Loe raamatut: «Finja und das größte Glück der Erde»

Font:

Yvonne Tschipke

Finja und das größte Glück der Erde

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Impressum neobooks

Kapitel 1

Wann war es eigentlich Abend geworden?

Finja hatte gar nicht bemerkt wie die Sonne hinter dem Berg mit dem dunklen grünen Wald untergegangen war und der Himmel sein strahlendes Blau in ein düsteres, mit kleinen Blinkerpunkten durchzogenes, Schwarz eingetauscht hatte. Sie saß nun schon seit Stunden einfach nur auf einem Stuhl am Fenster und starrte hinaus, ohne wirklich irgendetwas bewusst anzusehen.

Unsicher sah sie sich nun um und lauschte durch die Dunkelheit nach draußen in den Rest des Hauses. Aber alles was sie sah, war schwarz und alles was sie hörte, waren leise Stimmen.

Die Stimmen gehörten zu Finjas Eltern, Eleanore und Justus Eichberg. Und zu Finjas Großmutter Tine Eichberg. Die drei saßen unten in der Küche und sprachen miteinander. Schon den ganzen langen Tag taten sie das. Seitdem Finja und ihre Eltern mit dem großen LKW voller Möbel und Kisten und dem Jeep, den sie mindestens genauso voll gestopft hatten, hier angekommen waren.

Finja seufzte. Der Inhalt des LKW stand jetzt drüben in einer der Scheunen, die zu dem kleinen Bauernhof der Großeltern gehörten. Ein paar wenige Dinge hatten sie in das Haus geschleppt, wo es nun irgendwie ständig im Weg stand. Es würde sicher ziemlich eng werden in der nächsten Zeit, solange bis Finjas Eltern eine bezahlbare Wohnung gefunden haben. Und bis dahin wohnten sie eben zu sechst in dem kleinen Bauernhaus der Großeltern.

Finja schob sich von dem harten Stuhl hoch, auf dem sie saß. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, um in der Dunkelheit nicht zu stolpern. Sie tastete sich zu ihrem Bett – obwohl, nicht mal das gehörte ihr. Es stand im Gästezimmer ihrer Großeltern. Und das sollte ab heute ihr Zimmer sein. Und das ihrer Schwester Yola natürlich. Finja wusste nicht, was sie schrecklicher fand – die Tatsache, dass das winzige Zimmerchen nun ihr Reich sein würde oder dass sie die paar Quadratmeter mit ihrer älteren Schwester teilen musste. Yola und sie waren nicht gerade ein Herz und eine Seele.

Finja ließ sich in das dicke weiche Daunenfederbett fallen. Und seufzte – zum vielleicht schon hundertsten Mal an diesem blöden Tag.

In diesem Augenblick ging die Tür auf. Vom Flur her fiel ein heller Lichtstrahl in das dunkle Zimmer.

„Finja?“ Justus Eichberg drückte auf den Lichtschalter gleich neben der Tür. „Ach, du bist schon im Bett?“, bemerkte er verwundert, als das Licht der spärlichen Deckenlampe sich im Raum ausgebreitet hatte. Finja setzte sich auf und hielt schützend eine Hand vor die vom Licht geblendeten Augen. „Hm“, meinte sie nur. Ihr Vater ließ sich langsam auf der Bettkante nieder. „Komm doch runter. Iss was. Du hast heute den ganzen Tag noch nichts gegessen.“

Essen - dachte Finja – es gab doch viel Wichtigeres auf der Welt als Essen. Ein eigenes Dach über dem Kopf zum Beispiel. Ein eigenes Bett in einem eigenen Zimmer. Oder einen besten Freund. Finja stiegen schon wieder die Tränen in die Augen. Ein bester Freund. Ihr bester Freund. Sie hatte ihren besten Freund an diesem Morgen wohl für immer verloren.

Finjas Herz fühlte sich mit einem Mal noch schwerer an, als sie daran dachte. Fast so als hätte ihr jemand einen Sack mit Felsbrocken darauf gelegt.

Sie hatten ihr Haus verlassen müssen. Es gehörte jetzt jemand anderem. Finja hatte ihr Zimmer verlassen müssen. Auch das gehörte jetzt jemand anderem. Und Finja hatte ihren besten Freund Ragnar verlassen müssen. Auch der gehörte jetzt jemand anderem.

Finjas bester Freund Ragnar hatte vier Beine, einen langen braunen Schweif und eine wunderbar seidige Mähne. Ragnars Fell glänzte in der Sonne wie eine blankgeputzte Kastanie. Und er hatte das weichste Pferdemaul und die treuesten Augen die es nur gab.

Sie hatte ihn an diesem Tag für immer verloren. Und ihr Vater dachte an Essen! Typisch Erwachsene! Was war ihnen eigentlich wirklich wichtig?

„Hab keinen Hunger“, murmelte Finja.

Justus strich seiner Tochter über das dichte dunkelblonde Haar, das sie wie immer zu einem dicken Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. „Ach, Finja ...“, seufzte Justus. Er hätte ihr so gern gesagt, wie leid es ihm tat. Dass sie ihren Hof verlassen und nun hier bei den Großeltern wohnen mussten. Und dass sie Ragnar zurück lassen mussten. Doch er wusste, das hätte Finja in diesem Augenblick nicht getröstet. Darum schwieg er lieber.

Eigentlich fand Finja es nicht besonders schlimm, dass sie bei den Großeltern waren. Sie war gerne hier – eigentlich. In den Ferien oder an den Wochenenden. Großmutter Tine zauberte die welt-beste Erdbeertorte. Und Erdbeertorte liebte Finja über alles. Und als sie ihren ersten Liebeskummer hatte – das war in den letzten Sommerferien – da konnte sie sich an Großmutters weichem Körper stundenlang die Augen ausheulen.

Aber das hier war etwas anderes. Sonst fuhr sie nach den Ferien oder nach einem Wochenende zurück nach Hause – nach Hause auf den Eichberg-Hof am Rand der Stadt. Doch dieses Mal nicht. Der Hof gehörte ihnen nicht mehr. Ein gewisser Herr Falk hatte ihn bei der Versteigerung gekauft. Er war am Morgen in seinem schwarzen BMW auf den Hof gefahren und hatte höchst persönlich überwacht, dass die Eichbergs auch wirklich mit Sack und Pack den Hof verließen. Finja hatte bis zur letzten Sekunde in Ragnars Offenstallbox gestanden, das Gesicht fest in die Mähne des Wallachs gepresst. Erst als ein Mitarbeiter Falks sie ziemlich energisch aufgefordert hatte, den Stall „seines Chefs“ doch endlich zu verlassen, war sie widerwillig in den Jeep gestiegen. Und seitdem hatte sie mit keinem auch nur ein einziges Wort gesprochen.

„Yola hat es gut“, dachte Finja niedergeschlagen, als ihr Vater das Zimmer mit einem Murmeln verlassen hatte. Ihre Schwester musste sich das ganze Drama hier nicht antun, denn sie verbrachte den Sommer in einem Reitercamp an der Ostsee. Mit ihrem Pferd Skye. Ganz kurzfristig hatte sie ein paar Tage vorher noch einen Platz bekommen, obwohl das Camp schon seit Monaten total ausgebucht war. Komisch, dachte Finja verwundert, als ihr das in diesem Augenblick bewusst wurde.

Ja, Yola hatte es gut – sie hatte super tolle Ferien an der Ostsee. Und außerdem hatte sie Skye! Und Finja? Finja hatte nichts. Kein eigenes Zimmer mehr, kein eigenes Pferd mehr. Und schon gar keine tollen Ferien. Außerdem musste sie, wenn die Schule in ein paar Wochen wieder begann, all ihren Freunden erzählen, warum sie jetzt nicht mehr auf dem gemütlichen Hof am Stadtrand, sondern in dem alten Bauernhaus ihrer Großeltern 15 Kilometer von der Stadt entfernt lebte. Schöner Schlamassel!

Kapitel 2

Finja erwachte aus einen ziemlich unruhigen Schlaf. Doch sie öffnete die Augen nicht sofort. Ganz sicher war das alles nur ein böser, blöder Traum. Wenn sie gleich die Augen aufmachte, lag sie bestimmt in ihrem Bett, in ihrem Zimmer, auf ihrem Hof.

Vorsichtig blinzelnd sah Finja sich um. Das erste was sie sah, war die altmodische bunt geblümte Tapete an der Wand gegenüber. Nein! Es war kein Traum gewesen. Sie war nicht zu Hause. Sie lag hier in Oma Tines uraltem, knarrenden Gästebett. Und das stand im Besucherzimmer der Großeltern. Und wenn sie aus dem Fenster schaute, würde sie auch nicht den Pferdestall sehen. Nein – drüben auf der anderen Seite des Hofes gab es nur einen windschiefen Hühnerstall. Und im Stall daneben standen Opas schwarz-weiße Kühe und muhten wie verrückt, weil sie endlich gemolken werden wollten.

Finja machte die Augen gleich wieder fest zu. Sie hatte keine Lust aufzustehen. Nein – am liebsten wollte sie nie wieder aus dem Bett aufstehen. Sie wollte nur hier liegen und darüber nachdenken, wie sie Ragnar zurück bekommen könnte. In Gedanken rechnete sie nach, wieviel Geld sie nun schon auf ihrem Sparkonto hatte. 600 – nein, 700 Euro mussten es mittlerweile sein. Ob das reichen würde? Könnte sie damit zu diesem Herrn Falk gehen und Ragnar zurück kaufen?

Andererseits – Ragnar war i h r Pferd. Immerhin hatte sie nichts mit den Geldproblemen ihrer Eltern zu tun – oder? Und warum sollte sie etwas zurück kaufen müssen, das sowieso schon ihr gehörte. Immerhin hatten die Eltern Finja das Pferd zu ihrem neunten Geburtstag geschenkt.

Sie setzte sich so ruckartig im Bett auf, dass es laut entsetzt los knarrte. Ja, das war es. Das war die Idee. Sie würde sich Ragnar einfach zurück holen. Und wenn sie dann mit ihm hier auf dem Hof stand, dann würden es ihre Eltern ganz bestimmt nicht übers Herz bringen, ihn wieder weg zu schaffen.

Finjas Entschluss stand fest. Ragnar gehörte ihr, ihr ganz allein. Und keiner hatte das Recht, ihn ihr einfach so weg zu nehmen.

Aber zuerst musste sie sehen, wie es ihrem Pferd ging. Deshalb verabredete sie sich ein paar Tage später mit ihrer Freundin Pauline im Stadtpark.

„Wieso kommst du mit dem Bus?“ Pauline sah Finja verwirrt an. Normalerweise radelte Finja in der Stadt überall hin. „Und wieso rennt auf eurem Hof ein fremder Mann herum, der behauptet, dass er jetzt da wohnt?“ Sie war völlig perplex gewesen, als sie am vorhergehenden Tag ihre Freundin besuchen und reiten gehen wollte.

„Naja, wir sind umgezogen“, antwortete Finja. „Umgezogen? Spinnst du? Wieso denn?“ Pauline sah nun noch verwirrter aus als schon zuvor. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Eichbergs ihren tollen Reiterhof verlassen würden – freiwillig. Und außerdem, warum hatte Finjas Mutter es ihrer Mutter nicht schon längst erzählt. Die beiden waren doch befreundet. Pauline wollte noch etwas sagen, da bemerkte sie aber gerade noch rechtzeitig den unglücklichen Gesichtsausdruck ihrer Freundin. Sie legte Finja schnell einen Arm um die Schulter und meinte: „Willst du drüber reden oder lieber nicht?“ Finja schluckte, konnte die Tränen aber nur mit Mühe zurück halten. Pauline, ihre herzensgute Pauline, hatte so eine gewisse Art, die sie immer wieder zum Heulen brachte. Frau Hellersmann, Paulines Mutter, war eine Super-Psychologin. Finja vermutete, dass ihre Tochter das herzensgute Talent schon mit der Muttermilch in sich aufgenommen hatte.

„Ja, aber nicht hier“, schniefte Finja und zog Pauline mit sich bis zu dem kleinen Pavillon, ganz hinten am anderen Ende des Parks, in dem sich die beiden Mädchen getroffen hatten. Dort erzählte sie, was passiert war; die Versteigerung, den Auszug und dass sie Ragnar zurück lassen musste.

„Ach, Mensch, Fini. Das ist ja echt ne blöde Sache. Aber warum hast du denn nicht eher mal was erzählt. Dass deine Eltern Probleme haben und so.“ Pauline nahm Finja fest in den Arm. Das tat gut, verflixt gut.

„Meine Eltern haben ja nicht erzählt, wie schlecht es um den Hof stand. Ich hab nur bemerkt, dass immer weniger Patienten gekommen sind und dass einige von den Pferdebesitzern ihre Pferde in andere Ställe gebracht haben“, erzählte Finja.

„In andere Ställe? Wieso denn?“ Pauline sah ihre Freundin verwundert an. Der Hof der Eichbergs war sehr beliebt. Und eigentlich meist ausgebucht. Es war immer ziemlich schwierig gewesen, eine Extra-Reitstunde zu bekommen.

Finja zog die Schultern hoch. „Keine Ahnung. Ich habe nur ab und zu mitbekommen, wie sich meine Eltern heimlich darüber unterhalten haben. Und gesehen, wenn die Pferde abgeholt wurden.“

Tasuta katkend on lõppenud.