Die besten 12 Strand Krimis Juni 2021

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5

June March streckte ihre blonde Löwenmähne zur Tür herein. „Guten Morgen, Chef.“

„Das wird sich erst herausstellen, ob es ein guter Morgen ist“, gab Bount Reiniger brummig zurück. Er warf eine Alka-Seltzer-Tablette ins gefüllte Wasserglas.

„Was hast du? Ist dir nicht gut?“

Bount legte die Hand auf die Stirn. „Als Junggeselle hat man hin und wieder seine verrückten Tage.“

„Du meinst Nächte.“

„Ja, vermutlich meine ich das, denn über meine Tage wachst ja du.“

„Ich würde auch über deine Nächte wachen, wenn du es zuließest“, sagte June.

„Erinnere mich noch mal daran, wenn ich alt und gebrechlich bin, okay?“

Junes Augen verengten sich. „Du warst mit einem Mädchen aus. Die ganze Nacht!“

„Falsch. Ich war mit einem Mann aus.“

„Schämst du dich nicht?“

„Es war Toby Rogers.“

„Ach so.“

Bount grinste schief. „Der Captain wollte mich unbedingt unter den Tisch trinken.“

„Und?“

„Er ist Zweiter geworden.“

„Und du willst ein erwachsener Mann sein, den man ernst nehmen soll. Schämst du dich denn nicht?“

Bount feixte. „Wie oft soll ich mich denn noch schämen?“

„Ich koche dir jetzt starken Kaffee, das wird dich wieder auf die Beine bringen.“

„Dann bin ich besser dran als Toby, denn der feiert heute - was nur alle Jubeljahre einmal vorkommt - krank.“

Bount trank sein Alka Seltzer. Nachdem er auch Junes Kaffee, mit dem man Tote zum Leben erwecken hätte können, getrunken hatte, fühlte er sich tatsächlich besser. Aber er war weit davon entfernt, sich nun gleich Hals über Kopf in die Arbeit stürzen zu wollen.

Dennoch blieb ihm das nicht erspart, denn als June March wieder sein Allerheiligstes betrat, sagte sie: „Draußen ist jemand, der dich sprechen möchte.“

„Jemand vom Finanzamt?“

June schüttelte den Kopf. „Sein Name ist Errol Cabot. Er ist Frachtunternehmer. Bist du schon in der Lage, mit ihm zu reden?“

„Ich kann’s ja mal versuchen. Schick ihn herein.“

June ging. Statt ihr trat Errol Cabot ein. Bount erhob sich.

„Guten Morgen, Mister Reiniger.“

„Was kann ich für Sie tun, Mister Cabot?“ Bount bot dem Frachtunternehmer Platz an.

„Ich bin sicher, Sie wissen, dass sich in letzter Zeit Überfälle auf Trucks mit wertvoller Ladung häufen“, begann Errol Cabot.

Bount wusste in der Tat davon. Er hatte die Berichte aufmerksam in den Zeitungen verfolgt.

„Dreimal“, führ Cabot fort, „wurden nun auch schon Trucks, die mir gehören, überfallen. Ich weiß nicht, was die anderen Frachtunternehmer dagegen zu tun gedenken. Es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht. Ich weiß nur, dass ich mir das nicht bieten lasse. Man hat mich geschlagen. Und ich schlage zurück. Ich gehöre nicht zu denen, die immer wieder auch noch die andere Backe hin halten.“

„Ich nehme an, die gestohlene Ladung war versichert.“

„Selbstverständlich war sie das.“

„Finanziell gesehen erwächst Ihnen aus den Überfällen also kein Schaden.“

„Das stimmt nicht ganz, Mister Reiniger“, widersprach Errol Cabot. „Wenn täglich weitere Trucks überfallen werden, werden sich die Firmen, mit denen ich zusammenarbeite, andere Transportmöglichkeiten suchen, und dann habe ich sehr wohl Schaden. Aber davon abgesehen, muss gegen die herrschenden Zustände etwas unternommen werden. Meine Fahrer haben Angst. Einer von ihnen wurde gestern Abend schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Durchsiebt von mehreren Kugeln. Es ist ein Wunder, dass Paul Carson überhaupt noch lebt. Die Ärzte zweifeln an seinem Durchkommen. So darf das nicht weitergehen. Deshalb bin ich hier. Ich möchte, dass Sie diesen Gangstern das Handwerk legen.“

„Haben Sie eine Vermutung, weshalb Paul Carson niedergeschossen wurde?“, fragte Bount.

„Er wird sich geweigert haben, den Gangstern den Truck zu überlassen. Sie treten immer als Greise maskiert auf. Vielleicht hat er einem von ihnen die Maske heruntergerissen. Zuzutrauen wäre das Carson. Eine MPi kann ihn nicht einschüchtern.“

Bount fragte, in welchem Krankenhaus Carson lag. Er schrieb sich den Namen auf.

„Ich zahle jedes Honorar“, sagte Cabot.

Bount lächelte. „Das entspricht nicht meinen Geschäftspraktiken, Mister Cabot. Sie bezahlen das gleiche wie jeder andere Klient. Das sind zweihundert Dollar pro Tag, Spesen extra.“

„Einverstanden“, sagte Cabot sofort und nickte.

„Können Sie einen Truck-Driver gebrauchen?“, erkundigte sich Bount Reiniger.

„Wissen Sie mit einem solchen Unikum umzugehen?“

„Ich bin auf der Ladefläche eines Lastwagens zur Welt gekommen, und meine Mutter hat mich mit Benzin aufgezogen“, erwiderte Bount lächelnd. „Erwarten Sie mich im Laufe des Vormittags in Ihrem Büro. Ich werde mich offiziell bei Ihnen um den Job bewerben. Und ich werde mich Bruce Sheridan nennen. Bruce Sheridan! Nicht vergessen.“

„Nein, nein, das geht schon klar“, sagte Cabot.

„Besser, Sie sprechen mit niemandem darüber. Es könnte sein, dass die Gangster eine Verbindung zu Ihrer Firma haben.“

„Niemand wird davon erfahren, was wir beide in die Wege leiten. Nicht einmal meine Tochter Celestine.“

„Dann bis später“, sagte Bount und reichte Errol Cabot die Hand.

Der Frachtunternehmer verließ den Raum. Kaum war er weg, da erschien June March wieder. „Was tut sich?“

„Du wirst die Geschäfte hier eine Weile allein führen müssen.“

„Verreist du?“

„So könnte man es nennen. Mit einem Truck. Ich werde mich von Errol Cabot als Truck-Driver einstellen lassen.“

„Wegen dieser Überfallserie?“

„Kluges Köpfchen.“

„Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?“, fragte June. Sie mischte bei Bounts Fällen gern mit, doch er trachtete stets danach, sie aus der Schusslinie zu halten, weil sie ihm zu kostbar war und er sie nicht verlieren wollte.

„Du hältst hier die Stellung. Das ist alles, was du im Augenblick für mich tun kannst“, sagte Bount Reiniger und begab sich nach nebenan in sein Apartment, um sich umzuziehen, denn mit Krawatte und Anzug konnte er keinen Truck-Driver spielen.

6

Der Mann, dem Paul Carson die Maske vom Gesicht gerissen hatte, hieß Charles Marcuse. Ein Verbrecher übelster Sorte. Er hatte mehrmals bei Errol Cabot als Fahrer ausgeholfen, und von der Zeit her kannte ihn Carson. Das war auch der Grund gewesen, weshalb er ihn sofort niedergeschossen hatte. Es durfte keinen Augenzeugen geben.

Marcuse hatte eine lange rote Narbe an seiner rechten Wange. Das rechte Auge hing etwas tiefer. Dass er damit noch sehen konnte, verdankte er einer Meisterleistung der Ärzte, die ihn nach einer Schlägerei zusammenflickten.

Er saß in seiner Stammkneipe und hatte einen Whisky vor sich stehen. Das Girl, das neben ihm saß, war üppig und willig. Für einen Drink war sie für jeden zu haben. Er wusste das, hatte ihr den Drink bereits spendiert und wollte sie nun in seine Bude abschleppen, wo er mit ihr einen Großteil des Vormittags zu verbringen beabsichtigte.

Aber ein Anruf machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Er hatte den Drink umsonst investiert.

„Charles!“, rief der Wirt, ein dicker Kerl mit Froschaugen.

„Ja?“

„Telefon für dich!“

Marcuse wandte sich an die üppige Brünette. „Du rührst dich nicht von der Stelle, verstanden? Ich habe noch was Großes mit dir vor.“

„So?“ Die Kleine kicherte dümmlich. „Was denn?“

„Etwas, worauf wir beide mächtig scharf sind“, erwiderte Marcuse und begab sich zum Telefon. Er schloss die Zellentür hinter sich und griff nach dem bereitliegenden Hörer. „Hallo!“

„Charles?“ Es war die Stimme des Bosses.

„Am Apparat, Boss.“

„Ich war von dir bisher immer gewöhnt, dass du Nägel mit Köpfen machst.“

„Tu’ ich doch immer.“

„Eben nicht.“

„Was ist denn passiert?“

„Paul Carson ist nicht tot.“

Charles Marcuses Herz übersprang einen Schlag. Er zuckte zusammen, als hätte ihn jemand geschlagen. „Nicht tot?“

„Du hättest dich davon überzeugen sollen. Stattdessen hast du ihn einfach liegen gelassen und bist abgehauen.“

„Verdammt, ich war sicher, dass er mausetot ist, Boss. Ehrlich.“

„Er hat dich erkannt.“

„Ja. Deshalb habe ich ihn ja mit Blei vollgepumpt. Ich kann’s einfach nicht glauben, dass er das überlebt hat.“

„Es ist aber so. Bisher war er noch nicht in der Lage, etwas zu sagen. Aber wenn die Ärzte ihn durchbringen, sieht es nicht gut für uns alle aus. Du kannst dir denken, was wir dann mit dir machen. Wir haben keinen Platz für Versager. Von solchen Leuten trennen wir uns, ehe sie für uns zum Risiko werden können. Hast du mich verstanden?“

„Ja“, krächzte Charles Marcuse. „Ja, Boss. Ich habe verstanden.“ Dicke Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.

„Du wirst dir sofort etwas einfallen lassen.“

„Natürlich.“

„Paul Carson ist für uns alle eine große Gefahr.“

„Nicht mehr lange“, versprach Charles Marcuse. „Ganz bestimmt nicht mehr lange.“ Er erfuhr vom Boss den Namen des Krankenhauses und hängte ein. Die Brünette saß immer noch artig am Tisch, wie Marcuse es von ihr verlangt hatte.

„Gehen wir jetzt zu dir?“, fragte sie mit einem gekonnten Augenaufschlag.

„Tut mir leid. Mir ist etwas dazwischengekommen“, brummte Marcuse.

„Na, du bist mir vielleicht ein Kavalier. Zuerst versprichst du mir Gott weiß was, und dann hältst du’s nicht.“

 

„Ach, halt die Klappe“, sagte Marcuse ärgerlich und verließ das Lokal. Er hatte jetzt andere Sorgen.

7

Da Toby Rogers' Wohnung auf dem Weg zum Krankenhaus lag, machte Bount Reiniger einen Sprung beim Captain vorbei. Toby fühlte sich hundeelend, und er konnte nicht begreifen, wie es Bount schaffte, schon wieder so putzmunter zu sein. Bount Reiniger blieb zehn Minuten. Er deckte den Freund mit guten Ratschlägen ein und setzte die Fahrt zum Krankenhaus dann fort.

Dem Chefarzt schenkte er reinen Wein ein. Ihm gegenüber gab er sich nicht als Bruce Sheridan, Truck-Driver, sondern als Bount Reiniger, Privatdetektiv, aus. Der Doktor schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Mister Reiniger, aber ich darf Sie nicht zu Mister Carson lassen. Der Mann befindet sich auf der Intensivstation, die kein Besucher betreten darf. Außerdem wäre es Ihnen nicht möglich, mit dem Patienten zu sprechen. Er hat sein Bewusstsein nämlich noch nicht wiedererlangt.“

„Wie stehen seine Chancen, Doc?“, erkundigte sich Bount Reiniger.

Der Arzt wiegte bedenklich den Kopf. „Nicht sehr gut. Im Allgemeinen neige ich dazu, optimistisch zu sein, doch in diesem Fall ...“

„Er wurde gestern Nacht eingeliefert, nicht wahr?“

„Ja. Und sofort operiert. Die Lunge war zerschossen, und auch der Magen hatte etwas abbekommen. Es war eine schwierige Operation. Sieben Stunden hat sie gedauert. Zweimal kam es zum Herzstillstand des Patienten. Wir konnten ihn aber jedes Mal wiederbeleben.“

„Hat er, als er eingeliefert wurde, oder nach der Operation irgendetwas gesagt?“

„Der Mann war besinnungslos und ist es immer noch.“

„Kann er nicht unter dem Einfluss der Narkose geredet haben?“

„Er hat nichts gesagt. Keinen Ton.“

„Darf ich morgen wiederkommen, Doc?“

„Selbstverständlich. Wenn er die nächsten vierundzwanzig Stunden hinter sich gebracht hat, ist er vielleicht über den Berg.“

„Es besteht also eine Hoffnung?“

„Die besteht immer, solange ein Mensch lebt“, erwiderte der Arzt. Das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete. Er hob ab, meldete sich mit seinem Namen, lauschte kurz, erschrak, sagte: „Ich komme sofort!“ Er warf den Hörer in die Gabel. Zu Bount sagte er nur: „Carson!“

„Hat sich sein Zustand verschlechtert?“

„Ja“, gab der Arzt zurück und verließ hastig den Raum. Bount folgte ihm. Vor der großen Glastür, durch die man die Intensivstation erreichte, blieb er stehen. Er zündete sich eine Pall Mall an und wartete ungeduldig auf die Rückkehr des Chefarztes, der nun daranging, mit seinem Team um das Leben des Truck-Drivers zu kämpfen.

Zwanzig Minuten vergingen. Bount hatte das Gefühl, auf glühenden Kohlen zu stehen. Er rauchte eine Zigarette nach der andern. Endlich öffnete sich die große Glastür. Der Chefarzt kehrte zurück. Die Ungewissheit hatte ein Ende. Bount brauchte keine Frage mehr zu stellen. Er konnte es vom Gesicht des Arztes ablesen, dass Paul Carson nicht mehr lebte.

„Wir haben alles versucht“, sagte der Chefarzt.

„Das glaube ich Ihnen, Doc. Aber Carsons Uhr war abgelaufen. Dagegen sind Sie machtlos.“

8

Beim Verlassen des Krankenhauses fiel Bount Reiniger ein Mann auf, den man selbst bei Nachsicht aller Taxen nicht als schön bezeichnen konnte. Es war Charles Marcuse, aber das wusste Bount zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Marcuse war gekommen, um Paul Carson für immer zum Schweigen zu bringen. Er hätte sich den Weg sparen können, denn Carson war bereits tot. Gestorben an seinen Kugeln. Ohne es zu ahnen, ging Bount Reiniger an Paul Carsons Mörder vorbei. Aber es würde nicht das letzte Mal sein, dass das Schicksal sie zusammenführte ...

Mit einem Taxi fuhr Bount Reiniger zu Errol Cabots Frachtunternehmen. Die Sekretärin, ein freundliches Mädchen, das ein cremefarbenes Kleid mit Spaghettiträgern trug, führte ihn - also Bruce Sheridan - zu Mister Cabot, der die Fahrer persönlich einstellte.

Cabot saß an seinem Schreibtisch. Hinter ihm prangte ein riesiges Foto an der Wand, das seine Truck-Flotte zeigte. Er war nicht allein. Ein hübsches blondes Mädchen war bei ihm. Ihr Haar war kurz geschnitten. Dadurch kam ihr schlanker Hals gut zur Geltung. Ihre Augen waren groß, kindlich und rehbraun. Der Busen war nicht sonderlich groß, aber er wirkte fest, auch ohne BH.

„Mister Sheridan möchte sich um den Job eines Fahrers bewerben“, erklärte die Sekretärin.

Cabot nickte. Die Sekretärin zog sich zurück. Cabot bot Bount Platz an. Die Blondine, die am Fenster stand, blickte nach draußen. Bount setzte sich.

„Sie wollen also für mich fahren, Mister Sheridan“, sagte Errol Cabot.

„Oh ja, Sir, das würde ich sehr gern.“

„Haben Sie die nötige Erfahrung?“

„Ich war vier Jahre für BINGO TRANS unterwegs.“

„Und warum sind Sie’s nun nicht mehr?“

„Weil ich ständig Ärger mit dem Juniorchef hatte. Das war auf die Dauer nicht mehr tragbar, deshalb nahm ich beizeiten meinen Hut. Ich hätte dem verzogenen Jungen sonst noch einen Schneidezahn lockern müssen.“

„Ich könnte einen Fahrer gebrauchen. Aber wir gehen harten Zeiten entgegen, Mister Sheridan.“

„Sie meinen die Überfälle, nicht wahr?“

„Ja, die meine ich.“

Bount grinste. „Ich fürchte mich nicht.“

Cabot sprach von Tariflöhnen und Firmenzulagen. Bount hörte nur mit einem Ohr hin. Er wusste dass Cabot das alles nur wegen der Blonden abspulte. Die Sache musste echt wirken.

„Wenn Sie mit den Bedingungen einverstanden sind“, sagte Cabot abschließend, „bin ich bereit, es mit Ihnen zu versuchen, Mister Sheridan.“

„Keine Einwände, Sir“, sagte Bount lächelnd.

„Dann auf gute Zusammenarbeit“, meinte Cabot und streckte Bount Reiniger die Hand entgegen.

„Auf gute Zusammenarbeit“, erwiderte Bount und ergriff die Hand.

„Wann können Sie anfangen?“

„Morgen.“

„Celestine“, sagte Cabot, und Bount wusste nun Bescheid. Dieser reizende Käfer war also Errol Cabots Tochter. Es war überflüssig, dass der Frachtunternehmer sie ihm vorstellte, aber es gehörte zum Spiel, und Bount spielte mit. „Celestine wird Sie zu Mister Tennessee Brooks, unserem Fuhrparkleiter, bringen“, sagte Cabot.

Bount verließ mit der Blonden das großzügige Büro. „Netter Mann, Ihr alter Herr“, sagte Bount Reiniger.

Celestine lächelte. „Ich kann ihn auch gut leiden.“

„Er hat eine gewinnende Art. Man muss ihn einfach mögen.“

„Zurzeit hat er Sorgen.“

„Die gehen vorbei.“

„Ich wollte, ich könnte ihm helfen“, sagte Celestine.

„Mal sehen, vielleicht kann ich etwas für ihn tun“, sagte Bount. „Sie hängen sehr an ihm, nicht wahr?“

„Ich wüsste nicht, wie ich ohne ihn leben sollte.“

„Würden Sie das Frachtunternehmen erben?“

„Ja. Aber ich könnte es nicht leiten, dazu wäre ich zu schwach.“

„Gar so schwach sehen Sie auch wieder nicht aus“; sagte Bount.

„Um so ein Unternehmen zu führen, muss man schon eine robustere Natur haben, als ich sie besitze“, sagte Celestine. Sie trat mit Bount aus dem Bürogebäude und ging mit ihm zu den Truck-Hallen hinüber. Sie geriet mit dem Stöckel ihres Schuhs in eine Ritze im Beton und kippte um. Bount fing sie auf. Seine beiden Arme lagen einen Augenblick um sie. Ihr Gesicht war seinem ganz nahe. Er trat verlegen einen Schritt zurück und sagte: „Entschuldigen Sie, Miss. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“

Sie lächelte nur, sagte nichts. Es gefiel ihr anscheinend, den Männern schöne Augen zu machen und ihnen den Kopf zu verdrehen. Sie setzten ihren Weg fort. Tennessee Brooks trat soeben aus der Truck-Halle.

Als er Celestine und Bount erblickte, musterte er Bount Reiniger wie einen persönlichen Feind. Celestine machte die Männer miteinander bekannt. „Dies ist Mister Tennessee Brooks, unser Fuhrparkleiter. Und das ist Mister Sheridan.“

„Bruce Sheridan“, ergänzte Bount. „Mein Vater hat Mister Sheridan als Truck-Driver eingestellt“, erklärte das Mädchen.

„So“, brummte Brooks. „Hat er das?“ Er betrachtete Bount gründlich. „Und Sie können mit so ’nem Riesenbaby umgehen, Sheridan?“

„Möchten Sie, dass ich für Sie eine Runde drehe?“, fragte Bount.

„Wir sind hier nicht im Zirkus. Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie hierherkamen?“

„Bei BINGO TRANS.“

„Hat man Sie da hinausgeschmissen?“

„Nein. Aber nur deshalb nicht, weil ich denen zuvorgekommen bin.“

„Warum das?“

„Ich vertrug mich mit dem Juniorchef nicht.“

„Na, hoffentlich vertragen Sie sich mit mir.“

„Ich denke, mit Ihnen werde ich klarkommen, Mister Brooks“, sagte Bount.

„Bei uns wird hart gearbeitet.“

„Davor fürchte ich mich nicht.“

„Und Angsthasen sind bei uns fehl am Platze!“

Bount lächelte. „Keine Sorge, Mister Brooks, ich bin kein Feigling.“

Tennessee Brooks nickte. „Warten Sie hier einen Augenblick. Ich muss einen Truck abfertigen. Bin gleich wieder bei Ihnen.“

Brooks ging, und Celestine lächelte Bount an. „Lassen Sie sich von seiner bärbeißigen Art nicht abschrecken, Bruce. Er hat eine furchtbar harte Schale, aber einen weichen Kern. Er spielt bloß den wilden Mann, um sich bei den Männern besser durchsetzen zu können.“

„Das werde ich mir merken“, sagte Bount.

„Ich muss zurück zu meinem Vater“, sagte Celestine. „Wenn Sie irgendwie nicht klarkommen, können Sie sich jederzeit an Dad oder mich wenden. Wir versuchen eine große Familie zu sein, in der jeder für jeden da ist.“

„Auch daran werde ich denken“, sagte Bount.

Celestine verließ ihn. Ihr Gang war ein Erlebnis. Sie wiegte sich leicht in den Hüften, und es wirkte kein bisschen übertrieben. Geschmeidig wie eine Katze. Eine Augenweide.

Als sie im Bürogebäude verschwand, legte sich eine schwere Hand auf Bount Reinigers Schulter. „He, du!“

Bount Reiniger drehte sich langsam um. Er stand einem gutaussehenden Burschen gegenüber. Schwarzhaarig, glutäugig, sonnengebräunt und muskulös. Ein Schönling in Jeans und Jackett.

„Meinst du mich?“

„Ist außer uns noch jemand da?“

„Ich sehe niemand.“

„Na also. Wie heißt du?“

„Bruce Sheridan. Und du?“

„Brick Curtis. Ein Name, den du dir merken solltest.“

„Aha. Und weswegen?“

Darauf ging Curtis nicht ein. Stattdessen sagte er: „Ich habe etwas gegen Kerle, die sich gleich am ersten Tag an die Tochter des Chefs heranschmeißen.“

„Habe ich das getan?“

„Und wie! Denkst du, ich bin blind? Ich habe genau gesehen, wie du sie in den Arm genommen hast.“

Bount lächelte. „Eifersüchtig?“

Brick Curtis’ Augen wurden schmal. „Hör mal, du lässt die Finger von der Kleinen. Auf die habe ich ältere Rechte.“

„Ach so ist das. Du würdest dich gern ins gemachte Nest setzen.“ Curtis schlug ansatzlos zu. Bount reagierte trotzdem schnell genug. Er nahm den Kopf zurück, Curtis’ Faust wischte an seiner Kinnspitze vorbei, und er konterte hart.

Brick Curtis japste nach Luft. Eine sinnlose Wut übermannte ihn. Er stürzte sich auf Bount und hieb mit seinen Fäusten auf ihn ein. Mehrmals traf er ganz gut. Die meisten Schläge aber blieben in Bount Reinigers Deckung hängen.

Da Curtis nicht von selbst aufhörte, musste Bount Reiniger ihn bremsen. Er brachte den Mann mit einem gekonnten Judowurf zu Fall.

Curtis knallte auf den Beton. Bount hätte den Burschen jetzt spielend mit einem Karatetritt ausschalten können, aber darauf verzichtete er. Er wollte nicht zu weit gehen.

Curtis hatte seine Lektion erhalten. Das reichte vorläufig.

Tennessee Brooks kehrte zurück. Von Weitem hatte er den Kampf verfolgt. Er erreichte die beiden, als Brick Curtis sich ächzend erhob. „Sie haben sich nicht schlecht verteidigt, Sheridan“, sagte der Fuhrparkleiter anerkennend. „Ich bin zwar an und für sich gegen Reibereien in der Crew, aber diese war wohl doch nötig, damit Ihr Kollege weiß, wie er mit Ihnen dran ist.“

„Ich denke“, erwiderte Bount mit finsterer Miene, „dass ich damit zweierlei bewiesen habe: dass ich kein Angsthase bin und dass man mich mit Vorsicht genießen muss.“

 

„Sie werden sich wunderbar in unsere Mannschaft einfügen, davon bin ich überzeugt“, sagte Brooks.

Curtis stand grimmig neben ihnen. Blut rann aus seiner Nase. Brooks reichte ihm sein Taschentuch. „Hier, wisch das Blut ab und gib Sheridan die Hand. Du kannst von Glück sagen, dass er dir die Zähne nicht eingeschlagen hat. Verdient hättest du’s nämlich.“

Curtis ließ sich mit dem Abwischen Zeit.

„Wird’s bald? Gib ihm die Hand!“, herrschte Brooks ihn an. „Ich mag in der Mannschaft keine Zwistigkeiten.“

Curtis reichte Bount Reiniger widerwillig die Hand und trollte sich dann. Bount wusste, dass dieser Bursche nicht so bald zu seinen Freunden zählen würde.