchtkraft der Farbe noch zu erhöhen.
„Macht nichts“, tröstete ihn Gret. „Der Pfarrer wird dich gewiss nicht für den Täter halten.“
Der Pfarrer bemerkte an eben diesem späten Abend an seinem eigenen Unterarm pfenniggroße, sehr rote Flecken, und er war sicher, dass es sich diesmal nicht um eine gelegentlich auftretende Allergie handelte, sondern um einen chemischen Umwandlungsprozess winziger, grau-weißer Stäube.
Am selben späten Abend jammerte Fräulein Siebenbaum über das verdorbene weiße Oberhemd des Pfarrers, das sie im Wäschekorb entdeckte und das ein unregelmäßiges Sprenkelmuster roter Punkte auf den Manschetten zeigte. Weltklug, wie sie nun einmal war, entschloss sie sich, bei Gelegenheit die Ärmel so weit abzuschneiden, dass ein kurzärmeliges Sommerhemd daraus wurde.
Wie die Mitglieder eines Geheimbundes blinzelten sich der Pfarrer und der Küster am Sonntagmorgen in der Sakristei zu. Ihre Blicke schweiften immer wieder mit Wohlgefallen über den Anorak am Kleiderhaken. Nach der Frühmesse warteten sie, bis sie allein in der Sakristei zurückblieben. Paul griff nach der Börse. Er öffnete sie, und Pfarrer Schulte-Westernkotten fuhr leicht mit der Fingerspitze über die Scheine. Pauls Warnruf kam zu spät. Er deutete auf des Pfarrers Finger. Noch war nichts von einer Rotfärbung zu erkennen. „Das ganze Geld ist noch drin“, sagte der Pfarrer enttäuscht. Und so war es auch nach den anderen Sonntagsmessen. Im Laufe des Vormittags färbten sich auch die Finger des Pfarrers scharlachrot. Bei der Predigt hielt er die Hände fest auf das Pult gepresst, und die Gläubigen wunderten sich, weil er sonst stets mit weit ausladenden Gesten seinen Worten größeres Gewicht zu verleihen suchte.
Jedenfalls wurde noch vor dem Mittagessen ein weiteres Oberhemd zum kurzärmeligen Sommerhemd degradiert.
Es war wie verhext. Fräulein Siebenbaum hatte des Pfarrers Schreibtisch mit einem feuchten Tuch abgewischt. Als ihre jungfräulichen Hände ebenfalls deutliche Spuren des sich anbahnenden Martyriums zeigten, warf sie erbost die Reste des Pulvers in die Mülltonne. Das war am Montag.
Der Dieb blieb abstinent.
Am Dienstag wunderten sich die Arbeitskollegen über Pauls rote Hände. Er murmelte etwas von einer gewissen Medizin.
Der Dieb hielt sich auch am Dienstag bedeckt. Am Donnerstag rief Fräulein Siebenbaum verzweifelt den Kommissar in seiner Dienststelle an. Der jedoch hatte wenig Trost für sie bereit. Er gab freundlich Bescheid, dass das Pulver todsicher wirkte und durch nichts, aber auch gar nichts aus Haut und Hand zu löschen sei, außer durch die Zeit. Nach einer Woche etwa würden die verräterischen Male auf der Haut verblassen und allmählich völlig ausbleichen …
Da hatte Fräulein Siebenbaum den Hörer enttäuscht aufgelegt. Dem Kommissar blieb keine Gelegenheit, daran zu erinnern, dass er nachdrücklich darauf hingewiesen habe, dass man mit der Chemikalie vorsichtig umgehen müsse.
Sicher, am Freitag hatten die Hobbykriminalisten ein Verfahren entwickelt, das sie vor den Wirkungen des Staubes sicher sein ließ. Paul hatte aus seinem Keller eine große Pinzette geholt, mit der sich die Geldbörse ohne Übertragung weiteren Farbstoffes öffnen ließ. Aber alle listigen Pläne führten nicht zum Erfolg. Die fünfundzwanzig Mark fünfunddreißig blieben unberührt. Auch wurden keine weiteren Diebstähle mehr gemeldet. Zwölf Tage war der Köder in Griffnähe. Aber kein Langfinger wurde gekrümmt.
Als die Pastoralassistentin fragte, wem eigentlich der Anorak gehöre, der schon über eine Woche am Kleiderhaken hing, und sie verstünde die Eltern nicht, denen es nicht auffiele, wenn ihr Junge einen Anorak vergessen habe, und überhaupt, diese Wegwerfgesellschaft …, da nahm Paul den alten Anorak vom Haken, entstaubte mit Gummihandschuhen an den Händen die Scheine und Münzen, warf den Anorak fort und die Geldbörse hinterher, schweren Herzens, und seufzte: „Wer weiß, wozu man das alles noch gebrauchen könnte.“ Es blieb ein Rätsel, warum der Dieb seine Gewohnheiten geändert hatte. Paul nahm an, er hätte vielleicht doch aus den Mienen und Blicken der Eingeweihten herausgelesen, dass irgend etwas im Busch sei. Der Pfarrer vermutete, dass Gret oder Fräulein Siebenbaum vielleicht ein Wort zuviel entschlüpft war. Gret hatte den Verdacht, die roten Hände der Männer hätten ihm einen Hinweis gegeben, dass „nichts mehr geht“.
Fräulein Siebenbaum glaubte, dass plötzliche Bekehrungen nicht nur beim heiligen Paulus oder beim heiligen Norbert möglich gewesen seien, sondern mitten in unserer Welt immer wieder Menschen von der bequemen Straße des Lasters auf den schmalen Pfad der Tugend zurückfänden.
Alle jedenfalls hatten die Überzeugung gewonnen, dass Detektiv ein gar nicht so leichter Beruf ist und das Sprichwort „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ zumindest hier eine gewisse Berechtigung hatte.
Tasuta katkend on lõppenud.