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Eine Stunde später erhielt er eine Nachricht.

Taro: Entschuldige noch mal wegen gestern Abend. Ich mache es wieder gut. Brauche nur ein bisschen Zeit.

Dell starrte auf die Worte, die nicht im Geringsten halfen, seine Nerven zu beruhigen. Zeit für was? Um sich zu überlegen, wie er Dell behutsam abservierte? Zeit, sich eine Ausrede einfallen zu lassen, warum Taro nicht länger mit einem Junkie befreundet sein konnte?

Das war dumm. Taro war der unvoreingenommenste Mensch, den Dell je kennengelernt hatte, sogar im Vergleich zu Onkel Charles. Es musste etwas anderes dahinterstecken.

Dell: Bitte ruf mich an, wenn nötig. Lass mich dir ein Freund sein. Bitte?

Es dauerte lange, bevor Taro sich meldete. Bald. Danke.

Zwei kleine Worte waren nicht viel, aber für den Moment mussten sie reichen.

Kapitel Vier

Dell bot an, das Set aufzuräumen und die Ausrüstung wegzustellen, nachdem sie mit dem Drehen fertig waren und die Darsteller gegangen waren. Er konnte sehen, wie begierig Onkel Charles war, nach oben zu Cris und Jake zu gelangen, und Dell hatte nichts gegen die zusätzliche Arbeit einzuwenden.

Der Dreh war perfekt geeignet gewesen, um sich von Taros anhaltendem Schweigen und den möglichen Gründen abzulenken. Sie hatten sich nur zwölf Tage lang geschrieben, was wirklich nicht lange war, aber manchmal kam es Dell vor, als würde er Taro schon seit Jahren kennen.

Das letzte Mal hatte er so empfunden, als Rick Fowler bei ihnen geklingelt hatte, um für das Studio vorzusprechen. Nachdem das Bewerbungsgespräch vorüber war, hatten sie beinahe eine Stunde damit verbracht, sich im Flur zu unterhalten. Damals war alles so leicht gewesen, genau wie mit Taro auf der Geburtstagsparty.

Dell wusste nicht, ob er es ertragen könnte, schon wieder einen Freund zu verlieren.

Es war nach elf, als er alles für das nächste Mal verstaut hatte. Erst dann nahm er sein Handy aus dem Regal und stellte es wieder auf laut – eine Lektion, die er während seines zweiten Drehs gelernt hatte, als ein Anruf den Moneyshot zerbombt hatte. Dell war am Boden zerstört gewesen, aber die anderen hatten es locker genommen, besonders Onkel Charles.

Cris war einer der Darsteller an dem Tag. Er war immer nett, hat mich nie verurteilt. Kein Wunder, dass Onkel Charles sich so zu ihm hingezogen fühlt.

Dell fand eine Handvoll neuer E-Mails im Postfach der Website, aber am meisten überraschte ihn der Hinweis, dass über Skype ein Anruf eingegangen war. Er hatte die App seit Ewigkeiten nicht verwendet und sein Herz blieb beinahe stehen, als er erkannte, dass es sich um Taros Nummer handelte. Er antwortete, ohne weiter darüber nachzudenken.

Beinahe sofort sprang der Bildschirm auf. Dell konnte nicht verhindern, dass ihm beim Anblick von Taros Gesicht der Mund aufklappte. Über seinen linken Wangenknochen zog sich ein dunkler Bluterguss um eine Platzwunde, die so lang wie Dells kleiner Finger war. Sein linkes Auge war blau unterlaufen.

»Himmel, Taro«, quiekte Dell.

»Ich weiß, es sieht übel aus, aber es ist nicht so wild«, erwiderte Taro. Seine Haltung und sein Tonfall waren zu zögernd. Das war nicht der selbstsichere Mann, an den Dell sich erinnerte.

»Hat Marty das getan?«

»Nein, es war nicht seine Schuld.«

Dell konnte nicht aufhören, die Wunde anzustarren, die Taros atemberaubendes Gesicht verunstaltete; schockiert, dass so etwas Grausiges existieren durfte. »Geht es dir gut? Was ist passiert?«

»Es war ein Unfall, aber ich war hinterher furchtbar verlegen und das hat meine Zwangsstörung getriggert. Daher musste ich mich Montag an meine Routine halten. Ich kam da nicht raus und ich fühle mich wirklich mies, dass ich dich versetzt habe. Und deshalb ging es mir heute noch viel schlechter, sodass ich auch noch mein Essen mit Cris abgesagt habe.«

»Oh.« Taros Worte zerbrachen die Schale der Angst, die sich seit Sonntag um Dells Herz gelegt hatte. Es war nicht seine Schuld. Er hatte es doch nicht verdorben. »Danke fürs Anrufen. Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht.«

»Ich weiß und es tut mir so leid.« Taros Blick löste sich von seinem. »Wo bist du?«

»Noch unten im Studio. Wir haben einen Dreh hinter uns und ich bin zum Aufräumen hiergeblieben. Ich dachte, Onk… Chet. Nein, weißt du was? Scheiß drauf. Ich nenne ihn Onkel Charles, denn so heißt er für mich eben.«

»Nenn ihn, wie immer du magst. Ich kann mir Zweitnamen merken, versprochen.« Taros Lächeln ließ die furchtbare Verletzung etwas weniger grausig erscheinen.

»Wie dem auch sei, ich dachte, Onkel Charles möchte so viel Zeit wie möglich mit seinen, nun, Lebensgefährten verbringen. Sie scheinen nun offiziell zusammen zu sein.«

»So viel hat Cris heute Abend auch gesagt.«

Dell blinzelte. »Ich dachte, du hättest abgesagt.«

»Ich hab's versucht. Der sture Hund kam trotzdem bei mir vorbei, hat mich zum Reden gezwungen, war fürchterlich um meine Ehre besorgt und hat uns Take-away geholt, sodass wir doch noch zu unserem Abendessen gekommen sind.«

»Oh.« Dell ging zu einem der Sofas am Set, um sich hinzusetzen. »Würdest du mir erzählen, was passiert ist? Bitte?«

»Marty hat es nicht getan, aber Cris hat mir geholfen zu erkennen, dass es dennoch in gewisser Hinsicht seine Schuld war.« Taro kratzte sich am Kinn, die Lippen angespannt. »Wir haben uns wie verabredet Sonntag zum Mittagessen getroffen und haben eine tolle Zeit miteinander verbracht. Haben uns über alles Mögliche unterhalten, inklusive der Tatsache, dass ich demi bin. Er schien das aufrichtig zu akzeptieren und wirkte interessiert, was nicht oft geschieht, das kannst du mir glauben. Um es kurz zu halten: Er hat mich in seine Wohnung eingeladen, um mir seine Sammlung Pop-Vinyls anzuschauen, die ich ebenfalls sammle.«

»Was ist Pop-Vinyl? Schallplatten?«

Taros Gelächter kitzelte angenehm über Dells Wirbelsäule. »Nein, es sind Action-Figuren aus der Popkultur beziehungsweise Spielzeuge. Ich schicke dir ein Bild meiner Sammlung, damit du eine Vorstellung bekommst. Also bin ich ihm in meinem Wagen gefolgt, habe mir seine Sammlung angeschaut und wir haben uns auf die Couch gesetzt, um uns zu unterhalten. Wir haben etwas getrunken. Ich konnte seiner Körpersprache entnehmen, dass er Interesse an mir hatte, was sowohl aufregend als auch beängstigend war.«

Dell war nicht in der Lage, Körpersprache zu lesen. Er hatte es während seiner Highschoolzeit meistens übersehen, wenn ein Mädchen mit ihm geflirtet hatte. »Warum war es sowohl aufregend als auch beängstigend?«

»Aufregend, weil es schon so lange her war, dass mich jemand geküsst hatte, und noch länger, seitdem ich mit jemandem Sex hatte. Einige Leute im Ace-Spektrum stehen überhaupt nicht auf Sex, andere hingegen schon. Ich mag Sex, aber es fällt mir schwer, jemanden zu finden, dem es nicht um Erst ficken, dann reden geht, denn das funktioniert für mich einfach nicht.«

»Das verstehe ich.«

»Und genau deshalb war es auch beängstigend. Es wäre ganz leicht gewesen, es einfach zuzulassen und es zu treiben, aber ich hätte mich hinterher schuldig gefühlt. Ich bin niemand für eine schnelle Nummer. So funktioniere ich nicht.«

»Ich verstehe dich besser, als du ahnst«, sagte Dell. Das Eingeständnis war ihm ein wenig peinlich, aber es schien Taro weiter zu entspannen.

Taro lächelte. »Ich schätze, das tust du. Marty hat mich aufgezogen, was Küsse beim ersten Date angeht, und ich habe gesagt, dass ich damit einverstanden bin. Auch wenn ich es im Nachhinein wohl nicht war. Ein kurzer Kuss auf die Lippen vielleicht, aber es wurde intensiver, als ich angenehm fand.«

Unerwarteter Ärger brachte Dell zum Kochen. »Ich dachte, du hättest gesagt, dass er dir nicht wehgetan hat.«

»Er hat mir körperlich nicht wehgetan«, sagte Taro fest. »Der Kuss wurde zu heftig und ich bin in Panik geraten. Ich wollte aufstehen, bin über meine eigenen großen Füße gestolpert und hab mir das Gesicht am Couchtisch angeschlagen. Das war mir so peinlich, dass ich abgehauen bin, und dann habe ich mich so geschämt, dass ich jeden ausgeschlossen habe, inklusive Cris und dir. Das tut mir leid.«

Dell wollte durch sein Handy hindurchgreifen und Taro eine Form von körperlichem Trost anbieten, aber er war nicht sicher, ob das selbst dann erwünscht gewesen wäre, wenn sie sich im selben Raum befunden hätten. Alles, was er tun konnte, war, Taro zu ermuntern, mit ihm zu reden. »Warum dachtest du, dass du dich vor uns verstecken musst? Besonders vor Cris? Er ist dein bester Freund.«

Taro stieß verzweifelt die Luft aus. »Ich wusste, dass Cris den Alphawolf raushängen lassen und versuchen würde, alles wieder hinzubiegen. Außerdem hat er schon genug mit Jake und Chet zu tun, sodass es nicht gut gepasst hat, als ich davon erzählt habe. Es kam mir so dumm vor überzureagieren, nur weil man während eines Kusses berührt wird.«

»Aber für dich ist es nicht dumm und für mich auch nicht. Ich hätte genauso reagiert, wenn ich einem Kuss zugestimmt hätte und der Typ auf einmal an mir herumtatscht.« Dells Magen verkrampfte sich. Er hatte die Worte ausgesprochen, ohne darüber nachzudenken, aber damit im Grunde zugegeben, dass er sich von einem Mann küssen lassen würde. »Es, hm, ist nicht wichtig, ob Marty ein netter Kerl ist, er ist zu weit gegangen. Du hast ein Recht darauf, entsprechend zu reagieren, Taro.«

»Danke. Cris hat etwas Ähnliches gesagt. Ich bin froh, dass er hergekommen ist und mir geholfen hat zu erkennen, dass es nicht meine Schuld war. Ich meine, klar, ich bin gestolpert, aber Marty hat meine Grenzen nicht respektiert. Ich habe ihm schließlich geschrieben, nachdem Cris gegangen ist. Ich habe ihm gesagt, dass es mir gut geht, aber dass ich lieber mit ihm befreundet wäre, als mehr anzusteuern. Er meinte, er wäre damit einverstanden.«

 

»Glaubst du ihm?«

Taro zuckte die Schultern. »Schwer zu sagen bei einer Textnachricht. Ich schätze, wenn er das nächste Mal reagiert, wenn ich mich bei ihm melde, werde ich es wissen. Allerdings hat er etwas Merkwürdiges gesagt, als ich vor Scham aus seiner Wohnung geflüchtet bin.«

»Was denn?«

»Irgendetwas wie Warum laufen ausgerechnet mir immer die Seltsamen über den Weg?«

Dell knurrte, ein Instinkt, der ihn überraschte.

Taro hob eine Braue, ging jedoch nicht darauf ein. »Ich gebe zu, dass ich seltsam bin. Ich habe akzeptiert, dass ich mich von den meisten anderen Männern unterscheide. Aber ich frage mich, wen der arme Kerl sonst noch aufreißen wollte, nur um an Persönlichkeitsmacken zu scheitern.«

»Schwer zu sagen.« Es war Dell egal. Er hasste es, dass Taro von dem Typ verletzt worden war, egal wie indirekt. »Aber Taro, geht es dir gut? Im Ernst jetzt.«

»Ja. Ich verspreche es. Ich habe angerufen, um dir zu sagen, dass ich in Ordnung bin und dass es mir leidtut, dass ich dich ausgeschlossen habe. Das war unglaublich unfair und ich kann mir höchstens vorstellen, was du jetzt von mir denken musst.«

»Um ehrlich zu sein, habe ich nicht schlecht von dir gedacht.« Taro war aufrichtig, also schuldete Dell ihm dasselbe. »Ich dachte, ich hätte etwas falsch gemacht.«

»Hast du nicht, ich schwöre es. Das geht ganz auf meine Kappe und die meines wirren Hirns. Wie schon gesagt, ich musste zu meinen vertrauten Routinen zurückkehren und du bist ein so neuer Teil meines Lebens, dass ich im ersten Moment dachte, es wäre das Richtige, dich auszuschließen. Auch wenn mir klar war, dass ich das in dem Augenblick brauchte, habe ich mich deshalb furchtbar gefühlt. Besonders, wenn du dachtest, dass du etwas falsch gemacht hast, obwohl das gar nicht der Fall war.«

»Es hilft, dass du das sagst.«

Irgendwie gelang es Taro, Dell mit seinem stechenden Blick durch das Handy hinweg festzunageln. »Aber glaubst du mir auch? Du hast nichts falsch gemacht, Dell.«

Selbstzweifel lagen im Kampf mit Taros entschlossener Feststellung. Dell blieb verwirrt zurück. »Ich möchte dir glauben.«

»Aber du hast damit Schwierigkeiten wegen…« Taros Miene wurde sanfter. »… der Freundschaft, von der du glaubst, dass du sie letztes Jahr ruiniert hast.«

»Ich habe sie ruiniert. Dazu stehe ich. Aber ich schätze ja. Ich bin davon ausgegangen, dass dein Schweigen meine Schuld ist, weil ich damals Fehler gemacht habe. Es tut mir leid, dass ich alles auf mich bezogen habe, während es dir schlecht ging. Ich wünschte, ich hätte dir helfen können.«

»Glaub mir, Cris geht es ebenso. Er hat eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass das Eindringen in meine Komfortzonen eher schadet als zu helfen, wenn ich aufgebracht bin. Inzwischen versteht er das, ohne dass ich etwas sage, aber du bist ein neuer Freund, also muss ich es erwähnen. Ich bin dir dankbar, dass du helfen wolltest, aber verstehst du, warum ich Freiraum brauchte?«

»Definitiv.« Dell konnte das vage Gefühl, dass er etwas falsch gemacht hatte, nicht abschütteln, aber das war sein persönliches Problem. Er wollte nicht, dass es seine Freundschaft zu Taro beeinflusste. »Also sind wir noch Freunde?«

Bitte.

»Natürlich sind wir noch Freunde. Und wenn du meiner Fähigkeit, nicht noch einmal abzusagen, vertrauen magst, würde ich gern noch einmal versuchen, uns zu treffen.«

Dell wollte Ja sagen, ganz eindeutig, lass uns uns treffen. Aber ihm war schon einmal abgesagt worden und er war deshalb in Panik geraten. Er war nicht sicher, ob er einem solchen Versprechen noch einmal vertrauen konnte. Doch er wollte auch nicht, dass Taro sich mies fühlte, weil er zu seinen Bedingungen mit seiner Zwangsstörung fertigwerden musste. Zuerst musste Dell seine Schwierigkeiten mit dem Thema Vertrauen in den Griff bekommen.

»Wie wäre es mit einem Kompromiss?«, fragte er. »Was, wenn wir zu der Routine zurückkehren, die uns beiden vertraut ist. Wir mailen uns eine Weile, noch eine Woche oder zwei. Reden, tauschen Geschichten aus, lernen uns besser kennen. Wenn wir uns beide zu hundert Prozent wohlfühlen, versuchen wir es noch mal persönlich.«

Die Erleichterung auf Taros Zügen festigte Dells Entscheidung. »Damit kann ich leben«, sagte Taro. »Danke für dein Verständnis.«

»Kein Problem. Ich hab's nicht eilig.«

Taros strahlendes Lächeln ließ Dell zurücklächeln. »Musst du bald auflegen? Du siehst müde aus. Schläfst du nicht gut?« Da wurde seine Miene ernst. »Du hast dir Sorgen um mich gemacht.«

»Schuldig, aber ich schlafe sowieso nicht gut.« Dell konnte nicht anders, als innerlich zu seinem morgendlichen Gespräch mit Cris zu springen und zu seiner Tendenz, zu viel für sich zu behalten, obwohl es Menschen gab, auf die er sich stützen konnte. »Mir geht einiges durch den Kopf und das hält mich nachts wach.«

»Und ich war ein weiterer Punkt.«

»Nicht mit Absicht, und das verstehe ich, das tue ich wirklich. Du kannst nichts für deine Zwangsstörung und ich kann nichts für mein niedriges Selbstwertgefühl und Verlustängste.«

Tja, verdammt, nicht einmal seinem Therapeuten im Entzug hatte er eingestanden, dass er Verlustängste hatte, seitdem sein Vater und Onkel ihn praktisch bewusstlos geprügelt und ihm dann die Polizei auf den Hals geschickt hatten. Der Verlust von Rick hatte sie weiter verschärft.

»Wenn ich mir deine Miene so anschaue«, meinte Taro, »bist du es nicht gewohnt, das jemandem einzugestehen.«

»Bin ich nicht.« Dell wollte das Handy beiseite drehen und sein Gesicht vor Taros zu einsichtigem Blick verbergen.

»Dann ist es entschieden. Wir sind beide atypische Persönlichkeiten. Wir sind perfekt füreinander.«

Taros trockene Antwort, bestehend aus drei schlichten Feststellungen, löste sämtliche Anspannung, die Dell in den vergangenen zwei Tagen mit sich herumgeschleppt hatte, und er begann zu lachen. Er lachte so sehr, dass er das Handy in den Schoß fallen ließ. Irgendwann wurde ihm bewusst, dass Taro ebenfalls lachte, und das befeuerte seine Euphorie. Dell konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal so heftig zusammen mit einem anderen Menschen gelacht hatte, und sie befanden sich nicht einmal im selben Raum.

Taro nahm sich zuerst zusammen. Er wartete geduldig, bis Dell sich beruhigt und sein Handy wiedergefunden hatte. »Du hast ein schönes Lächeln«, sagte Taro. »Und ein noch netteres Lachen.«

»Das brauchte ich, danke.« Dell wischte sich die Tränen von den Wangen. »Bewahrst du mein Geheimnis?«

»Dass du atypisch bist? Kein Problem.«

»Ja, das auch.«

»Natürlich.« Taros lächelndes Gesicht wurde für einen Moment ernst. »Alles, worüber wir reden, bleibt zwischen uns, ich verspreche es. Na ja, es sei denn, du gestehst mir, dass du eine Bank ausrauben willst oder so. Dann würde ich mich als aufrechter Bürger verpflichtet fühlen, die Polizei zu informieren.«

»Na gut, dann verspreche ich, dass ich meine zukünftigen Pläne für Banküberfälle für mich behalte. Ich möchte dich schließlich nicht in eine schwierige Lage bringen.«

Taros Augenbrauen hoben sich. »Das würdest du wirklich nicht, hm?«

»Nein…« Dell entging offenbar etwas. »Ich meine, ich habe nicht vor, irgendwelche Banken auszurauben, also stellt sich die Frage gar nicht.«

»Genau. Stellt sich nicht.« Taros Handy bewegte sich, als er sich anders hinsetzte. »Dell, kann ich dir eine persönliche Frage stellen?«

»Ich denke schon.«

»Fühlst du dich zu Männern hingezogen?«

Genau die Art Frage, von der ich nicht weiß, wie ich sie beantworten soll. Nicht einmal mithilfe der Hinweise, die ich dank Taros Erklärungen vor ein paar Wochen erhalten habe.

»Es ist kompliziert«, antwortete er. »Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Ich war in der Highschool mit einem Mädchen zusammen, weil Jungs in meiner winzigen Heimatstadt das nun mal so machen. Aber ich habe angefangen, Drogen zu nehmen, um einen hochzukriegen und so zu tun, als würde es mir gefallen. Angefangen hat's mit Gras, aber Drogenkonsum hat die Eigenart zu eskalieren, stimmt's?«

»Klingt, als wären Mädchen nicht dein Fall gewesen. Es sei denn, es ging nur um dieses Mädchen?«

»Nein, es waren Mädchen allgemein. Und ich habe während und nach der Highschool ein paar, hm, Erfahrungen mit Jungs gemacht. Ich habe sie Mädchen vorgezogen, aber es fühlte sich immer noch… Ich weiß nicht.«

»Das ist jetzt superpersönlich, also kannst du mir sagen, dass ich die Klappe halten soll«, sagte Taro. »Aber haben sich die Orgasmen mit den Jungs besser angefühlt als mit den Mädchen? Oder andersherum?«

Dell konnte nicht verhindern, dass ihm die Hitze ins Gesicht stieg – oder dass sie sich plötzlich in seinem ganzen Körper ausbreitete. Er hatte noch nie jemandem von seinen Erfahrungen mit Männern vor Rick erzählt. Er war sich nicht sicher, ob ein Skype-Anruf mit einem Typen, den er bisher genau einmal persönlich getroffen hatte, der beste Zeitpunkt war, um endlich darüber zu reden. Er könnte es Taro vermutlich sagen und würde nicht für seine Vergangenheit verurteilt werden, aber die Worte wirklich aussprechen? Seine Kehle wurde eng.

»Okay, dein Gesicht lässt mich vermuten, dass dieses Thema nicht infrage kommt«, sagte Taro. »Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verärgern.«

Er musste mehrfach schlucken, um wieder zu Stimme zu kommen. »Nicht verärgert. Nicht wegen dir. Ich rede nur lieber nicht darüber.«

»Verstanden. Dell… glaubst du, du könntest dich irgendwo im Spektrum der Asexualität bewegen?«

Das ist die Millionen-Dollar-Frage, nicht wahr? Ich bin so schon eine Enttäuschung als Sohn, der sich in einen Drogensüchtigen mit nur einer Niere verwandelt hat und schwule Pornos dreht. Ich will nicht auch noch asexuell sein. Ich möchte, dass wenigstens eine Sache in meinem Leben normal ist.

»Ich weiß es nicht«, sagte Dell schlicht. »Ich habe mich im Stillen immer als schwul angesehen, weil ich mich immer mehr zu Männern hingezogen gefühlt habe. Ich konnte mir vorstellen, irgendwann in ferner Zukunft mit einem zusammen zu sein. Aber meine Jugend war ein einziges Chaos und seitdem ich hergezogen bin, habe ich mich wegen der Versuchung praktisch von den Clubs ferngehalten. Die einzigen Männer, die ich regelmäßig sehe, arbeiten für die Website und auch, wenn ich mit ihnen allen zurechtkomme… Keine Ahnung. Ich habe mich keinem von ihnen verbunden gefühlt, bis Rick auftauchte. Wir haben dank des Drogenmissbrauchs so viel gemeinsam.«

»Rick ist der Freund, den du letztes Jahr verloren hast?«

»Ja.« Dell hatte es sich nicht zur Angewohnheit gemacht, die Angestellten seines Onkels zu outen, aber Taro konnte Rick unmöglich mit dem Pornodarsteller Adam Swift in Verbindung bringen. Nicht, dass er erwartete, dass Taro etwas mit der Information anstellen würde. Sein eigener bester Freund hatte früher zum Studio gehört.

»Wodurch hast du dich Rick verbunden gefühlt?«

»Abgesehen von unseren ähnlichen Hintergründen konnte man gut mit ihm reden. Als wir uns zum ersten Mal auf einen Kaffee getroffen haben, haben wir fünf Stunden geredet. Über alles Mögliche, außer über sehr private Angelegenheiten. Diese Dinge kamen dann mit der Zeit ans Licht, als wir gelernt haben, einander zu vertrauen.« Sie hatten eine solide, liebevolle Freundschaft aufgebaut, bevor Dell entschieden hatte, alles zum Teufel zu jagen.

»Also hast du zu Rick eine emotionale Beziehung aufgebaut, bevor es um Sex ging.«

»Ja, denke schon.« Er merkte genau, worauf Taro hinauswollte. »Aber das bedeutet nicht, dass ich mich überhaupt nicht zu jemandem sexuell hingezogen fühle. Rick war seit Jahren der erste Mensch, der mir nahegekommen ist, weil ich mich abgeschottet habe.«

»Vielleicht. Aber mit wie vielen Darstellern hast du gearbeitet, seitdem du bei Mean Green angefangen hast? Und du hast nie einen von ihnen angeschaut und gedacht: Den will ich?«

Dells Gesicht wurde warm. »Nein.«

»Hör mal, ich weiß, dass es verwirrend und ein bisschen beängstigend ist, asexuell zu sein, weil wir einen so kleinen Prozentsatz der Bevölkerung stellen und unsere Gesellschaft vollkommen von Sex besessen ist. Wer hat welchen, wer nicht und warum du nicht? Stimmt's? Aber es ist in Ordnung und es muss nicht großartig dein Leben verändern, wenn du eine neue Identität akzeptierst.«

»Das ist leicht für dich zu sagen, Taro. Du hattest jahrelang Zeit, dich daran zu gewöhnen, wer du bist, und du blutest praktisch Selbstbewusstsein über den Fußboden. Ich bin nicht wie du.«

 

Taros lockeres Lächeln wurde dünn. »Du hast keine Vorstellung, wie viel dieses Selbstbewusstseins eine Maske ist, die ich aufsetzen muss, um es durch den Tag zu schaffen. Innerlich bin ich immer noch ein einziges Durcheinander, auch wenn ich es nicht zeige. Demi zu sein, ist kein Teil dieses Durcheinanders. Es ist einfach ein Stück von dem, der ich bin und immer sein werde. Ich werde genauso wenig eines Morgens aufwachen und mich plötzlich sexuell zu Männern hingezogen fühlen, wie Cris nicht plötzlich hetero sein wird. So funktioniert das nicht. Nur weil man sich wünscht, nicht länger asexuell zu sein, wird es nicht wahr.«

Dell legte sein Handy in den Schoß, damit er die Augen schließen und die aufsteigenden Tränen in Schach halten konnte. Er wollte nicht, dass Taro ihn weinen sah. Nicht wegen etwas, von dem Dell nicht sicher war, ob es stimmte.

Ich bin nicht asexuell. Ich habe nur einfach noch nicht den Richtigen getroffen. Ich war nicht draußen unterwegs, um jemanden kennenzulernen.

»Dell? Es tut mir leid, bist du in Ordnung?«

»Ich muss auflegen, Taro.« Dell hasste sich dafür, dass er nicht das Handy aufhob, aber er konnte nicht. Nicht, wenn ihm jedes bisschen Enttäuschung und Herzschmerz vermutlich auf die Stirn geschrieben stand. »Ich schreibe dir morgen, okay?«

»Okay. Pass auf dich auf.«

»Du auch.«

Dell schaltete das Handy aus und warf es in die andere Ecke der Couch. Als es keinen Grund zur Zurückhaltung mehr gab, ließ er ein paar Tränen über seine Wangen rollen. Tränen der Frustration, Trauer und dem andauernden Wissen, dass er für seine Eltern immer eine Enttäuschung darstellen würde. Er war aus Angst und Verzweiflung zu Onkel Charles nach Harrisburg geflohen. Er hatte einen Ort zum Leben gebraucht oder wäre obdachlos gewesen. Er hatte clean werden müssen oder er wäre gestorben.

Nachdem Onkel Charles ihm beides ermöglicht hatte, war Dell dankbar gewesen. So dankbar, dass er nicht großartig darüber nachgedacht hatte, als Kameramann einzuspringen, nachdem sein Vorgänger kurzfristig gekündigt hatte, um mit seinem Freund nach Seattle zu ziehen. Onkel Charles' Vertrauen in seine Fähigkeit, den Job zu erledigen, nachdem er ein paar von Dells Privatfotos gesehen und mit ihm ein paar Übungsvideos aufgenommen hatte. Alles, was Dell jetzt hatte – von der Kleidung, die er trug, bis zu dem Kissen, auf dem er jede Nacht schlief –, hatte er Charles Greenwood zu verdanken.

Jeden Gehaltsscheck erhielt Dell, weil er half, schwule Pornos zu produzieren und zu vertreiben. Das war nichts, was seine Eltern jemals stolz machen würde. Sie würden einfach nur mehr beten und sich weiterhin fragen, was sie bei ihm falsch gemacht hatten.

Nicht, dass Dell je Gelegenheit hatte, seinen Eltern etwas zu erzählen. Sie hatten nie versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, seitdem er verhaftet worden war. Onkel Charles wurde ab und zu von einem Bruder über Neuigkeiten in der Familie informiert, aber Dell wusste nicht, ob das andersherum auch galt. Er wusste nicht, ob seine Eltern wussten oder ob es sie interessierte, ob er lebte oder tot war, und das tat weh. Es war nicht wichtig, wie es zwischen ihnen zu Ende gegangen war, sie waren seine Eltern und er liebte sie immer noch. Er wollte immer noch, dass sie stolz auf ihn waren.

Jetzt werden sie bestimmt nie stolz auf mich sein.

Dieser düstere Gedanke ließ ihn umso heftiger weinen. Und während er von seinem Kummer verzehrt wurde, merkte Dell, dass er sich nach Taros warmem, freundlichem Lächeln sehnte.

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